Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 4 / VIII / 1997

ROUGE ET NOIR
Schwarzes und rotes Geschirr



In den letzten zehn Jahren wurden unter der Westhalle und dem Westtor der Tetragonos- Agora von Ephesos große Mengen an Keramikscherben ausgegraben, die aus einer einheitlichen Auffüllung vom Anfang des ersten Jahrhunderts n. Chr. stammen.
Die Gefäße zeigen keinerlei Benützungsspuren wie Schnittspuren, Kratzer oder die sonst beliebten Namenseinritzungen bzw. andere Kennzeichnungen auf dem Eßgeschirr, Rußspuren auf dem Kochgeschirr und den Öllampen, sie sind jedoch zum großen Teil durch Brandeinwirkung verfärbt. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß es sich um noch ungebrauchte, zum Verkauf in Ephesos selbst bzw. für den Versand per Schiff vorbereitete Ware handelt, die bei dem Brand eines Lagerhauses zu Schaden kam, worauf dieser Brandschutt zur Aufplanierung verwendet wurde.

Was können uns nun diese Scherben erzählen? Viel! Erstens zeigen sie uns einen Querschnitt des vor fast 2000 Jahren in Ephesos üblichen Geschirrs, das zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln, zum Kochen und zum Servieren bzw. Essen und Trinken verwendet wurde. Zweitens kann man daraus im Vergleich mit gleichartigen Funden von anderen Grabungsplätzen Rückschlüsse auf die oft sehr weitreichenden Handelswege ziehen. Dabei lassen sich Importe nach Ephesos und Exporte aus Ephesos unterscheiden. Der für die Schiffahrt so günstig gelegene Hafen von Ephesos wurde auch von der weiteren Umgebung insoferne mitbenutzt, als auch die im Hinterland der Küste lebenden Leute sich ihre Güter per Schiff von weither bringen ließen und andererseits ihre Produkte in alle Welt versandten [1]. Drittens kann man den antiken Töpfern auf die Spur kommen, indem man einige von ihnen auf Grund von Fabrikationsstempeln namentlich kennt und sich außerdem ihre Produktionsmethoden durch genaue Beobachtung technischer Details erfassen lassen.

Aus der großen Scherbenmenge sollen nun zwei Gruppen hervorgehoben werden:

Abb. 1: "Graue Platten" v. Agora
Photo Trinkl
I. Die sogenannten "grauen Platten" [2], die aus grau gebranntem Ton hergestellt wurden und einen glänzend schwarzen Überzug haben (Abb. 1) [3]. Es handelt sich um flache Platten mit niedrigem Rand in unterschiedlichen Größen und Formen, die zum Auftragen von Speisen oder als Untersetzer verwendet wurden. Es gibt runde Platten, die auf der Töpferscheibe hergestellt wurden und im Durchmesser bis zu einem Meter messen können. Diese großen Exemplare wurden möglicherweise wie das heute übliche türkische Tepsi auf einem Holzgestell als Beistelltisch verwendet [4]. Sehr häufig sind rechteckige Platten mit zwei Griffen an den Schmalseiten, die als Tablett dienten. Sie wurden hergestellt, indem man den Ton in Formen strich.
Die Griffe und manchmal auch die Ränder können in den unterschiedlichsten Arten verziert sein. Die Größen variieren von ca. 12 x 18 cm bis 34 x 48 cm. Daneben gibt es noch verspielte andere Formen wie der kleine Untersetzer auf Abb. 1. Diese Platten wurden in ephesischen Töpfereien produziert, was sich durch naturwissenschaftliche Analysen auf Grund der lokalen Tonzusammensetzung nachweisen ließ [5]. Daß ihre Qualität aber nicht nur in Ephesos geschätzt wurde, zeigt die Karte Abb. 2 mit den anderen bisher bekannten Fundorten dieser Platten vor allem rund um die Ägäis und das östliche Mittelmeer, aber auch an weiter entfernten Orten in Italien und am Magdalensberg (Österreich).

Abb. 2: Verbreitungskarte der "Grauen Platten":
1: Magdalensberg, 2: Adria, 3: Luni, 4: Francolise-San Rocco, 5: Olympia, 6: Korinth, 7: Athen, 8: Delos, 9: Knossos, 10: Samos, 11: Troja, 12: Pergamon, 13: Candarli, 14: Ephesos, 15: Priene, 16: Labraunda, 17: Tarsus, 18: Paphos, 19: Antiochia/Orontes, 20: Samaria, 21: Jerusalem, 22: Berenice.

II. Teller und Schalen aus rot gebranntem Ton mit orangerotem Überzug, die der archäologisch und chemisch definierten Gruppe der sogenannten "Eastern Sigillata B" angehören. Dieses Tafelgeschirr wurde bereits von dem antiken Schriftsteller Plinius in seiner Naturalis historia (35, 160) erwähnt. Der dort genannte Produktionsort Trallis entspricht dem heutigen Aydin südöstlich von Ephesos. Hierfür diente Ephesos also sowohl als Absatzmarkt als auch als Umschlagplatz. Diese Gefäße wurden durchwegs auf der Töpferscheibe hergestellt und in der Mitte der Gefäßinnenseite mit einem Fabrikationsstempel versehen, der uns in den meisten Fällen den Töpfereibesitzer nennt. (Manchmal wurden nur ornamentale Stempel verwendet). Der Name, der bei den Funden von der Agora am häufigsten vorkommt, ist der des C. Sentius. Dieser Mann war in Italien beheimatet [6] und deshalb schrieb er seinen Namen auch in lateinischen Buchstaben und nicht wie die übrigen kleinasiatischen Töpfer in den dort üblichen griechischen.


Abb.3: Stempeltypen des C. Sentius

Bei den hier behandelten Gefäßen treten nur drei Varianten von Stempeln auf (Abb. 3), die alle Ligaturen, d.h. platzsparende Verbindungen von Buchstaben aufweisen, in unserem Fall E+N+T bzw. E+N+T+I. In Italien besaß er eine große Firma in Arezzo und eine Filiale an einem noch nicht näher bekannten Ort in Oberitalien. Aber nicht genug damit: dieser äußerst geschäftstüchtige Mann expandierte nicht nur in den Osten, wo er möglicherweise an der Entstehung der Eastern Sigillata B-Produktion mitbeteiligt war, sondern auch nach Westen, indem er gemeinsam mit anderen arretinischen Töpfern in Lyon, dem antiken Lugdunum, eine weitere große Keramikproduktion aufzog, die vor allem Gallien und Germanien belieferte.

Abb.4: Gefäßfragmente des C. Sentius mit unterschiedlich starker
Farbveränderung durch Brandeinwirkung
Photo H. Zabehlicky

Die Scherben auf Abb. 4 zeigen deutlich, wie sich die ursprünglich orangerote Farbe durch den Schadensbrand in unterschiedlicher Intensität zu braun oder gar schwarz verändert hat. Rot- und Schwarztöne kommen seit jeher bei der Keramik vor und der Wechsel dieser beiden Farben wurde bisweilen bewußt eingesetzt, so bei den griechischen schwarz- und rotfigurigen Gefäßen. Ungewollte, nachträgliche Farbveränderungen können jederzeit entstehen, wenn ein einmal gebranntes Keramikprodukt nochmals erhitzt wird (z.B. wenn ein Haus abbrennt). Dabei kommt es nur darauf an, ob es in sauerstoffreicher Umgebung wieder abkühlt, wodurch es rot wird, oder bedeckt vom Brandschutt unter Luftabschluß, was eine Schwarzfärbung zur Folge hat. Auch einige der schwarzen "grauen Platten" haben so ihre Farbe zu einem rötlichen Braun verändert.

[1] U. Outschar, Produkte aus Ephesos in aller Welt?, BerMatÖAI 5 (1993) 46-52.
[2] V. Mitsopoulos-Leon, Die Basilika am Staatsmarkt in Ephesos. Kleinfunde 1. Teil: Keramik hellenistischer und römischer Zeit. FiE IX 2/2 (1991) 78-84.
[3] S. Zabehlicky-Scheffenegger/R. Sauer/G. Schneider, Graue Platten aus Ephesos und vom Magdalensberg. In: M. Herfort-Koch/U. Mandel/U. Schädler (Hrsg.), Hellenistische und kaiserzeitliche Keramik des östlichen Mittelmeergebietes. Kolloquium Frankfurt 24.-25. April 1995. Schriften des Arbeitskreises Frankfurt und die Antike (1996) 41-59.
[4] U. Outschar, Aspekte zur Chronologie. Analyse und Dokumentation exemplarisch ausgewählter keramischer Fundkomplexe. In: C. Lang-Auinger, Hanghaus l in Ephesos, FiE 8/3 (1996) 42 Anm. 168.
[5] siehe Anm. 3.
[6] S. Zabehlicky-Scheffenegger, Der Italiener in Ephesos, RCRF Acta 34, 1995 (1996) 253-271.

© S. Zabehlicky-Scheffenegger



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