Die Geschichte der Archäologischen Sammlung
der Universität Wien


J. Overbeck, Geschichte der griechischen Plastik 1 (1881) 142 Abb. 22

Die Entstehung der Wiener Archäologischen Sammlung ist eng mit der Errichtung der Lehrkanzel für Klassische Archäologie verbunden. Seit 1774 war in Wien Johann Joseph Hilarius Eckhel, der Begründer der wissenschaftlichen Numismatik, zum wirklichen öffentlichen Lehrer der Altertümer und der historischen Hilfsmittel bestellt worden. Diese Lehrkanzel für Münz- und Altertumskunde, wie sie in der Folge hieß, wurde 1868 von der Lehrkanzel für Archäologie abgelöst. Zu ihrem ersten Inhaber wurde am 14. Oktober 1868 Alexander Conze berufen. Unter Conze begann die Bildung einer archäologischen Sammlung, bereits am 2. 11. 1869 wurde das erste Objekt, der Abguß eines weiblichen Kopfes aus dem Heraion von Argos gekauft. Bis zu seiner Emeritierung wurden 29 Gipse teils durch Kauf, teils durch Schenkung erworben. Damals befand sich die Universität noch im alten Gebäude, das 1623 bis 1627 von den Jesuiten errichtet worden war (Seipelplatz 1). Über den ursprünglichen Aufstellungsort der Gipse läßt sich nichts eruieren. Bei seinem Amtsantritt war Conze zunächst nur ein Schränkchen für seine Bibliothek und seine Lehrmittel im Versammlungszimmer der philosophischen Fakultät zur Verfügung gestellt worden, später erhielt er ein Zimmer im 2. Stock.

In der Folge dürften die Gipse der Sammlung im Museum der k.k. Akademie der Bildenden Künste, die 1872 bis 1876 errichtet worden war, provisorisch untergebracht worden sein. Verwaltungsmäßig gehörte die Sammlung zum Archäologisch-Epigraphischen Seminar, in dem seit 1876 die Lehrkanzel für Archäologie und Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik verbunden waren.

Conzes Nachfolger Otto Benndorf (1877 - 97) setzte den Aufbau der Sammlung fort. Es läßt sich kein System in den Anschaffungen erkennen, man nahm alles, was erhältlich war. Wenn Hedwig Kenner in der Widmung des Katalogs der Marmorbildwerke der Sammlung die Originale mit den "Pflanzen eines verwilderten kleinen Gartens" vergleicht, charakterisiert sie damit auch den größeren Garten der Gipse. Bemerkenswert ist bei Benndorfs Sammeltätigkeit die Erwerbung vieler Abgüsse von provinzialrömischen Werken aus dem Bereich der Monarchie, in der Fortsetzung des bereits von Conze in seiner Antrittsvorlesung angekündigten Programms, die römischen Denkmäler des Heimatbodens nicht zu vernachlässigen. Damals kamen auch die ersten Originale in die Sammlung, Vasenscherben, Glas und andere Antiken, die 1878 vom kaiserlichen russischen Hofmaler Stöckler der Sammlung geschenkt wurden.

Ein entscheidendes Ereignis für die Entwicklung der Archäologischen Sammlung war die Übersiedlung in die Neue Universität im Oktober 1884. Hier wurden schon im Bauplan die Räumlichkeiten für eine Gipssammlung im Ausmaß von 540 m2 im Erdgeschoß des rechten Flügels des Baus vorgesehen. An einen langen Gang reihten sich acht Zimmer, die für die Aufnahme der Gipse in chronologischer Abfolge bestimmt waren. Auf das mykenische Zimmer folgten das archaische Zimmer, das Stelenzimmer und das Portraitzimmer, dann kamen das Reliefzimmer, das klassische, das hellenistische und das römische Zimmer. Im Jahre 1884 war es dann soweit, daß man das neue Gebäude beziehen konnte. Seit diesem Jahr war die Archäologische Sammlung verwaltungsmäßig selbständig. Sie wurde von einem Assistenten betreut und hatte auch ein eigenes Budget. Nun ging die weitere Einrichtung rasch vonstatten. Waren es beim Einzug nur etwa 100 Nummern, so wuchs ihre Zahl bis 1897, als Benndorf abtrat, um sich im Rahmen des neugegründeten k.k. Österreichischen Archäologischen Instituts voll den Grabungen in Ephesos widmen zu können, auf über 700 Nummern.

An Gipsen kamen aus dem ehemaligen Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (jetzt Museum für angewandte Kunst) 1904 und dann wieder 1921 insgesamt 60 Stücke in die Sammlung, und als der Rektor der Akademie der bildenden Künste im Jahre 1936 seine Gipsabgüsse aus dem Fenster werfen ließ, konnten 12 dieser Abgüsse gerettet werden. Knapp vor dem Zweiten Weltkrieg konnte die Sammlung aus dem Nachlaß Eugen Oberhummers und Felix von Luschan zahlreiche kyprische Antiken übernehmen.
Im Krieg wurden die Gipse zur Verschönerung aus den Mitteln der Führerspende mit Gipsmilch überschmiert, wodurch sie flau und teigig wurden. Sonst gab es trotz der Bombentreffer keine Schäden. Damals diente die Sammlung als Schutzraum für die Bibliothek des Seminars. Auch die Befreiung 1945 ging glimpflich vorüber, nur der Verlust der Galvanos nach mykenischen Goldgegenständen war zu beklagen, die als vermeintlicher Goldschatz verschwanden.

Viel schmerzlicher war für die Sammlung die Tatsache, daß sie mit 1945 als eigene Verwaltungseinheit aufgelöst und dem Seminar voll angegliedert wurde, das seit 1954 Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik hieß. Die Budgetierung der Sammlung wurde eingestellt, der Assistent und die Bedienerin dem Institut unterstellt. Von den Erwerbungen nach dem Krieg sind neben den kleineren Legaten vor allem die Gipse der Sammlung Lanckoronski zu erwähnen, die zum Teil verschollene, zum Teil jetzt stärker verstümmelte Reliefs aus Pisidien und Pamphylien wiedergeben.

Die Originalsammlung wurde durch die griechischen Vasen der Sammlung G. Tschmelitsch erweitert, die während des Krieges im Athener Kunsthandel erworben worden sind, sowie durch provinzialrömische Objekte aus der Sammlung Weinfurter. Zur Bearbeitung dieser Neuzugänge bildete sich 1982 eine Arbeitsgruppe (nach UOG 1975 organisiert), der freilich kein langes Leben beschieden war, weil sie zwei Jahre später zugleich mit dem Institut durch das Ministerium aufgelöst wurde.

Nach der Neubildung der beiden Nachfolgeinstitute wurden die Inschriften an das Institut für Alte Geschichte abgetreten, der Rest verblieb in der Archäologischen Sammlung, die nun als Teil des Instituts für Klassische Archäologie die alten Räume verlassen und in das alte Gebäude der Hochschule für Welthandel beim ehemaligen Währinger Friedhof übersiedeln mußte. Zur Behebung der Übersiedlungsschäden und der Beseitigung der Verschmutzungen und Gipsmilch wurden zunächst vom Ministerium Geldmitteln bewilligt. Weitere Arbeiten wurden durch Subventionen des Akademischen Senats aus den Gebarungsüberschüssen der Wiener Internationalen Hochschulkurse ermöglicht. Dadurch konnte die Sammlung so aufgestellt werden, daß sie wieder allgemein zugänglich ist und voll im Lehrbetrieb eingesetzt werden kann.

Leider verbietet der Platzmangel auch am neuen Ort, alles würdig aufzustellen, zumal durch die Neuzugänge der letzten Jahre, die den beiden Ordinarien zu verdanken sind (einerseits Abgüsse und Modelle der Grabung Limyra, andererseits Portraits aus Velia und anderer Provenienz), weitere Stellfläche benötigt wird.

Besonders hervorzuheben wären vor allem die sogenannten Dodwell'schen Brunnenreliefs, archaiistische Reliefs, deren Original verschollen ist und von denen die Sammlung den einzigen vollständigen Abgußsatz besitzt, und außerdem die zyprischen Vasen, über die ein Katalog in Kürze fertiggestellt wird.

(c) F. Brein


Besichtigung nach telephonischer Vereinbarung möglich: +43/1/31352/257, 251, 258.



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