Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 44 / IX / 2007

ZUR FUNKTION UND AUSSTATTUNG VON RAUM 26 DER WOHNEINHEIT 5 IM HANGHAUS 2 VON EPHESOS

1. Baubefund [1]

Der über den Peristylhof 24 der Wohneinheit 5 zu betretende Raum 26 ist annähernd rechteckig und etwa 21 m2 groß (Abb. 1-2).

Die Mauern wurden aus Bruchstein- und Mischmauerwerk errichtet und mit Marmorplatten verkleidet. Die Platten, die auch am Boden verlegt waren, sind teilweise noch in der Sockelzone und im oberen Bereich erhalten. Außerdem besaß der Raum ein Hypokaustum mit Präfurnium an der Westwand und war mit einer als Kaskadennymphäum [2] (Abb. 3) bezeichneten Nische in der Südmauer (für die weder eine Zu- noch eine Ableitung nachgewiesen werden konnten und bei der es sich daher eventuell nur um eine Ziernische handelte) ausgestattet.

2. Fundmaterial

Die Funktion des Raumes ist neben seiner Lage innerhalb des Hauses, seiner Größe und Ausstattung auch über das Fundmaterial zu ermitteln. Ein Klappdreifuß [3] (Abb. 4) und ein Klappstuhl [4] (Abb. 5) aus Bronze bilden die wichtigsten Bestandteile des Inventars. Bei den übrigen Funden handelt es sich um sechs bronzene Manschetten-Tüllenpaare [5] (Abb. 6), drei Bronzeklammern [6] (Abb. 7), sowie eine Terrakottastatuette [7] (Abb. 8).

3. Überlegungen zu Baubefund und Nutzung von Raum 26

Das augenscheinlichste architektonische Merkmal von Raum 26 ist die Fußbodenheizung, die in keinem anderen Raum der Wohneinheit zu finden ist. Sie weist den Raum entweder als beheizten Aufenthaltsbereich in den kalten Monaten des Jahres, oder aber als einräumiges Privatbad aus. Beim Vergleich mit den anderen Bädern im Hanghaus 2 (Wohneinheit 1: SR 3; Wohneinheit 6: Ostumgang von 31a) [8] wird jedoch offenkundig, dass praktisch nur das Hypokaustum für eine derartige Deutung spricht. Sowohl das Bad in der Wohneinheit 1 als auch jenes in der Wohneinheit 6 verfügte zumindest in einer Bauphase über eine Wandtubulatur, die ja zur zusätzlichen Erwärmung des Raumes beiträgt, ein solcher Ausbau ist jedoch in Raum 26 nicht festgestellt worden.
Auch eine Rundnische, in der ein labrum angebracht bzw. aufgestellt gewesen sein könnte, war in Raum 26 nicht feststellbar, allerdings sollte dabei berücksichtigt werden, dass die Nordmauer gänzlich fehlt und die Westmauer nur bis zu einer maximalen Höhe von 0,75 m erhalten geblieben ist.
Hinweise für den Einbau einer Wanne konnten ebenfalls nicht festgestellt werden. Es muss jedoch angeführt werden, dass der eigentliche, mit Marmorplatten ausgelegte Boden über der Suspensur bei der Freilegung des Raumes nur noch teilweise erhalten war, weshalb eine vielleicht hier aufgemauerte Wanne nicht mehr nachzuweisen ist.
Gegen eine Interpretation von Raum 26 als Bad spricht aber vor allem das Fehlen einer Wasserzu- und -ableitung. Der einzige Abfluss existiert in Form eines wenige Zentimeter großen Loches im Bereich der Türschwelle des Raumes. Es gibt aber keinerlei Befunde, die beispielsweise eine Wasserversorgung der als Kaskadenbrunnen bezeichneten Nische in der Südmauer anzeigen. Diese Nische ist zwar nach oben hin zerstört, was aber eine fehlende Ableitung, die ja im unteren Teil des Brunnens gelegen haben müsste, nicht erklärt. Möglicherweise handelt es sich deshalb um eine dekorative Nische und nicht um einen Brunnen.
Sowohl die inadäquate Wasserversorgung, als auch das Fehlen einer Wandtubulatur sprechen wohl gegen eine Deutung von Raum 26 als Privatbad. Es ist daher nahe liegender den Raum als repräsentativen Aufenthalts- bzw. Empfangsraum und als triclinium in den kälteren Monaten zu interpretieren.

4. Versuch einer Rekonstruktion von Raum 26 anhand des Fundinventars (Abb. 9)

Einen interessanten Aspekt stellen die Fundumstände von Dreifuß und Klappstuhl dar: Beide Möbelstücke wurden in zusammengeklapptem Zustand im Schutt des Hypokaustums gefunden [9], woraus zu schließen ist, dass sie zum Zeitpunkt der Zerstörung des Raumes nicht in Verwendung standen, sondern möglicherweise zu Zwecken der Platzgewinnung in einer Raumecke abgestellt, oder auf einem restlos zerstörten Holzregal abgelegt waren [10].
Charakteristisch für die Möbelgattung der Klapptische ist erstens, dass sich ihre Dimensionen durch das Zusammenklappen erheblich verringern und damit Platz gespart wird, und dass sie zweitens dank dieses Mechanismus leichter transportabel sind. Sie besaßen also nicht unbedingt einen fixen Standort, sondern ließen sich frei im ganzen Haus, je nach Bedarf, platzieren und verwenden [11]. Beim Klapptisch aus dem Repräsentationsraum 26 kann aber davon ausgegangen werden, dass er, wenn auch nicht ausschließlich, dort auch tatsächlich aufgestellt war.
Ferner muss geklärt werden, was der Klapptisch eigentlich getragen hat. Dreifüße stehen zumeist in Fundzusammenhang mit runden Auflageplatten, weswegen U. Klatt vor allem eine Nutzung der Gestelle als Tische annimmt und andere Funktionen eher als Ausnahmen anspricht [12]. Aus diesem Grund soll der Klappdreifuß aus Raum 26 ebenfalls als Tisch rekonstruiert werden, und zwar mit einer hölzernen Auflageplatte aus Holz.
Auf jeden Fall sind Klappfüße als Luxusartikel anzusehen, die im häuslichen Bereich beispielsweise als Beistelltische bei Symposien verwendet wurden [13]. Die Aufstellung des Klappdreifußes in einem Raum mit repräsentativem Charakter, wie ihn Raum 26 darstellt, erscheint also nur logisch.
Für den Klappstuhl gilt Ähnliches wie für den Dreifuß. Auch er wurde zusammengeklappt gefunden und scheint daher zum Zeitpunkt der Zerstörung des Hanghauses im 3. Jh. n.Chr. nicht in Verwendung gewesen zu sein. Ganz allgemein betrachtet, dürfte der Klappstuhl ein ziemlich unbequemes Sitzmöbel gewesen sein. Bei genauerer Auseinandersetzung mit den Stücken aus Ephesos und einem weiteren Exemplar aus Deutschland [14] fällt auf, wie fragil und unbequem diese Gestelle waren. Es stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich im täglichen Hausgebrauch verwendet wurden, oder nicht viel eher als repräsentative Sitzgelegenheit für den Hausherrn einzustufen sind [15]. Immerhin war der Klappstuhl - in seiner ursprünglichen Funktion - ein Amtssessel für höhere Magistrate. Seine Aufstellung und Nutzung im reich ausgestatteten Raum 26 erscheint also durchaus passend. So könnte der Hausherr zum Empfang seiner Klienten auf dem Klappstuhl Platz genommen haben, um dadurch seine hohe soziale Stellung herauszustreichen.
Bei den sechs bronzenen Tüllen und Manschetten ist die Interpretation schwieriger. An jede Manschette war in schrägem Winkel eine dünnwandige Tülle angesetzt. Vergleicht man die Maße der Tüllen und Manschetten, so dürften jeweils zwei Paare zusammengehört haben. Aufgrund der an der Innenseite mancher Tüllen angetroffenen Holzreste ist es nahe liegend, dass diese Teile als Verstärkung von Holzverstrebungen gedient haben.
Da die Durchsicht von Darstellungen erhaltener Holzmöbel leider keine Ergebnisse brachte, sollen die sechs Tüllen-Manschettenpaare insgesamt drei Möbelstücken zugeordnet werden - die jeweils größenmäßig passenden Paare zu zwei Beinen eines Sitzmöbels - nämlich einem Holzhocker und zwei verschieden großen Holzbänken. Diese Rekonstruktion muss natürlich rein hypothetisch bleiben, da bisher keine Vergleiche existieren.
Zu den drei bronzenen Klammern gibt es vergleichbare Funde aus Haltern [16]. Die dortigen Klammern werden als Wagenteile interpretiert, die hochovale Teile zusammenhalten sollten. Wo genau die Klammern angebracht waren, ist jedoch nicht gesichert. Auch im Hanghaus 1 wurden die Reste eines Wagens gefunden [17], doch dieser Umstand macht die Interpretation der Klammern aus Raum 26 auch nicht einfacher. Da schwer vorstellbar ist, dass in diesem Raum ein Wagen abgestellt gewesen sein soll, werden die Klammern bei der Rekonstruktion der Ausgestaltung des Raumes nicht berücksichtigt.
Bleibt zuletzt noch die Aufstellung der Terrakottastatuette (Abb. 8), einer Karikatur/Groteske, zu klären [18]. Die Statuette könnte auf dem Dreifußtischchen gestanden haben, oder aber in der (Zier-)nische des Kaskadenbrunnens.

Für die Funktion des Raumes 26 bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass er neben den Räumen 13 und 25 zu den repräsentativen Räumen im Erdgeschoss der Wohneinheit 5 gehörte. In Frage kommt, dass man hier Gastmähler veranstaltete, wobei die Fußbodenheizung in diesem Raum im Gegensatz zu den beiden anderen Räumen vor allem auf eine Nutzung in der kalten Jahreszeit hinweist. Ferner kann er auch als Empfangsraum von Klienten gedient haben, wie der Klappstuhl vermuten lässt.

[1] I. Adenstedt, Wohnen in der antiken Großstadt - Eine bauforscherische Analyse zweier Wohneinheiten des Hanghauses 2 von Ephesos. Unveröffentl. Diss. (Wien 2005) 69ff. Allgemein zum Hanghaus 2 s. Beitrag Thür.
[2] J. Michalzcuk, Brunnenanlagen im Hanghaus 2 in Ephesos. Unveröffentl. Dipl.arb. (Wien 1999) 54ff.
[3] E. Rathmayr, Funde aus Metall und Bein, in: Ladstätter, WE 3 und 5, Kat. B-B 102.
[4] Rathmayr a.O. (Anm. 3) Kat. B-B 103.
[5] Rathmayr a.O. (Anm. 3) Kat. B-B 104-114.
[6] Rathmayr a.O. (Anm. 3) Kat. B-B 115-117.
[7] E. Rathmayr, Terrakotten, in: Ladstätter, WE 3 und 5, Kat. B-TK 31.
[8] G. Wiplinger, Die Wohneinheiten 1 und 2, in: Krinzinger Chronologie, 68ff.; E. Rathmayr, Bauphasen bzw. Auswertung, in: Krinzinger, WE 1 und 2, Kap. A. II.2.2-2.3 und A.XIX.1; Thür, Chronologie, 61.
[9] H. Vetters, Ephesos. Vorläufiger Grabungsbericht 1971, AnzÖAW 109, 1972, 100f.
[10] Vgl. den Fund eines Klappstuhls in Lauriacum. Dieser war zum Zeitpunkt seiner Zerstörung im späten 3. Jh. n.Chr. in einem Regal in der Küche des Hauses verwahrt worden, in: Klatt, Klapptische, 482 Kat. D 34.
[11] s. Beitrag Rathmayr.
[12] Klatt, Klapptische, 482.
[13] s. die Beiträge von Rathmayr und Nordmeyer - Sommer.
[14] J.A. Merten, Der römische Klappstuhl aus dem Gutshof Vierherrenborn, Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier. Aus der Arbeit des Rheinischen Landesmuseums Trier, Heft 12, 1980, 50ff.
[15] s. Beitrag Rathmayr.
[16] J. Harnecker, Katalog der Eisenfunde von Haltern aus den Grabungen der Jahre 1949-1994, Bodenaltertümer Westfalens 35, 1997, 25. Taf. 57f., Kat. 645-649.
[17] S. Jilek, Die Metall- und Beinfunde, in: C. Lang-Auinger (Hrsg.), Hanghaus 1 in Ephesos. Funde und Ausstattung (2003) 273.
[18] E. Rathmayr, Terrakotten, in: Ladstätter, WE 3 und 5, Kat. B-TK 31.

© Julia Reuckl
e-mail: julia.reuckl@gmx.at


This article should be cited like this: J. Reuckl, Zur Funktion und Ausstattung von Raum 26 der Wohneinheit 5 im Hanghaus 2 von Ephesos, Forum Archaeologiae 44/IX/2007 (http://farch.net).



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