Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 4 / VIII / 1997

EPHESOS 96
Die Kampagne im Jahre 1996



Im 101. Jahr der österreichischen Tätigkeit in Ephesos wurden die laufenden Arbeiten zügig und mit Erfolg von Mai bis Oktober fortgesetzt. Im Einsatz stand ein internationales Team von insgesamt 105 Anthropologen, Archäologen, Archäozoologen, Architekten und Bauforschern, Epigraphikern, Geodäten, Geologen, Geophysikern, Kunsthistorikern, Photographen und Restauratoren, wobei die türkischen Fachkollegen insgesamt ein Viertel ausmachten. Der Generaldirektion für Monumente und Museen in Ankara, ihren Vertretern vor Ort (C.Içten, R.Okçu, M.Törnük) und dem Ephesos-Museum in Selçuk unter Dir.S.Erdemgil ist für die Lizenz-Erteilung sowie Unterstützung und unbürokratisches Entgegenkommen zu danken.

Ohne die anhaltende finanzielle Förderung des Unternehmens durch die österreichischen Stellen wären unsere intensiven Bemühungen gewiß weniger erfolgreich; so gilt der Dank dem Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst, der österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Gesellschaft der Freunde von Ephesos, Herrn Senator Anton Kallinger, der Schweizer Stiftung Pro Ephesos, der Wiener Hochschuljubiläumsstiftung sowie einzelnen Landesstellen und Banken.

Die Ausgrabung des archaischen Dorfes Smyrna unter der Handels-AGORA wurde abgeschlossen, so daß jetzt die Publikation dieses überaus wichtigen, ab dem späten 8.Jh.v.Chr. besiedelten Areales aufgenommen werden kann (P.Scherrer). Die Bearbeitung der keramischen und anderen Kleinfunde, die bis ins 1.Jh.n.Chr. reichen, fand verstärkt Fortsetzung (M. Kerschner, F.Soykal, E.Trinkl, S.Zabehlicky). Neben der weiteren Ordnung der Agora-Fläche wurde die exakte Bauforschung des Westtores eingeleitet (G.u.J.Fiska), an dem sich zwischen dem 1. und 4.Jh.n.Chr. zumindest vier Bauphasen unterscheiden lassen.

Auf dem Gebiete der ANTHROPOLOGIE war ein extensives Programm zu erledigen, das die Bearbeitung des Skelettmateriales nicht nur aus Damianos-Stoa, Marienkirche und Stadion sowie Altgrabungen, sondern auch von bedeutenden Fundplätzen des Museums umfaßte. Für einzelne Bereiche sind bereits Druckvorlagen erfolgt (E.u.S.Reuer).

Der Einsatz der ARCHÄOZOOLOGIE führte zur weiteren Erfassung der Tierknochenfunde besonders aus Artemision, Hanghaus und Marienkirche, wobei vor allem aus Eßabfällen auf die Speisekarte Rückschlüsse zu gewinnen waren (G.Forstenpointner, G.Gaggl).

Die repräsentative Ordnung der Ruinenstätte des ARTEMISIONS konnte weitgehend zuende gebracht werden; der entstandene Steingarten läßt die Reste des 7.Weltwunders jetzt besser verstehen (A.Bammer). Besonderes Augenmerk galt der weiteren Fundbearbeitung von archaischer Keramik, Bronze, Tempelarchitektur, Terrakotten und den Goldfunden (U.Muss; M.Dewailly, Kerschner, G.Klebinder, Ä.Ohnesorg, U.Schädler, P.Schneider, F.Yilmaz).

Die Bearbeitung des für die spätere Kaiserzeit in Ephesos sehr wichtigen Keramik-Befundes aus der DAMIANOS-STOA wurde fortgesetzt (E.Auinger).

Wie immer wurde das reiche EPIGRAPHISCHE Material zügig aufgearbeitet, wobei den spätantiken Inschriften, die auf besondere Weise das Stadtleben jener Epoche widerspiegeln, verstärktes Interesse galt (D.Knibbe, H.Taeuber; H.Engelmann, D.Feissel, C.Roueché).

Der Erforschung des FRÜHCHRISTENTUMS wurde durch Einbeziehung von sog. Lukas-Grab (Abb.1) und der, bis in die jüngere Vergangenheit begangenen, sog. Paulus-Grotte und den Beginn eines Bauplastik-Kataloges neue Impulse verliehen (R.Pillinger; B.Asamer, A.Pülz).


Abb. 1: Lukasgrab

GEOPHYSIKALISCHE Untersuchungen zur Feststellung von Verbauung konnten im Bereich von Agora und Koressos vorgenommen werden (G.Fuchs, J.Hruska, J.Vyslouzil / S.Seren, F.Scharm).

Abb. 2: Hadrianstor
Die Teilanastylose des HADRIANSTORES (Abb. 2) konnte mit Versetzen eines Bogensteines zum Abschluß gebracht werden, so daß dies bedeutende Monument seinen einstigen städtebaulichen Akzent vor der Celsus-Bibliothek wiedererlangt hat (H.Thür; R.Seeber).

In HANGHAUS 2 fand die exakte Bauforschung der Wohneinheiten 1+2 (G.Wiplinger; C.Lang, S Schretter, S.Uçan) sowie der Wohneinheiten 4+6 (Thür; K.Koller, U.Outschar) durch intensive Aufnahmen und Vermessungen nach z.T. neuartigen Verfahren einen Höhepunkt. So müssen das hier exemplarisch für den ephesischen Wohnbau gewonnene Bild bzw. ältere Datierungen immer mehr modifiziert werden. Die laufende Bearbeitung der Kleinfunde aus den einstigen Grabungskampagnen von H.Vetters wurde ungebrochen fortgeführt (E.Dereboylu, Outschar, Lang, Schretter).

Der Einsatz von KÜSTENGEOGRAPHIE und GEOLOGIE zur wissenschaftlichen Bestimmung der historisch relevanten Verlandung der ephesischen Bucht konnte zu einem Zwischenabschluß geführt werden. Jetzt sind auch zum ersten Male konkrete Datierungen und Profile der Küsten-Phasen vorhanden, die besonders für 353-220 und 111-32 v.Chr. greifbar sind (H.Brückner, I.Kayan, J.C.Kraft).

Am unteren Ende der KURETENSTRASSE sollten Sondierungen archäologische Aufschlüsse zur spätantiken "Kuretenhalle" erbringen; dabei zeigte sich, daß es gegenüber den Heroa in frührömischer Zeit einen freien Platz gab, der wohl mit diesen in Zusammenhang zu sehen ist. Besonders wichtig ist, daß hier auch ein Bachbett durchzieht, das im 6.Jh.v.Chr. verfüllt wurde (Thür; W. Pietsch).

Abschließende Arbeiten am MAGNESISCHEN TOR zeigten überraschenderweise, daß dies Bauwerk doch erst gegen Ende des 1.Jh.s v.Chr. z.T. aus den Blöcken des hellenistischen Tores errichtet wurde, das nun an anderer Stelle gesucht werden muß (G.u.M.Seiterle).

Im Hauptchor (Presbyterion) der MARIENKIRCHE (Abb. 3) gelang eine gründliche Untersuchung der einzelnen Bauphasen, die neuerlich bestätigte, daß die ehemalige Südhalle des Olympieions i.J. 431 für das Konzil adaptiert bzw. partiell umgebaut, und die reguläre Kathedrale erst später errichtet wurde: Zwischen ca. 500 und 655 erfuhr diese - außer dem kompletten Umbau nach dem Erdbeben von 557 (Ziegelkirche) - insbesondere im Priesterraum immer wieder Veränderungen (die z.T. mit der sich wandelnden Liturgie zu erklären sind), um danach nur noch als Rumpfbau als Friedhofkirche zu dienen (Karwiese; Y.Yavas, Pietsch). Die Bearbeitung der Kleinfunde (vor allem Glas und Öllampen) konnte zügig fortgesetzt werden (A.Korsitzky, K.Krall, H.Liko).

Abb. 3: Marienkirche, opus sectile-Böden
Mit dem Beginn der Aufnahme der PORTRÄTS wurden die Arbeiten für den 3.Band des Skulpturen-Corpus (ein Gemeinschaftsprojekt mit Kunsthistorischem Museum, Museum Selçuk und British Museum) eingeleitet (M.Aurenhammer; J.Auinger, A.Chodora, M.Laubenberger).

Auf dem Sektor der RESTAURIERUNG als einem der arbeitsintensivsten Bereiche wurden nicht nur die Sicherungsarbeiten an den Wänden des Hanghauses 2, des Siebenschläfer-Bezirkes und der Taverne vor dem Theater fortgeführt, sondern auch die Wandmalerei des Prachtraumes hinter dem sog. Odeion konserviert. Neben den vielfältigen Arbeiten im neu eingerichteten Laboratorium wurde für die Restaurierungsphase, die nach der (jetzt dank der neu geschaffenen österreichisch-türkischen Hanghaus-Kommission in greifbare Nähe gerückten) Schutzüberdachung des Hanghauses 2 einzusetzen hat, ein umfangreicher Maßnahmenkatalog erstellt (K.Herold; N.Karakas, H.Leitner, K.Scherzer, E.Trnka).


Abb. 4: Bronzemünze des Domitian (81-96)
Die Sanierungsarbeiten der Außenhaut des STADIONS haben das Ostende erreicht, wo auch weitere Teile der spätrömischen Arena freigelegt wurden. Neue zahlreiche Münzfunde der Epoche 1.-3.Jh.n.Chr. (Abb. 4) reflektieren wohl den Brauch der Verteilung von "Gedächtnis-Prägungen" anläßlich bestimmter Feiern wie etwa zu Ehren von Artemis und Kaiserhaus (Karwiese, D.Akar); die Bearbeitung der Kleinfunde wurde ebenfalls fortgeführt (P.Turnovksy).

Da trotz einer intensiven Werbekampagne noch immer nicht die nötigen Mittel zur Durchführung des EUREKA/EUROCARE-Projektes im THEATER aufgetrieben werden konnten, wurden die hiesigen Sanierungsarbeiten in geringerem Umfange fortgeführt. Daneben setzte aber außer der Vervollständigung des Grundplanes die intensive Suche nach und Aufnahme der verstreuten Architekturglieder ein, wobei hier modernste Methoden zum Einsatz kommen (I.Ataç; E.Budak, B.Sen, G.Varinlioglu).

Neben der in der modernen Archäologie nicht mehr zu missenden begleitenden VERMESSUNG wurden die Arbeiten vor allem an der Stadtkarte intensiviert. Außerdem wurden neue photogrammetrische Aufnahmetechniken erprobt (G.Freißler, K.Haslinger, S.Klotz, G.Otepka, C.Riegler, R.Stöger).

Einen besonderen Höhepunkt stellte der Besuch des Herrn Bundespräsidenten, Dr. Thomas Klestil, und des Herrn Bundesminister, Dr. Rudolf Scholten, am 25.Juni 1996 dar, anläßlich dessen die Wander-Dokumentationsausstellung "100 Jahre Ephesos" in der Celsus-Bibliothek eröffnet wurde.


© St.Karwiese und Team
Österreichisches Archäologisches Institut
Franz-Klein-Gasse 1, A-1190 Wien



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