Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 46 / III / 2008

DER KULTPLATZ 1 VON VELIA - VORLÄUFIGE ERGEBNISSE DER GRABUNGEN 2006

Obwohl die archäologische Forschung in Velia bereits im 19. Jahrhundert begann, fehlte bislang eine systematische Untersuchung der Heiligtümer. Seit dem Jahr 2004 beschäftigen sich die österreichischen Forschungen gezielt mit diesem Aspekt der antiken Stadt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem sog. Kultplatz 1 zu, der sich östlich der Akropolis am Beginn des Mauerzugs A der Befestigung befindet und den Anfang einer Reihe von insgesamt acht unterschiedlich gestalteten Kultstätten bildet.
Das Heiligtum ist bereits seit den Grabungen von M. Napoli im Jahre 1964 bekannt, als im Zuge der Untersuchungen der Stadtmauer ein kleiner Naiskos aus Sandstein freigelegt wurde [1]. Ziel der Ausgrabungen, die 2006 im Rahmen eines FWF-Projektes unter der Leitung von Prof. Dr. Verena Gassner stattfanden, war die umfassende Untersuchung des Platzes und die Überprüfung der chronologischen Einordnung des Heiligtums [2].

Die erste fassbare Nutzung des Areals fällt in das 1.Viertel des 5.Jhs. v.Chr. als in einer Grube, die später von der Stadtmauer überbaut wurde, Terrakotten und Dachziegel deponiert wurden. Die sorgsame Ablagerung könnte ein Indiz für die gezielte Deponierung der Objekte sein, wenngleich eine Interpretation wegen des kleinen sich bietenden Ausschnittes schwierig ist.

Erst im 1. Viertel des 3.Jhs. v.Chr. beginnt die architektonische Gestaltung des Platzes, indem der beinahe quadratische Sockel des Naiskos errichtet wird [3]. Dem Sockel werden zwei Sandsteinbasen vorgelagert, deren Oberflächenerhaltung Feuereinwirkung zeigt, sodaß sie vielleicht für Brandopfer gedient haben könnten. Zeitgleich wird westlich des Sockels eine quadratische Struktur aus Sandsteinquadern errichtet, die vermutlich ebenfalls sakrale Funktion hatte. Zu diesem Ensemble gehörte weiters eine rechteckige Steinsetzung aus kleinen Sandsteinfragmenten östlich des Naiskos, die mit senkrecht stehenden Dachziegeln bedeckt wurde.


Diese räumliche Gestaltung wird in der Mitte des 3.Jhs. v.Chr. verändert. Die Sandsteinbasen südöstlich des Naiskos verlieren ihre Funktion, der Sockel erhält als Aufbau den sgn. Naiskos aus kleinen rechteckigen Sandsteinquadern und ein monolithisches Giebeldach. Die quadratische Struktur bleibt in Verwendung, allerdings werden an ihrer SO-Ecke zwei neue Sandsteinbasen aufgestellt. Möglicherweise ist zu dieser Phase auch eine massive Steinpackung zu zählen, die in das 2.Viertel des 3.Jhs. v.Chr. datiert werden kann.
Auch diese Platzkonzeption hat nicht lange Bestand. Bei der Verbreiterung der Stadtmauer wird die quadratische Struktur zerstört, während der Naiskos zu dieser Zeit vermutlich noch in Funktion war.

[1] P. Ebner, Divinità e templi di Velia, Apollo. Bolletino dei Musei Provinciali del Salernitano III-IV, 1963-1964, 93-116 = P. Ebner, Studi sul Cilento I (Acciaroli 1996) 136 e fig. 17; M. Napoli, La documentazione archeologica in Campania, Atti Taranto IV, Taranto - Reggio Calabria 11-16 ottobre 1964 (1965), 111-120; W. Hermann, Archäologische Grabungen und Funde im Bereich der Superintendenzen von Apulien, Lukanien, Calabrien und Salerno von 1956 bis 1965, AA 1966, 366.
[2] vgl. dazu V. Gassner - A. Sokolicek - M. Trapichler, Velia 2002. Forschungen im Bereich des Castelluccio, Forum Archaeologiae 25/X/2002 (http://farch.net); V. Gassner - A. Sokolicek - M. Trapichler, Die hellenistischen Stadtmauern von Elea. Die Ergebnisse der österreichischen Forschungen der Jahre 2000-2002, ÖJh 72, 2003, 67-95; V. Gassner, Velia 2004. Kurzbericht zu den Grabungen am Mauerzug A, Forum Archaeologiae 34/III/2005 (http://farch.net); V. Gassner, Velia 2005. Das Heiligtum der Naiskoi, Forum Archaeologiae. Internetzeitschrift 37/XII/2005 (http://farch.net); V. Gassner, Elea/Velia, Terrasse I. Die spätarchaische Wohnbebauung und das sogenannte Heiligtum des Poseidon Asphaleios, ÖJh 74, 2005, 39-71; V. Gassner, Das Heiligtum der Naiskoi, in: P. Amann - M. Pedrazzi - H. Taeuber (Hrsg.), Italo - Tusco - Romana. Festschrift für Luciana Aigner-Foresti (2006) 233-244; V. Gassner, Doni votivi nei santuari di Elea: cippi, naiskoi e il loro contesto, in: G. Greco (Hrsg.), Doni agli dei. Il sistema dei doni votivi nei santuari. Seminario di studi Napoli 21 aprile 2006 (in Druck).
[3] V. Gassner, Velia 2006 - Die Grabungen auf Terrasse 1, Forum Archaeologiae 41/XII/2006 (http://farch.net).

© Dieta F. Svoboda
e-mail: dieta.svoboda@univie.ac.at


This article should be cited like this: D.F. Svoboda, Der Kultplatz 1 von Velia - Vorläufige Ergebnisse der Grabungen 2006, Forum Archaeologiae 46/III/2008 (http://farch.net).



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