Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 4 / VIII / 1997

AMPHOREN - ANKER - APHRODITEN
Die Grabungen im Hafen von Ephesos 1987-1989


Die Grabungsstelle lag an der Südkante des sumpfigen, mit Schilf bestandenen Gebietes, das seit langem als Hafengebiet von Ephesos (s. Plan) gilt. Hafenanlagen im engeren Sinn wurden in der Umgebung eines Teiches angetroffen, wo einige große Steinblöcke im Schilf zu erkennen waren. Ihre Freilegung ergab folgendes Bild: Der Kai ist 2.07 m breit, was sehr genau 7 p.R. entspricht.
Mächtige Steinblöcke bilden seine Oberkante, sie sind gut verlegt aber nicht sonderlich sorgfältig bearbeitet. Darunter folgen vermörtelte Steinscharen. Die Mauer verläuft in einem Bogen etwa 50 m weiter nach Westen bis zu einer Mole von etwa 4 m Breite. Danach springt die Kaimauer zurück und biegt in westliche Richtung um. Streckenweise war eine auf die Kaimauer aufgesetzte Mauer erhalten. Südlich der Kaimauer lag ein Plattenpflaster. Am Molenkopf und im Teich wurde eine Fläche abgetieft, wobei die Sohle des Hafenbeckens festgestellt wurde. Die Bauweise der Mole entspricht den Empfehlungen, die Vitruv für die Errichtung von Hafenanlagen gibt (Vitruv, Libri decem de Architectura V/12). Ein beladenes Schiff des in Pantano Longarini gefundenen Typs hatte gerade noch genug Wasser unter dem Kiel (Abb. 1).

Abb.1: Profilskizze über die Mole mit Schiffsrekonstruktion

Literarische und epigraphische Quellen belegen die ständige Gefahr der Verlandung. Schon seit den ältesten griechischen Siedlungen erzwingt die Anschwemmung des Kaystros die Verlagerung der Hafenanlagen gegen die heutige Küste hin. Handel und Umschlag von Straßentransport auf Seeschiffe waren wohl die Lebensgrundlage der Stadt neben dem reichen und fruchtbaren Hinterland und dem berühmten Heiligtum der Artemis. Spätesten seit Attalos II Philadelphos (159-138 v. Chr.) hat der Hafen auch einen Damm. Die oben beschriebenen Anlagen stammen wohl aus traianisch-hadrianischer Zeit. Der Kai verläuft am Ende des Beckens in Sechseckwinkeln, im neu erfaßten Bereich als Kreisbogen. Klare geometrische Formen (Kreis, Sechseck) scheinen den Entwurf zu dominieren. Damit ist die Anlage besser mit dem traianischen sechseckigen Becken in Ostia/Portus an der Tibermhndung zu vergleichen als mit dem wenig regelmäßigen Viereck des claudischen Hafens.
Schwierig ist noch die Datierung der Mauer, die sekundär auf den Kai aufgesetzt ist. Sie wurde wohl notwendig, als die Landmasse an dieser Stelle gegenüber dem Meeressniveau abgesunken ist. Es liegt nahe, an die Erdbebenserie in der Mitte des 4. Jhs. n.Chr.zu denken.

Das sehr reichliche Fundmaterial stammt zumeist aus Schuttlagen, die im Teich und auf den benutzten Böden außerhalb lagen. Die Hauptmasse stammt aus dem obersten Siedlungsschutt des angrenzenden und nach Süden ansteigenden Stadtviertels (4. - frühes 7. Jh. n.Chr.). So muß angenommen werden, daß diese Viertel und auch der erfaßte südwestliche Teil der Hafenanlagen nur bis 625/650 n. Chr. intensiv bewohnt bzw. benutzt waren.

Abb. 2: Bleimodell eines Schiffsankers
Museum Selçuk
Die Lagerung im brackigen Wasser hat Farbveränderungen auch bei keramischen Funden herbeigefhürt, so daß Formen der ESB-Sigillata creme-weißen Überzug mit grünlichem Schimmer haben und die "roten Spitzamphoren" (Class 45 nach PEACKOCK - WILLIAMS 1986) meist graue Farbe aufweisen. Aus 25 Stück ganz oder fast ganz erhaltener Formen lassen sich "genormte" Verkaufsgrößen von 3, 4 und 6 heminae annehmen.
Außer den Amphoren verweisen nur wenige Funde auf Seefahrt, Handel und Fischfang. Zu ihnen zählt ein 13 cm großes Ankermodell (Abb. 2) aus Blei, das in die Spätantike zu datieren ist. Netzbeschwerer wurden gefunden teils als kreisrunde Tonscheiben mit flachelliptischem Querschnitt, teils als bleierne Halbrohre von etwa 6 cm Länge, die - um die Netzschnüre geschlagen - eine gute Beschwerung fhr Fischernetze bilden könnten.

Um dem oft vertretenen Vorurteil gerecht zu werden, daß Archäologen überall kultische Zusammenhänge suchen, wurde das Fundmaterial auch auf derartige Objekte hin durchgesehen. Nur Aphrodite ist mit gesicherten Fundstücken vertreten: Eine Inschrift, in der ein Verein von Verehrern der Aphrodite einem Mitglied einen Kranz und ein Portrait stiftet, wurde in einer Feldmauer gefunden. Ein kleiner Torso mit vor der Scham gerafftem Gewand kann dieser Gottheit im Typ der "halbbekleideten Anadyomene" zugewiesen werden. Und eine Statuettenbasis mit dem Relief zweier Tauben - der heiligen Vögel der Aphrodite - verweist auf Aphrodite Pandemos (Freundliche Mitteilung von Maria Aurenhammer). - Bedeutung und Herkunft der Epiklese Pandemos wird für dunkel gehalten, doch scheint es mir schwierig, einen anderen Zusammenhang für eine Aphrodite "unter allem Volke" zu finden als den mit kultischer oder gewerblicher Prostitution. Es wäre verlockend, aber auch etwas vordergründig, aus diesen Beobachtungen eine "ethnographische Parallele" zum Hafenviertel von Ephesos in der "sündigen Meile" von St. Pauli in Hamburg zu suchen. Doch hat gerade Aphrodite als "Schaumgeborene" eine enge Beziehung zu Meer und Seefahrt. Was nun hinter diesen auf Aphrodite bezüglichen Funden steht, die sinnliche und vielleicht käufliche Erotik oder die mythologische Zuordnung der Liebesgöttin zur See, muß an dieser Stelle wohl ebenso offen bleiben wie manche anderen Fragen, die sich an die Grabungsergebnisse im Hafen von Ephesos anschließen.

© H. Zabehlicky
[Kurzfassung des in Archäologie Österreichs 7/1, 1996, 64 ff. vorgelegten Berichtes, wo auch weiterführende Literatur angegeben ist.]



HOME

Keywords: Handel, Import, Export, Geld, Prostitution, sex, harbour, trade, Amphore, amphora, gods Götter, Ephesus, Antike, antiquity