Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 4 / VIII / 1997

DIE HISTORISCHE TOPOGRAPHIE VON EPHESOS
Eine Einführung


A. Allgemeines*
B. Frühe Siedlungen
C. Archaisch-klassische Periode
D. Hellenistisch-Römische Stadt
E. Byzantinische Zeit

A. Allgemeines:
Die antike Großstadt Ephesos, in der seit Kaiser Augustus der Statthalter der römischen Provinz Asia residierte, lag in einer tiefeingeschnittenen Bucht der ägäischen Ostküste, ca. 70 km südlich der türkischen Metropole Izmir (ehemals Smyrna), und 20 km nordöstlich des Fremdenverkehrsortes Kusadasi. Der Südhälfte der ephesischen Bucht ist die griechische Insel Samos vorgelagert.
Die ephesische Bucht dürfte zumindest seit dem ausgehenden Neolithikum kontinuierlich besiedelt gewesen sein. Das Schicksal der antiken Stadt wurde vom Fluß Kaystros (heute: Küçük Menderes) bestimmt, dessen Mündung sich durch Sedimentanschwemmung ständig nach Westen vorschob (ca. 9 km in den letzten 3.000 Jahren), sodaß infolge Verlandung der Häfen und Ansteigen des Grundwassers, begünstigt auch durch den im 1. Jahrtausend v.Chr. langsam aber stetig steigenden Spiegel der Ägäis um ca. ein bis eineinhalb Meter, die küstennahen Siedlungen mehrfach verlegt werden mußten. Die endgültige Aufgabe des Hafens dürfte erst im späten Mittelalter erfolgt sein, die Stadt starb aber bereits vorher langsam ab, da Erdbeben, Arabereinfälle und die allgemein verschlechterten wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen bereits seit dem 7. Jh. n.Chr. die Einwohner vertrieben. Die Restsiedlung auf dem Ayasoluk erlebte unter der Dynastie der Aydinoglu im frühen 14. Jh. eine letzte Blüte, unter den Osmanen bestand nur ein jämmerliches Dorf. Die heutige Kreistadt Selçuk (die Umbenennung von Ayasoluk erfolgte unter Atatürk) erlebte infolge des florienden Ephesos - Tourismus' (ca. 1,5 bis 2 Mio. besuchen derzeit jährlich die Ruinen) in den vergangenen 30 Jahren einen enormen Aufschwung und weist derzeit ca. 20.000 Einwohner auf.
Die Ausgrabungen setzten mit der Suche des englischen Eisenbahningenieurs John T. Wood nach dem Artemistempel [1] um 1860 ein. Seit 1895 gräbt das Österreichische Archäologische Institut in Ephesos, derzeit vor allem in der hellenistisch-römischen Stadt, wo infolge der intensiven Grabungstätigkeit weite Teile des römischen Stadtzentrums zusammenhängend sichtbar gemacht werden und mehrere Gebäude auch wiederaufgebaut werden konnten. Ausgrabungen und Restaurierungsmaßnahmen des Selçuker Museums (Efes Müzesi) betreffen vor allem den Ayasolukhügel mit der Grabbasilika des Johannes Theologos [152] und der byzantinisch-türkischen Festung [151].


Plan 1: Ephesos Gesamtplan (Für großformatigen Plan (130 kB) bitte anklicken)
Nummern in [ ] entsprechen Beschriftung der Pläne

B. Frühe Siedlungen:
Im Großraum Ephesos sind durch intensive Surveys der jüngsten Zeit mehrere frühe Siedlungsstellen bekannt geworden, keine davon ist aber bisher systematisch untersucht worden. Im Süden der Bucht unweit der von Selçuk nach Aydin führenden Straße liegt ein chalkolithischer Siedlungsplatz [südlich 10]. Auf dem Ayasoluk bestand in der frühen Bronzezeit (Stufen Troia I und II) eine feste Ansiedlung [155]. Für die Zeit nach der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. weisen Zufallsfunde einen kulturell hethitisch und mykenisch beeinflußten Siedlungsplatz aus [153 + 155]. Der Kriegsbericht des Hethiterkönigs Mursili II. (Mitte 14. Jh. v.Chr.) berichtet von der Eroberung der Apasa genannten Hauptstadt des Reiches Arzawa im Westen des Hethiterlandes. Der Name dürfte eine Vorform von Ephesos sein und könnte mit dem Wort "Biene" in Zusammenhang stehen.

C. Archaisch-klassische Periode:
Spätestens im 8. Jh. v.Chr. dürften peloponnesische Griechen, deren Führer nach dem Mythos ein mit dem attischen Königshaus in Verbindung gebrachter Androklos war, nach Ephesos eingewandert sein. Die Neuankömmlinge fanden Lyder und Karer vor, die in Siedlungen auf dem Ayasoluk (vereinzelte Funde aus dem frühesten 1. Jahrtausend) und beim Artemision gewohnt haben dürften.
Die Griechen gründeten eine Siedlung am Koressos, die nach dürftigen Resten von Hausmauern und einer ca. 3 m breiten Befestigungsmauer [6] sowie wenigen aufgelesenen Keramikfragmenten an einer Rückfallkuppe des Panayirdag oberhalb einer günstigen Hafenbucht [3] gelegen sein dürfte. Versuchsgrabungen erbrachten auch archaische Keramik am Hang beim römischen Stadion [104] und dem als Halbinsel weiter nach Westen in das damalige Meeresgebiet vorspringenden Hügel [100]. Die Stadt am Koressos mußte nach einer Belagerung durch den Lyderkönig Kroisos um die Mitte des 6. Jh.s v.Chr. aufgegeben werden, die Einwohner wurden am Artemision angesiedelt.
Von dieser durch den Synoikismos (= Zusammenlegung der einzelnen Kleinsiedlungen) des Kroisos entstandenen Stadt sind infolge der ca. 5 m hohen Verschüttung durch Flußsedimente und wegen der Überbauung durch die byzantinisch-seldschukische Siedlung und die heutige Stadt Selçuk bisher nur marginale Reste zutage getreten. Ein bis mindestens in hellenistische Zeit belegtes Gräberfeld [154 und beidseits 156] lag an der Südseite des Ayasoluk, bedeutendere Grabbauten säumten die von Smyrna nach Milet führende Hauptstraße, die im Weichbild von Selçuk auf fast unveränderter Trasse noch heute den Fernverkehr trägt.
Funde im Artemision [1] am Fuß des Ayasoluk weisen auf Begehung des Areals seit dem 2. Jahrtausend v.Chr. hin, als baulich gegliederter, nachweisbarer Kultplatz ist das Gebiet allerdings erst seit dem 8. Jh. v.Chr. benützt worden. Der Platz an der damaligen Küste verfügte über Süßwasser aus dem Bach Selinus und dem für den friedlichen Verkehr zwischen Angehörigen verschiedener Volksgruppen bzw. den Warenaustausch über Handelsleute notwendigen Asylrecht. Er diente ursprünglich wohl als gemeinsamer Kultplatz der im Umland entstehenden Siedlungen. Anfangs dürften mehrere weibliche Gottheiten nebeneinander von einzelnen Clans oder Siedlungsgemeinschaften verehrt worden sein. Die wichtigste Göttin war jedoch wohl immer das unter einer mit dem Stadtnamen Apasa-Ephesos zusammenhängenden Benennung verehrte Wesen, die von den Griechen als Artemis Ephesia bezeichnet wurde. König Kroisos stiftete ihr den als eines der Weltwunder der Antike bekanntgewordenen Riesentempel mit doppelter umlaufender Ringsäulenhalle, der die älteren, konkurrierenden Kultplätze teilweise überbaute und außer Funktion setzte, sodaß für die politische Absicht des Synoikismos auch entsprechende kultische Grundlagen geschaffen waren. Der 354 v.Chr., angeblich in der Geburtsnacht Alexanders d.Gr. abgebrannte Tempel wurde von den Ephesiern aus eigener Kraft durch einen prächtigen, wohl wegen des Grundwasseranstiegs und der Aufschwemmung von Land um mehrere Meter über das alte Niveau höhergelegten Tempelbau ersetzt.


Plan 2: Ephesos, Hellenistisch-römische Agora und Embolos

Von den durch die antike Literatur namentlich bekannten Dörfern im Umland von Ephesos ist bisher nur Smyrna einigermaßen sicher identifiziert worden. Die Ansiedlung wurde an einer Bucht des damaligen Küstenverlaufes unter dem Westteil der hellenistisch-römischen Agora [61] 1987 in 5 m Tiefe unter dem Niveau der augusteischen Zeit entdeckt. Sie dürfte sich auf die Hänge südlich der Agora und westwärts unterhalb der künstlich geschaffenen Terrasse eines um 100 n.Chr. angelegten Tempelbezirks [67] erstreckt haben. Das Dorf wurde nach den Funden im fortgeschrittenen 8. Jh. v.Chr. gegründet und bestand bis zur völligen Neustrukturierung von Ephesos unter König Lysimachos um 290 v.Chr. Ausgrabungen legten mehrere, meist einräumige Wohnbauten in rechteckiger und ovaler Form der frühesten Bauphase frei, die um die Mitte des 7. Jh.s v.Chr. im Kimmeriersturm abgefackelt worden sein dürften. In spätarchaischer Zeit bildete sich um ein ursprünglich zweiräumiges Haus des 7. Jh.s ein vielräumiges Hofhaus aus, das um 600 v.Chr. anscheinend wegen des steigenden Grundwassers aufgegeben werden mußte. Anschließend diente das bisher ausgegrabene Gebiet als Wirtschaftsareal am Dorfrand. Östlich des Dorfes zog die alte Küstenstraße am Hangfuß des Panayirdag vorbei, entlang der Bestattungen der spätarchaischen und klassischen Zeit im Bereich zwischen dem sog. Staatsmarkt [18] und dem Agora-Nordtor [64] aufgedeckt werden konnten.

D. Hellenistisch-Römische Stadt
König Lysimachos, einer der ehemaligen Leibwächter Alexanders d. Gr., dehnte nach dem Jahre 301 v.Chr. seine Herrschaft von Thrakien auf das ägäische Kleinasien aus. Die von Überschwemmungen heimgesuchte Stadt am Artemision wurde durch seine Initiative aufgegeben und eine auch mit Kolonisten aus Kolophon und Lebedos angereicherte Neustadt namens Arsinoeia am Nordosthang des Bülbüldag (Preon) bzw. dem Südteil des Panayirdag (Pion) [11] angelegt. Das Stadtgebiet wurde mit einer durchschnittlich drei Meter breiten, mit zahlreichen Türmen verstärkten Mauer umgeben, die besonders auf dem Kamm des Bülbüldag noch heute in beeindruckender Weise erhalten ist. Spurenelemente lassen eine baulich sehr ähnliche, in sich geschlossene Befestigung um den Nordgipfel des Panayirdag [11] erkennen, die annähernd 1000 Jahre später teilweise in die byzantinische Stadtbefestigung [77] einbezogen wurde. Die Stadt konnte über mindestens drei große Tore betreten werden, von denen zwei an der küstennahen Straße anzunehmen sind, das Haupttor [10] lag an der Fernstraße nach Magnesia am Mäander bzw. Milet im Südosten der Stadt.
Auch die Handelsagora [61] wurde bereits unter Lysimachos errichtet, aber erst im Laufe der folgenden ca. 150 Jahre über mindestens zwei Neubauphasen monumental mit Hallenanlagen ausgestaltet. Wegen der dichten römerzeitlichen Verbauung des Stadtgebietes sind ansonsten noch kaum Tiefgrabungen zur systematischen Erforschung der hellenistischen Stadt möglich gewesen. Ihr Kernbereich dürfte sich aber auf das Gebiet am unteren Teil des Bülbüldag - Südhanges von der Tetragonos Agora [61] westwärts eingeschränkt haben. Am unteren Ende des antik Embolos genannten Einschnittes zwischen Bülbüldag und Panayirdag lagen am Hang noch im 1. Jh. v.Chr. Töpfereien, die üblicherweise wegen der mit ihnen verbundenen Feuergefahr nur in der Vorstadt angesiedelt werden durften. An der vom Magnesischen Tor her durchziehenden Straße wurde am Ausgang des Embolos anscheinend noch im 2. Jh. v.Chr. ein zweigeschossiges Brunnenhaus [48] errichtet, das offensichtlich als Ehrenmonument für den mythischen Stadtgründer Androklos ausgestaltet war. Auch das große Theater [75] dürfte in seinem Kern bereits auf die hellenistische Zeit zurückgehen.
Unter Kaiser Augustus wurde Ephesos zum Sitz des Statthalters von Asia bestimmt und als Haupthafen für den Handelsverkehr, aber auch für die militärische Logistik bis zur Ostgrenze (unter Kaiser Traian an den Euphrat vorgeschoben) des Imperium Romanum benutzt. Dadurch kam es zu einem starken wirtschaftlichen Aufschwung mit enorm wachsender Bevölkerung, der sich in immenser Bautätigkeit sowohl im öffentlichen wie im privaten Sektor niederschlug. Der Großteil der Bauten dieser Zeit mußte nach einem vernichtenden Erdbeben des Jahres 23 n.Chr. allerdings renoviert oder von den Fundamenten auf neu errichtet werden. In der Zeit des iulisch- claudischen Kaiserhauses (27 v. bis 68 n.Chr.) wurde am Westhang des Panayirdag das Stadion [104] vergrößert oder überhaupt neu errichtet und die Tetragonos Agora [61] mit ihren beiden Prunktoren im Südosten und Westen über der geschleiften hellenistischen Anlage auf ungefähr verdoppelter und durch Terrassierung geebneter Fläche geschaffen. Die um den offenen Agoraplatz laufenden, zweigeschossigen Hallen bildeten nunmehr ein Quadrat von 150 m Seitenlänge.


Plan 3: Ephesos, Augusteisches "Regierungsviertel"

Glanzpunkt der Bautätigkeit aber war das auf den Sattel zwischen den beiden Stadtbergen verlegte neue "Regierungsviertel" nördlich der vom Magnesischen Tor in die Stadt führenden Hauptstraße. Das Prunkstück des Ensembles bildete die 11 n.Chr. errichtete, 168 m lange, dreischiffige und zweistöckige Basilike Stoa [21], deren östlicher Kopfbau als Kultraum für die Herrscherfamilie eingerichtet war. Vor der Front der Stoa erstreckte sich ein langrechteckiger Platz, auf dem höchstwahrscheinlich der Tempel des divus Iulius (=vergöttlichter Caesar) und der dea Roma stand [20]. Hinter der Stoa erhoben sich das das Bouleuterion [22] und östlich von diesem das Prytaneion [24] der Stadt, zwischen denen wiederum ein heiliger Bezirk [23] zur gemeinsamen Verehrung der Stadtgöttin Artemis Ephesia und des Augustus lag. Das Regierungsviertel darf als optimale architektonische Umsetzung einer politisch-religiösen Notwendigkeit, nämlich der Einbindung einer autonomen Stadt in den Verband des Imperium Romanum, angesehen werden.
In die Jahrzehnte um die Zeitenwende fällt auch der Ausbau der Berghänge am Embolos als Wohnviertel gehobener Bürgerkreise, allerdings sind diese Privatdomizile (sog. Hanghäuser [50+51]) durch Um- und Ausbauten der folgenden Jahrhunderte nur noch rudimentär erkennbar. Dem gestiegenen Wasserverbrauch der vermehrten und anspruchsvoller gewordenen Einwohnerschaft, der in augusteischer Zeit zumindest zwei (noch nicht identifizierte) Gymnasien zur Verfügung standen, diente die Anlage von zwei Fernwasserleitungen, der aqua Iulia und der aqua Throessitica.
Unter der Regierung des Domitian (81 - 96 n.Chr.) erhielt Ephesos erstmals die Genehmigung zum Bau eines offiziellen Provinzialheiligtums für den Herrscherkult, die sog. Neokorie. Dieser Tempel der Kaiser des Koinons von Asia [30], wie sein offizieller Name lautete, erhob sich auf einer von Gewölben getragenen Terrasse hoch über die Kultbauten der Vorgängerdynastie. Gegenüber dem Tempel endete die neue Marnas-Wasserleitung in einer prunkvoll mit Statuen geschmückten Brunnenanlage [28]. Ihre Wasserbecken öffneten sich sowohl auf den sog. Staatsmarkt vor der Basilike Stoa, als auch auf den sog. Domitiansplatz vor dem neuen Herrschertempel. In der Hafenebene wurde im Schwemmland ein riesiger Thermen- Gymnasiumkomplex errichtet [92-93], an den ein von offenen Hallen umgebener Sportplatz [94] zur Abhaltung der ephesischen olympischen Spiele zu Ehren des Domitian angeschlossen war. Unter Domitian wurde auch der Ausbau des Theaters [75] vorangetrieben, der unter Kaiser Traian vollendet wurde.


Abb. 1: "Regierungsviertel"
Photo Pesendorfer

Abb. 2: Hadrianstempel, Variusbad
Photo Pesendorfer

Der prunkvolle Ausbau der Straße am Embolos, der sog. Kuretenstraße [36] hatte zwar bereits mit dem Androklosbrunnen [48], einem weiteren Nymphäum [45] und dem zwischen diesen errichteten oktogonalen Grabbau [47] der in Ephesos ermordeten ägyptischen Prinzessin Arsinoe, der Schwester der Kleopatra, in späthellenistischer Zeit begonnen, wurde aber erst in der Regierung des Kaisers Hadrian (117 - 138) abgeschlossen. In der frühesten Kaiserzeit wurden vor allem an den Endpunkten des Embolos Ehren- und Grabdenkmäler für um Ephesos verdiente Personen, die teilweise mit Brunnenanlagen kombiniert waren [28, 32, 46], sowie reine Brunnenhäuser [33] und Wasserspiele [59] errichtet.
Im unteren Bereich der unter Kaiser Domitian gepflasterten und mit Statuen geschmückten Straße wurde zu Beginn des 2. Jh.s durch C. Varius Valens ein öffentliches Bad [41] errichtet. Daran schloß östlich ein Brunnenhaus [38] an, in dem die von Ti. Claudius Aristion errichtete Traianswasserleitung endete, von der wohl auch das Variusbad sein Wasser bezog. An der Straßenfront dieser Thermen wurde 118 n.Chr. durch P. Vedius Antoninus ein Gebäude [40] zu Ehren von Artemis, Hadrian und Bürgerschaft fertiggestellt, das in der archäologischen Literatur lange als der zweite ephesische Neokorietempel galt. Es scheint sich allerdings um ein vom Bautypus und Ornamentik eher heroonartiges Bauwerk zu handeln, dessen (später eingesetzte) Friese Szenen aus den Stadtgründungslegenden enthalten.
Die an der Südseite der Tetragonos Agora vorbeiführende Straße wurde durch den Bau eines großen Tempelbezirks [67], der möglicherweise ägyptischen Göttern als Kultort diente, um 100 n.Chr. zur Sackgasse und schließlich ganz aufgegeben. Die an den Hang nach Süden verlegte Straße nahm ihren Ausgangspunkt nunmehr am Südende der vom Theater herführenden sog. Marmorstraße [60] an einem zwischen 110 und 120 errichteten Tor [49] mit Widmung an Kaiser Traian oder Hadrian.

Abb. 3: Celsusbibliothek
Die alte Straßen wurde vor dem Südtor [56] der Agora platzartig ausgestaltet, quer über der ehemaligen Trasse erhob sich die bald nach dem Jahre 110 als Ehrengrab ihres Stifters C. Iulius Celsus erbaute Bibliothek [55]. In ihrer Nachbarschaft siedelten sich bald weitere Gräber an, die allerdings großteils als Folge christlicher Ideologie spätestens im ausgehenden 4. Jh. abgetragen oder sonstwie unsichtbar gemacht wurden [z.B.: 57].

Der damaligen radikalen Umgestaltung des Stadtbildes fiel auch ein großer Altarbau [52] zum Opfer, der sich anscheinend zumindestens seit dem 1. Jh. n.Chr. an der Südseite dieser Straße erhoben hatte. Möglicherweise war es dieser, vielleicht der Artemis Ephesia geweihte Altarbau an der der Göttin heiligen Dreiwegkreuzung, der die Ehrengräber angezogen hatte.
Im Zeitraum 129/130 n.Chr. erhielt Ephesos von Kaiser Hadrian die Erlaubnis zum Bau des zweiten Provinzial- oder Neokorietempels [98], der wahrscheinlich als Olympieion bezeichnet wurde. Für diesen Riesentempel wurde im ehem. Meeresgebiet neues Bauland nördlich des domitianischen Sportplatzes [94] geschaffen. Das Heiligtum wurde im Zuge des spätantiken Tempelsturms allerdings bis tief in die Fundamente hinein abgetragen, sodaß – ähnlich wie bei den Tempeln am Regierungsviertel – bis heute noch keine konkreten Vorstellungen vom ehemaligen Aussehen wiedergewonnen werden konnten.
Unter der Regierung des Antoninus Pius (138 - 161) erhielt die Stadt noch eine weitere Fernwasserleitung und die beiden Gymnasium/Thermenkomplexe an der Peripherie, das sog. Ostgymnasium [12] beim Magnesischen Tor und die von P. Vedius Antoninus Phaedrus errichtete Anlage [106] beim Stadion. Das bedeutendste Bauwerk aus der Zeit der kaiserlichen Adoptivbrüder Marcus Aurelius (161 - 180) und Lucius Verus (gest. 169) war ein anscheinend dem Pergamonaltar nachempfundenes Siegesmonument anläßlich des Partherfeldzuges, dessen Standort die ephesische Erde allerdings trotz intensiver Suche bisher noch nicht preisgegeben hat. Lediglich Teile des im 4. Jh. zur Ausschmückung von Brunnenanlagen verwendeten reichen Reliefschmucks sind zutage getreten.
In der Zeit der severischen Dynastie (193 - 235) muß nach Ausweis zahlreicher Inschriften noch rege Bautätigkeit, vor allem Restaurierungsmaßnahmen, im öffentlichen Sektor geherrscht haben, die nachweisbaren neuen Baukörper beschränken sich aber im wesentlichen auf einen Torbau am Hafen [88] und eine wohl fälschlich in der archäologischen Literatur Macellum [100] benannte Hallenanlage mit einem zwölfstrahligen zentralen Rundbau auf dem Hügel vor dem Stadion, die am ehesten mit einem Heiligtum, vielleicht dem dritten Neokorietempel aus der Zeit des Kaisers Caracalla in Verbindung gebracht werden könnte.
Im Jahre 262 unter der Regierung des Kaisers Gallienus wurde Ephesos von einem verheerenden Erdbeben und nachfolgenden Plünderungsaktionen gotischer und herulischer Piraten verwüstet. In die Ruinen der öffentlichen Bauten nisteten sich Handwerksbetriebe und dürftige Wohnstätten ein, der Wiederaufbau ging in den Krisenzeiten der Soldatenkaiser nur schleppend voran. Ehrenbasen für Diokletian und seine Mitregenten aus der Zeit um 300 n.Chr. am Platz vor dem Theater [72], vor dem sog. Hadrianstempel an der Kuretenstraße [40] und dem Brunnenhaus [33] am oberen Ende dieses Straßenzuges bezeugen, daß zu dieser Zeit zumindest die Hauptstraßen wieder einigermaßen geordnet gewesen sein müssen. Unter den Söhnen Constantins d.Gr., um die Mitte des 4. Jh.s, wurde die öffentliche Wasserversorgung durch Wiederherstellung zumindest einer der großen Fernwasserleitungen und der nunmehr als Thermae Constantianae bezeichneten Bäder am Hafen [92] sowie dem Neubau einer Reihe von Brunnen zumindest rudimentär wiederhergestellt.

E. Byzantinische Zeit
Wirklich flächendeckende städtebauliche Maßnahmen wurden allerdings erst, wohl nach weiteren Erdbebenschäden in der zweiten Hälfte des 4. Jh.s, unter der Regierung von Theodosius d. Gr. (379 - 395) und seinem Sohn Arcadius (383 - 408) verwirklicht. Unter Verwendung des Baumaterials teilweise ruinöser, teilweise funktionslos gewordener Gebäude, vor allem der Kaisertempel, wurde auf verkleinertem Gebiet zwischen dem ehemaligen Olympieion [98] und dem durch das Heraklestor [35] nach Osten abgeschlossenen Embolos die Stadt neu aufgebaut. Im Profanbereich sind vor allem die Wiederherstellung der Handelsagora als Foros Theodosianos [61] und des Theaters [75] als Glanzpunkte der urbs renovata zu nennen; die Umgestaltung der Südhalle des Olympieions zur Bischofskirche [95], die der Gottesmutter Maria geweiht wurde, und des anschließenden Bischofspalastes [97] sowie der wahrscheinlich benachbarten Residenz des Statthalters [81] verlegten das neue Stadtzentrum in die Hafenebene. Als Hauptachse der Stadt könnte damals bereits die nunmehr Arkadiane genannte Verbindungstraße vom Hafen zum Theater fungiert haben.
Nach weiteren Erdbebenschäden dürfte es unter Kaiser Iustinian (527 - 565) zu einer letztmaligen Blüte der Stadt gekommen sein. Neben dem vielleicht damals entstandenen Viersäulenmonument auf der Arkadiane [84] könnte vor allem der Neubau der Marienkirche unter Iustinian erfolgt sein. Als bedeutendster Bau aber wurde am Ayasoluk um das sagenumwobene Grab eines als Theologos apostrophierten Johannes, den man damals längst mit dem Apostel und Evangelisten gleichsetzte, eine von sieben Kuppeln überwölbte Kreuzbasilika errichtet [152]. In diesem Pilgerzentrum entstand dem Bischof starke Konkurrenz, die geschützte Burgsituation hinter festungsähnlichen Klostermauern sollte sich gegenüber der Siedlung am Hafen bald als Vorteil erweisen.
Wahrscheinlich unter Heraklius (610 - 641) wurde die Stadt um die Marienkirche mit einer Wehrmauer [77] zum Schutz gegen die nun Kleinasien bedrohenden Araber umgeben, es scheint aber, als hätte diese wenig Wirkung besessen. Bereits um 654/655 wurde aber Ephesos, auch die Johanneskirche, vom späteren Kalifen Muawija erobert. Spätestens damals muß das gesamte Gebiet außerhalb der Stadtmauern, wie münzdatierte Aschenschichten in und auf allen untersuchten Gebäuden zwischen Agora und Kirche [13] beim Ostgymnasium zeigen, endgültig aufgegeben worden sein. Vielleicht aber übersiedelten damals bereits auch Bischof und Strategos in die neue Burg am Ayasoluk, die nach und nach auch die verbliebene Bevölkerung aufnahm.

*: Allgemeine Literatur:
S. Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos. Die Geschichte einer der großen Städte der Antike (1995)
P. Scherrer (Hrsg.), Ephesos. Der neue Führer. 100 Jahre Österreichische Ausgrabungen. 1895 - 1995. (1995)
G. Wiplinger - G. Wlach, Ephesos. 100 Jahre Österreichische Forschungen. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Wien (1995)
Zu Detailproblemen vgl. die ausgewählte Ephesos-Bibliographie.

© P. Scherrer



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