Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 44 / IX / 2007

RAUM 31b IM HANGHAUS 2 VON EPHESOS

1. Lage und Beschreibung

Raum 31b bildet gemeinsam mit den Räumen 31c und 31d im Westen, sowie Raum 42 im Osten den nördlichen Abschluss der Wohneinheit 6 im Hanghaus 2. Im Süden des ursprünglich 6,80 x 5,30 m großen Raumes liegt der Peristylhof 31a, welcher die Funktion des zentralen Verteilers innerhalb der Wohneinheit zu erfüllen hatte (Plan) [1]. Der folgende Beitrag zur Möblierung des Raumes 31b behandelt ausschließlich unbewegliches Inventar, nämlich einerseits die Einbauten vor der Nord- und Westwand und andererseits die Spuren auf der Schwelle der großen Türöffnung der Südwand und die virtuelle Rekonstruktion der Tür.

2. Die Bauphasen [2]

In Bauphase I bildeten die Räume 31b und 31c als quer zum Peristylhof gelagerter Breitraum eine Einheit. Die Mauern bestanden aus Bruchsteinmauerwerk, als Boden diente wahrscheinlich ein Niveau aus Ziegelstampflehm. Auffälligstes Element dieser Phase waren drei Nischen (B 0,90 m, T 0,35 m, H 1,20 m), welche in die Nordwand eingelassen waren. Sie dürften die Funktion von Bücherschränken gehabt haben [3].


In Bauphase II oder III wurde eine Ziegeltrennmauer eingezogen. Diese wurde an die östlichste der drei Nischen angesetzt und trennte den Raum 31b/c in zwei Bereiche: Im Westen entstand der größere Raum 31b mit 4,15 x 5,30 m und im Osten der kleinere Raum 31c mit 1,60 x 5,30 m. In diese Phase können jene vier äußeren Blöcke der Türschwelle gehören, welche an ihrer tiefer gesetzten Nordseite noch weiße Tesserae eines Mosaikbodens tragen (Abb. 1). Sie deuten darauf hin, dass der ursprüngliche Lehmboden nun überbaut worden war. Da jedoch nichts über Muster und dergleichen ausgesagt werden kann, wurde bei der virtuellen Rekonstruktion auf diesen Mosaikboden verzichtet und der Lehmboden beibehalten. In Bauphase III wurde vor der Nordwand eine 0,52 m breite und zwischen 0,37 und 0,47 m hohe Bank aus Bruchstein aufgemauert, auf deren Oberseite vorne profilierte Abschlussplatten versetzt wurden, dahinter blieb ein Streifen frei. Die Front der Bank wurde mit Marmorplatten verkleidet. Ferner wurden auch die Wände mit Ädikulamalerei geschmückt. Da diese Malerei nicht bis zur Nordwand läuft, sondern an der Bank mit einer Putzkante endet, muss es über der Bank einen Aufbau gegeben haben. Brandspuren lassen auf einen Holzverbau schließen. Die Funktion der dahinter liegenden Nischen wurde wohl von einem Bücherschrank übernommen (Abb. 2).

In Bauphase IV wurde der Wandverbau der Nordwand durch den Einbau einer Ädikula, die zwei Frontsäulen und zwei Wandpilaster aufweist, erweitert (Abb. 3). Hierfür wurde vor die Nordbank ein kleines Podest gesetzt, auf welchem der Stylobat der Ädikula auflag. Gleichzeitig mit der Ädikula wurde an die Westwand eine weitere Bank angesetzt. Diese kann einerseits als Sitzgelegenheit gedient haben, andererseits lassen Balkenlöcher in der Westwand auch an den Einbau eines weiteren Holzverbaus denken. In der Rekonstruktion wurde aufgrund fehlender Hinweise hierauf jedoch verzichtet und die Sitzbank beibehalten (Abb. 4-5). Gleichzeitig wurde der noch heute sichtbare Mosaikboden verlegt, dessen Mittelemblem bereits die Bank vor der Westwand berücksichtigt (Abb. 6).

3. Interpretation

Schon die drei Nischen in der Nordwand, deren Lage und Größe sich gut mit einer Nutzung als Bücherschränke verbinden lassen, zeigen die ursprüngliche Funktion des Raumes als Bibliothek an. Darüber hinaus sieht U. Quatember die Ädikula als Hinweis auf häusliche Kultausübung und führt als Argumente die zentrale Lage mit Ausrichtung auf das Peristyl 31a und ein im Raum gefundenes Thymiaterion an. Sie gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass es keine Evidenz für eine Statue gibt [4]. Nach der Studie von G.K. Boyce zu den Lararien in Pompeji, könnte es sich bei Raum 31b um ein sacellum, einen zu kultischen Zwecken adaptierten Raum - eventuell mit einer Sitzbank - handeln . Eine gleichzeitige Nutzung als Bibliothek, für die der Wandverbau der Nordwand und eventuell auch der Westwand spricht, ist aber wahrscheinlich.

4. Aussehen und Funktion der Tür

Den einzigen Anhaltspunkt zur Rekonstruktion der Tür des Raumes 31b stellt die Schwelle dar (Abb. 1). Sie bestand aus insgesamt sieben Marmorplatten, die alle Löcher für Riegel - allerdings in unregelmäßigen Abständen - hatten; ferner waren die beiden äußeren Blöcke mit Löchern für Türpfosten versehen. In die Oberseiten aller Schwellblöcke ist eine durchgehende Rinne gearbeitet. Außerdem sind auf den Platten Ost-West verlaufende Schleifspuren zu erkennen. Dieser Befund kann nur mit zwei unterschiedlichen Türlösungen erklärt werden, die jedoch keinen bestimmten Phasen zugeordnet werden können: Eventuell wurden alle Blöcke sekundär als Schwelle von 31b verwendet. Eindeutig gehörten jedoch die drei mittleren Blöcke und die jeweils zwei seitlichen (mit Mosaikauflage) in einer älteren Verwendung jeweils zusammen. Die vier Blöcke mit Mosaikauflage könnten in Bauphase II oder III zur Schwelle des Raumes 31b gehört haben. In der letzten Bauphase waren die sieben Blöcke als Schwelle von 31b verlegt.

  • Die Rinne und die Schleifspuren können zu verschiebbaren Gitterflügeln rekonstruiert werden (Abb. 2).
  • Die vielen Zapflöcher hingegen könnten auf eine mehrflügelige (Falt-)Tür hinweisen (Abb. 5).

Die Gittertür wurde dem subjektiven Empfinden des Autors entsprechend für Bauphase III und passend zum Schrank an der Nordwand rekonstruiert (Abb. 2). Es wurden zwei Gitter angenommen, die in der Rinne der Schwelle hin und her geschoben werden konnten. Verschiebbar dürfte aber nur das Gitter im Westen gewesen sein, da die Schwelle vor die Wand vorspringt und das Gitter an dieser Stelle einfach aus seiner Verankerung herauszuschieben war. Zur Fixierung an den Seiten müssen kleine Pfosten oder auch Metallstäbe vorhanden gewesen sein, welche in den Löchern nördlich und südlich der Schiene verankert waren. Analog zur Rinne auf der Schwelle könnte auch im Überlager eine ähnliche Schiene eingebaut gewesen sein. Aufgrund der fehlenden Evidenz wurde diese Hypothese in der Rekonstruktion nicht berücksichtigt.
Die Zapflöcher in den einzelnen Marmorplatten der Schwelle ließen bei der ursprünglichen Rekonstruktion an eine vielflügelige Falttür denken. Im Zuge der Rekonstruktion stellte sich allerdings heraus, dass die unregelmäßigen Abstände zwischen den einzelnen Löchern dagegen sprechen. Bei genauerer Betrachtung der Schwelle zeigte sich schließlich, dass nur die jeweils äußeren beiden Platten im Osten und Westen zusammengehören können (auf die genauen Gründe kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden), die drei mittleren hier jedoch sekundär verwendet wurden. Aus diesem Grund wurde letztlich eine nur dreiflügelige Tür rekonstruiert (Abb. 5), wobei die beiden äußeren Flügel mit Hilfe der Zapflöcher fixiert und nur der mittlere kleinere schwenkbar war. Alle Flügel waren beweglich und die Tür damit als eine mehrflügelige Falttür zu rekonstruieren, erschien mir aufgrund des zu erwartenden enormen Gewichts der Flügel nicht zweckmäßig. Es wären in diesem Fall für jeden der Flügel Laufräder oder zumindest Keile als Stütze notwendig gewesen, und selbst dann bleibt zu bezweifeln, ob die Scharniere der Last überhaupt gewachsen gewesen wären.

[1] Die abschließende Publikation zur Wohneinheit 6 liegt noch nicht vor. Die Beschreibung folgt H. Thür, Chronologie 41-66; eine ausführliche Beschreibung auch bei Quatember, Hausheiligtümer, 102-113. Allgemein zum Hanghaus 2 s. Beitrag Thür.
[2] Zu den Bauphasen, die für das gesamte Hanghaus 2 relevant sind, vgl. den Beitrag Thür.
[3] Thür, Privatbibliotheken, 205-210.
[4] Quatember, Hausheiligtümer, 108.
[5] G. K. Boyce, Corpus of the lararia of Pompeii, MemAmAc 14, 1937, 18.
[6] Zu Holzschränken s. Mols, Wooden Furniture, 55-58 und 207-219 Kat. 35-41.

© Marcel Tschannerl
e-mail: m.tschannerl@gmx.net


This article should be cited like this: M. Tschannerl, Raum 31b im Hanghaus 2 von Ephesos, Forum Archaeologiae 44/IX/2007 (http://farch.net).



HOME