Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 33 / XII / 2004

DIE REISE IN DAS ANTIKE WIEN AUF CD-ROM

Am 13. Oktober 2004 fand im Wien Museum am Karlsplatz (http://www.wienmuseum.at) die offizielle Präsentation der neu erschienenen CD-Rom "Vindobona - Österreichischer Limes Teil 1" statt (http://www.limes.co.at). Dieses Ereignis markiert sowohl einen Höhepunkt als auch den Beginn für neue Ansätze zu den sich aktuell unter äußerst günstigen Rahmenbedingungen entwickelnden Forschungen zum römischen Wien. Den thematischen Kern der CD bildet - dreidimensional rekonstruiert - die antike Landschaft im Umkreis der heutigen Wiener Innenstadt mit dem Legionslager Vindobona und den anschließenden canabae legionis. Das antike Wien in dieser Form darstellbar zu machen, wäre noch 10 Jahre zuvor undenkbar gewesen und steht in enger Verbindung mit zahlreichen wissenschaftlichen Projekten, die Vindobona neben Carnuntum und Mautern zu den am besten erforschten römischen Militärstützpunkten am Österreichischen Donaulimes werden ließ. Dass dieser Prozess stattfinden konnte, hatte mehrere Ursachen und erforderte bestimmte Voraussetzungen:
Im Zuge der Grabungen am Wiener Judenplatz ergab sich ab dem Jahr 1996 innerhalb der Stadtarchäologie Wien (http://www.wien.gv.at/archaeologie) die Möglichkeit Personal nicht nur für Grabungstätigkeit, sondern auch für eine konsequente wissenschaftliche Aufarbeitung aller jemals durchgeführten Grabungen und Baustellenbeobachtungen im Wiener Stadtgebiet einzusetzen [1]. Der Schwerpunkt dieses Forschungsprogramms lag zunächst auf dem Innenstadtbereich und dem 3. Wiener Gemeindebezirk, wobei der Befundsituation innerhalb des Legionslagers Priorität eingeräumt wurde.
Wissenschaftliche Projekte, Befund- und Fundbearbeitungen scheitern nicht selten an den fehlenden Möglichkeiten deren Ergebnisse entsprechend zu publizieren. In Wien existierte seit dem Beginn der 1950er Jahre kein regelmäßig erscheinendes Organ mehr, das die Veröffentlichung von archäologischen Forschungen in Wien durchgeführt hätte [2]. Die Gründung der Zeitschrift "Fundort Wien" der Stadtarchäologie im Jahr 1998 bildete in weiterer Folge die entscheidende Plattform, um die wissenschaftlichen Bearbeitungsprozesse einer breiten Bevölkerung und den FachkollegInnen näher zu bringen (http://www.phoibos.co.at/phoibos). In den bisher sieben erschienenen Bänden ist daher auch die explosionsartig ansteigende Forschungstätigkeit zum römischen Wien in zahlreichen Artikeln dokumentiert und deren Ergebnisse bilden die Grundlage dafür, den Versuch einer Visualisierung zu unternehmen, die auch der Bevölkerung eine eindrucksvolle Vorstellung über das römische Wien geben soll.
Nicht nur zum Zweck einer möglichst naturnahen Darstellung, sondern auch um den Unterschied zwischen heutigem, von einer Großstadt verbauten Gelände und der Landschaftsformation der Antike klar herauszufiltern, gelang es - wie bereits in einer früheren Ausgabe im "Forum Archaeologiae" berichtet (Forum Archaeologiae 28/IX/2003) - in einem interdisziplinären Projekt Donauverlauf, alte Bachläufe sowie die gesamte antike Geländesituation im Kernbereich von Vindobona zu rekonstruieren [3].
Michael Klein von der Firma Digital Graphics & 7reasons (http://www.7reasons.at; http://www.digital-graphics.at) nutzte in weiterer Folge diese Basisvorgaben, um in wissenschaftlicher Kooperation eine CD zu produzieren, die in erster Linie einen bildungspolitischen Anspruch hat: Wie sah das römische Wien vor 1900 Jahren aus? Welche Gebäude und infrastrukturelle Einrichtungen standen im Legionslager und in dessen Vorstadt? Welche Transportmittel standen zur Verfügung, welche handwerklichen Tätigkeiten wurden durchgeführt, wie viele Menschen lebten in einem Legionsstandort wie Vindobona und wie setzte sich eine römische Legion zusammen (Abb. 1)?


Diese Fragen sollen in dieser CD kurz und einfach, aber mit eindrucksvollem, digital erstelltem Bildmaterial beantwortet werden - im Gegensatz zu vergleichbaren Ansätzen [4] (Forum Archaeologiae 25/XII/2002 [5]; http://www.castrum-novaesium.de [6]) sollen jedoch Fortsetzungen in Form weiterer CDs folgen, die über den nun vorhandenen populär gestalteten Überblick zu Vindobona Schwerpunktthemen gestalten, wie zum Beispiel Architektur und Inneneinrichtung eines Tribunenhauses, einer Lagerkaserne oder eines Streifenhauses sowie die Darstellung der Lebensumstände der darin wohnenden Personen. In Zukunft ist eine sukzessive Einbindung des gesamten Donaulimes in dieses Projekt geplant. Vindobona hat in diesem Kontext gesehen nur den Startschuss gegeben (Abb. 2).
Dabei sollen aktuelle Forschungsergebnisse unmittelbar auf die Gesamtkonzeption Einfluss nehmen und somit einen für die Wissenschaft beinahe idealtypischen Zustand herstellen: nicht nur im Kreis der FachkollegInnen Ergebnisse transportieren, sondern einer historisch interessierten Bevölkerung einen unkomplizierten, verständlichen Zugang zum faszinierenden Alltag der Archäologen zu schaffen. Die Synergieeffekte können dabei auch den Unterricht in den Schulen, Museumspädagogik (im Wien Museum bereits Realität) und jede Form der Erwachsenenbildung betreffen. Ein derartiges Produkt, mit seinem bereits jetzt absehbaren Erfolg, darf durchaus als Symbol dafür gewertet werden, wie intensive seriöse Forschung, mit den entsprechenden Mitteln präsentiert, den Wissenschaftszweig Archäologie nicht nur an den heute bekannten Großschauplätzen antiker Kultur, sondern auch in der römischen Provinz an gesellschaftlichen Stellenwert entscheidend gewinnen lässt.

Zum Inhalt:
Die CD enthält drei Formen von Animationen: Videoclips, Panoramen und 3D-Objekte.
17 mit Texten und Sprechstimme ausgestattete Videos zeigen in jeweils mehr oder weniger langen Sequenzen zunächst den ursprünglichen Naturraum der Donauauenlandschaft der vorrömischen Zeit sowie die römische Siedlungsausdehnung bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. in Form eines filmischen Überflugs. Längere Filmsequenzen sind in weiterer Folge dem Legionslager und seinen Gebäuden gewidmet, dabei erhalten vor allem principia, Tribunenhaus, Horreum und Mannschaftsbaracken größere Aufmerksamkeit. Für die canabae legionis wird versucht, mit dem Gebiet des heutigen Michaelerplatzes als Beispiel, diesen Straßenkreuzungspunkt in Form einer Handwerkersiedlung mit Streifenhäusern zu rekonstruieren (Abb. 3). Damit ist vorerst die filmische Präsentation der mittelkaiserzeitlichen Besiedlung von Vindobona abgeschlossen. Es folgen Filme zur römischen Legion, zu technischen Details über Konstruktion und Aufbau römischer Straßen, Schiffe, Reisewagen und die Art der Holzverarbeitung, ehe die letzten beiden Videoclips die naturräumlichen und historisch bedingten Veränderungen der spätrömischen Zeit beleuchten.


Zu diesen passiv konsumierbaren Filmbeiträgen sind im so genannten Panorama-Teil der CD Ansichten herausgenommen, z. B vom Siedlungsraum Vindobona, von den diversen Gebäuden und infrastrukturellen Einrichtungen, die vom Benutzer per Mausklick von allen Seiten betrachtet und gezoomt werden können. Verschiedene 3D-Objekte, wie ein Patrouillenboot, die Ausrüstung von Legionssoldaten, das Odometer eines Reisewagens sowie ein Limes-Wachturm sind ebenfalls interaktiv zu betrachten und zum Teil auch animierbar. Eine Dokumentation in Form von Überblickskarten zu den römischen Legionslagern und der Provinz Pannonien, eine Zeitleiste, Planunterlagen zu den Kasernen am Judenplatz und den Ausgrabungen am Michaelerplatz, Fotos der Ausgrabungsstätten sowie von Fundmaterial ergänzen das animierte Film- und Bildmaterial. Im Anhang beschließen ausführliche Texte zum Legionslager Vindobona und zur Rekonstruktion des antiken Geländes, weitere Literaturvorschläge sowie Hinweise auf relevante Ausgrabungsstätten und Museen die Reise in das antike Wien.

Vindobona - Österreichischer Limes Teil 1
Die Reise in das antike Wien auf CD-Rom
Eine Produktion von:
Digital Graphics & 7reasons
In Kooperation mit:
Stadtarchäologie Wien
Wien Museum
Systemvoraussetzungen:
PC Pentium III
128 MB Hauptspeicher
8-fach-CD-ROM Laufwerk
8 MB VGA Grafikkarte, High Color
ISBN: 3-9501914-0-2


[1] M. Schulz, Eine kurze Geschichte der Stadtarchäologie Wien. Fundort Wien 7, 2004, 9.
[2] Zuletzt 1955: A. Neumann, Ausgrabungen und Funde im Wiener Stadtgebiet 1950 (Wien 1955).
[3] R. Gietl-M. Kronberger-M. Mosser, Rekonstruktion des antiken Geländes in der Wiener Innenstadt. Fundort Wien 7, 2004, 32-53.
[4] CD-Rom: Ch. Zangs (Hrsg.), Das Lager der VI. Legion. Die römische Garnison Novaesium-Neuss. Eine virtuelle Reise in die Vergangenheit - Clemens-Sels-Museum.
[5] U. Brandl-F. Diessenbacher, Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit - Entwicklung eines dreidimensionalen Schichtenmodells der römerzeitlichen Landschaft um die Colonia Ulpia Traiana/Xanten (D).
[6] H. Birkenheuer, Castrum Novaesium. Das Legionslager - 43 bis 103 n. Chr.

© Michael Klein, Michaela Kronberger, Martin Mosser
e-mail: michael.klein@digital-graphics.at, michaela.kronberger@wienmuseum.at, mos@m07.magwien.gv.at

This article should be cited like this: M. Klein - M. Kronberger - M. Mosser, Eine kurze Geschichte der Stadtarchäologie Wien, Forum Archaeologiae 33/XII/2004 (http://farch.net).



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