Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 29 / XII / 2003
10. Österreichischer Archäologentag

ARTEFAKTE FÜR DIE TEXTILVERARBEITUNG AUS DEN HANGHÄUSERN IN EPHESOS.
Überlegungen zur gesellschaftlichen Stellung kleinasiatischer Frauen

Literarische Überlieferungen belegen vielfach die Arbeit mit Wolle als traditionelle Frauenarbeit, sie wird innerhalb des Hauses durchgeführt. In Grabepigrammen wird lanam fecit zur stehenden Floskel für korrektes Verhalten und weibliches Pflichtbewußtsein der Verstorbenen und die Geräte für die Wollverarbeitung werden symbolisch für das Aufgabengebiet der Frauen auf den Grabsteinen dargestellt.

Im Zuge der Erforschung der Hanghäuser von Ephesos, überwiegend durch das Institut für Kulturgeschichte der Antike der ÖAW, wurde in den letzten Jahren auch dem Fundmaterial große Aufmerksamkeit geschenkt. Mit großer Freude übernahm ich in diesem Rahmen die Aufarbeitung jener Fundgegenstände, die mit Textilproduktion und -verarbeitung zu verbinden sind. Zu den in mein Aufgabengebiet fallenden Funden gehören überwiegend Werkzeuge, die bei verschiedenen Arbeitsschritten während der Herstellung und Bearbeitung von Textilien bzw. deren Ausgangsprodukten verwendet werden. Für ihre Gestalt ist der funktionale Charakter ausschlaggebend, deswegen haben solche Funde eine lange Laufzeit und können lediglich auf Grund des Fundkontexts zeitlich eingeordnet werden.
Das Spinnen von Wolle ist in den Hanghäusern durch wenige Spinnwirtel aus Stein und eine bronzene Spindeltülle belegt. Webgewichte kommen etwas häufiger vor, jedoch nahezu ausschließlich in Einzelexemplaren, und dokumentieren den Arbeitsprozeß des Webens. Nur in einem Fundkomplex von vier Webgewichten der frühen Kaiserzeit im Hanghaus 1 scheint eine funktionale Gruppe faßbar. Die Endfertigung von Geweben bzw. deren Reparatur wird durch Nähnadeln, überwiegend aus Bein, belegt.

Neben den erwähnten Werkzeugen ist im Hanghaus 2 eine kleine Fundgruppe belegt, deren Aussehen und Form von einem Spinnrocken abzuleiten ist, deren Funktionalität wegen der reichen Verzierungen jedoch in Frage zu stellen ist. Es handelt sich um sog. Fingerkunkeln, mit einem Haltering abgeschlossene Spinnrocken. Die Schäfte sind unterschiedlich dekoriert und können an der Oberseite figürlich abschließen. Besonders attraktiv sind die von einer Venusstatuette bekrönten Exemplare. Während diese Fundgruppe ansonsten meist nur in sepulkralen Kontexten - in Ephesos z.B in einem Sarkophag an der sog. Damianusstoa - belegt ist, eröffnen die Exemplare aus dem Hanghaus 2 meines Erachtens einen Einblick in die repräsentative Umgebung der Frauen der ephesischen Oberschicht und können als Attribute deren häuslicher Autorität interpretiert werden.

© Elisabeth Trinkl
e-mail: elisabeth.trinkl@univie.ac.at

This article will be quoted by E. Trinkl, Artefakte für die Textilverarbeitung aus den Hanghäusern in Ephesos. Überlegungen zur gesellschaftlichen Stellung kleinasiatischer Frauen, Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).



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