Ein Set aus Spindel, Spinnwirtel und Rocken
aus einem Sarkophag in Ephesos


Spindel, Spinnwirtel und Rocken Im Jahre 1991 wurde in einem außerhalb der Stadt gelegenen Abschnitt der Damianusstoa in Ephesos der Sarkophag einer jungen, schwangeren Frau und eines Kindes aufgedeckt. Der offensichtlich unberaubte Sarkophag des 3. Jhs. n. Chr. barg eine größere Anzahl von Schmuckgegenständen, Glasgefäße, einen Spiegel und die Gruppe von Spindel, Spinnwirtel und Rocken, letztere Gruppe soll hier näher besprochen werden. Alle diese Gegenstände sind für ein Frauengrab gängige Grabbeigaben.

Spinnwirtel und Spindel konnten ohne Probleme an Ort und Stelle identifiziert werden. Der Beinwirtel ist in der Mitte durchbohrt, an der Oberseite flach an der Unterseite wenig gewölbt und mit je einer Rille um die Bohrung und nahe der Außenkante dekoriert. Diese Gestaltung der Wirteln blieb lange Zeit hindurch unverändert und ist weit verbreitet. Dasselbe trifft auch auf die Spindel aus Bein zu, deren Erhaltungszustand nicht besonders gut ist. Funktionsgerecht ist sie völlig glatt und zeigt eine starke Verjüngung an einem Ende. Die Spitze ist verloren und das dicke Ende bestoßen. Eine sanfte Krümmung ist auch an anderen Beispielen zu beobachten; während der Lagerung scheint sich die Spindel verzogen zu haben.

Gemeinsam mit der Spindel und dem Wirtel befand sich rechts der Beine der Toten ein sorgfältig verzierter, weiterer Gegenstand aus Bein. Der in sechs einzelnen Abschnitten unterschiedlich dekorierte Stab schließt an einem Ende mit einem Ring ab; das andere Ende ist über einem ausgebildeten Zapfen abgebrochen. Die runde Öse ist an der Außenseite zusätzlich gegenüber der Innenseite abgeflacht. In der selben Flucht wie der Stab trägt sie einen deltoiden Fortsatz, der wenig bestoßen ist.

Den Übergang vom Stab zum Ring verzieren zwei blattartige Spitzen. Zwei vergleichbare Stäbe aus Bein (Elfenbein?) wurden im Hanghaus von Ephesos gefunden, bisher jedoch noch nicht publiziert, aber im Museum von Selcuk ausgestellt. Beide weisen an einem Ende einen Ring auf; am anderen Ende trägt der eine Stab einen Pinienzapfen, der andere eine stehende Venusstatuette. Es scheint sehr unwahrscheinlich, daß bei der Handhabung dieses Gerätes die Statuette mit dem Kopf nach unten zeigt. Bei senkrechter Haltung des Stabes - wenn man nicht annehmen möchte, daß es sich um einen reinen Ziergegenstand handelt - liegt der Ring daher an der Unterseite und die Statuette an der Oberseite.

Von L Stephani wurde 1875 ein Beinstab publiziert, der ebenfalls an einem Ende einen Ring aufweist und am anderen Ende eine Statuette zeigt, die er für einen Hund oder eine Katze hält. Die Verwendung ist ihm nicht bekannt, aber er erwähnt zehn weitere vergleichbare Stücke aus dem südlichen Rußland, die alle aus Gräbern stammen dürften. Für deren Datierung gibt Stephani "aus griechischer Zeit" an.

Die Ähnlichkeit mit unserem Stück ist sehr groß. Der russische Stab ist gedreht gearbeitet und am Ansatz des Ringes zusätzlich verziert. Das äußerste Ende des Ringes trägt einen karoförmigen Vorsprung. Auf einer kapitellartig gearbeiteten Basis am anderen Ende sitzt das Tier und darunter schließt ein Zapfen an. Am Übergang vom Zapfen zur Platte dürfte unser Stück gebrochen sein. Zwischen glatten Leisten verschmälert sich der Stab aus Rußland, bis der gedrehte Stab anschließt. Dieser Abschnitt ist bei dem neugefundenen Stab aus Ephesos verdoppelt.

Ein weiteres vergleichbares Stück der römischen Zeit stammt aus Korinth. Nur der ringförmige Abschluß blieb erhalten, aber die Verzierungen am Ansatz des Stabes und am äußersten Ende des Ringes sind denen der oben beschriebenen Stäbe sehr ähnlich.

In gutem Zustand erhalten sind das aus Grab 84 des Espelmayerfeldes von Lauriacum stammende Gerät mit Ring und Venusstatuette an den Enden und ein Stab gleichen Aussehens in Privatbesitz.

Aus dem Fundzusammenhang in Ephesos läßt sich erschließen, daß es sich bei dem verzierten Beingerät um den - neben Spindel und Wirtel - zum Spinnen unbedingt notwendigen dritten Teil, den Spinnrocken, handelt. Die Fundumstände weder unseres Gerätes noch der Stäbe aus den Hanghäusern widersprechen einer solchen Interpretation. Der Rocken, auf dem die zu verspinnende Wolle befestigt wird, wird von der Spinnerin während der Arbeit in der linken Hand gehalten. Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand dreht sie den Faden, während die sich drehende, durch den Wirtel beschwerte und zentrierte Spindel zu Boden gleitet. Die zu verspinnende Wolle wird in einem Wollkorb gesammelt, wie er beispielsweise mit Spindel und Rocken auf der Grabstele der Nikopolis aus Istanbul abgebildet ist.

Wie die Vergleichsbeispiele der Rocken, die man mit Statuetten verzierte, zeigen, kann sich der Ring nur am unteren Ende des Rocken befunden haben. Er wird als Griff des Rocken anzusprechen sein. Ein Vergleich mit den verbreiteten Ringschlüsseln liegt nahe.

Zur Bestätigung dieser Interpretation sei hier auf ein Totenmahlrelief auf einem Sarkophag aus Bithynien verwiesen. Vor der Kline des gelagerten Paares steht nicht nur der obligatorische Dreifußtisch, sondern direkt unter den Beinen der gelagerten Frau auch ein Wollkorb. Über diesem befinden sich horizontal zwei längliche, jeweils in der Mitte verdickte Gegenstände. Der obere der beiden stellt eindeutig eine Spindel mit Wirtel dar, auf die bereits so viel Faden gewickelt ist, daß sich der Umriß markant oberhalb des Wirtels verbreitert.

Sarkophag 1
Sarkophag 2
Unter der Spindel, ebenfalls horizontal, befindet sich ein weiterer stabartiger Gegenstand. Das eine Ende ist wenig verstärkt; das andere Ende schließt mit einem Ring. Es handelt sich um ein Gerät gleichen Aussehens, das wir oben als für einen Spinnrocken charakteristisch identifiziert haben. Auf dem Totenmahlrelief ist der Rocken mit der Spitze der Spindel durch einen sich verjüngenden Steg verbunden, der den entstehenden Faden darstellt.

Sicherlich handelt es sich auch auf dem Dreifuß-Mosaik von Edessa nicht um Spiegel in den Händen von Mutter und Tochter des Grabinhabers Adona, sondern ebenfalls um Rocken, die auf diesem Mosaik als Attribute der Frauen fungieren. Ebenso sind die in Gräbern gefundenen Spinngeräte eher als rituelle Beigaben, denn als tatsächliches Arbeitsgerät der Verstorbenen zu verstehen.

Die offensichtliche Ähnlichkeit der angesprochenen Beingeräte mit dem Rocken auf dem Sarkophagrelief in Bithynien und dem genannten Mosaik legt es nahe, auch bei dem Neufund aus dem Sarkophag in Ephesos an den gleichen Gegenstand, nämlich einen Spinnrocken, zu denken.

Bereits Stephani vergleicht den von ihm vorgestellten, nunmehr als Spinnrocken erkannten Beinstab mit einem gedrehten Glasstab, der an einem Ende einen Vogel und am anderen Ende einen Ring trägt. Könnte es sich bei dieser äußerst weit verbreiteten Art der gedrehten Glasstäbe, die mit der Bezeichnung Rührstäbe unter der Gruppe Isings, Form 79 zusammengefaßt wird, vielleicht auch um Spinnrocken handeln?


(c) ELISABETH TRINKL

ÖJh 63,1994 Beibl 80 ff.

HOME