Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 44 / IX / 2007

REKONSTRUKTION DER AUSSTATTUNG DES RAUMES SR 24 DER WOHNEINHEIT IM HANGHAUS 2 VON EPHESOS

Seit der Errichtung der Wohneinheit 2 (Plan) in der frühen Kaiserzeit kam dem triclinium SR 24 eine wichtige Rolle als repräsentativer Gesellschaftsraum zu [1]. Das indiziert nicht nur seine Lage und Größe, sondern auch seine wertvolle Ausstattung mit Marmor, Malerei und Mosaik, die in der Form, wie sie im Modell rekonstruiert wurde, etwa um 220 n.Chr. entstanden ist.
Die marmorverkleideten Wände des annähernd quadratischen 34 m² großen Raums weisen unterschiedliche Längen auf: Die Westmauer misst 5,35 m, die Ostmauer hingegen 5,54 m. Die Länge der Nordmauer beträgt 6,31 m, an der gegenüberliegenden 6,18 m breiten Südwand befindet sich ein Durchgang zum Peristylhof. Zu beiden Seiten der 2,45 m breiten Tür wurden ebenfalls in Bauphase IV Nischenbrunnen mit marmorverkleideten Wänden und figürlich-maritimen Glasmosaiken in den Kuppeln eingebaut, deren Qualität im gesamten Osten des Imperiums vor der Spätantike einzigartig ist [2] (Abb. 1). Beim Mosaikboden handelt es sich um ein triclinum-Mosaik [3], das in ein T-förmiges Dekorfeld und eine daran anschließende weiße Außenzone gegliedert ist.

Als letzte bauliche Zufügung wurde in Bauphase IV' ein 1,06 m x 0,80 m großes marmorverkleidetes Podest mit erhöhtem Rand an drei Seiten auf das Bodenmosaik und an die Marmorverkleidung in die Südwest-Ecke des Raumes gesetzt (Abb. 1). E. Rathmayr sieht dieses Podest (ähnliche finden sich auch in anderen Räumen des Hanghauses 2, so z.B. im Raum SR 28) in engem Zusammenhang mit der Raumfunktion [4]. Ihr Vorschlag als Ablage für Speisen, Geschirr und Getränke [5] erscheint uns aber aufgrund der "unpraktischen" Höhe des Podests von 46 cm nicht als ausreichend. Eine weitere Überlegung wäre, dass das mit seiner Marmorverkleidung durchaus repräsentativ gestaltete Podest als Aufstellungsort von ebenfalls als sichtbare Schmuck- und Zweckgegenstände gestaltete Öfchen und Warmwasseraufbereiter diente - wie sie z.B. aus den Vesuvstädten belegt sind [6] - und die Möglichkeit eines individuellen Weinmischens boten, wofür nach Belieben kaltes oder auch warmes Wasser verwendet wurde [7]. Daneben konnten mit solchen Öfchen auch Speisen warm gehalten oder der Gelageraum selbst beheizt werden.
Zu den Funden aus SR 24, die in unser Modell Eingang gefunden haben, zählen ein Tisch aus rosso brecciato mit einem Tischbein in Gestalt eines Löwen [8], auf den wir die gefundenen Porträtbüstchen in Anlehnung an die überlieferte Sitte, solch prunkvolle Möbel zu diesem Zweck zu verwenden [9], gestellt haben. Weiterhin stammen aus dem Raum 48 bronzene Fragmente eines Klappvierfußes [10]. Solche Klapptische waren von der späten Republik bis in die Spätantike weit verbreitet und dienten sowohl im profanen als auch im sakralen Bereich [11]. Erhalten haben sich von den mobilen Tischchen meist nur die Klappgestelle, doch Hinweise zum Aussehen der Aufsätze - Platten oder auch flache Schalen - finden sich auf bildlichen Darstellungen [12]. In den Vesuvstädten haben sich einige davon erhalten: So besitzt beispielsweise der Vierfuß im Museo Nazionale in Neapel, Inv.Nr. 72995 (frühes 1. Jh. n.Chr.) eine rechteckige hölzerne Tischplatte (Maße 90 cm x 53 cm), die von einem Bronzerahmen eingefasst ist [13]. Im Modell des Raumes SR 24 wurde der Klappvierfuß ebenfalls mit einer hölzernen Platte ausgestattet, die quadratisch und mit einer Seitenlänge von 60 cm (im Modell 4 cm) rekonstruiert wurde. Die Gesamthöhe des Tisches kann anhand der Fragmente nicht mehr erschlossen werden, wohl ist es aber möglich, diesen einem bestimmten Typus [14] zuzuordnen. Die Höhe des Vierfußes wurde mit 75 cm (entspricht 5 cm im Modell) rekonstruiert. Zusätzlich zu den kleinen hölzernen Tischchen, die bei jeder Kline standen, könnte dieser im Zentrum aufgestellt und zum Abstellen von Speisen und Getränken gedient haben.
Für die Rekonstruktion der Klinen und ihrer Aufstellung wurde vor allem auf die Gestaltung des Mosaikbodens Bezug genommen, der eine Anordnung der Liegemöbel um das zentrale Rechteck vorgibt (Abb. 2). Auch der Ausblick durch die große Türöffnung in den Peristylhof und die dahinterliegende exedra (GEW D) sowie die Nischenbrunnen lassen auf eine U-förmige Aufstellung der Klinen mit Blick nach Süden schließen. Ferner wurden das im Raum befindliche Podest sowie der Tisch aus rosso brecciato berücksichtigt. Für letzteren wurde eine Aufstellung im südlichen Bereich der Ostmauer, direkt angrenzend an den in der Südmauer befindlichen Nischenbrunnen gewählt. Aufgrund der Größe des Raums wurde von einer größeren Anzahl als den klassischen drei Klinen ausgegangen und bei der Rekonstruktion fünf Klinen mit den Maßen 2,10 m x 1,15 m (im Modell 14 cm x 7,7 cm) vorgeschlagen. Von diesen sind zwei an der Ostseite und zwei an der Nordseite direkt an die Wand gerückt platziert, an der Westseite hingegen nur eine Kline mit einem Abstand von 75 cm zur Wand (5 cm im Modell).
Um die Gestaltung der Klinen sowie ihre Auflagen rekonstruieren zu können, wurden Anregungen in literarischen Quellen, Darstellungen auf Reliefs, Mosaiken und Malerei sowie die Reste verschiedener originaler Klinenteile berücksichtigt. Für alle diese Punkte gilt, dass sie größtenteils aus der frühen Kaiserzeit stammen und Vergleichbares aus dem 3. Jh. n.Chr. fehlt. Auch müssen regionale Unterschiede zu den meist italischen Beispielen für das kleinasiatische Ephesos in Betracht gezogen werden, auch wenn K. Dunbabin meint, dass "stilgerechte Liegegewohnheiten" in den römischen Provinzen als Akkulturationsstatus ersten Ranges galten [15].
Wertvolle Informationen zu Größe und Gestalt der Klinen liefert ein Fresko aus einem im Vierten Stil ausgestalteten Raum der "Casa del triclinio" in Pompeji [16] (Abb. 3). Zu sehen sind drei mit Stoffen verhängte Klinen auf denen entlang der gesamten Längsseiten dicke Stützpolster liegen, auf die sich einige Gäste mit ihren Unterarmen lehnen. Pro Kline sind zwei Männer abgebildet. Für die Rekonstruktion der Klinen im Modell spielte dieses Fresko auch in Bezug der Klinengröße eine Rolle (zu beobachten - natürlich unter Berücksichtigung der verzerrten künstlerischen Ausführung - am Verhältnis zu den Sitzenden und Gelagerten sowie der Dienerschaft).

In dieser Hinsicht waren auch zwei weitere pompejianische Fresken aufschlussreich: Das erste stammt aus einem im Dritten Stil ausgemalten triclinium vom "House of the Chaste Lovers" und zeigt zwei in der Zimmerecke in rechtem Winkel aneinandergestellte Klinen, auf denen je ein bekränzter Symposiast und eine Hetäre liegen (Abb. 4) [17]. Auch hier sind die Klinengestelle mit Stoffen verhängt. Darüber liegen dicke, ebenfalls bezogene Matratzen und zusammengerollte Stützpolster an den Schmal- und Längsseiten der Klinen, auf die sich die Gelagerten mit ihren linken Ellenbogen aufstützen. Eine prominente Stellung in der Bildkomposition nehmen auch die beiden Dreifußtischchen aus Holz ein, die in den erhaltenen Holztischen von Herculaneum treffende Entsprechungen finden [18] (Abb. 5).
Ein metallenes Dreifußtischchen, wie es z. B. im Tempel der Isis gefunden wurde [19] (Abb. 6) ist auf einer Wandmalerei mit Bankettszene aus Herculaneum aus der Mitte des 1. Jhs. n.Chr. zu sehen, die sich heute im Museo Nazionale Neapel befindet [20] (Abb. 7).

Einzig die Sepulkralkunst liefert auch nach dem 1. Jh. n.Chr. noch für die Rekonstruktion aufschlussreiche Darstellungen, vor allem weil hier den Klinen selbst (gedrechselte Beine, Lehnen) detailreiches Augenmerk geschenkt wird [21]. Auf einem Totenmahlrelief sind z.B. eine hohe Kline mit einem gegliederten Bein und einem dicken Polster zu sehen [22]. Auch das Fulcrum am oberen Teil der Lehne ist gut erkennbar.
Zur Frage des technischen Aufbaus einer typischen Kline aus der frühen Kaiserzeit liefern die im Schiffswrack von Mahdia konservierten bronzenen Klinenteile die wertvollsten Informationen [23].
In Anlehnung, wenn auch mit einigen Unterschieden, wurden die Klinen im Modell mit folgenden Maßen rekonstruiert: Höhe der Beine: 80 cm (entspricht 5,3 cm im Modell, worauf noch eine 15 cm dicke Matratze zu liegen kommt - im Modell 1 cm); Länge und Breite: 210 cm zu 115 cm (entspricht 14 cm zu 7,7 cm im Modell). Für eine den Mahdia-Klinen (und vielen anderen der frühen Kaiserzeit) entsprechende Gestaltung der Kopfstütze mit verzierenden Emblemen und Fulcra könnte ein in der Wohneinheit 4 des Hanghauses 2 gefundenes Bronzefulcrum in Pferdekopfform hindeuten [24].
Da das triclinium keine Fenster besaß, wurde es allein über die Tür zum Peristylhof indirekt mit Tageslicht versorgt. Für die abendlichen Gelage sind aber auf jeden Fall künstliche Lichtquellen wie Lämpchen, Laternen oder Kandelaber vorauszusetzen [25]. Eine stilisierte Lichtquelle soll dies in unserem Modell verdeutlichen. Auch mehrere abgebrochene Eisenhaken, die in den Marmorplatten der Brunnennischen stecken, könnten als Befestigungen für Laternen oder andere Beleuchtungskörper gedient haben. Die ansprechende Wirkung des sich im Wasser widerspiegelnden Lichts lässt sich auf jeden Fall gut vorstellen.
Neben der prunkvollen Ausstattung von SR 24 deutet auch die Nähe zur Küche SR 27a auf die Wichtigkeit und hohe repräsentative Stellung des Raumes hin [26]. Ein imaginärer Blick mit einem im Klinenraum Lagernden zwischen dem breiten, von den Brunnenkonchen mit den leuchtenden Glasmosaiken gerahmten Eingangsportal über den großen und ebenfalls prachtvoll gestalteten Innenhof mit seinem plätschernde Kühlung verheißenden Brunnen in der Mitte bis zur gegenüberliegenden exedra (GEW D) mit dem einzigartigen Dionysos und Adriadne Glasmosaik, verdeutlicht die repräsentative Strahlkraft und Luxuriosität von SR 24 [27].

[1] Zu den Raumfunktionen der Wohneinheit 2 s. ausführlich E. Rathmayr, Auswertung, in: Krinzinger, WE 1 und 2, Kap. B.XIX. Allgemein zum Hanghaus 2 s. Beitrag Thür.
[2] V. Scheibelreiter, Mosaiken, in: Krinzinger, WE 1 und 2, Kap. B.VI.5.
[3] V. Scheibelreiter, Mosaiken, in: Krinzinger, WE 1 und 2, Kap. B.VI.5.
[4] s. Beitrag Rathmayr.
[5] E. Rathmayr, Auswertung, in: Krinzinger, WE 1 und 2, Kap. B.XIX.2.1.
[6] Abb. von Heizapparaten und Öfchen aus Pompeji bei A. Ciarallo - E. De Carolis, Pompeii. Life in a Roman Town (Milan 1999) Abb. 423, 425, 426.
[7] Martial. 14, 105.
[8] U. Quatember, Marmorinventar, in: Krinzinger, WE 1 und 2, Kap. B. XIV.4.
[9] M. Kreeb, Untersuchungen zur figürlichen Ausstattung delischer Privathäuser (Chicago 1988) 46.
[10] Kowalleck - Rathmayr, WE 1 und 2, Kap. B. XIII.2.1.
[11] Klatt, Klapptische, 350.
[12] s. z.B. eine Wandmalerei bei T. Fröhlich, Lararien- und Fassadenbilder in den Vesuvstädten, 32. Ergh. RM (1991) Taf. 58, 2 (Pompeji IX 12,7) und Taf. 2, 1 (Pompeji I 8,8).
[13] Klatt, Klapptische, 464f.
[14] Klatt, Klapptische, 467 (Typus VB).
[15] K.M.D. Dunbabin, Triclinium and Stibadium, in: W.J. Slater (Hrsg.), Dining in Classical Context (Ann Arbor 1991) 123.
[16] Dunbabin, Banquet, Abb. 28.
[17] Dunbabin, Banquet, Pl. I.
[18] s. Mols, Wooden Furniture, z.B. Abb. 94, 107.
[19] Richter, furniture, Abb. 567.
[20] Dunbabin, Banquet, Pl. III.
[21] Dunbabin, Banquet, Abb. 39; Richter, furniture, Abb. 550-553.
[22] Richter, furniture, Abb. 552.
[23] S. Faust, Die Klinen, in: Hellenkemper-Salies, Wrack, 573-606; U. Sobottka-Braun, Die Rekonstruktion der Klinen, in: Hellenkemper-Salies, Wrack, 999-1006.
[24] S. Jilek, Metall- und Beinfunde, in: Thür, WE 4, Kat. B 53 Taf. 238.
[25] In Pompeji haben sich mehrere Bronzekandelaber erhalten, die jeweils eine Höhe von etwa 130 cm besitzen, s. Ministeri per i beni culturali e ambientali u.a., Riscoprire Pompei (Roma 1993) 214 Abb. 103, 215 Abb. 105, 216 Abb. 107.
[26] Zu Küchen und Wirtschaftsräumen im Hanghaus 2 s. Beitrag Rembart.
[27] Zu Lage und Ausstattung der einzelnen Räumlichkeiten der Wohneinheit 2 s. die einzelnen Beiträge in Krinzinger, WE 1 und 2.

© Agnes Nordmeyer, Andrea Sommer
e-mail: agnesnordmeyer@hotmail.com
andrea@elektropost.org


This article should be cited like this: A. Nordmeyer - A. Sommer, Rekonstruktion der Ausstattung des Raumes SR 24 der Wohneinheit 2 im Hanghaus 2 von Ephesos, Forum Archaeologiae 44/IX/2007 (http://farch.net).



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