Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 60 / IX / 2011

GEMISCHTER SATZ – IN MEMORIAM FRIEDRICH BREIN

Es fällt schwer, einen Nachruf zu schreiben – insbesondere, wenn man persönlich betroffen ist. Und das sind wir Verfasser zweifelsohne. Jeder von uns ist von Friedrich Brein auf die eine oder andere Art geprägt worden. Dies war zwar eigentlich nicht seine unmittelbare Absicht, dennoch war es ihm ein Anliegen und auch Vergnügen (so hoffen wir doch), den Kontakt zu uns zu pflegen und uns ,wissenschaftlich zu formen'. In diesem Sinne wollten wir als Schüler/Kollegen Manches zusammentragen, an das wir uns gerne erinnern, und diese Erinnerungen mit anderen, die Fritz Brein gar nicht oder anders kennenlernten, teilen.

1. Vita und beruflicher Werdegang
2. Friedrich Brein als Funktionär der Universität Wien
3. Friedrich Brein und seine Lehrtätigkeit
4. Friedrich Brein und die Archäologische Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien
5. Friedrich Brein zwischen Artemision und Koressos
6. Friedrich Brein und „Die Leibesübungen im alten Griechenland“
7. ‚Breinos kalos‘ – Die vielen Interessen des Friedrich Brein
Nachwort


Zur Einleitung

Wikipedia: „Gemischter Satz ist die Bezeichnung für Wein, der sich aus unterschiedlichen Rebsorten aus einem Weingarten zusammensetzt. […] In Wien gibt es Winzer, die sich auf den Gemischten Satz spezialisiert haben.”
Friedrich Brein war nicht nur ein ausgezeichneter Kenner aller Bereiche der Archäologie sondern auch ein leidenschaftlicher Weinbauer. Diesem zeitintensiven Hobby kam er in seinem Weinberg am Bisamberg in Wien nach. Dort wurde jedoch nicht nur Wein gemacht, sondern diesem auch von uns allen, manchmal durchaus lebhaft, zugesprochen. Dabei fehlten nie – einem antiken Symposion ähnlich – die entsprechenden archäologischen, botanischen, mythologischen, philologischen und literarischen Diskussionen sowie sprachwissenschaftliche Exkurse, auch in die verschiedenen österreichischen Idiome. Manche böse Zungen behaupten jedoch, dass deswegen so viel geredet wurde, um weniger von dem manchmal durchaus spritzigen Wein trinken zu müssen.


1. Vita und beruflicher Werdegang

Friedrich Brein wurde am 20. März 1940 als Sohn des Tischlers Johann Brein (* 27.12.1910) und der Verwaltungsbediensteten der österreichischen Post- und Telegraphendirektion Stefanie Brein (* 27.12.1913) in Wien geboren. Ab Herbst 1946 besuchte er die Volksschule der Schulbrüder in Wien XVIII und ab 1950 das Bundesrealgymnasium mit Darstellender Geometrie in Wien XVIII, wo er am 28. Mai 1958 die Matura ablegte.
Danach begann er ein Studium der Klassischen Archäologie, Alten Geschichte und Klassischen Philologie an der Universität Wien, und zwar mit dem zweifachen Ziel eines Doktorats aus Klassischer Archäologie und Alter Geschichte und des Lehramts aus Griechisch und Latein. Daneben belegte er auch Lehrveranstaltungen aus Kunstgeschichte, Deutscher und Romanischer Philologie sowie Indogermanistik. Besonders beeinflussten ihn die Professoren Fritz Eichler, später Hedwig Kenner, Artur Betz und Fritz Schachermeyr, Albin Lesky und Walther Kraus.
Im damaligen Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik, dem Nachfolgeinstitut des von Alexander Conze und Otto Hirschfeld gegründeten
Archaeologisch-Epigraphischen Seminar, fand er die besten Voraussetzungen für eine umfassende altertumswissenschaftliche Ausbildung vor, zumal die fachnahen Institute wie Klassische Philologie und Sprachwissenschaft im wahrsten Sinne des Wortes ‚um’s Eck’ waren.
Die Ernennung von Kenner zur Ordinaria für Klassische Archäologie an der Universität Wien führte im Jahr 1961 dazu, dass die von Kenner seit 1936 eingenommene Assistentenstelle am Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik frei geworden war. In Absprache mit Kenner bewarb sich der in seinem siebenten Semester befindliche Dokoratsstudent Brein am 6. Dezember 1961 um diese Stelle. Noch am selben Tag schlugen die drei Professoren des Instituts Schachermeyr, Kenner und Betz mit dem Bemerken, im Augenblick sei kein Absolvent der Klassischen Archäologie mit Doktorgrad verfügbar, der die Eignung zum Assistenten der archäologischen Lehrkanzel aufweisen könnte, an höherer Stelle vor, den jungen cand.phil. Brein vorläufig als wissenschaftliche Hilfskraft auf dem vorhandenen Assistentenposten anzustellen. Nach der Promotion solle Brein dann die Assistentenstelle einnehmen.
Schon am 2. Jänner 1962 konnte Brein die Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft antreten, bei welcher er vor allem Verwaltungs- und Bibliotheksarbeiten zu erledigen hatte. Nach dem Abschluss seiner Dissertation mit dem Titel „Der Hirsch in der griechischen Frühzeit“ – diese Arbeit wurde einige Jahre später als 34. Band der Dissertationen der Universität Wien gedruckt und wirkt nach wie vor auf aktuelle Forschungen – promovierte er am 10. Juli 1964 im Fach Klassische Archäologie in Verbindung mit Alter Geschichte und wurde am 1. August 1964 als Doktor der Philosophie „Hochschulassistent“ am Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik der Universität Wien.
In dieser Funktion hatte er bald mehr als 500 Studierende der archäologischen Lehrkanzel und in gewissem Umfang auch ca. 1700 Hörer der mit dieser Lehrkanzel zu einem Institut vereinigten zwei althistorischen Lehrkanzeln zu betreuen. Auch die Archäologische Sammlung mit einer großen Fotothek, einer ca. 15000 Dias umfassenden Diathek und einer der größten Gipsabgusssammlungen Europas fiel in seine Kompetenz. Ferner oblag ihm die Betreuung regelmäßig anwesender ausländischer Stipendiaten und der ca. 50000 Bücher umfassenden Institutsbibliothek.
Ein dreimonatiges Stipendium verschaffte ihm die Möglichkeit, Griechenland gründlich kennen zu lernen. In zahlreichen weiteren Studienreisen erwarb er sich gute Kenntnisse der Museen und Ausgrabungsstätten in Italien, im ehemaligen Jugoslawien, in Griechenland und im übrigen Südosteuropa mit Ausnahme Albaniens, in der Türkei, im noch unbesetzten Zypern und im damaligen Westdeutschland. Darüber hinaus machte er sich mit wichtigen Denkmälern in Luxemburg, Dänemark und England vertraut.
Seit dem Studienjahr 1971/72 war er regelmäßig als Lehrbeauftragter im vier Semester umfassenden Grundstudium (1. Studienabschnitt) tätig, vertrat daneben fallweise aber auch die Ordinaria Kenner in Seminaren und Übungen und wirkte bei der Vorbereitung und Durchführung von Exkursionen mit. Bereits 1972 wurde Brein, noch als Hochschulassistent, korrespondierendes Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts.
Mit 1. August 1974 wurde er auf Antrag des Professorenkollegiums der Philosophischen Fakultät zum „Oberassistenten“ befördert.
Brein hatte an sich vor, seine Habilitationsschrift zum Thema „Die griechische Tracht im 5. und 4. Jh. v. Chr.“ zu verfassen, doch gab er dieses Vorhaben später zugunsten seiner sporthistorischen Forschungen auf. Diese hatte er schon im Auftrag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften seit den 1960ern durch die Herausgabe des nachgelassenen Werkes von Julius Jüthners „Die athletischen Leibesübungen der Griechen“ betrieben und später durch seine Habilitationsschrift „Die Leibesübungen im alten Griechenland“ intensiviert (s. unten).
Nachdem im Laufe des Studienjahres 1981/82 das Habilitationsverfahren für Brein positiv verlaufen war und er am 23. August 1982 die Lehrbefugnis für das Fach Klassische Archäologie verliehen bekommen hatte, stellte er am 15. November 1982 einen Antrag auf Überleitung in ein dauerndes Dienstverhältnis, der vom zuständigen Ministerium am 14. Februar 1983 mit Wirksamkeit vom 1. März 1983 genehmigt wurde. Man schätzte Brein als loyalen Mitarbeiter und dessen Gabe, wissenschaftliche Probleme sachlich-knapp und in jeder Weitschweifigkeit abholden Diktion auf das Wesentliche zu reduzieren – ohne zu simplifizieren – und in klaren Worten darzustellen. Außerdem war sein gutes Verhältnis zu den Studierenden, die er zu eigenen kritischen Überlegungen veranlasste und ihnen auch außerhalb der Lehrveranstaltungen Hinweise und Ratschläge gab, ein Grund für seine Definitivstellung.
Die Jahre danach waren vor allem geprägt von Breins Tätigkeit für die Universität Wien in unterschiedlichen Gremien des Akademischen Senats (s. unten), ohne dass er dabei seine vorzügliche Lehre bzw. die Betreuung von Diplomarbeiten und Dissertationen weder dem Umfang nach noch in der Qualität reduzierte. Seine eigenen wissenschaftlichen Publikationen nehmen allerdings von da an merklich ab – das Leben eines engagierten Universitätsfunktionärs und -organisators fordert nur in den seltensten Fällen keine Opfer auf wissenschaftlichem Gebiet.
Brein war aber kein ‚Schreibtischtäter‘: Er kannte die archäologische Feldarbeit, wenn auch zumeist mit der Bearbeitung von Fundmaterial betraut, durch eigene Teilnahme an den Ausgrabungen in Aguntum (1959/60), am Magdalensberg (1961–64) und im Artemision von Ephesos (1972–81) (s. unten).
Mit 31.3.2000 schied Brein aus dem Dienststand der Universität aus und trat in den Ruhestand, hielt aber weiterhin Lehrveranstaltungen.
Am 1. März 2011 verstarb Friedrich Brein nach längerer Krankheit, letztlich aber doch überraschend. Er hinterlässt seine Frau Ilse, mit der er seit 1967 verheiratet war, sowie zwei Söhne, Laurenz und Georg, mit Familien. Wir verlieren mit ihm eine Forscherpersönlichkeit, die seine jeweiligen Institute und die Fakultät durch viele Jahre hindurch in der universitären Selbstverwaltung maßgeblich vertreten hat. Seine Schülerinnen und Schüler und damit eine ganze jetzt in Österreich in diversen Ämtern, Universitäten und Akademieinstitutionen befindliche Generation, wird ihn als engagierten Lehrer und Kollegen vermissen.
Er ist auf dem Friedhof Strebersdorf im 21. Wiener Gemeindebezirk, Anton-Haberzeth-Gasse 6, bestattet.


2. Friedrich Brein als Funktionär der Universität Wien

Friedrich Breins maßgebliche Rolle als Universitätsfunktionär setzte mit Inkrafttreten des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 ein. Ab dem Studienjahr 1976/77 war er bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst in der geisteswissenschaftlichen Fakultät als Vertreter der Angehörigen des Mittelbaues aktiv. Engagiert arbeitete er in verschiedensten Kollegialorganen mit. So war er viele Jahre Mitglied der Institutskonferenz und der Studienkommission, deren Vorsitzender (bzw. Studiendekan) er lange Zeit war. Durch seine gute Kenntnis der einschlägigen Vorschriften und Bestimmungen war er oftmals eine unentbehrliche Hilfe. Vor allem an der Ausarbeitung der Studienordnung und des Studienplanes der Klassischen Archäologie hatte er großen Anteil gehabt und wusste, aus mancher Aporie einen Ausweg zu zeigen. Einige Zeit lang war er auch Stellvertreter des Präses des Prüfungssenates zur Abhaltung von Diplomprüfungen für die Studienrichtung Klassische Archäologie an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät.
Im Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik der Universität Wien war Brein in umfassender Weise in den Altertumswissenschaften ausgebildet worden. Er war stets ein Verfechter der engen Zusammengehörigkeit dieser Fächer und der Einheit dieser Institution. Als zu Beginn der 1980er Jahre Diskussionen um die Trennung dieses Instituts in zwei unabhängige Einheiten geführt wurden, bezog er aus tiefster Überzeugung und mit guten Argumenten klar Stellung dagegen.
Im 1984 neu geschaffenen
Institut für Klassische Archäologie, dem er aus fachlichen Gründen zugeordnet wurde, war er deswegen anfangs etwas ‚isoliert’. Er zog sich aber nicht in die innere Emigration zurück, sondern nutzte den dadurch entstandenen Freiraum für seinen von vielen gewürdigten Einsatz um die Universität und erarbeitete sich im Kreise der Professorenschaft große Anerkennung.
Ab dem Studienjahr 1982/83 war Brein Mitglied aus dem Kreis der Universitätsdozenten im Akademischen Senat. Das führte dazu, dass er seine Funktion als Vorsitzender der Lehrauftragskommission im Dezember 1983 zurücklegte, weil er nach seiner Wahl in den Akademischen Senat nicht mehr ausreichend Zeit für diese Tätigkeiten aufbringen konnte.
Ob als Vertreter des Mittelbaus in der Fakultät oder im Akademischen Senat: Seine umfangreichen Sachkenntnisse waren bei allen anerkannt, ebenso seine Verlässlichkeit, durch die er sich von so manchem ‚Gschaftlhuber’ positiv abhob; Allgemeininteressen stellte er stets gegenüber Eigeninteressen in den Vordergrund; wo immer er konnte, gab er hilfreichen Rat; wegen seines umfassenden Wissens zu allem und jedem geschah dies ziemlich oft, und zwar auch im privaten Umfeld, wo der Kontakt mit ihm – trotz oder vielleicht sogar wegen der ihm nachgesagten Schrulligkeit – oft besonders interessant war. Nicht selten kam man bei – seinem – Wein zusammen, und manche Basis hochschulpolitischer Zusammenarbeit baute sozusagen auf den Fundamenten seines Weinkellers auf.
Mit den Jahren wuchsen die Aufgaben von Brein im Senat bzw. in Arbeitsgruppen und Kommissionen des Akademischen Senats. So war er beispielsweise im Studienjahr 1991/92 in der Senatskommission für Hochschultaxen bzw. für Pädagogische Ausbildung für Lehramtskandidaten, in der Senatslehrauftragskommission und in der Ständigen Kommission für Autonomie und Organisationsfragen (1991/92 bis 1993/94) aktiv. Von 1991/92 bis 1997/98 war er Vorsitzender des Finanzausschusses des Akademischen Senats für die autonome Gebarung der Universität Wien, die z. B. über die Verwendung der Gebarungsüberschüsse der WIHOK (Wiener Internationale Hochschulkurse) entschied, ab 1992/93 ferner Mitarbeiter in der Kommission für Ehrungen/Ehrenzeichenkommission, in der Kommission für überfakultäre Lehre und Lehraufträge des Akademischen Senates und in der Kunstkommission, in welcher beispielsweise in den 1990ern auch über die Entfernung des „Siegfriedskopfes“, einem Denkmal für die im 1. Weltkrieg gestorbenen Studierenden und Lehrenden der Universität Wien, aus der Aula hitzige Debatten stattfanden.
An der ‚Abschiedsveranstaltung‘ des Akademischen Senats nach UOG 1975 (das UOG 1975 wurde vom neu in Kraft tretenden, die Universitäten grundlegend verändernden UOG 1993 abgelöst) nahm Brein ebenfalls teil; sie führte im Jahr 1996 nach Ephesos. Die Art und Weise, wie er sich anlässlich von Führungen in den Ruinen von Ephesos in die Diskussionen der Mitreisenden, zu denen etwa Rektor Alfred Ebenbauer, Gustav Reingrabner, Dekan der evangelisch-theologischen Fakultät von 1996 bis 1999, und sein langjähriger Kollege Ekkehard Weber zählten, in unnachahmlicher Weise durch seine süffisant kritischen, nie aber unsachlichen Kommentare in die Diskussion einbrachte, ist manchen ehemaligen Senatsmitgliedern bis heute unvergessen und hat beigetragen, diese Reise zu einem „fantastischen Erlebnis“ gemacht zu haben.
Auch dem im Jänner 1994 gegründeten Club der Universität Wien, heute Alumniverband der Universität Wien, stand er Mitte der 1990er Jahre als Vorstandsmitglied verdienstvoll zur Verfügung.


3. Friedrich Brein und seine Lehrtätigkeit

Friedrich Breins universitäres Leben war sicherlich überdurchschnittlich stark von seiner
Lehrtätigkeit geprägt. Seit 1971 bot Brein – alternierend pro Studienjahr – regelmäßig die im Studienplan verpflichtend vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen „Einführende Übungen zur griechisch-römischen Kunstmythologie“ (I und II) und „Antike Realien“ (I und II) für das Grundstudium an (zwei Stunden pro Semester). Als die Hörerzahlen exorbitant stiegen und um die Aufrechterhaltung eines ordentlichen Lehrbetriebes zu gewährleisten, mussten diese Lehrveranstaltungen ab dem WS 1976/77 jedes Semester parallel angeboten werden, sodass Brein vier Stunden pro Semester unterrichtete.
Um den Einsatz Breins in der Lehre richtig bewerten zu können, ist ein Blick auf die Hörerzahlen seiner Lehrveranstaltungen hilfreich (entnommen dem Antrag von Prof. H. Kenner auf Neufestsetzung der Dienstpflichten von Brein vom 25. November 1977):

WS 1971/72    69 SS 1972   46
WS 1972/73   52 SS 1973   80
WS 1973/74   98 SS 1974   107
WS 1974/75   126 SS 1975   139
WS 1975/76   230 SS 1976   205
WS 1976/77 Kunstmythologie I: 152
Antike Realien I: 132
284 SS 1977 Kunstmythologie II: 139
Antike Realien II: 117
256

Waren die kunstmythologischen Proseminare im WS regelmäßig den Göttern und den sie betreffenden Sagen gewidmet, so thematisierte er im SS stets heroische Sagenkreise, die griechischen Nationalheroen Herakles und Theseus, die Landschaftssagen, die Argonauten, den Trojanischen Krieg und die Odyssee. In den Realien-Kursen behandelte er Themen wie Tracht, Bewaffnung, Hauswesen und agonistische und musische Agone. Die Agonistik hat er immer wieder in der Lehre vermittelt, zuweilen auch unter Titeln, die der Dichtkunst entlehnt waren, wie der Titel des Proseminars im WS 1991/92 „Zum Kampf der Wagen und Gesänge!“ (Friedrich Schiller, Die Kraniche des Ibykus [1797] V. 1) zeigt.
Die Lehrveranstaltungen Breins waren stets gut besucht und bereiteten die Studierenden bestens auf den zweiten Studienabschnitt vor: Er legte die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens nachvollziehbar dar, führte in die Methoden des Faches ein und leitete die Studierenden gekonnt zum selbständigen Arbeiten an. Stets animierte er durch subtiles Nachfragen zum genauen Schauen und Überlegen, ob das soeben Gesagte auch wirklich der Realität entsprach. Auf der Basis seiner profunden Kenntnis über den jeweils vergleichbaren antiken Denkmälerbestand entwickelte er eine Unterrichtsmethode, die den Studierenden bald klar machte, dass sie sich keine Lücken in ihrem Wissen und ihrer Argumentation leisten sollten, wollten sie nicht – für sie zwar peinlich, aber stets höflich und nicht beleidigend – auf ihre Fehler in fast väterlicher Form hingewiesen werden.
Das wussten nicht zuletzt die am Institut tätigen Professorinnen und Professoren hoch zu schätzen, und da auch die Personalkommission am 5. Dezember 1977 in einem Beschluss festgehalten hatte, dass Brein eine der Habilitation gleichzuhaltende praktische Eignung besitze, wurden im Rahmen eines Verfahrens auf Weiterbestellung für die Zeit vom 1. August 1978 bis 31. Juli 1982 Breins Dienstpflichten insofern neu geregelt, als er nun überwiegend im wissenschaftlichen Lehrbetrieb zum Einsatz kam.
Außerplanmäßig bot er im Studienjahr 1977/78 zwei jeweils einstündige sog. Arbeitsgemeinschaften an, die sich mit Plinius dem Älteren und der monumentalen Überlieferung beschäftigten.
Unmittelbar nach seiner Habilitierung 1982 begann er, sich in der Lehre verstärkt der Archäologischen Sammlung zu widmen, indem er die Originale der Sammlung zum Thema machte. Die Kunst Zyperns, vor allem die Keramik, faszinierte ihn wie auch seine Schülerinnen und Schüler immens, wobei sowohl die ‚hauseigenen’ Bestände der Archäologischen Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie als auch die der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums herangezogen wurden. Für junge Studierende war es aufregend und anspornend zugleich, in den Depots dieses traditionsreichen Hauses unterrichtet zu werden.
Ab WS 1984/85 las er einen Zyklus zur Kunst der Etrusker. Auch die antike Bodenkultur und der attische Kalender waren in das Zentrum von Breins – und damit seiner Studierenden – Aufmerksamkeit gerückt, sicherlich beeinflusst von seinen eigenen landwirtschaftlichen Unternehmungen, bezeichnete sich Brein seit 1969 ja selbst als Nebenerwerbslandwirt.
Dass es Brein verstand, die Altertumskunde, unterschiedlichste Aspekte der Realienkunde sowie Naturwissenschaften im weitesten Sinne miteinander zu verbinden, wird seine Schülerinnen und Schüler nicht verwundern. Exkurse über Botanik, Chemie und manchmal auch mathematische Lösungsansätze waren Teil vieler Proseminare. Auch die Zoologie und die regionale Geologie wurden häufig angesprochen. In der Tradition des Wiener Instituts stehend, musste eine Definition der Archäologie als Teilbereich der Klassischen Altertumswissenschaften und damit als prinzipiell geisteswissenschaftliche Disziplin nicht zur Beschränkung oder Konzentration auf das antike Kunstschaffen im Sinne Winckelmanns führen. Zum Verständnis der antiken Kulturen sollten vom Archäologen nach Möglichkeit alle verfügbaren Quellengattungen herangezogen werden.
Seine Seminare für seine zahlreichen Diplomanden und Dissertanten hatte er seit dem WS 1989/90 regelmäßig unter dem Titel „Altmodische Archäologie“ angeboten. Dieser Titel wurde wahrscheinlich als Anspielung auf die in Wien wiederholt von Anton Bammer angebotenen Seminare zur New Archaeology gewählt, welche verschiedenen Strömungen der prozessualen und postprozessualen Archäologie gewidmet waren.
Obwohl sich Brein ‚modernen Strömungen‘ nicht verschloss – das zeigt ja auch sein Vorgehen bei der Bearbeitung mancher Fundgruppen (s. unten) –, brachte der Ausdruck ‚modern‘ immer ein verschmitztes Lächeln auf seine Lippen. Er sah sich gerne ‚altmodisch‘. Das entsprach auch, wie es schon zur Sprache kam, seinem Zugang zur archäologischen Forschung: objektbezogen und allgemein altertumskundlich ausgerichtet, ohne in ein ‚Kasteldenken‘ abzugleiten. „Anschauen – beschreiben – und erst dann vergleichen und nachlesen, was andere dazu sagen“ – das war Breins Vorgehensweise bei seiner Art der ‚altmodischen' Bearbeitung von Objekten. So erschien es passend, für seine Festschrift zum 60. Geburtstag ebenfalls den Titel "Altmodische Archäologie", der uns durch Semester begleitet hatte, zu wählen.
Dass diese Festschrift auf einer CD-Rom bzw. im Internet erschien (obwohl er selbst ausschließlich auf einer alten mechanischen [!] Schreibmaschine schrieb und niemals einen Computer anfasste), ist wohl die Folge des von Brein selbst immer wieder von seinen Schülerinnen und Schülern geforderten Beschreitens eigener Wege.
Unvergessen werden auch seine Vorlesungen über „Irden – schlechte Töpfe“ bleiben, deren Untertitel „Weitere Bruchstücke einer Angeiologie“ auf das Gebiet der Inneren Medizin und damit der Gefäßerkrankungen verwies.
Stets forschungsbezogen und -geleitet gestaltete Brein seine Lehre. Daher überrascht es nicht, dass er just in jenen Jahren, in denen er in Pleuron und Oiniadai Forschungsprojekte durchführte (s. unten), Lehrveranstaltungen zu Aitolo/Akarnanien und zum antiken Theaterwesen anbot.
Nachdem im Zuge einer Studienplanreform die Lehrveranstaltung über „Antike Realien“ abgeändert werden musste, bot er seither „Schauen und Vergleichen“ an, ein Proseminar, das er stets an Originalen und Gipsabgüssen der Archäologischen Sammlung abhandelte.
Für einen überzeugten Lehrer ist es nicht erstaunlich, dass Brein auch nach seiner Pensionierung weiterhin Lehrveranstaltungen hielt, nicht nur an der Universität Wien sondern auch am Institut für Archäologie an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Für ‚Generationen’ von Studierenden unvergessen werden seine Exkursionen bleiben, die u.a. nach Pompeji und Unteritalien, Etrurien, Athen und Attika und Aitolo/Akarnanien führten.


4. Friedrich Brein und die Archäologische Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien

Seit 1982 war Friedrich Brein Leiter einer Arbeitsgemeinschaft „Archäologische Sammlung“ nach UOG § 48/3 und zuständig für die Restaurierung und Neuaufstellung der Objekte, die Erstellung eines Kataloges, die vermehrte Heranziehung der Sammlung für den wissenschaftlichen Unterricht und die Nutzbarmachung für die Allgemeinheit. Durch die im Jahr 1984 erfolgte rechtlich-organisatorische Trennung des Instituts für Alte Geschichte und Klassische Archäologie – so lautete der Name des Instituts seit der Einführung des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 – in zwei eigenständige Institute war dieser Arbeitsgemeinschaft aber nur ein kurzes Leben bestimmt.
Nach dem Umzug der Archäologischen Sammlung in die neuen Räumlichkeiten in der Franz Klein-Gasse im Sommer 1989, der damit verbundenen Neuaufstellung der Gipse und Originale und einer umfangreichen Restaurierungskampagne wurde Brein 1993 wieder mit der Leitung des Museums (= die Archäologische Sammlung) betraut, wobei er für die Koordinierung der weiteren Restaurierungsarbeiten, die Herausgabe von Führungsblättern und die Erstellung einer
Sammlungsgeschichte sorgen sollte. Unter seiner Leitung wurden die verschiedenen „alten“ und „neuen“ Inventarbücher in eine Datenbank übertragen und Standortverzeichnisse der Gipsreliefs, später auch der Originale angelegt. Gegen Ende seiner Tätigkeit entstand auch die erste Version einer Sammlungshomepage. Dieses letzte Jahrzehnt von Breins Wirken in der Archäologischen Sammlung war aber nicht nur durch die beginnende Digitalisierung der Sammlungsdokumentation geprägt, sondern vor allem durch die Publikation von Teilen der Originalsammlung.
Im Jänner 1997 erschien der erste Band der „Kataloge der Archäologischen Sammlung“ mit dem Titel „Kyprische Vasen und Terrakotten“. Die Präsentation fand in den Räumen der Archäologischen Sammlung der Universität Wien statt und wurde ausgiebig mit Rebensaft aus dem Weingarten Breins in Strebersdorf begossen.


Die Katalogreihe (insgesamt sollten zwischen 1997 und 1999 drei Bände erscheinen) war das Ergebnis langer Vorarbeit.
Den Impuls zum Katalogprojekt gab Brein in einer seiner Lehrveranstaltungen. Die Archäologie der Insel Zypern hatte sich zu einem Schwerpunkt seiner Lehrtätigkeit entwickelt. Immer wieder beschäftigte er sich mit der Landeskunde, der Kultur und der Kunst der Insel im östlichen Mittelmeer, die stets Drehscheibe des kulturellen Austausches zwischen Orient und Okzident war. Anlässlich seiner Vorlesung „Kyprische Kunst“ im Wintersemester 1994/95 führte Brein seine Studenten zu einer kurz davor eingeräumten Vitrine mit Kypriaka, die neben der Tür zu seinem Büro in der Archäologischen Sammlung aufgestellt war. Er stellte, scheinbar beiläufig, wie es so seine Art war, die Frage, ob jemand denn wohl Interesse daran hätte, an der Publikation der bronze- bis eisenzeitlichen Vasen und Terrakotten teilzunehmen. Drei Studenten hoben die Hand. Ob der „Meister“, wie ihn einige seiner Schülerinnen und Schüler respektvoll nannten (eine Anlehnung an die gleichnamige Romanfigur von Michael Bulgakow schwingt hier nicht ganz zufällig mit), von dieser Auswahl zu dem gegebenen Zeitpunkt sehr begeistert war, lässt sich bezweifeln. Schon auf die Frage, ob denn jemand eine Ahnung vom Keramikzeichnen hätte, erntete er nur betretenes Kopfschütteln. Dieser Moment kann als die Konstituierung einer – Zeit ihrer Existenz höchst inoffiziellen – „Arbeitsgruppe Archäologische Sammlung“ angesehen werden, die allerdings in den Sukzessionswirren, die der Pensionierung Breins am Institut für Klassische Archäologie folgten, höchst offiziell aufgelöst wurde.
Brein war ein ausgezeichneter Lehrer, der seine Schülerinnen und Schüler durch ruhiges, aber konsequentes Nachfragen zum Weiterdenken anregte. Er erwies sich im Katalogprojekt, das bald zunehmend an Form gewann, auch als ausgezeichneter Projektleiter. Seinen Mitarbeitern ließ er viel Gestaltungsraum, definierte aber mit unantastbarer Autorität die Qualitätsvorgaben. Wie in seinen Lehrveranstaltungen vermittelte Brein methodische Strenge und hielt seine Mitarbeiter stets dazu an, Deskription und Interpretation strikt voneinander zu trennen. Er sah sich in der Tradition der fachübergreifenden „Wiener Archäologischen Schule", wie sie vor der – von ihm heftig abgelehnten – Trennung der Institute für Klassische Archäologie und Alte Geschichte im Jahr 1984 existiert hatte und die auch eine historisch orientierte Geographie im Sinne Ernst Kirstens, der zwischen 1970 und 1981 in Wien gelehrt hatte, umfasste. Auf dieser Basis wurde das Katalogprojekt entwickelt, das sämtliche in der Archäologischen Sammlung befindliche Keramik chronologisch und regional geordnet vorlegen sollte. Die Publikation wollte nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch dem Stand der Zeit entsprechen. Als Glücksfall erwies sich die Zusammenarbeit mit der Medienabteilung des Instituts, der Fotograf Clemens Kneringer sorgte für qualitativ hochwertiges Bildmaterial, die Fotografin Andrea Sulzgruber für ebensolche Digitalisate.
Ein weiterer Glücksfall war, dass der erste Katalogband bald nach seinem Erscheinen eine kurze, aber sehr positive Besprechung durch Paul Åström, einen herausragenden Vertreter der Archäologie des (ost-)mediterranen Raumes, erfuhr (Journal of Prehistoric Religion 11/12, 1998, 90). Dadurch wurde der Katalog einer kleinen, in der Welt der kyprischen Archäologie bislang weitgehend unbekannten Sammlung einem internationalen Publikum bekannt gemacht. Band 1 wurde ein Verkaufserfolg und spielte ausreichend Geld auf das Konto der Archäologischen Sammlung, um das Weiterführen des Katalogprojekts zu rechtfertigen.
Als nächster Katalogband erschien ein Sonderheft über den Wiener Archäologen Emanuel Löwy. Im Vorwort schildert Brein als Herausgeber die Gründe für die Wahl dieses Themas.
Eines Morgens, als die Arbeiten zum Sonderheft bereits in vollem Gange waren, bat Brein seine Mitarbeiter in sein Büro und stellte ihnen Lydia Marinelli vor, Kuratorin des Sigmund Freud Museums in der Berggasse im 9. Wiener Gemeindebezirk. Das Museum plane eine Ausstellung zur Antikensammlung Freuds und wolle auch dessen freundschaftlichen Beziehung zum Archäologen Emanuel Löwy besonderes Augenmerk widmen. Die Arbeitsgruppe wurde eingeladen, die Konzeption der Ausstellung und die Erstellung des Objektkataloges archäologisch zu begleiten. Brein hat diese Zusammenarbeit mit dem Freud Museum mit seinem umfangreichen Wissen, seinen Anregungen und seiner Kritik tatkräftig unterstützt. So gingen die Arbeiten zu beiden Projekten nahezu parallel von statten und befruchteten sich gegenseitig. Das Sonderheft der Archäologischen Sammlung versuchte Schwerpunkte in der Arbeit Löwys herauszuarbeiten, die Beiträge zum Katalog des Museums sollten der gegenseitigen Beeinflussung der beiden Gelehrten Löwy und Freud nachspüren und eine archäologisch korrekte Beschreibung der Exponate und der Freud’schen Antikensammlung beistellen.
Das Sonderheft „Emanuel Löwy. Ein vergessener Pionier“ erschien im Jänner 1998, der Katalog des Freud-Museums wurde bei der Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung am 17.11.1998 präsentiert (L. Marinelli [Hrsg.], Meine ... alten und dreckigen Götter – Aus Sigmund Freuds Sammlung. Katalog zur Ausstellung im Sigmund Freud Museum Wien 9, Berggasse 19, 18.11.1998 bis 17.2.1999). Es ist bezeichnend für Friedrich Brein, dass sein Name nirgendwo in diesem Katalog zu finden ist: er begriff sich als Ratgeber und Mentor seiner Schülerinnen und Schüler, betonte jedoch stets deren Eigenverantwortung als wissenschaftliche Autoren.
Im Herbst 1999 konnte der dritte und bislang letzte Band „Bronzezeitliche und geometrische Keramik. Archaische Lokalstile“ präsentiert werden. Das Procedere hatte sich mittlerweile schon eingespielt: Zunächst wurden die Vasen im Originalzustand dokumentiert und anschließend von Edith Trnka gereinigt und restauriert. Danach fotografierte Kneringer alle Objekte und es begann die archäologische Dokumentation in Text und Bild. Zum Schluss wurde eine digitale Druckvorlage erstellt und an die Universitätsdruckerei übermittelt, wo man mittlerweile schon gelernt hatte, mit den ‚schwierigen‘ (weil sehr qualitätsbewussten) Brein’schen Archäologen umzugehen.
Seit der Pensionierung Breins im Frühjahr 2000 sind keine Sammlungskataloge mehr erschienen. Kurz vor Ende seiner Dienstzeit konnte er noch eine nicht unbedeutende Förderung seitens des Akademischen Senats der Universität Wien lukrieren, mit der ein Basisinventar der Originalsammlung erstellt wurde. Die Arbeiten dazu wurden Anfang 2001 abgeschlossen.


5. Friedrich Brein zwischen Artemision und Koressos

Von 1972 bis 1981 (mit Unterbrechungen 1974 und 1978) lag die Bearbeitung aller Kleinfunde des Artemisions von Ephesos in den Händen von Friedrich Brein. Anton Bammer, der damalige Grabungsleiter des Artemisions, betrachtete Breins Mitwirkung als großen Gewinn für das Artemisionprojekt: „Nach diesem großen Anfall von Kleinfunden konnte ich die Fundbearbeitung allein nicht mehr bewältigen und so wurde für 1972 Fritz Brein, Assistent am Institut für Alte Geschichte und Archäologie in Wien, mit der Bearbeitung der Kleinfunde, insbesondere der Keramik betraut“ (A. Bammer, Das Heiligtum der Artemis von Ephesos [Graz 1984] 65).
Aus der Arbeit im Artemisionprojekt entwickelten sich konkrete Fragestellungen. So widmete Brein den Methoden der Herkunftsbestimmung westanatolischer Keramik einen Kongressbeitrag. Er plädierte dafür, die stilistische Gruppierung ionischer Gefäßgruppen und die darauf beruhende Verbindung mit unterschiedlichen Regionen und Produktionsstätten durch empirische Methoden zu überprüfen. Brein zeigte damit sein Interesse an naturwissenschaftlicher Methodik zu einer Zeit, als Fliesenzange und Mikroskop noch nicht zum unverzichtbaren Werkzeug des Grabungs-Keramikers gehörten. Das subjektive Empfinden des Keramikbearbeiters sollte durch standardisierte Farbbeschreibung und chemische Tonanalysen begrenzt werden, und manches, was damals als Problem der Keramikforschung angesprochen wurde, ist auch heute noch gültig: „Die in Ephesus gefundenen Tierfriesvasen zeigen eine große stilistische und technische Vielfalt, die es fast unmöglich erscheinen lässt, ohne chemische Untersuchungen lokale Gruppen festzustellen.“ (F. Brein, Probleme der westanatolischen bzw. ostgriechischen Keramik, in: Deutscher Archäologen-Verband e.V. [Hrsg.], Bericht vom Symposion des Deutschen Archäologen-Verbandes, Vasenforschung nach Beazley, Tübingen, 24.-26.11.1978 [Mainz 1979] 47). Die Anwendung naturwissenschaftlicher Methodik sollte aber nach eigener Definition als Mittel verstanden werden, um signifikante Beobachtungen zu objektivieren: „Auch in diesem Falle ist die naturwissenschaftliche Untersuchung nur eine Hilfe für die Arbeit des Archäologen und nicht ein Ersatz.“ (Brein ebenda).
Was während der Arbeit für das Artemision noch als Desiderat der Keramikforschung angesprochen worden war, durfte in einer kleinen Kulturgeschichte der Maske, die er in der Zeitschrift der Wiener Stadtarchäologie publizierte, nicht fehlen, nämlich eine Tonanalyse und Herkunftsbestimmung (F. Brein – R. Sauer, Eine tönerne Maske – “O Jegerl, der Mon-Mon!”, Fundort Wien 4, 2001, 4–16).
Das Interesse an der Vielfalt lokaler Keramikstile wurde durch die im Artemisionprojekt anfallenden Fundassemblagen sicher gefördert. Die meisten Gefäße, die bei den Grabungen zutage kamen, stammten aus lokalen anatolischen Produktionsstätten und waren nicht ohne weiteres durch den Vergleich mit bekannten Formen aus Athen und Korinth einzuordnen. Die Beschäftigung mit anatolischen Waren, und zwar den bemalten wie auch den undekorierten, war offenbar ein vernachlässigtes Forschungsgebiet und schon aus diesem Grund interessant für den Bearbeiter.
Im 1978 publizierten Beitrag „Das Tieropfer am Artemisionaltar von Ephesos“ in der Festschrift für F.K. Dörner präsentierte Bammer gemeinsam mit Petra Wolff und Brein Gebäudereste, Knochen und Kleinfunde der laufenden Grabungen. Brein bemühte sich um eine Interpretation aller Funde im Kontext des Fundzusammenhanges. Auf eine ausführliche Beschreibung der Fundgruppen folgte die Diskussion möglicher Altaranlagen und Opfertraditionen. Gefäße und tierische Knochenreste wurden im Zusammenhang mit Brandrückständen als Hinterlassenschaft von Opfermählern gedeutet. In den zahlreichen Hornzapfen von Ziegen erkannte Brein die einstigen Komponenten eines Hörneraltares, wie er auch schriftlich für das Artemision überliefert ist.
1978 erschien ein Kongressbeitrag (10. Internationaler Kongress für Klassische Archäologie) zu den Keramikfunden aus dem Artemision. Der Titel „Geometrisch dekorierte Keramik aus Ephesos“ zeigt, dass es auch hier darum ging, einen Irrtum zu korrigieren, nämlich um die vermeintlich frühe Zeitstellung der mit einfachen geometrischen Motiven bemalten Keramik aus dem Westbereich des Artemisions. Breins Artikel, der auch auf die Stratigraphie eingeht, muss auch heute noch als maßgebliche Referenz in der Diskussion der Schichtbefunde aus dem Artemision herangezogen werden.


Ein 1976/77 publizierter Beitrag Breins widmete sich der ephesischen Topographie (ÖJh 51, 1976/77, Beibl. 65–76). Auch in diesem Fall war der Ausgangspunkt ein Problem, das die Ephesos-Forschung seit langem beschäftigt hat, nämlich die ständig wechselnden Lokalisierungen schriftlich überlieferter Orte im ephesischen Siedlungsgebiet. Mit philologischem Scharfsinn versuchte Brein, Ordnung in die verschiedenen Überlieferungen zu bringen und die weniger plausiblen Lokalisierungsvorschläge zu eliminieren. Ein Kernpunkt der Ausführungen ist die Lokalisierung des Koressos, eines Ortes, der von verschiedenen Archäologen abwechselnd mit einem von drei Bergen im ephesischen Siedlungsgebiet gleichgesetzt wurde. Breins Verdienst ist es, durch überzeugende Argumente einem aktuellen Konsens den Weg bereitet zu haben, wonach der Koressos ein Hafen sein müsse, der an der Nordseite des Panayirdağ zu suchen sei.
In einem Addendum zum Grabungstagebuch von 1981 (Grabungstagebuch 1981, Addendum: Artemisionkleinfunde 24.8.–9.9.81) findet sich ein kurzer handschriftlicher Arbeitsbericht von Brein, der erkennen lässt, dass die Fundbearbeitung im Artemision zunehmend systematisiert wurde. Umso verwunderlicher ist es, dass Breins aktive Mitarbeit am Artemisionprojekt keine Fortsetzung fand.
Das vorläufige Ende des feldarchäologischen Engagements mag vielleicht mit der 1982 erfolgten Fixanstellung und den damit verbundenen Verpflichtungen als Dozent und Universitäts-Funktionär zusammenhängen. Einer Notiz Bammers ist jedoch zu entnehmen, dass Breins Ausscheiden aus der Grabungsmannschaft vor allem die unmittelbare Folge grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten mit dem Grabungsleiter Hermann Vetters war (A. Bammer, AnatAnt 18, 2010, 49).
In einer Arbeit zu einer ganz speziellen Kleinfundgruppe aus den archaischen Kontexten zeigt sich Breins Zugangsweise zur Archäologie vielleicht noch besser als in den Vorberichten der Artemisiongrabung: Ein Artikel, der 1982 unter dem Titel „Ear Studs for Greek Ladies“ in den Anatolian Studies erschienen ist, befasste sich mit runden Fundobjekten aus Bergkristall, die bereits von David G. Hogarth beschrieben und bis zu diesem Zeitpunkt sehr unterschiedlich interpretiert worden waren. Brein gelangte durch Vergleiche mit Text- und Bildquellen zum Schluss, dass die runden Kristallscheiben mit ihren konkaven Seiten ebenso wie vergleichbare Objekte aus anderen Materialien paarweise als Ohrschmuck getragen wurden. Um Schmuck dieser Größe einsetzen zu können, mussten Löcher in die Ohrläppchen gestochen und dann sukzessive bis zu einem Durchmesser von 4 bis 5 cm aufgedehnt werden.


Griechen und Ioniern dadurch ästhetische Normen zu unterstellen, wie man sie sonst bei ‚Naturvölkern‘ erwarten würde, mag viele Klassische Archäologen irritieren. Für Brein war die Bezugnahme auf ethnographische Parallelen im Rahmen kulturwissenschaftlicher Forschung keineswegs abwegig: „It has to be admitted that it is somehow unusual to imagine Greek beauties with large holes in their lobes, but ear studs have been common all over the world in all times.“ (AnatSt 32, 1982, 91).
In der englischsprachigen Archäologie wurde Breins Deutung der Kristallscheiben als Ohrpflöcke als überzeugend erachtet und allgemein akzeptiert (z. B.D. Plantzos, AJA 101, 1997, bes. 454). Die Plausibilität dieser Interpretation wird heute sicher dadurch bestätigt, dass man die Verwendung von Ohrpflöcken, die Funden aus dem Artemision durchaus vergleichbar sind, in der Subkultur piercing-begeisterter Jugendlicher wieder häufiger beobachten kann.
In der intensiven Beschäftigung mit Schmuckobjekten, diversen Kleidungsbestandteilen und den sonst eher vernachlässigten Gefäßfragmenten lokaler Produktionsstätten zeigt sich Breins Bemühen um das umfassende Verständnis antiker Kulturen auch in zeitlichen und räumlichen Randzonen. Im Rahmen einer ‚Altmodischen Archäologie‘, wie sie in Lehrveranstaltungstiteln wiederholt angesprochen wurde, sollte die Kultur antiker Völkerschaften möglichst umfassend und vergleichend behandelt werden, und man sollte sich auch mit Detailfragen jenseits des großen Kunstschaffens befassen.


6. Friedrich Brein und „Die Leibesübungen im alten Griechenland“

Wenn auch nicht sehr zahlreich und bereits in den 60er bis 80er Jahren des 20. Jahrhunderts erschienen, wiegen Friedrich Breins Publikationen zu den „Leibesübungen im alten Griechenland“ umso schwerer und zählen noch heute zu den Standardwerken in der deutschsprachigen Literatur zur Athletik und Agonistik, besonders der griechischen Antike. Brein widmete auch seine Habilitationsschrift „Die Leibesübungen im alten Griechenland“ diesem Thema.
Bekannt in der Welt der Sportgeschichtsforschung wurde Brein durch die Herausgabe der Bände I und II von Julius Jüthners „Die Athletischen Leibesübungen der Griechen“ als 1. und 2. Abhandlung des 249. Bandes der Sitzungsberichte der ÖAW in den Jahren 1965 und 1968 (Band I: Terminologie, Quellen, Ursprünge der Leibesübungen, geschichtlicher Überblick sowie im Anhang Palästra und Gymnasium, Übungsleiter und das Training; Band II: Einzeldisziplinen: Wettlauf, Sprung, Diskoswurf, Speerwurf).
Der 1866 in Prag geborene Jüthner hatte eine umfassende Darstellung der antiken Gymnastik in 6 Bänden geplant. Bei seinem Tod im Jahr 1945 lagen Manuskripte zur Geschichte der Leibesübungen und die Bearbeitungen der einzelnen Sportarten stenographisch abgefasst vor, von denen Camillo Praschniker eine Umschrift herstellte. „Dann aber war in das Werk Jüthners die Fülle neuer Funde und Erkenntnisse, wie sie vor allem die archäologische Forschung brachte, einzuarbeiten, was bedeutende Forderungen für die Abbildungen und die Anmerkungen zur Folge hatte. Der Bearbeiter musste sich nicht allein Jüthners Werk ganz zu eigen machen, er musste auch auf dessen Spuren ebenso mit den philologischen Quellen wie mit dem archäologischen Material arbeiten. Der Weg bis zur Vorlage des ersten, im genannten Sinne bearbeiteten Teiles von Jüthners Werk war an Schwierigkeiten und Enttäuschungen reich“, liest man in dem im Dezember 1965 von Albin Lesky, dem damaligen Vizepräsidenten der ÖAW verfassten Vorwort zu Band I (S. 6). Weiter heißt es dort: „Umso mehr weiß es die Österreichische Akademie der Wissenschaften zu schätzen, daß sie in Dr. Friedrich Brein einen jungen Vertreter der Altertumswissenschaften gefunden hat, der nicht nur die geforderten Eigenschaften, sondern auch den notwendigen Idealismus für seine nicht leichte Arbeit mitbrachte“.
Auch die Vorgangsweise bzw. Breins eigenes Wissen, das er in das Werk einbrachte, ist in Leskys Vorwort kurz zusammen gefasst: „Der Herausgeber hat Jüthners Text überall, wo es anging, unverändert gelassen, notwendige Änderungen und Ergänzungen aber durch eckige Klammern gekennzeichnet. In jenen Fällen, wo neuere Forschung die Ansichten Jüthners nur bestätigte oder ergänzte, wurde das Wichtigste in den Fußnoten angemerkt“.
Brein machte dies in der bekannten, ihm eigenen, sehr gründlichen Art. Hierbei ließ er Jüthners Ansichten trotz neuerer umfassender Literatur und Interpretationen „ohne Änderung“ gelten bzw. entschied sich „seinen Standpunkt unverändert wiederzugeben“ – wie z.B. beim Kapitel zum „Ursprung in der Religion“ mit der Erklärung „da es anzunehmen ist, daß er [gemeint ist Jüthner] seine Ansichten über die olympische Spielgründung auch heute [d. h. 1965] noch in dieser Form vertreten würde“ (Band I S. 74). Selten brachte er vorsichtig konstruktive Kritik an Jüthners Meinung an (z. B. Band I S. 85 Anm. 226). Ebenso selten, dann aber vehement, wenn er es für notwendig hielt, brachte er seine persönliche Meinung dezidiert an, wie im Fall der Rekonstruktion des antiken Weitsprungs: In einer Anmerkung beginnend mit „M. E.“ rekonstruiert er den antiken griechischen Weitsprung, der mit halteres – Sprunggewichten – durchgeführt wurde, als Dreifach-Sprung und rekonstruiert den Ablauf dahingehend, dass der Weitspringer mit einigen Schritten Schwung holte und die Sprünge als Standsprünge mit weiterem Schwungholen durchführte (Band II, 1978, S. 216 Anm. 156).
Brein arbeitete aber auch Ergebnisse der Nachbarwissenschaften in Jüthners Manuskript ein. Er ergänzte nicht nur den Text zu Ägypten, sondern bereicherte das Kapitel „Asien“ mit Angaben zum Sport bei den Sumerern, Hethitern und im Judentum und verfasste den gesamten Text samt Anmerkungen zu den Illyrern (Band I S. 52 ff. bzw. 58 ff.). Auch bei den Einzelbewerben kommt er auf Vergleichsbeispiele aus den Nachbarkulturen zurück, wie z. B. beim Kapitel „Speerwurf“, wo er Jüthners Text um Belege aus der Situlenkunst bzw. den in einem hallstattzeitlichen Grab gefundenen Abdruck einer ankyle – einer Wurfschlinge – ergänzt (Band II S. 308 Anm. 4).
Darüber hinaus war Brein auch am neuzeitlichen Sport als Parallele zu den antiken Zuständen interessiert, wie es die Vergleiche zu den wenigen überlieferten antiken Rekordweiten wie z.B. im Weitsprung beweisen (Band II S. 200 und S. 212).
Leider gab Brein Jüthners Manuskripte der noch ausstehenden Disziplinen nicht mehr selbst heraus. Die Unterlagen Jüthners gingen nach Graz, wo unter Ingomar Weiler am
Institut für Alte Geschichte einer der führenden deutschsprachigen Forschungsschwerpunkte für den antiken Sport entstanden war. Das Grazer Institut ist großteils auf die Publikation und das Zugänglich-Machen der schriftlichen und hier insbesondere der literarischen Quellen spezialisiert. Weiterhin bleibt jedoch ein Corpus der bildlichen Quellen zum antiken Sport ein Desideratum.
Durch die begonnene Herausgabe von Jüthners Manuskripten war Brein als ausgewiesener Kenner der antiken schriftlichen und bildlichen Quellen prädestiniert dafür, den umfassenden Beitrag „Die Leibesübungen im alten Griechenland“ in K. Ueberhorsts mehrbändigem Werk „Geschichte der Leibesübungen“ zu verfassen (Band 2, S. 82–167). Auch dort zieht er Vergleiche zum neuzeitlichen Sport: „Die unerhörte Bedeutung des Sports in der Gegenwart hat dazu geführt, die griechische Athletik als ebenso selbstverständliches Kulturphänomen zu betrachten, wie sie wohl den Griechen selbst erschien. Wesentlichen Anteil an der Gleichsetzung beider Erscheinungen hat die auffallende Parallelität der Entwicklung der griechischen Leibesübungen und des modernen Sports: Erst zur Zerstreuung und körperlichen Ertüchtigung einer Adelsschicht dienend, werden sie Allgemeingut des gesamten Volkes – in der Antike freilich auf die freien Männer beschränkt – und münden schließlich in einen Professionalismus, in dem sich das Interesse auf Spitzenleistungen von Berufsathleten konzentriert“ (S. 84).
In diesem Beitrag beweist Brein sein profundes Wissen auch zu anderen Bereichen der antiken Leibesübungen und Agonistik als denjenigen, in die er durch die Herausgabe von Jüthners Manuskript eingearbeitet war. Er behandelt zusammenfassend und grundlegend, aber auch so weit wie möglich umfassend, die hippischen Bewerbe samt Hippodrom, die Schwerathletik (Ringen, Boxen, Pankration) und sonstige Leibesübungen wie Wassersport (Baden, Schwimmen, Tauchen, Regatten), Ballspiele, Bogenschießen, Turnen und Tanz. Wie die beiden Jüthner-Bände ist auch der Beitrag in Ueberhorst weiterhin ein Standardwerk innerhalb der deutschsprachigen Literatur zu den antiken und hier besonders den griechischen Leibesübungen.
1980 erscheint schließlich Breins sportgeschichtlicher Beitrag zu „Forschungen und Funde“, der Festschrift für Bernhard Neutsch (S. 89–93), in dem er sich nicht scheut, seine Meinung zu einem der bis heute meist diskutierten und weiterhin ungelösten Probleme abzugeben: „Die Wertung im Pentathlon“. Der Artikel beginnt folgendermaßen: „Ein Archäologe, der sich die akademische Laufbahn erwählt hat, hat viel mit einem Pentathlos gemein. Er muß sich nicht nur in der speziellen Disziplin der Lehre bewähren, sondern auch in der Forschung, sowohl am Schreibtisch als auch im Museum, wohl auch ein kleines Museum verantwortlich zu leiten, vor allem aber auch ‘den Körper der sengenden Sonne aussetzen’, wenn auch nicht im Ringkampf, so doch bei der archäologischen Feldforschung“ (S. 89).


7. ‚Breinos kalos‘ – Die vielen Interessen des Friedrich Brein

Viele Aspekte der Vita von Friedrich Brein kamen in dem zuvor Gesagten schon zur Sprache.
Sein weit gestecktes Feld und die profunde Kenntnis der Materie zeigten sich bei Brein auch in der Auseinandersetzung mit figürlich bemalter Keramik. Es waren nicht nur ikonographische und kunsthistorische Fragen, die ihn beschäftigten und mit denen er auch seine Schülerinnen und Schüler konfrontierte, sondern ebenso Aspekte der Herstellungstechnik und vor allem – wie sich schon bei der ephesischen Keramik zeigte und sich im Besonderen bei den nachfolgenden Bänden der Archäologischen Sammlung herauskristallisieren sollte – Fragen zu Lokalstilen. Aber auch hier überschritt er gerne die Grenzen des bereits Praktizierten: Schlägt er doch in seiner Rezension zu K. Stähler, Eine unbekannte Pelike des Eucharidesmalers (AnzAW 23, 1970, 212) vor, dass man, um Hinweise auf die Unterscheidung von eigenhändigem Werk und Werkstattarbeit zu bekommen, eventuell „daktyloskopische Untersuchungen der Fingerspuren im Vasenfirnis“ durchführen könnte, denn „solange man sich auf stilistische Kriterien beschränken muß, ist es nicht möglich, Verbindliches auszusagen.“
Bei der Beschäftigung mit den keramischen Bildern widmete sich Brein leidenschaftlich den Realien – auch das findet sich in den gleichnamigen Titeln vieler Lehrveranstaltungen wieder. Gleichzeitig interessierten ihn an den Bildern besonders die häufig dargestellten Mythen, und auch hier – ebenso wie bei der Keramikproduktion selbst – die landschaftlichen Unterschiede, die Lokalmythen. Die archäologische Auseinandersetzung mit den Bildern alleine genügte ihm jedoch nie, sie musste unbedingt mit einem soliden Studium der literarischen und epigraphischen Überlieferung gepaart werden.
Über viele Jahre hinweg stellte die Einführung der Erstsemestrigen in die Benützung der Institutsbibliothek einen Teil seiner Dienstpflichten dar. Seine zumeist sehr knapp gehaltenen Führungen waren einprägsam, oft wurden sie mit den Worten „Hast du Hunger nach Mythologie, dann schlag nach bei Hunger!“ beschlossen. Es oblag den Studierenden, diese und vergleichbare kryptische Bemerkungen zu enträtseln und so ihre Selbstständigkeit unter Beweis zu stellen.
In erster Linie und vor allem ist aber Breins nicht enden wollendes Interesse an allen Bereichen aller antiken Kulturen zu betonen. Man konnte sicher sein, dass er auf einer Exkursion oder bei der Besichtigung einer Grabungsstätte niemals nur die geringste Müdigkeit zeigte. Wenn man mit ihm unterwegs war, musste man sich entsprechend darauf einstellen, aber das lohnte sich dann auch. Weder eine nach einem Sturz zerrissene Hose noch überbordende Macchia (da konnte man auch noch gleich botanische Studien betreiben!), weder eine Reifenpanne noch gar eine wenig gute Straße konnten ihn von einem ausgesuchten Besichtigungsprogramm abbringen. Kein Ziel war zu unwegsam, kein Museum zu klein und kein topografischer Punkt zu uninteressant, um sie nicht doch noch mit dem Auto und einem möglichst kurzen Fußmarsch zu erreichen.
Von seinem ausgeprägten Interesse an der zyprischen Kultur, das auch entsprechenden Niederschlag in den Katalogen der Archäologischen Sammlung fand, war schon die Rede. Leider konnten die Vorarbeiten zur zyprischen Sammlung des Kunsthistorischen Museum nicht mehr in die Tat umgesetzt werden.
Brein förderte auch die in Wien nach Fritz Schachermeyr und Ernst Kirsten (beide 1987 verstorben) durch jüngere Kollegen wieder aufgenommenen Forschungen zu Kreta und zur frühen Ägäis. Als kurz nach der Gründung des Vereins “
ETEOKPHTH – Eteokriti. Verein zur wissenschaftlichen Erforschung Kretas und der Ägäis” die erste Generalversammlung am 14. Dezember 1998 beschloss, die wissenschaftlichen Beiräte des Vorstands von drei auf fünf Personen zu erhöhen, wurde Brein auf Antrag des Obmanns erstmals in dieses Gremium gewählt. Ausschlaggebend für seine Wahl war zum einen seine unbestrittene Reputation als kenntnisreicher Wissenschaftler auf nahezu allen Gebieten und Teilbereichen der altertumskundlichen Fächer, zum anderen seine langjährige Erfahrung als aktives Mitglied in diversen organisatorischen und wissenschaftlichen Gremien der Universität Wien. Bei der alle zwei Jahre vorgeschriebenen Neuwahl des Vereinsvorstands wurde Brein regelmäßig als wissenschaftlicher Beirat bestätigt, sodass er dem Vereinsvorstand von ETEOKPHTH bis zu seinem Tod angehört hat. Er hat sich in dieser Funktion immer als kluger, gelegentlich mit etwas sarkastischer Diktion zu Wort meldender Ratgeber in allen Belangen der anfallenden Vereinsagenda erwiesen, aber auch aktiv engagiert, wenn es darum ging, die Aktivitäten des Vereins auszuweiten und auf wissenschaftlich anspruchsvollem Niveau zu halten.
Als die bisherige Begleiterin zu den sogenannten Museumsexkursionen nicht mehr zur Verfügung stand, erklärte sich Brein spontan bereit, die Organisation und wissenschaftliche Betreuung von zwei weiteren Exkursionen in europäische Städte zu übernehmen. 2006 begleitete er eine große Teilnehmergruppe nach Paris, wo neben vielen renommierten Museen auch die Butte von Montmartre mit ihren Weingärten besucht wurde. Im darauf folgenden Jahr organisierte und betreute er eine Exkursion nach Florenz und Umgebung. Als er sich – altersbedingt, wie er sagte – seine Städtereisen zu Museen und archäologischen Stätten mit manchmal nicht ganz unkomplizierten Mitreisenden nicht mehr zumuten wollte, hinterließ er ein vacat, das bisher noch kein kompetenter Nachfolger auszufüllen vermochte. Breins Ableben stellt einen Verlust dar, der ETEOKPHTH um einen seiner profiliertesten Mitarbeiter und Kollegen brachte.
Auf Grund seines Interesses an allen altertumskundlichen Fächern engagierte Brein sich wohl auch, u.a. als Rechnungsprüfer, im Verein Eranos Vindobonensis, dessen Präsident er im Geschäftsjahr 2004/05 war.
In den 1990er Jahren hatte es Brein aber vor allem eine antike Landschaft angetan: Aitolo/Akarnanien. Mit den zahlreichen lokalen Mythen gut vertraut, startete Brein gemeinsam mit Savas Gogos ein FWF-Projekt zu den Theaterbauten dieser Gegend, im Besonderen zu den Theatern von Oiniadai und Neupleuron (FWF-Projekt P 9551 und P 9552). Es war ihm ein besonderes Anliegen und Vergnügen, seine Schülerinnen und Schüler daran teilhaben zu lassen, die so Möglichkeiten zu archäologischer Feldarbeit im Ausland aber auch Material für universitäre Abschlussarbeiten und Publikationen bekamen. Wegen großer inhaltlicher Differenzen der beiden Projektleiter wurden schließlich keine Nachfolgeprojekte mehr beantragt.
So kam Brein neuerlich auf seine Beschäftigung mit Kleinfunden zurück und führte gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben ein Forschungsprojekt zu archaischem Goldschmuck in Süditalien (FWF-Projekt P 10685-N03) durch.
Trotz der nicht zur Ausführung gekommenen Habilitationsschrift zur Kleidung der Klassik, ließen ihn die Textilien zeitlebens nicht los. Seine Katalogeinträge zu den griechischen Realien im Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung (Hrsg. H. Kühnel) sind nur die ‚Spitze des Eisberges‘ einer umfassenden Zetteldatei, die von ihm nicht mehr ausgewertet werden konnte. Breins diesbezügliches Wissen floss jedoch insbesondere in die zahlreichen Rezensionen von CVA-Bänden ein, in denen mehrfach nicht eindeutige oder fälschliche Benennungen von Kleidungsstücken vermerkt werden. Seine in jüngster Zeit angestellten, vor allem den Peplos der Athena betreffenden Überlegungen konnten leider nicht mehr zum Abschluss gebracht werden.
Brein selbst verwendete gerne für Textilien den Wiener umgangssprachlichen Ausdruck „Fetzen“. Auch das war eine seiner Marotten: Er liebte das österreichische Deutsch (das eben deutlich vom deutschen Deutsch zu unterscheiden ist, frei nach einem immer wieder fälschlicher Weise Karl Kraus zugeschriebenen Zitat); im privaten Umgang pflegte er die Wiener Mundart. Gerne machte er auch Ausflüge, beispielsweise in den Kärntner Dialekt – nicht immer zur Freude der ‚native speakers‘.
Resümiert man die bisher angesprochenen Arbeitsbereiche Breins, so zeigt sich ein deutlicher Schwerpunkt auf der griechischen Archäologie. Dass dies Brein jedoch nicht ausreichte, belegen die umfassenden ‚Ausflüge‘ nach Zypern, Kreta und Etrurien. Daneben hatte aber durchaus auch die römische Archäologie ihren Stellenwert, sei es in Italien oder auch in Mitteleuropa, wie seine verstreuten Publikationen zu Funden in Carnuntum, Lauriacum und Aguntum belegen. Brein gehörte schließlich auch von 1973 bis 1988 dem Herausgeberkollegium der Zeitschrift "Römisches Österreich" an, in der Neufunde aus Österreich zur Publikation kommen.


Nachwort

Die Vorliebe von Friedrich Brein für ein gepflegtes Glas Wein (manchmal auch mehrere), bevorzugt aus dem eigenen Anbau, kam schon zur Sprache. Daran ließ er uns gerne teilhaben, sei es im eigenen Weingarten oder durch Weinspenden bei Veranstaltungen in der Universität. Gelungene Vorträge, Publikationen etc. konnten durchaus auch im Weinkeller in Strebersdorf beim Wein der Marke Brein gefeiert werden. Bei solchen Gelegenheiten kam jedoch auch die wissenschaftliche Diskussion nie zu kurz, manche Idee (sei es hochschulpolitisch oder auch objektbezogen) hatte als Geburtsort den Bisamberg.
Brein liebte Schabernack – wie man das auch manchen seiner Publikationen entnehmen kann. Besonders die Aufenthalte in Ephesos regten offenbar seine Phantasie an. Manche Mitarbeiter des Teams, die leise, in früher Morgenstunde mit dem Grabungsbus den Hof des Grabungshauses Richtung Wien verlassen wollten, mussten wie Flitterwöchner mit scheppernden Dosen abreisen, die in der Nacht feinsäuberlich montiert worden waren. Andere wiederum durften diese Reise gewürzt mit im Auto verborgenem Schafskäse antreten. Auch manche anderen ‚Missgeschicke‘ gingen nicht ganz ohne eine dezente Nachhilfe von Brein ab: Wenn einem im ersten Schreck und Ärger dann vielleicht nicht unbedingt zum Lachen zumute war, mit etwas Abstand ergaben sich daraus manchmal lehrreiche Episoden und – zumindest für die nicht unmittelbar Betroffenen – wunderbare Anekdoten.

Wenn Brein den Archäologen mit einem Pentathleten verglich (s. oben), so dürfen wir ihn selbst wohl zu Recht als Pentathlos bezeichnen: Er hat als Lehrender, Geisteswissenschaftler, Bearbeiter von Originalen, Leiter der Archäologischen Sammlung und als Ausgräber alle Disziplinen mit Bravur bestanden. Und wie ein guter Athlet hat er, als es so weit war, mit seinem umfassenden Wissen als Paidotribe viele seiner Schülerinnen und Schüler in deren Spezialgebieten trainiert und in seiner unvergleichlichen Art bis an ihr Ziel begleitet.
Die Verfasser dieser Zeilen freuen sich, Friedrich Brein zum Lehrer und Kollegen gehabt zu haben. Wir werden seine erfrischende und präzise Art Dinge anzupacken, sehr vermissen.

Wir danken allen Genannten für Informationen und Unterstützung bei den Recherchen, für Bildmaterial und dafür, Ihre Erinnerungen mit uns geteilt zu haben:
Beatrix Asamer, Barbara Beck-Brandt, Isabella Benda-Weber, Barbara Bieringer, Ilse Brein, Susanna Brossmann, Florens Felten, Nicolas Gail, Anna Gasser, Jörg Hoyer, Barbara Kainrath, Karl Krierer, Sabine Ladstätter, Claudia Lang-Auinger, Manfred Lehner, Marion Meyer, Hans Moser, Ralf-Dieter Pausz, Guntram Schneider, Barbara Tober.

© Bettina Kratzmüller, Kurt Schaller, Norbert Schlager, Hubert Szemethy, Elisabeth Trinkl, Michael Weißl
e-mail: elisabeth.trinkl@univie.ac.at


This article should be cited like this: B. Kratzmüller et al., Gemischter Satz - In Memoriam Friedrich Brein, Forum Archaeologiae 60/IX/2011 (http://farch.net).



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