Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 20 / IX / 2001

EINE ATTISCH ROTFIGURIGE LOUTROPHOROS AUS DEM FRÜHEREN BESITZ VON G. TSCHMELITSCH

Innerhalb einer Lehrveranstaltung von K. Herold wurden im Sommersemester 2001 drei antike Vasen der Archäologischen Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien (Inv.Nr. 1217, 1243 und 1245) restauriert, welche nun erstmals veröffentlicht werden können [1]. Sie sind im Inventarbuch der Archäologischen Sammlung unter dem Hinweis "Geschenk von Herrn G. Tschmelitsch" registriert und wurden dem Institut am 14.6.1965 überlassen. Günther Tschmelitsch hatte die Stücke in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts im Athener Kunsthandel erworben, die näheren Fundumstände der Objekte sind nicht näher bekannt [2]. Im Folgenden soll die att.rf. Loutrophoros (Inv.Nr. 1245) vorgestellt werden.

Gefäßform: att.rf. Loutrophoros
Inv.Nr.: Archäologische Slg., Universität Wien 1245
FO und Erwerb: genauer FO unbekannt [3], aus dem Athener Kunsthandel, Geschenk von G. Tschmelitsch, 14.6.1965
Publikationen: unpubliziert, im Inventarbuch der Arch.Slg. angeführt unter "rf. Lutrophoros"
Erhaltungszustand: Das Gefäß ist aus zahlreichen Fragmenten wieder zusammengesetzt. Ergänzt sind Teile des Mündungsrandes, Fehlstellen im Schulter- und Bauchbereich, am Übergang zwischen Körper und Fuß und der rechte Henkel-Halsansatz. Die Oberfläche der Vase ist bestoßen, nicht nur im Bereich der Halsfiguren und des Figurenfrieses des Bauches, sondern besonders an den Seiten und Außenkanten der beiden Henkel.
Maße: erh.H 41,1cm, max.B 12,6cm, RandDm 13,4cm, BauchDm 11,6cm, FußDm 9,3cm, WStMündungsbereich 0,6cm
Form: Unterhalb des flachen, etwa 1cm breiten Randes geht die Mündung erst eingezogen, dann bauchig in eine horizontale Platte über, die in einer klar definierten Kante an den Hals ansetzt (Abb. 1). Innen wird die Kontur der Außenbauchung und die horizontale Fläche übernommen, bevor die Mündung abgerundet in den Halsausschnitt übergeht. Außen schließt unterhalb der Mündung der nach oben und unten leicht ausladende Hals an. Der Übergang zur Schulter ist durch ein profiliertes, an der Oberfläche leicht eingezogenes Zwischenstück gestaltet. Die Schulter verläuft erst leicht abfallend bevor sie relativ markant in den Bauchbereich übergeht. Dieser ist nur leicht bauchig ausgebuchtet und verjüngt sich unten, wobei der letzte Teil vor dem Fußknick erst eingezogen und dann ausladend verläuft. Die Oberfläche des Fußes ist nach unten leicht abgeschrägt und wird durch eine zweistufige schräge Kante zum Boden hin begrenzt. Nach einem 0,4cm breiten Standring folgt die Kontur des Fußinneren in abgerundeter Form der der Außenseite und geht in eine sich nach oben verjüngende Höhlung in Richtung Gefäßkörper über. Die im Querschnitt erdnußfömigen Henkel setzen im oberen Halsbereich an, sind zuerst nach oben gezogen, führen in einem Bogen nach außen und von dort leicht konkav zum Schulterknick hinab. Dort gehen sie außen ohne Unterbrechung in die Bauchkontur über.


Nebendekoration: Während der horizontale Rand tongrundig belassen wurde (Abb. 2), ist innen die gerundete Einziehung sowie der Übergang zur Halsöffnung (AußenDm der Glanztonbemalung etwa 5cm) und diese, soweit als leicht erreichbar, mit Glanzton überzogen. Außen ist nach einem tongrundigen Streifen die konkave Profilierung mit grünlichem Glanzton überzogen, von dem sich ein schwarzes Wellenmuster abhebt (Abb. 3). Der Übergang zum bauchigen unteren Mündungsteil ist durch einen 0,2cm breiten horizontalen tongrundigen Streifen betont. Der restliche Teil ist mit einem streifig aufgetragenen Glanzton bedeckt, durch den an vielen Stellen der auffällig rote Untergrund durchscheint. Verziert ist dieser Bereich mit einem umlaufenden Schlangen- bzw. Schlingenmuster, dessen einzelne Bögen relativ einheitlich ausgeführt sind, und das nur oberhalb des rechten Henkels in einem weiten Bogen zur anderen Gefäßseite führt. Der Knick zum Hals sowie der oberste Halsstreifen sind tongrundig belassen. Der Bildfries des Halses wird unten durch die dünne Glanztonstandlinie der Figuren und einen tongrundigen Streifen begrenzt.
Das am Hals-Schulter-Übergang liegende profilierte Zwischenstück ist zwischen den beiden Henkeln jeweils durch eine ungenau angebrachte Zickzacklinie aus Glanzton verziert, die freibleibenden stehenden oder hängenden tongrundigen Dreiecke sind mit ein bis drei V- oder Lamda-förmigen Ecken ausgefüllt. Der ganz innen liegende Teil kann auch nur mit einem kurzen Strich oder Punkt versehen sein. Während dieses Ornament auf Seite B deutlich zu erkennen ist, sind auf Seite A nur noch wenige Reste davon erhalten. Der darunter ansetzende oberste tongrundig belassene Schulterbereich ist durch vertikale dünne Linien in schmale hängende Rechtecke unterteilt, die innen durch je einen dicken senkrechten Glanztonstrich verziert sind. Unterhalb dieses Ornamentes schließt der Glanztonhintergrund des Bauchfrieses an. Dieser ist unten durch einen 0,4 bis 0,5cm breiten tongrundigen horizontalen Streifen begrenzt, der die Standlinie der Figuren bildet. Unterhalb eines etwa 2cm breiten Glanztonstreifens ist der Übergang vom Körper zum Fuß durch einen nach oben weisenden Strahlenkranz verziert, der unten durch einen Glanztonstreifen begleitet wird. Dieser reicht auch über den eigentlichen Fußknick auf die leicht abgeschrägte Oberfläche des Fußes. Die zweistufige Außenkante der Fußplatte ist oben tongrundig, die untere Stufe erst schwarz, dann unten 0,2cm breit tongrundig belassen. Innen ist der Fuß mit einem dunkel olivbraunen Überzug bedeckt, die zum Körper führende Höhlung ganz oben zusätzlich mit roter Farbe bemalt. Auf dem Überzug befinden sich drei rote Punkte sowie Reste von verwischtem Ton. Die Henkel sind außen und an den Seiten, der Ansatz zum Hals auch innen mit Glanzton überzogen.

Nebendarstellungen: Beide Halsseiten sind jeweils mit einer nach links gewandten, in ein langes Gewand gehüllten weiblichen Person verziert, die in leichter Schrittstellung wiedergegeben ist. Unterhalb des Halses ist der gesamte Körper samt Armen und Beinen in ein langes Himation gewickelt, wobei ein Ende in schweren Falten hinter der Figur von der linken Schulter herabhängt und in einem Zipfel in etwa Knöchelhöhe endet. Die Falten des um den Hals und Oberkörper geschlungenen Bausches sowie die des herabhängenden Gewandteiles sind in dünnen Glanztonlinien angegeben. Unterhalb des Himations ragt etwa 1cm lang ein bis zum Boden reichender sehr fein, vorne schräg, hinten vertikal gefälteter Chiton heraus, der hinten leicht nach außen ausschwingt. Unter dem Chiton reicht vorne die Fußspitze des im Knie leicht angewinkelten und etwas vorgestellten Beines heraus. Die Standlinie unterhalb des Fußes und des bodenlangen Chitons ist durch eine Glanztonlinie definiert. Die Oberfläche beider Figuren ist stark bestoßen. Die Figur der Seite B (FigurenH 15,4cm; ) ist fast vollständig erhalten, Brüche führen horizontal zwischen Nase und Auge durch ihr Gesicht, sowie vertikal durch Hals und Oberkörper und von dort schräg nach beiden Seiten. Das schwarze Haar ist in einen Knoten am Hinterkopf gefaßt und vom schwarzen Hintergrund durch Freisparung abgesetzt. Innerhalb des im Profil dargestellten Gesichtes ist nur das Auge (angegeben durch zwei im spitzen Winkel aneinandergesetzte Striche mit kurzem, nach innen gezogenen Bogen) samt langer horizontaler Augenbraue gemalt. Das Himation ist unten durch eine stärkere gebogene Glanztonlinie begrenzt, welche am Übergang zum herabhängenden Zipfel eine nach oben gerichtete Schlaufe bildet. Der vorne hervorstehende Fußteil ist versehentlich mit verdünntem Glanzton übermalt.
Die Haltung der Halsfigur der Seite A entspricht jener der Seite B, die Frau ist nur viel stärker zerstört. Von ihrem Kopf sind der Haarknoten am Hinterkopf sowie kleine Glanztonreste des Gesichtes erhalten. Das Himation ist unten durch zwei etwa 0,1cm breite geschwungene Glanztonlinien begrenzt.

Darstellung: Um den Bauch des Gefäßes zieht sich ein aus sechs Figuren bestehender Bildfries, wobei die Figuren (FigurenH Seite B etwa 11cm) oben tlw. bis auf die Schulter bzw. die unteren Henkelansätze reichen. Der Großteil der Figuren ist mehr oder weniger bestoßen oder ihre Oberfläche abgerieben. Die beiden Hauptseiten werden von jeweils einem aufeinander bezogenen Personenpaar eingenommen. Da die beiden unter den Henkeln angebrachten Figuren sich beide auf dasselbe Paar zu bewegen, wurde diese Darstellung als Seite A bezeichnet.
Links auf der Seite A befindet sich eine nach rechts gewandte Person (Figur 1), die mit Himation und Chiton bekleidet ist. Von ihr fehlen Teile des Oberkopfes, die gesamte rückwärtige Kontur vom Hals bis etwa Kniehöhe und der Großteil der Vorderkontur bis auf den in Oberschenkelhöhe liegenden Teil. Die Kontur des Kopfes und seine Ausstattung sind in Teilen rekonstruierbar. Die erhaltenen Glanztonreste lassen darauf schließen, daß die Person ihr Haar großteils unter einem Sakkos verborgen hatte, es im Stirn- bis Ohrenbereich aber darunter hervorquoll (vergleiche hierzu die Figuren 4 und 6). Im Gesicht weisen Reste darauf hin, daß das Auge und auch der Mund mit Glanzton definiert waren. Die Figur hatte ihren Körper in ein Himation gehüllt. Der Großteil dieses Gewandteiles ist zerstört, es war jedoch in einem Bausch um den Rücken gelegt und nicht über den Kopf gezogen. Ein Seitenteil fällt vorne in einer Zickzackfalte herab, während das Himation sonst unten durch einen Glanztonstrich in etwa horizontal begrenzt war. Unter dem Mantel ragt der fein vertikal gefältelte Chiton heraus, der nach hinten leicht ausschwingt. Dieser ist unten durch eine Glanztonlinie abgeschlossen, die darunter erkennbaren Glanztonreste geben Details der Füße (Zehen, Sandalen?) wieder. Die rechte Hand der Frau kommt vor ihrer unteren Gesichtshälfte zu liegen. Sie muß ursprünglich ihren rechten Oberarm senkrecht nach unten und ihren Unterarm steil nach oben gehalten haben. Die Handfläche ist zum Körper gewandt, der Daumen und zwei Finger sind ausgestreckt, dazwischen wird ein an der Oberkante abgerundeter Gegenstand gehalten.
Rechts neben der Frau steht Figur 2. Von dieser fehlt der Kopf und ein Teil des Oberkörpers, der rechte Unterarm sowie kleinere Teile des Unterkörpers. Die erhaltenen Reste lassen sich zu einem frontal stehenden Körper ergänzen. Die Person trägt als einziges Kleidungsstück ein Himation, welches oberhalb des Knöchels endet. Während der erhaltene Teil des schräg nach unten gehaltenen rechten Oberarms nackt ist, scheint der gesamte linke Arm, dessen Oberarm leicht nach außen gezogen ist, unter dem Mantel verborgen. Eine Seite des Gewandes hängt über der linken Schulter herab und führt in großen Zickzackfalten an der linken Körperseite herab. Parallel zur in einer dünnen Glanztonlinie angegebenen Außenbegrenzung ist der Stoff mit einer 0,2cm breiten schwarzen Bordüre verziert. Von den beiden unten aus der Kleidung herausragenden Füßen ist der rechte frontal, der linke im Profil nach links gemalt.
Das Paar der Seite B (Figuren 4 und 5) ist etwas besser erhalten als die restlichen Personen, besonders die linke Figur 4. Diese steht im Profil nach rechts. Das Haar hat sie in einem durch dünne Glanztonlinien verzierten Sakkos verborgen, nur an der Stirn und der Seite quillt es darunter hervor. Die Braue ist waagrecht, sehr lang und führt vom Haar bis zum Glanzton des Bildhintergrundes. Das Auge besteht aus zwei spitz auseinanderlaufenden Strichen, die durch einen nach außen gewölbten Bogen verbunden sind, der oben verdickt ist. Zwischen Auge und Braue gibt eine leicht geschwungene Linie das Augenlid an. Das Nasenloch ist durch einen kleinen Bogen definiert, der Mund leicht geöffnet. Ein Himation ist so um den Körper gewickelt, daß es um die Schulter gelegt vor dem Oberkörper einen waagrechten Bausch bildet. Der rechte Oberarm ist unter dem Gewand leicht zurückgenommen, die Lage des Unterarms nicht nachzuvollziehen. Hinter dem Gesäß ist ein Gewandzipfel angegeben. Vorne führt der Mantel über den herabhängenden linken Oberarm zum nach oben erhobenen Unterarm. An der Rückseite des linken Unterarmes hängt eine Kante des Himations erst gerade, unten in Zickzackfalten herab und endet in einem unten S-förmig geschwungenen Zipfel. Die Falten des Himations, die vom Hals zur Brust gebogen und dann unter dem Kinn horizontal liegen, dem rechten Oberarm schräg nach unten folgen und sonst senkrecht herabhängen, sind durch Glanztonlinien angegeben. Etwas oberhalb der Knöchel ist der Mantel durch eine waagrechte Glanztonlinie begrenzt. Darunter ragt ein langer Chiton hervor, der nach vorne spitz, nach hinten nur leicht und abgerundet ausschwingt. Unter der unteren waagrechten Begrenzung ist vorne ein Fuß zu erkennen, der Bereich dahinter, wo eigentlich der zweite Fuß anzunehmen wäre, ist schwarz. In Brusthöhe ist die linke Hand zu sehen, die aus dem Himation herausragt. In der nach oben weisenden Handfläche hält die Frau ein großes Alabastron, dessen Rand fast die Breite des Gefäßbauches erreicht, in Richtung der Figur 5. Diese steht der Figur 4 in leichter Schrittstellung gegenüber. Obwohl der Hinterkopf zerstört ist, lassen die Glanztonreste des Haares erkennen, daß diese Figur keinen Sakkos trug. Vom Bereich des zerstörten Auges sind nur kleine Glanztonreste vorhanden, der Mund ist leicht geöffnet. Auch Figur 5 ist in ein großes Himation gewickelt, die erhaltenen Reste weisen auf einen dem der Figur 4 entsprechenden Bausch unterhalb des Kinnes hin, darunter führen die Falten über den Oberkörper erst schräg, dann fast senkrecht herab. Auch bei dieser Frau findet man im Bereich des Gesäßes hinten einen hervorstehenden Gewandteil, darunter fällt ein Teil des Mantels gerade fast bis aufs Bodenniveau herab und endet in einem Zipfel mit gebogener Unterkante. Vorne folgt das Himation der Kontur des linken vorgestellten Beines, das im Knie leicht abgewinkelt ist. Oberhalb der Knöchel endet der Mantel in einer geraden Glanztonlinie, darunter ragt etwa 1cm breit ein fein vertikal gefälteter Chiton heraus, an dessen Vorderseite ein Teil des vorgestellten Fußes zu erkennen ist.
Unter den beiden Henkeln und damit zwischen den beiden Paaren der Seiten A und B befindet sich je eine geflügelte Figur (Figuren 3 und 6), die sich auf das Paar der Seite A (Figuren 1 und 2) zubewegen. Die Haltung der Flügelwesen ist jeweils fast spiegelbildlich zueinander. Beide sind im Profil gezeichnet, wobei die Linie von Kopf bis Knie fast der Vertikalen entspricht. Die Unterschenkel sind in einem stumpfen Winkel zurückgezogen. Das dem Betrachter nähere Bein ist leicht zurückgenommen und die Kante durch eine etwas stärkere Glanztonlinie betont, sodaß die beiden Füße jeweils etwas auseinanderliegen. Die Füße sind im Rist leicht bis ganz durchgestreckt, und keiner berührt den Boden. Die Figuren sind in einen bis unterhalb der Knöcheln reichenden Peplos mit einem langen, bis knapp über die Knie hängenden übergürteten Überschlag gekleidet. Dieser schwingt leicht, die Unterkante des Peplos stark nach hinten oben aus. Die Flügel sind jeweils am oberen Rückenbereich angefügt. Beide Figuren weisen einige Fehlstellen auf. Bei der Flügelfigur links (Figur 6; Abb. 5), die nach rechts fliegend dargestellt ist, fehlen Teile innerhalb der Flügel sowie an der Kontur oberhalb der untersten Flügelspitze, sowie der Bauchteil und die Unterarme. Das Gesicht und der Glanztonbereich davor, wie auch die Flügel und der Oberkörper sind stark bestoßen. Die Anzahl der Flügelspitzen ist nicht klar zu erkennen, ergänzt wurden drei. Innen sind einzelne Federn durch dünne Linien angegeben. Neben dem Peplos trägt diese Flügelfrau einen Sakkos, der anhand der wenigen erhaltenen Glanztonreste innen ursprünglich als verziert zu ergänzen ist, und unter dessen Rand das Haar von der Stirn bis zum Bereich des Ohres herausquillt. Vor der Figur ist ein langer vertikaler dicker Stab, eine Fackel, zu sehen, von deren oberem Ende im rechten Winkel der Rauch in Form eines langspitzen Dreiecks in Richtung Flügel abzieht. Zwischen der Fackel und vor dem Oberschenkel der Figur 6 ist ein weiterer kleiner Bereich tongrundig ausgespart.


Die zweite Flügelfrau (Figur 3; Abb. 6) nähert sich dem Paar der Seite A (Figuren 1 und 2) von rechts. Ihr fehlen die Stirn, der Hinterkopf, die Kontur vom Kopf zur Flügeloberkante, der Bereich vom Gesäß bis zum Flügel und dadurch die Rückenkontur und der Übergang zur Flügelunterkante. Im Vergleich zur anderen Flügelfigur nehmen die Flügel einen viel größeren Platz ein, reichen fast bis zur ausschwingenden Unterkante des Peplos und sind auch insgesamt breiter. Hier ist deutlich zu erkennen, daß die kürzeren Federn tlw. durch das Auftragen gebogener Linien innerhalb der langen Federn angegeben waren. Obwohl der Kopf tlw. zerstört ist, steht fest, daß diese Figur keinen Sakkos trägt. Die Armhaltung ist deutlich zu erkennen, auch, daß der Überschlag aus dem Gürtel als leichter Kolpos herausgezogen war. Während der linke Oberarm senkrecht und der Unterarm leicht schräg herabhängt, hält sie in der nach unten gehaltenen Hand eine lange Binde. Der rechte Oberarm führt leicht schräg nach unten, der Unterarm ist im rechten Winkel angehoben, sodaß die rechte Hand ungefähr in Kinnhöhe zu liegen kommt. Ein Glanztonrest am ausgestreckten Handgelenk könnte auf ein Schmuckstück deuten. In der nach oben weisenden Handfläche hält die Figur mit den nach oben gebogenen Fingern einen länglichen, handtellerbreiten Gegenstand.

Ton- und Oberflächengestaltung: Die Bemalung ist in rf. Technik ausgeführt. Hierbei ist anzumerken, daß im Halsbereich, welcher unter den Henkeln liegt, die Konturen der Halsfiguren durch dicke schwarze Glanztonstreifen umgrenzt sind, der Bereich außerhalb aber nur streifig mit Glanzton bedeckt ist. Die Farbe des Glanztons reicht daher - je nach Dicke des Auftrages - von einem gelblichen Rot (5 YR 4/6) [4] bis zu einem glänzenden Schwarz (2.5 Y N2/), der Tongrund ist hell rötlichbraun (5 YR 6/4). Auffällig ist das Aussehen des Fußes innen, der dort erhaltene dicke Überzug ist ins Oliv übergehend dunkelbraun (10 YR 3/3).

Aufgesetzte Malerei: Die innerhalb des Fußes nach oben zum Körper führende Einhöhlung ist am oberen Ende zusätzlich dunkelrot (10 R 3/6) bemalt, weiters lassen sich auf dem braunen Überzug drei rote Punkte erkennen. Außerdem ist der Bereich unterhalb der Schlangenbemalung an der Mündungsaußenseite im Vergleich zu anderen tongrundigen Teilen oder Fragmenten, bei denen der Glanzton abgeschabt oder -blättert ist, auffällig rot (10 R 4/6).

Restaurierungsarbeiten: Die Fehlstellen wurden bei der Restaurierung ergänzt und entsprechend der umgebenden Fragmente tongrundig oder schwarz übermalt. Hierbei wurden die Ornamente - wie etwa die Strahlen des Strahlenkranzes - und auch die Konturen der Figuren vervollständigt, wie bei der Figur 1 der Rücken, das Gewand vorne unten und Teile des Kopfbereiches. Bei der Figur 2 sind der Bereich des Kopfes und der Übergang in den Hintergrund unbekannt, daher ist dieser Teil als leerer, tongrundiger Fleck belassen. Der Gegenstand in der Rechten des rechten Flügelwesens (Figur 3) wurde im oberen Teil zu einem Alabastron ergänzt, analog zu dem Utensil, das die Figur 4 der Seite B tatsächlich hält. Vervollständigt sind weiters die untere Flügelkontur und der Übergang zum Überschlag, d.h. die gesamte Rückseite des Oberkörpers. Der Hinterkopf samt Knoten wurde analog zu anderen Frauenfiguren gestaltet. Bei der Figur 4 ist der Übergang von der Hand zum Alabastron neu gemalt. Hingegen ist die Kontur des Brustbereiches der Figur 5 gerade durchgezogen, war ursprünglich aber analog zu Figur 4 auch mit einem waagrecht nach vorne stehenden Bausch ausgestattet. Weiters wurde bei Figur 5 die Frisur analog zu anderen Frauenfiguren zu einem Knoten ergänzt, neu ist die Rückenkontur vom Oberkopf bis etwa zur Körpermitte sowie die Begrenzung der Oberschenkel. Beim linken Flügelwesen (Figur 6) wurden die oberen beiden Flügelspitzen bei der Restaurierung ergänzt.

Datierung und Malerzuschreibung: Umkreis des Neapel-Malers, um 430/20 v.Chr.

Zum Maler und seinem Umkreis: Insgesamt sind stilistische Vergleiche mit anderen Vasen und eine Malerzuweisung der Wiener Loutrophoros 1245 schwierig, da die Gesichter der meisten Figuren sehr stark zerstört oder gar nicht erhalten sind. Allgemein ist festzuhalten, daß sich in der Malweise zwischen den Nebenfiguren der Halsbilder und den Figuren des Hauptfrieses am Bauch keine gravierenden Qualitätsunterschiede feststellen lassen. Der Aufbau der Figuren sowie ihrer Gewänder und die Ausführungen der Details lassen auf ein und dieselbe Malerhand für alle Figuren schließen.
Aufgrund des Gesamteindruckes der Bemalung ist die Wiener Loutrophoros 1245 sicher einem der Maler der Kolonettenkratere zuzuweisen. Boardman 1991, 100 Abb. 186-193 verweist nur sehr kurz auf diese Gruppe, ohne auf einzelne Maler näher einzugehen, während Sgourou 1997, 77ff. katalogisch die Lebetes Gamikoi der Maler der Kolonettenkratere zusammen faßt. An einen frühen Vertreter dieser Gruppe, den Maler von Florenz (Sgourou 1997, 77 Kat.-Nr. 1f. Abb. 2-4), erinnern bei der Wiener Loutrophoros 1245 besonders die unterhalb des bis zum Boden reichenden Chiton herausragenden Füße, wie auch das unter dem Gewand leicht vorgestellte Bein und die herabhängenden Gewandzipfel. Seine Tradition führt nach J. Beazley ARV2 1096 der Neapel-Maler (ARV2 1096ff. 1683; Para. 450f.; Add.2 328; Boardman 1991, Abb. 189f.; Weiss 1990, 89) fort. Dieser bemalte neben anderen Gefäßen auch zahlreiche Hochzeitsvasen wie Lebetes Gamikoi [diese sind aufgezählt bei Moore 1997, 19 Anm. 13 und Sgourou 1997, 77ff. (Neapel-Maler Kat.-Nr. 6-14, 19, in der Art des Neapel-Malers Kat.-Nr. 15, Maler aus dem Kreis des Neapel-Malers Kat.-Nr. 20, nahe dem Neapel-Maler Kat.-Nr. 21-24)] und Loutrophoren. Weiters unterlag auch der Neapel-Maler - wie viele andere Maler der Klassik - dem Einfluß des Polygnot (Robertson 1992, 215f. 316 Anm. 133 sowie Sgourou 1997, 79 [5]).
Darauf, daß der Maler der Wiener Loutrophoros 1245 aus dem Umkreis des Neapel-Malers stammen könnte, weist nicht nur das Thema der Darstellung hin. So erscheint in einigen der diesem Maler zugeschriebenen Gefäßen, welche mit Frauenthemen bemalt sind, ein einzelner Mann - der Bräutigam - zwischen Frauen, so auf zwei Lebetes Gamikoi (ARV2 1098.35 und 35bis) oder zwei Hydrien (ARV2 1100.59f.) [6]. Weiters kommen Details der Nebendekoration des Wiener Stückes auch bei seinen Loutrophoren vor, wie z.B. die Zickzacklinie am Übergang von Hals zur Schulter (Paris, Louvre CA 1685. ARV2 1099.46; Moore 1997, 16 Anm. 21). Eine Verbindung läßt sich auch aufgrund von stilistischen Detailbeobachtungen wie z.B. an der Karlsruher Hydria [B 3078. CVA Karlsruhe (1) Taf. 22,1f.] herstellen, z.B. am Gesicht der auf einem Klismos sitzenden Frau, das sich mit dem Gesicht der Alabastron-haltenden Figur 4 der Wiener Loutrophoros vergleichen läßt - besonders, was die Mundgestaltung, die Innenzeichnung der Nase sowie die bis zur Kontur reichende Augenbraue anbelangt. Weiters reicht auch hier der unter dem mit verdickten Rändern gestalteten Himation hervorragende Chiton der Frauen bis zum Boden, und nur der Vorderfuß bzw. die Zehen sind zu sehen. Bei der sitzenden Frau schwingt der Chiton leicht nach hinten aus. Diese Details erinnern an die Gestaltung der Wiener Halsfiguren oder auch der fruchttragenden Figur 1. Die Haltung der stehenden Frau der Hydria - mit leicht vorgestelltem Bein - wie auch der nach vorne gehaltene Unterarm, der einen Gegenstand in der mit Handfläche nach oben dargestellten Hand hält, finden Entsprechungen auf dem Wiener Gefäß. Auffällig ist die Glanztonlinie am Übergang zwischen Hand und Unterarm, eine solche weist auch die nach links fliegende Flügelfrau (Figur 3) der Wiener Loutrophoros auf.
Noch besser vergleichbare Figuren auf Vasen, die dem Neapel-Maler selbst zugewiesen wurden, finden sich meist auf Teilen, die mit Nebenfiguren bemalt sind, wie den Halsfiguren des Fragmentes einer um 430 v. datierten Loutrophoros-Hydria in Prag [22.45 (E 116). ARV2 1099.45; CVA Prag (1) Taf. 39,6f.]. Angeführt kann an dieser Stelle auch der Ständer von der Athener Agora (P 15207) werden, der von J. Beazley ARV2 1098.37 dem Neapel-Maler zugeschrieben wurde und von Moore 1997, 153 Kat.-Nr. 130 um 430/20 v. datiert wird. Die auf diesem Stück dargestellten, in Chiton und Himation gekleideten Frauen sind sehr kursorisch angegeben und durch ihre Ausführung - z.B. das unter dem Gewand vorgestellte Knie, die Handhaltung mit Alabastron oder Tänie, die verdickten Gewandabschlüsse, das unten gerade abschließende Himation, die geraden Chitonfalten, die schematisch gezeichneten Füße - mit den gerade genannten Halsbildern aber auch mit den Bauchbildern der Wiener Loutrophoros 1245 vergleichbar. Relativ grob sind auch die Figuren auf einem Ständer in Karlsruhe B 3078 gemalt, der von J. Beazley ARV2 1098.36 dem Neapel-Maler zugeschrieben wurde. Im CVA Karlsruhe (1) Taf. 22,3 wird hierzu angemerkt, daß die Zeichnung dieses um 440 v. zu datierenden Ständers "von einer anderen Strichführung und außerordentlich flüchtig" ist und daß die Zuschreibung von J. Beazley in Verbindung mit der Karlsruher Hydria B 3078 [CVA Karlsruhe (1) Taf. 22,1f.] geschah, die diesem Maler tatsächlich zuzuordnen ist. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, daß eine Kontrolle aller Haupt- und Nebenbemalungen der dem Neapel-Maler zugeordneten Gefäße notwendig wäre, um anhand der Nebenfiguren vielleicht eine eigene Hand, die dann dem Umkreis dieses Malers zuzuordnen wäre, feststellen zu können.
Gute Vergleichsbeispiele in der Art der Gesamtgestaltung und Bemalung bilden weiters die Halsfiguren der namengebenden att.rf. Loutrophoros des Malers von London 1923 (London 1923.1. ARV2 1103.1; Boardman 1991, 272 Abb. 191), dessen Stil nach J. Beazley ARV2 1102 stark an den des Neapel-Malers erinnert, sowie die Halsfiguren einer Loutrophoros aus dem nächsten Umkreis des Neapel-Malers in Karlsruhe (69/78. ARV2 1102.2). Auch sie tragen einen bis zum Boden reichenden Chiton, aus dem meist nur die Zehen bzw. der vordere Fußteil hervorragen, und sind vom Hals bis zu den Unterschenkeln fest in ein langes Himation gewickelt, das unten gerade abschließt. Im Gegensatz zu den Figuren der Wiener Loutrophoros 1245 sind hier die Frauen jeweils nach rechts gewandt, keines der Beine ist vorgestellt, dafür haben sie einen Arm unter dem Gewand vorgenommen, sodaß ein Teil des Himations vor dem Körper herabfällt und in einem Zipfel endet. Aus den bisherigen Publikationen dieser Stücke geht nicht hervor, ob Hals- und Bauchfiguren demselben Maler zuzuschreiben sind. Weiss 1988, 652 weist bei der Karlsruher Loutrophoros 69/78 auf den "Qualitätsunterschied in der Ausführung der Figuren" des Halses und des Bauches und dabei auf die kursorischere Gestaltung der Halsfiguren hin und bemerkt weiters, daß solche Qualitätsunterschiede auf att.rf. Loutrophoren der zweiten Hälfte des 5. Jhs.v. öfter zu beobachten sind. Sie nennt a.O. 663 Anm. 5 als Beispiele die Loutrophoren des Malers von Louvre MN 558, ohne anzugeben, ob diese Unterschiede auf zwei verschiedene Malerhände zurückzuführen sind [7].
Weitere Ähnlichkeiten zwischen der Karlsruher Loutrophoros 69/78 und der Wiener Loutrophoros 1245 finden sich in vereinzelten Details, so z.B. in der Gestaltung der unteren Körperhälfte der fruchthaltenden Figur 1 des Wiener Stückes und der rechts neben der Säule stehenden Frau auf der Karlsruher Vase (Weiss 1988, 657 Abb. 8). Bei beiden ragen unterhalb des gerade abschließenden Himations der fein vertikal mit feinen Strichen versehene Chiton und darunter die Zehen hervor, die durch kleine bogenförmige Linien angegeben sind. Auffällig ist, daß der Übergangsbereich zwischen Hals und Schulter bei beiden Gefäßen in ähnlicher Weise durch ein konkaves Zwischenstück gestaltet ist, das beide Male mit einem Zickzackmuster verziert ist. Ebenso ist auch der Mündungsteller der Karlsruher Loutrophoros außen mit Wellenlinie und Schlangenband bemalt.
Als weiteres Vergleichsbeispiel, welches einem Maler aus dem Umkreis des Neapel-Malers zugeordnet wird, kann die Darstellung auf einem Lebes Gamikos der Privatslg. A. Kyrou 68 (Sgourou 1997, 79 Kat.-Nr. 20 Abb. 5-8) dienen. Hingewiesen sei bei der dortigen Rückseitenfigur rechts auf die ähnliche Gestaltung des vor dem Hals liegenden, vorstehenden Mantelbausches. Einen solchen weisen auch die Gewänder der Halsfiguren und der Figuren 4 und ursprünglich auch 5 der Seite B des Wiener Stückes auf. Weiters bestehen Parallelen im unter dem Gewand vorgestellten Bein oder im bis zum Boden reichenden Gewand. Auch die Flügelfrauen lassen sich miteinander gut vergleichen, so z.B. die Gesamthaltung der jeweils nach links fliegenden Flügelfrauen: beide tragen einen übergürteten Peplos, beide Flügel weisen jeweils nach hinten, die Figuren fliegen mit vom Knie bis Kopf aufrechter Haltung und nehmen die Unterschenkel zurück. Hierbei schwingt das Gewand nach oben. Die Rechte ist beide Male höher erhoben und trägt einen Gegenstand, in der Linken wird mit der Handfläche nach unten eine Binde gehalten. Wiederum lassen sich Unterschiede feststellen, so etwa in der Gestaltung des nach oben schwingenden Peplos - dieser ist bei dem Athener Lebes abgerundet - und im gehaltenen Utensil, einer Spindel bzw. einem Spiegel.
Anhand der genannten Vergleichsbeispiele und den an ihnen gemachten Beobachtungen ist die Wiener Loutrophoros 1245 einem Maler aus dem Umkreis des Neapel-Malers zuzuschreiben. Zur Datierung ist festzuhalten, daß nach Oakley-Sinos 1993, 6 um 480 v. Hochzeitsdarstellungen auf att.rf. Loutrophoren beginnen [8], wobei die meisten Stücke nach Reeder 1995, 163 aus den späteren Jahrzehnten des 5. Jhs.v. stammen. Die gut vergleichbare att.rf. Loutrophoros Karlsruhe 69/78 wird von Weiss 1990, 89 um 430/20 v. datiert und auch andere Details - wie etwa die Art des nach oben spitz ausschwingenden Gewandes der Flügelfrauen, die an die Gestaltung des übergürteten Peplos der Flügelfrau auf einem unzugeschriebenen Lebes Gamikos um 430/20 v. in Kopenhagen (Nat.Mus. 13113. Oakley-Sinos 1993, 21 Abb. 42) erinnert - unterstützen diese zeitliche Einordnung.

Zu Form und Verwendung: Die beiden Vertikalhenkel definieren das Wiener Stück als sog einfache Loutrophoros bzw. Loutrophoros-Amphora, im Gegensatz zur Loutrophoros-Hydria mit nur einem Vertikal- und dafür zwei Horizontalhenkeln (siehe hierzu u.a. Oakley-Sinos 1993, 6. 131 Anm. 10; Moore 1997, 14; Schreiber 1999, 187). Die Mündung entspricht dem Typ 4 nach der Einteilung von L.S. King [9] und dürfte - der Verdickung am Übergang zwischen Mündung und Hals bzw. dem außen erkennbaren Knick nach zu schließen - in den extra hergestellten Hals eingefügt worden sein, wie es nach Schreiber 1999, 188ff. für die meisten Loutrophoren nachweisbar ist. Um der Verbindung zwischen den unabhängig voneinander hergestellten Hals und Körper mehr Halt zu geben wurde der Übergangsbereich außen mit einem Tonring umgeben (Schreiber 1999, 190), der sich hier eindeutig durch das konkave Zwischenstück nachweisen läßt. Auch die spätere Anbringung des in der zweistufigen Variante ausgeführten Fußes [10] ist deutlich anhand der im Fußinneren erhaltenen verschmierten Tonreste zu erkennen. Die langen, im Schnitt erdnußförmigen, außen konkaven vertikalen Bandhenkel gehen am Hals und an der Schulter in die jeweilige Außenkontur über, ohne daß auf einen vollständig harmonischen Übergang Wert gelegt worden wäre.
Loutrophoren werden von Karydi 1963, 99f. als den Reinigungsriten zugehörig erachtet und wurden prinzipiell im Hochzeits- und davon abhängig im Totenritus verwendet, wobei oft - wie z.B. bei Kokula 1984, 116f. 144. 150 - angegeben wird, daß dort die zweihenkelige Loutrophoros wahrscheinlich einer weiblichen Verstorbenen, eine Loutrophoros-Hydria einem männlichen Toten zugeordnet war. Diese Zuordnung ist aber insgesamt umstritten, siehe hierzu Weiss 1990, 89.

Zu Bildthematik und Darstellung: Insgesamt hebt sich bei der Anbringung der Nebendekoration die Wiener Loutrophoros 1245 von anderen Beispielen derselben Zeit - wie bei Moore 1997, 15f. zusammengefaßt - in einigen Details ab. Einerseits ist die Mündung außen verziert - wie sonst eher bei Beispielen vor der Mitte des 5. Jhs.v. üblich [11]. Weiters zeigt sie am Hals oberhalb der Figuren keine ornamentale Verzierung, auch nicht unterhalb des Hauptfrieses. Hingegen ist, wie auch sonst üblich, der Übergang vom Hals zur Schulter - der nur sehr niedrig gehalten ist und optisch keinen Teil des Halses ausmacht wie bei manchen anderen Vergleichsbeispielen - und der oberste Schulterbereich ornamental, der Bereich oberhalb des Fußes mit Strahlen verziert, und sowohl Hals wie auch Bauch sind figürlich verziert.
Allgemein können die Figuren der Darstellung der Wiener Loutrophoros 1245 in den Rahmen der Hochzeitsdarstellungen im weitesten Sinn gestellt werden [12]. Welcher Teil der Feierlichkeiten zur Darstellung gelangte, ist von der Rekonstruktion und Interpretation des Paares der Seite A, die in wichtigen Bereichen gestört ist, abhängig. Hierzu ist festzuhalten - wie es Oakley-Sinos 1993, 5 und Oakley 1995, 72 betonen -, daß bisher keine schriftliche Überlieferung des gesamten Hochzeitsablaufes erhalten ist, und daher sämtliche Interpretationen aus Einzelhinweisen verschiedener Teile des Ablaufes zusammengesetzt sind, die von unterschiedlichen Zeiten aus verschiedenen Bereichen der griechischen Welt stammen, "the reason for this must be that weddings were such a common event that there was no need to describe one in full".
Die Ikonographie und Formen der Vasen mit Hochzeitsbildern sind nach Robertson 1992, 225f. oder Oakley-Sinos 1993, 46 mit der weiblichen Sphäre in Zusammenhang zu bringen und scheinen oft eine weibliche Perspektive wiederzugeben. Auffällig ist nach Webster 1972, 106 bzw. Robertson a.O., daß hierbei oft der Bräutigam die einzige männliche Person darstellt, die zur Abbildung gelangt. Dieser trägt meist ein Himation, "woven so finely that it shone" (Oakley-Sinos 1993, 16). Auf der Wiener Loutrophoros 1245 ist die Figur 2 als einzige nur in ein Himation gekleidet. Dieses endet über den Knöcheln, während der Chiton der anderen, als Frauen kenntlich gemachten stehenden Personen bis zu den Zehen oder bis zum Boden reicht. Figur 2 ist demnach als Mann und genauer als Bräutigam zu interpretieren. Die Art der Darstellung der Füße, der eine frontal, der andere von Figur 1 wegweisend, läßt auf eine beabsichtigte Richtungsänderung schließen. Die ihm gegenüberstehende, als Frau und wohl als Braut zu interpretierende Figur 1 ist mit einem Chiton und einem langen Himation bekleidet, wobei das Gewand nicht über den Kopf gezogen, sondern das Haar unter einem Sakkos verborgen ist. Dieses Detail deutet darauf hin, daß die Braut nicht mehr verschleiert war und das Paar einander schon sehen konnte.
Alle weiteren Interpretationen hängen einerseits von der Rekonstruktion der Haltung des Brautpaares zueinander, andererseits davon ab, ob die Rückseitendarstellung thematisch zugehörig und hierbei insbesondere als gleichzeitig anzusehen ist. Allgemein müssen auf einem Gefäß nicht gleichzeitig stattfindende Momente der Hochzeitsfeierlichkeiten abgebildet werden, manchmal, besonders auf Gefäßen ab 440 v., werden verschiedene Momente der Feier ohne zeitlichen Zusammenhang nebeneinandergestellt (Oakley-Sinos 1993, 8. 43f.) [13]. Eine der beiden Frauen (Figur 4) der Rückseite hält ein Alabastron. Dieses Gefäß wird von Reeder 1995, 174. 227ff. bes. 229. 334 als Hinweis auf das Parfum und die Salben verstanden, die verwendet wurden, um Verstorbene, aber auch die Braut zu salben, daher spielt das Gefäß in Begräbnis- wie auch Hochzeitsbildern eine bedeutende Rolle. Im Zusammenhang mit der Braut erscheint das Alabastron als speziell sexuelles, erotisches bzw. Fruchtbarkeitssymbol. Es ist Bestandteil von Bildern mit der Schmückung der Braut (Schwarz 1985, 320f. Kat.-Nr. 2; Oakley-Sinos 1993, 18; Reeder 1995, 173ff. 227ff.), wird in der Hochzeitsprozession als Teil der Aussteuer oder als Brautgeschenk mitgetragen (Oakley-Sinos 1993, 34) oder dient als Geschenk an die neuvermählte Braut im Rahmen der Epaulia (Oakley-Sinos 1993, 18. 38f.; Reeder 1995, 128. 231ff.). Die beiden Frauen in Chiton und Himation der Seite B der Wiener Loutrophoros 1245 können hierdurch unterschiedlichen Teilen der Hochzeitsfeierlichkeiten - wie z.B. der Hochzeitsprozession oder der Epaulia, der Geschenkübergabe am Morgen nach der Hochzeitsnacht - zugeordnet werden [14] und lassen von sich aus keine nähere Einschränkung zu.
Somit ist man wiederum auf die Abbildung der Vorderseite angewiesen. Die uns erhaltenen Reste der beiden Protagonisten lassen unterschiedliche Rekonstruktionen zu. Entweder berührten die beiden einander, oder auch nicht. Möglich ist eine Ergänzung des Bildes analog zu dem bei Brueckner 1907, 110f. beschriebenen und 122 dargestellten att.rf. Vasenbild (Athen 1173. CC 1236). Dort ist die Frau in einen Chiton und in ein Himation gewickelt und hat die Rechte zum Gruß vor das Gesicht gehoben, während sie ihre Linke im rechten Winkel abgewinkelt vor den Körper hält. Der Körper des Mannes ist frontal abgebildet, seine rechte Schulter nackt, der Arm wird schräg nach unten in Richtung der Frau gestreckt, wobei er den Kopf zu ihr zurückwendet. Sein rechtes Bein ist frontal schräg zurückgestellt, der linker Fuß im Profil abgebildet und von der Frau weg gedreht. Analog dazu könnte es sich auch bei dem Wiener Beispiel um den Bräutigam handeln, der sich am Morgen nach der Hochzeitsnacht von seiner Frau trennt, da sie danach im Rahmen der Epaulia ihre weiblichen Verwandten und Freundinnen empfängt. Der sich vor der Epaulia verabschiedende oder auch während der Epaulia anwesende Bräutigam kommt auf einigen att.rf. Hochzeitsdarstellungen vor [15]. Bei den beiden Frauen der Seite B (Figuren 4 und 5) könnte es sich um die vor der Tür wartenden Freundinnen der Braut handeln, welche entweder die Nacht mit Singen von Hochzeitsliedern vor der Tür der Braut verbracht haben oder gerade ankommen, um der Jungverheirateten Geschenke zu übergeben [16]. Andererseits könnte der Mann die Frau auch am Handgelenk des linken Armes, im Gestus des cheir´ epi karpo halten und die Braut dabei anblicken. Dann wäre ein Teil der zu Fuß durchgeführten Hochzeitsprozession (chamaipous) abgebildet [17], zu der auch die Frauen der Rückseite passen.
Auffällig ist, daß die Braut einen oben abgerundeten Gegenstand in ihrer Rechten hält. Da dieses Objekt an der sichtbaren Fläche keine Einbuchtung oder ein aufgesetztes Krönchen aufweist, ist eine eindeutige Interpretation als Apfel, Quitte oder Granatapfel nicht möglich [18]. Von der Braut gehaltene runde Objekte - mit oder ohne Einbuchtung - werden innerhalb von Hochzeitsbildern, besonders in der zu Fuß durchgeführten Prozession, oder von diesen Darstellungen beeinflußten mythologischen Bildern des öfteren dargestellt, als Beispiel kann die att.rf. Hydria des Tyszkiewicz-Malers um 480/70 v. in München (2425. Oakley 1995, 66. 73 Anm. 13) dienen. Dort faßt der bewaffnete Menelaus Helena am Handgelenk und blickt zu ihr zurück. Diese hält in ihrer Linken eine Frucht, an der die Eindellung klar zu erkennen ist. Als noch besseres Vorbild für die Wiener Loutrophoros 1245 kann die um 440/30 v. datierte att.rf. Loutrophoros des Polygnot in Toronto (Royal Ontario Mus. 929.22.3. Oakley-Sinos 1993, 32 Abb. 82ff.; Oakley 1995, 65f. mit Abb. 6) herangezogen werden [19]. Die Braut, deren Kopf nicht durch ein Gewand bedeckt ist, wird von ihrem Bräutigam, bekleidet mit einem Himation, das seine rechte Schulter freiläßt, an der linken Hand geführt, während sie in ihrer Rechten einen rundlichen Gegenstand hält.
Nach Oakley-Sinos 1993, 40 sind Früchte als Fruchtbarkeitssymbole insgesamt für eine Hochzeit passend [20]. Sie spielen eine Rolle bei Opfern, so erhielten nach Aischyl.Eum. 834-36 die Erinyen während des Hochzeitsrituals Erstlingsfrüchte, damit diese das Paar mit Kindern segneten (Oakley-Sinos 1993, 12; Reeder 1995, 164f. mit Anm. 2; 226 mit Anm. 1f.). Während der Anakalypteria dürften nach bildlichen Quellen Feigen eine bestimmte Rolle gespielt haben, und vielleicht waren Früchte auch Teil der Geschenke (anakalypteria, opteria, theoretra), die der Bräutigam anläßlich dieser Zeremonie [21] der Braut überreichte. Während der Prozession zum neuen Heim konnte das Brautpaar mit unterschiedlichen Dingen, darunter Äpfeln, beworfen werden. Dort angekommen wurden sie mit katachysmata - Datteln, Münzen, getrockneten Früchten, Feigen und Nüssen - überschüttet (Brueckner 1907, 83f.; Koch-Harnack 1983, 117 Anm. 19; Oakley-Sinos 1993, 26f. 34 mit den entsprechenden antiken Quellen). Eine wichtige Rolle spielte schließlich das malon bzw. melon, eine Frucht, welche nach Plutarch (mor. 138d; qu.R. 279f; Sol. 20) die Braut zu essen hatte, bevor sie das Brautgemach vor der Hochzeitsnacht betrat. Oakley-Sinos 1993, 35 bzw. Oakley 1995, 66. 73 Anm. 13 merken zum Begriff malon an, daß darunter eine Quitte oder ein Apfel zu verstehen ist. Die Einführung dieser Sitte wird Solons Gesetzgebung zugeschrieben, die Süße der Frucht soll hierbei die Braut günstig stimmen. Oakley-Sinos a.O. bzw. Reeder 1995, 127f. mit Anm. 12 weisen auf ein weiteres Detail in der Mythologie hin. Persephone akzeptierte in der Unterwelt eine Frucht von Hades und mußte bleiben, nachdem sie zwei Granatapfelkerne gegessen hatte. Weiters erscheint in der griechischen Literatur das malon als allgemeines Symbol für Liebe [22], durch das Akzeptieren der Frucht "the bride symbolized her acceptance of the love her husband offered her" (Oakley-Sinos a.O.), und so war das Essen im neuen Heim "an integral part of the rites connected with incorporation", eine Frucht "gives the scene an atmosphere of fertility, appropriate to the wedding" (Oakley-Sinos 1993, 40). Neben all diesen Deutungen könnte die Frucht in den Händen der Figur 1 der Wiener Loutrophoros 1245 aber auch eines der Geschenke der Braut an den Bräutigam darstellen, das sie ihm nach der Hochzeitsnacht überreicht [23].
Hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, daß der Gegenstand in Händen der Figur 1 von der Form her auch als Ei gedeutet werden könnte. Auf eine besondere Rolle im Totenkult verweisen in Gräbern gefundene Eierschalen bzw. Nachahmungen in Marmor oder Ton [24]. Elferink 1934, 54 betont mit Verweis auf M.P. Nillson die wichtige Rolle des Eies als Attribut chthonischer Gottheiten. Sparkes-Talcott 1970, 181 verweisen darauf, daß das Beigeben von Eiern in Gräber einer üblichen und langlebigen Praxis entsprach, während Blegen-Palmer-Young 1964, 84 mit Anm 112 [25] die Tatsache, daß in Korinth Eierschalen vornehmlich in Frauen- und Kindergräbern gefunden wurden, so erklären, daß es sich nicht um normales Essen oder Teile des Totenmahles handelt, und Eier auch nicht als Symbole für die Auferstehung oder ewiges Leben gegolten haben können, da sie dann in Männergräbern auch vorkommen müßten. Sie interpretieren daher Eier als Symbole der Fruchtbarkeit bzw. des Wachstums, während schon Elferink 1934, 59 die mantische Kraft des Eies besonders bei Heiratsangelegenheiten anspricht.
Alle diese Ausführungen zeigen, daß sowohl eine Interpretation der Darstellung der Wiener Loutrophoros 1245 als Ausschnitt des Chamaipous wie auch der Epaulia möglich ist. Zu beiden Feierlichkeiten paßt das Motiv der beiden auf das Brautpaar zufliegenden Flügelfrauen, die unter den Henkeln der Wiener Loutrophoros 1245 abgebildet sind. Beide Figuren sind mit nach hinten gerichteten Flügeln ausgestattet und tragen eine Kleidung, die keine Scheinärmel aufweist und nur an den Schultern befestigt gewesen sein muß. Der Überschlag des als Peplos zu bezeichnenden Gewandes ist so lang, daß er bis an den Oberschenkel reicht und zusätzlich um die Mitte übergürtet ist. Trotzdem reicht der Peplos immer noch bis zu den Knöcheln. Das Fliegen der beiden Figuren ist erkennbar daran, daß der Boden nicht berührt wird, die Gewandteile nach hinten ausschwingen, sowie der Rauch der Fackel der Figur 6 nach hinten abzieht. Insgesamt entspricht die Haltung mit geradem Körper und den zurückgenommenen Unterschenkeln derjenigen anderer fliegender Figuren der klassischen att.rf. Vasenmalerei (Kenner 1939, 84; Cohen 1997, 151) [26]. Während symmetrisch angeordnete Flügelfrauen schon früher vereinzelt vorkommen [27], sind sie nach Mark 1984, 309 ab der Mitte des 5. Jhs.v. Bestandteil vieler Darstellungen auf att.rf. Lebetes Gamikoi und Loutrophoren, wo sie jeweils die zentrale Szene flankieren.
Die heranfliegenden Frauen halten oft unterschiedliche Objekte, wie Körbe, Fackeln oder Bänder (Oakley-Sinos 1993, 20). Bei der Wiener Loutrophoros 1245 sind dies eine Fackel und eine Binde bei der Figur 6 links, sowie eine Binde und ein Gegenstand, der wegen seiner unteren gerundeten Form heute zu einem Alabastron ergänzt ist, bei der Figur 3 rechts. Fackeln werden in die Ikonographie der Hochzeiten schon in der zweiten Hälfte des 6. Jhs.v. eingeführt (Parisinou 2000, 56) und können hierbei nicht nur von Flügelfrauen, sondern auch von Sterblichen gehalten werden [28]. Sie gehörten nach Weiss 1988, 663 Anm. 17; Oakley-Sinos 1993, 26; Parisinou 2000, 53 als wesentlicher Bestandteil zu den verschiedensten Teilen der Hochzeit [29], wobei Weiss 1988, 659 festhält, daß die Fackeln "nicht immer als Zeitangabe zu verstehen" sind. Fackeln werden beim Holen des Wassers für das Bad der Braut oder des Bräutigams sowie beim Bad selbst dargestellt (Reeder 1995, 161ff.; Parisinou 2000, 55). Die Braut wurde nach Oakley-Sinos 1993, 25 beim Einbruch der Dunkelheit von ihrem Kyrios ihrem Mann übergeben, danach wurde das Ritual der Anakalypteria durchgeführt, und daß die Hochzeitsprozession bei Fackellicht stattfand, beweisen zahlreiche Vasenbilder (u.a. Mark 1984, 309; Parisinou 2000, 55). Auch im neuen Heim spielten Fackeln wie auch das Feuer selbst eine wichtige Rolle [30]. Zwei Fackeln werden meist von den Müttern von Braut und Bräutigam gehalten (Reeder 1995, 162), während andere Beteiligte - meist sind Frauen in dieser Funktion dargestellt - auch mit nur einer Fackel ausgestattet werden können (Oakley-Sinos 1993, 26. 136 Anm. 23; Parisinou 2000, 55f.). Für die Interpretation der Flügelfrau mit Fackel bedeutet dies, daß wiederum verschiedene Zeitpunkte innerhalb der Hochzeit gemeint sein können.
Umstritten ist bisher, wie die Flügelfrauen innerhalb von Hochzeitsdarstellungen zu deuten sind [31]. In der att.rf. Vasenmalerei können eine Reihe von weiblichen Wesen mit Flügeln ausgestattet werden, und viele von ihnen lassen sich in einen Bezug mit den Hochzeitsfeierlichkeiten bringen. Allgemein hält Cohen 1997, 152 fest, daß geflügelte Versionen der großen Olympischen Götter in der att. Ikonographie nicht beliebt sind, vereinzelt werden Artemis, Athena oder Hermes mit Flügeln versehen. Hingegen werden bes. in der att.rf. Vasenmalerei Flügel für Wesen der Unterwelt mit anthropomorpher Gestalt, Personifikationen "and lesser deities, especially thoses who travel to earth frequently and interact with humans" verwendet (Cohen 1997, 144). Die bekannteste Flügelfrau ist Nike und demnach werden auch die Flügelfrauen der Hochzeitsdarstellungen - wie z.B. bei Isler-Kerényi 1969, 45; Mark 1984, 309ff.; Reeder 1995, 164. 226 - oft als Niken u.a. als Zeichen des Sieges der weiblichen Schönheit und Fruchtbarkeit bezeichnet [32].
Isler-Kerényi 1971, 31 weist darauf hin, daß die Fackeln in Händen einer Flügelfrau "immer auch Lichttragen" bedeuten und somit diese Göttin nicht unbedingt Nike darstellen muß, sondern auch Eos, Göttin der Morgenröte genannt werden kann [33], eine Meinung, die schon Brueckner 1907, 103ff. vehement vertreten hatte. Weiss 1986, 749 verweist hierbei auf die vorwiegend positive Charakterisierung dieser Göttin in den schriftlichen Quellen, wobei Eos als "strahlende Göttin des anbrechenden Morgens" einerseits als Bringerin des Festtages erscheint, andererseits als Beenderin der Hochzeitsnacht die Festivitäten der Epaulia ankündigt. Als weitere Gestirngöttin, die geflügelt überliefert ist und auch so abgebildet wird, ist Nyx, die Göttin der Nacht zu nennen (Karusu 1984, 905. 909). Normalerweise tritt sie als Wagenlenkerin auf, in der ersten Hälfte des 5. Jhs.v. könnten aber auch geflügelte Frauen zu Fuß Nyx darstellen, wobei die Deutung als Göttin der Nacht bisher noch nicht bewiesen werden konnte (Karusu 1984, 909). Meist ist diese Gottheit zusammen mit anderen Gestirngottheiten wie Helios und Eos oder Helios und Selene [34] zu sehen, wobei bei diesen Bildern nach Karusu a.O. der Moment des Sonnenaufganges gemeint ist. Bisher wurde Nyx nicht mit Hochzeitsbildern in Zusammenhang gebracht, doch läßt sie sich anhand der bei Aristoph.Av. 693-697 beschriebenen Parodie auf die orphische Theogonie - Nyx zeugt dort ein Ei, aus dem Eros schlüpft (Karusu 1984, 905) - in die Nähe des Hochzeitsgeschehens rücken. Die von Karusu 1984 als Nyx interpretierten Gestirngottheiten in Gestalt einer Wagenlenkerin tragen meist ein an den Schultern befestigtes Gewand mit langem übergürteten Überschlag - von S. Karusu als Peplos oder Chiton bezeichnet. Dasselbe Kleidungsstück zeichnet auch Eos als Wagenlenkerin aus, und diese Darstellungsweise entspricht der vieler Flügelfrauen auf Hochzeitsvasen - so u.a. auch denen der Wiener Loutrophoros 1245. Will man nicht von einer Verdoppelung der Eos ausgehen, so könnten vielleicht mit diesen Flügelfrauen die beiden Gestirngottheiten Eos und Nyx gemeint sein, die den nahenden Morgen, den Tag der Epaulia ankündigen [35].
Neben Nike oder den Gestirngöttinnen [36] kommen noch weitere niedrige Wesen der griechischen Götterwelt für die Hochzeitsgefäße in Frage. So bezeichnet Kenner 1935, 154 zwei symmetrisch aufeinander zu fliegende Flügelfrauen als Hochzeitsgenien [37], während Oakley-Sinos 1993, 20 eine Verbindung zu chthonischen Gottheiten sehen, denen nach Aischyl.Eum. 834-36 geopfert wurde, um sie als Fruchtbarkeitsgötter für die Hochzeit günstig zu stimmen [38]. Insgesamt kann mit Oakley-Sinos 1993, 17 bzw. Reeder 1995, 231. 233 festgehalten werden, daß durch die Flügelfrauen Szenen des realen Lebens auf ein höheres, idealisiertes Niveau gehoben wurden und daß "whatever forces are represented by these winged deties, the gifts they carry represent the divine blessings they bring to the wedding" (Oakley-Sinos a.O. 20).
Für die Darstellung der Wiener Loutrophoros 1245 ergibt sich zusammengefaßt folgendes Bild: Innerhalb einer Hochzeitsdarstellung sind auf der Seite A das Brautpaar und auf der gegenüberliegenden Seite zwei am Fest teilnehmende Frauen mit Geschenk dargestellt. Da ein wichtiger Teil des Bildes - das zwischen Braut und Bräutigam liegende Zwischenstück - fehlt, ist eine Interpretation nicht eindeutig möglich. Als wahrscheinlich können zwei Deutungen angesehen werden: Entweder ist ein Ausschnitt aus der Hochzeitsprozession zu sehen, der Bräutigam führt die bereits entschleierte Braut, welche ein malon in der Hand hält, am Handgelenk, während sterbliche und Flügelfrauen das Paar mit Fackel und Geschenken auf diesem nächtlichen Weg begleiten. Diese Darstellung hätte ein unmittelbares Vorbild in der um 440/30 v. zu datierenden att.rf. Loutrophoros des Polygnot in Toronto (Royal Ontario Mus. 929.22.3. Oakley-Sinos 1993, 32 Abb. 82ff. bzw. Oakley 1995, 65f. mit Abb. 6), störend würde hierbei allerdings der Sakkos der Braut wirken. Oder aber der Bräutigam verabschiedet sich im Morgengrauen nach der Hochzeitsnacht, der durch zwei geflügelte Gestirngottheiten angegeben wird, von seiner von ihm beschenkten oder ihn beschenkenden Frau, während bereits zwei andere Frauen auf die folgende Epaulia warten, um die Braut zu beschenken. Durch die von der Frau wegweisende Fußhaltung des Bräutigams könnte hierbei - analog zur bei Brueckner 1907, 122 abgebildeten att.rf. Vase - auf einen Abschied hingewiesen worden sein [39].

Zur keramischen Form und zum Zustand des Gefäßes: Zur Ausführung der figürlichen Malerei ist anzumerken, daß vergessen wurde, den unter den Henkeln zwischen den beiden Halsfiguren liegenden Bereich ein zweites Mal mit Glanzton zu überziehen. Darauf ist die dort fleckig bis streifig auftretende Oberfläche zurückzuführen. Ähnliches läßt sich an einer att.rf. Loutrophoros des Neapel-Malers um 440/30 v. in München (NI 9493. Reeder 1995, 332ff. Kat.-Nr. 102) innerhalb des Bauchfrieses beobachten.
Weiters fällt der unter der Glanztonbemalung liegende rote Untergrund an der Mündungsaußenseite auf. Es scheint, daß die streifige Aufbringung des Glanztones unterhalb der Schlangenbemalung beabsichtigt war, um dieses Rot tlw. sichtbar zu erhalten [40]. Die Schlangenbemalung und wohl auch das im oberen Mündungsbereich erkennbare Wellenornament sind als ursprünglich weiß anzunehmen. Als gutes Beispiel für den Vorgang, daß ursprünglich mit Weiß bemalte Glanztonflächen nach Vergehen der aufgesetzten Farbe dunkler als ihre Umgebung erscheinen, kann die Schlangenbemalung einer att.sf. Loutrophoros in Athen [Nat.Mus. 450. L.G. Kahil, Loutrophore à fond blanc au Musée du Louvre, in: M. Rohde-Liegle - H.A. Cahn - H.C. Ackermann (Hrsg.), Gestalt und Geschichte. Festschrift K. Schefold, 4. Beih. AntK (1967) 146-151 Taf. 53,4] herangezogen werden. Dort sind noch Reste der weißen Bemalung erhalten, während das Ornament an Stellen, bei denen die Farbe vergangen ist, jetzt schwarz sind. Zur weißen Schlangenbemalung sowie der später nur selten vorkommenden zusätzlichen Wellendekoration am oberen Mündungsrand - wie z.B. bei einer att.rf. Loutrophoros des Pan-Malers um 470 v. in Houston (37.10. Reeder 1995, 161ff. Kat.-Nr. 22) - siehe King 1903, 323 sowie Karydi 1963, 91 mit Anm. 5, zur Interpretation der aufgemalten Schlangen als Reminiszens an die plastischen Schlangen auf geometrischen Vasen Karydi 1963, 91 bzw. Weiss 1990, 89 mit weiterführender Literatur. Weiße Wellen- oder Schlangenlinien an den Henkeln und der Außenseite der Mündung kommen nach Moore 1997, 15 verstärkt vor der Mitte des 5. Jhs.v. vor. Die Wiener Loutrophoros ist demnach zu den Ausnahmen (aufgezählt bei Moore 1997, 15 mit Anm. 19) späterer Zeit zu zählen.
Die Wiener Loutrophoros 1245 weist zwischen Gefäßkörper und Fuß kein Loch auf, dafür ist der Fuß innen oben rot bemalt. Weiters befinden sich drei rote Punkte auf dem dunklen olivbraunen Überzug des Fußinneren, außerdem Spuren von verwischtem Ton, was darauf zurückzuführen sein dürfte, daß der Fuß noch vor der Anbringung an den Gefäßkörper innen bemalt worden war [41].
Zum fragmentierten Zustand der Gefäße aus der Slg. G. Tschmelitsch merkt Brein 1999, S. XIII an, daß diese "1945 von alliierten Bomben fragmentiert wurden". Andererseits verweist Weiss 1990, 87. 90 auf die Interpretation kleinteiliger Scherben als Indiz für die Mitverbrennung des Gefäßes bei der Bestattung, wobei "die Kleinteiligkeit der Scherben auf das Zerplatzen des Gefäßes infolge der Feuereinwirkung beim Verbrennen zurückzuführen" ist.

Die verwendeten Abkürzungen und Zitierweisen richten sich nach den Vorgaben der Abkürzungsverzeichnisse und Richtlinien für die Publikationen des Deutschen Archäologischen Institutes, AA 1997, 611ff. Die antiken Autoren und ihre Werktitel werden nach H. Cancik - H. Schneider (Hrsg.), Der neue Pauly I (Stuttgart - Weimar 1996) S. XXXIXff. angegeben. Weiters werden folgende Begriffe und Titel wie folgt abgekürzt:
Inv. (Inventar), max. (maximal), min. (minimal), St (Stärke), W (Wand).
Add.2: T.H. Carpenter - T. Mannack - M. Mendonça, Beazley Addenda2 (1989).
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Schwarz 1985: G. Schwarz, Hochzeitsbilder der Parthenonzeit. Die Bostoner Loutrophoros und zwei Lekythen des Phialemalers, in: W. Alzinger - G.C. Neeb (Hrsg.), Pro Arte Antiqua. Festschrift H. Kenner II, Sonderschriften des ÖAI 18 (1985) 319-325.
Sgourou 1997: M. Sgourou, Lebetes gamikoi, in: Oakley-Coulson-Palagia 1997, 71-83.
Sparkes-Talcott 1970: B.A. Sparkes - L. Talcott, Black and Plain Pottery of the 6th, 5th and 4th Centuries B.C., Agora 12 (1970).
Webster 1972: T.B.L. Webster, Potter and Patron in Classical Athens (1972).
Weiss 1984: C. Weiss, Griechische Flussgottheiten in vorhellenistischer Zeit (1984).
Weiss 1986: LIMC III (1986) 747-789 s.v. Eos (C. Weiss).
Weiss 1988: C. Weiss, Ein bislang unbekanntes Detail auf dem Hochzeitsbild der Karlsruher Lutrophoros 69/78, in: J. Christiansen - T. Melander (Hrsg.), Proceedings of the 3rd Symposium on Ancient Greek and Related Pottery, Kopenhagen August 31 - September 4 1987 (1988) 652-664.
Weiss 1990: CVA Karlsruhe (3) (1990) (bearbeitet von C. Weiss).

Die im Text verwendeten Abbildungen beruhen auf Aufnahmen der Autorin, die 2001 während und direkt im Anschluß an die Restaurierungsarbeiten angefertigt wurden.

[1] An dieser Stelle sei J. Borchhardt als Vorstand des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien sowie P. Dintsis, der für die Archäologische Sammlung des Institutes zuständig ist, herzlich für die Erlaubnis der Publikation der bisher unveröffentlichen Vasen und ihre bereitwillige Unterstützung sowie K. Herold dafür gedankt, daß ich die Exemplare während der Restaurierung begutachten und photographieren konnte. Anzuführen sind weiters L. Dollhofer und K. Schaller, denen die gesamten organisatorischen Arbeiten zufielen, sowie E. Trinkl, der ich die Möglichkeit, diese Stücke bearbeiten zu können, verdanke. Die genauen Zitate der im Text verwendeten Abkürzungen und Hinweise zu den Abbildungen befinden sich im Anschluß an den Haupttext.
[2] Zur Sammlung G. Tschmelitsch siehe Brein 1999, S. XIII. Die Eintragungen im Inventarbuch wurden von F. Brein durchgeführt.
[3] Weiss 1988, 652 schließt "im Hinblick auf die dem griechischen Kultleben eng verbundene Gefäßform" für die att.rf. Loutrophoros Karlsruhe 69/78 auf eine Herkunft aus Griechenland. Als Beispiel für eine Loutrophoros, die außerhalb des Mutterlandes gefunden wurde, nennt sie a.O. 663 Anm. 3 ein Stück aus Benghazi, heute in Paris (Louvre MN 558. ARV2 1320.3). Die Tatsache, daß nach Moore 1997, 14 die att.sf. wie auch rf. Loutrophoren, deren Herkunft genau bekannt ist, aus Athen oder der näheren Umgebung stammen, sowie die Angabe des Sammlers "aus dem Athener Kunsthandel" lassen auch für die Wiener Loutrophoros auf einen FO in oder um Athen schließen. Interessant ist hierbei, daß nach Moore a.O. 19 hingegen die FO der att.rf. Lebetes Gamikoi, der zweiten großen Gattung attischer Hochzeitsgefäße, nicht auf Attika beschränkt sind.
[4] Die Beschreibungen in den Klammern beziehen sich auf die Farbangaben in den Munsell Soil Color Charts (Baltimore 1990).
[5] Sgourou 1997, 82f. Anm. 38 verweist auf Robertson 1992, 215f. und schreibt a.O. 79 Kat.-Nr. 19 einen Lebes Gamikos in Athen 12845, den J. Beazley ARV2 1053.31 mit "not far from Polygnotos" einordnet, dem Neapel-Maler zu.
[6] Innerhalb des Hochzeitszuges auf einer att.rf. Loutrophoros des Neapel-Malers um 440/30 v. in München (NI 9493. Reeder 1995, 332ff. Kat.-Nr. 102) kommt neben dem die Braut am Handgelenk führenden Bräutigam im Himation, das die rechte Schulter freiläßt, auch auf der RS ein Mann vor. Seine beiden Schultern werden vom Himation freigelassen, er stützt sich auf einen Stock und steht einer Frau mit Kalathos gegenüber. Als Vergleich dafür, daß Männer auf Hochzeitsvasen die Ausnahme darstellen, läßt sich der Frauenbad-Maler heranziehen, bei dessen Hochzeitsbildern nach Robertson 1992, 225f. der Bräutigam als einziger Mann anwesend ist.
[7] Als Beispiel dafür, daß nicht alle Figuren eines Gefäßes von ein und demselben Maler gemalt worden sein müssen, sei eine att.rf. Loutrophoros in Philadelphia (30.4.1. Robertson 1992, 196f. mit Abb. 207) genannt, deren Hauptfries am Bauch vom Achilles-Maler gestaltet wurde, der darunter befindliche Nebenfries und die beiden Halsbilder aber dem Sabouroff-Maler zuzuschreiben sind.
[8] Moore 1997, 15 merkt an, daß ab der zweiten Hälfte des 5. Jhs.v. Darstellungen der Loutrophoren meist Darstellungen mit einem Bezug zur Hochzeit zeigen.
[9] King 1903, 322f. Abb. 1.
[10] Zu anderen Fußtypen der Loutrophoren siehe Schreiber 1999, 187, zur Herstellung und Anbringung am Vasenkörper a.O. 192.
[11] Siehe hierzu die Ausführungen im Absatz Zu Form und Verwendung.
[12] Zur zeitlichen Entwicklung von Hochzeitsdarstellungen und den jeweils als Bildträgern gebräuchlichen Gefäßen siehe Webster 1972, 105f.
[13] Daß verschiedene nicht gleichzeitig stattfindende Szenen innerhalb eines Bildes vereint werden, ist nach Oakley-Sinos 1993, 45 als allgemeine Erscheinung der Hochklassik (450-400 v.) anzusehen.
[14] Festgehalten werden kann, daß auf der Wiener Loutrophoros 1245 nicht die Schmückung der Braut dargestellt ist. Auch bei solchen Darstellungen kann der Bräutigam mit dargestellt werden - was sicher nicht dem realen Ablauf entsprochen haben dürfte. Siehe hierzu Oakley-Sinos 1993, 23. 39 oder Sabetai 1997, 323. 333 Anm. 36 mit weiteren Verweisen.
[15] Brueckner a.O. bzw. Oakley-Sinos 1993, 39. 138 Anm. 5 Abb. 120f., wobei auf dem dort abgebildeten att.rf. Fragment einer Loutrophoros um 420 v. in Oxford des Malers von Athen 1454 (1927.4067. ARV2 1179 unten) der Mann, von dem nur der Oberkörper erhalten ist, mit einem an beiden Schultern geheftetem Gewand - wohl einem Chitoniskos - und einer Chlamys bekleidet ist. Hinzufügen läßt sich vielleicht die unzugeschriebene att.rf. Loutrophoros in Buffalo um 430 v. (Mus. of Science C 23262. Oakley-Sinos 1993, 39 Abb. 122). Dort hält das Brautpaar einander an der Hand, unter dem linken Henkel befindet sich eine Flügelfrau mit Fackel und Band, unter dem rechten Henkel eine stehende Frau mit Korb und Band. Auch hier könnte eine Epaulia abgebildet sein, obwohl Oakley-Sinos a.O. hierin eine Kombination verschiedener Hochzeitsmotive in einem Bild sehen. Gleiches gilt für die als "Vorbereitung der Braut" zur Hochzeitsfeier interpretierte Szene auf dem Lebes Gamikos des Neapel-Malers in New York (MM 06.1021.298. ARV2 1098.35; Add.2 328; Lullies 1971, 50 Taf. 23, 2).
[16] Zu den vor der Tür, die von einem Freund des Bräutigams als thyroros bewacht wurde, wartenden Frauen siehe Oakley-Sinos 1993, 37. 138 Anm. 107; Reeder 1995, 128; Parisinou 2000, 56, zur Epaulia und den dort dargebrachten Geschenken den Ausführungen im Haupttext weiter unten.
[17] Ein Fragment der Athener Agora (P 24701), welches von Moore 1997, 148 Kat.-Nr. 100 Taf. 17 mit Werken des Neapel-Malers verglichen wird, zeigt einen Ausschnitt, der dem fehlenden Teil der Wiener Loutrophoros 1245 in etwa entsprechen würde. Zu den Begriffen cheir´ epi karpo und chamaipous siehe stellvertretend Oakley-Sinos 1993, 137 Anm. 71 mit weiterführender Literatur oder Oakley 1995, 64.
[18] Zur jeweiligen Darstellung der unterschiedlichen Früchte sowie der Tatsache, daß diese Früchte bei flüchtiger Darstellung sich nicht voneinander unterscheiden lassen, siehe Kunze-Götte 1999, 71 mit Anm. 35, die auch weiterführende Literatur angibt.
[19] Zum Einfluß des Polygnot auf den Neapel-Maler und die Maler aus seinem Umkreis siehe oben die Ausführungen im Haupttext.
[20] Früchte können innerhalb von Hochzeitsszenen z.B. auch von Eroten gehalten werden, wie auf einer att.rf. Loutrophoros des Frauenbad-Malers in New York (Metr.Mus. 16.37. Oakley-Sinos 1993, 20 Abb. 37).
[21] Zur Zeremonie der Anakalypteria siehe besonders Oakley 1982, 117 bzw. Oakley-Sinos 1993, 25f.
[22] Für weiterführende Literatur zur Symbolik von Apfel, Granatapfel, Quitte und malon siehe Koch-Harnack 1983, 157ff. mit Anm. 335ff.; Oakley-Sinos 1993, 138 Anm. 96; Kunze-Götte 1999, 71 mit Anm. 35.
[23] Zu diesen Geschenken - überliefert ist die chlanis, ein von der Braut selbstgewebtes Gewand - und den antiken schriftlichen Belegen siehe Oakley-Sinos 1993, 39 bzw. Reeder 1995, 128 mit Anm. 13.
[24] Zu mit Glanzton überzogenen, rot gebrannten Toneiern aus Gräbern des ersten Viertels des 5. Jhs.v. aus dem Kerameikos siehe u.a. Kunze-Götte-Tancke-Vierneisel 1999, 23 Kat.Nr. 51,1 bzw. 62 Kat.-Nr. 230,5. Das Loch bzw. die Löcher, welche die Toneier oft aufweisen, werden unterschiedlich erklärt (zum Aufhängen bei Sparkes-Talcott 1970, 181, als bei Todesfällen gebräuchliches Sprenggefäß bei Elferink 1934, 52), können aber auch herstellungsbedingt gedeutet werden: Durch das Anbringen der Löcher konnte die Oberflächenspannung, welche beim Trocknen und Brennen entstand, verringert werden.
[25] Blegen-Palmer-Young 1964, 84 bezeichnen Eier als übliche Grabbeigaben in Korinthischen Gräbern des 5. und 4. Jhs.v. Den Umstand, daß in zwei Gräbern (407 und 428) Eierschalen zusammen mit Strigiles gefunden wurden, erklären die Autoren a.O. Anm. 111 folgendermaßen: "These could be the graves of adolescents". Hierzu ist anzumerken, daß Strigiles grundsätzlich als Hygieneutensilien anzusehen sind, die - wie es att. Vasenbilder (als Beispiel sei die Abbildung auf einem att.rf. Kolonettenkrater in Wien, Kunsthist.Mus. 2166 um die Mitte des 5. Jhs.v. genannt) beweisen - auch von Frauen bei der Reinigung verwendet wurden. Zur Interpretation dieser Bilder als bloße Hygienedarstellungen - aus denen keineswegs auf eine vorangegangene sportliche Betätigung der Dargestellten rückgeschlossen werden darf - siehe z.B. H. Killet, Zur Ikonographie der Frau auf attischen Vasen archaischer und klassischer Zeit (1996) 192. Strigiles aus Frauengräbern behandelt F.-H. Massa-Pairault, Strigiles féminins et idéologie funéraire (IVe-IIIe siècles av.n.è.), Nikephoros 4, 1991, 197ff. bes. 200ff. näher.
[26] Zur Entwicklung der Darstellung fliegender Personen ab archaischer Zeit siehe Isler-Kerényi 1969, 43f. bzw. ausführlich Cohen 1997, 141ff.
[27] Zur Geschichte der symmetrisch angeordneten Flügelfrauen auf oder unter den Henkeln, die bereits ab dem 7. Jh.v. wie z.B. auf der Françvoisvase nachweisbar sind, siehe bes. Kenner 1939, 82ff. bzw. Oakley-Sinos 1993, 45.
[28] Auf denselben inhaltlichen Gehalt der Fackeln der Flügelfrauen und denen der Sterblichen weist Parisinou 2000, 59 hin.
[29] Oakley-Sinos 1993, 26. 136 Anm. 24 weisen unter Berufung auf Schol. Eur.Alc. 989 darauf hin, daß eine illegitime Vereinigung als "a wedding without torches" bezeichnet wurde. Kenner 1939, 81f. benennt daher die bei Hochzeiten verwendeten Utensilien dezidiert als "Hochzeitsfackeln".
[30] Parisinou 2000, 59. 209 interpretiert die mit einer Fackel heranfliegende Flügelfrau neben einem einander die Hände reichenden Brautpaar auf einer att.rf. Loutrophoros in Buffalo um etwa 420 v. (Mus. of Science C 23262. Oakley-Sinos 1993, 39 Abb. 122) als Wesen, das dem Paar vermutlich in deren Kammer den Weg leuchtet.
[31] Zusammenfassend zu den verschiedenen Interpretationen siehe Kenner 1939, 82 oder Oakley-Sinos 1993, 135 Anm. 80.
[32] Zu Nike als Aspekt der Eris siehe Isler-Kerényi 1969, 36, zu beider Verhältnis zu der Götterbotin Iris a.O. 41f. (zu dieser auch Kenner 1939, 89 oder Mark 1984, 304f.), wobei von Isler-Kerényi a.O. 35 festgehalten wird, daß Eris als laufende Flügelfrau auftritt. Aufgrund der Tatsache, daß Hebe (Mark 1984, 304 Anm. 75), aber auch die von Webster 1972, 175 vorgeschlagene Aura [LIMC III (1986) 52-54 s.v. Aurai (F. Canciani)] fast immer flügellos dargestellt wurden, soll auf diese beiden Gottheiten hier nicht näher eingegangen werden.
[33] Zur Ähnlichkeit in den Darstellungen führt Isler-Kerényi 1971, 31 Anm. 57 die fackeltragenden Fügelfrauen auf Lekythen an: einmal trägt eine solche die Beischrift kale g´ Eos (att.rf. Lekythos des Syrakus-Malers um 460 v. in Athen, NM 12120. ARV2 520.46; Brueckner 1907, 103 Beil. 3,1; Weiss 1986, 787), ein anderes Mal die Beischrift Nike (ARV2 303.10).
[34] Selene wird in der attischen Kunst im Gegensatz zu Eos und Nyx immer flügellos dargestellt (Karusu 1984, 906. 909. 916).
[35] Um eine solche Interpretation sicherer untermauern zu können, wäre eine eigene Studie notwendig, die aufgrund des aufzuarbeitenden Bildmaterials den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen würde. Weiters sei kurz auf Karusu 1984, 926 verwiesen, wo zu den Darstellungen der Gestirngottheiten des 5. Jhs.v. angemerkt wird: "Doch gibt es immer wieder Varianten und auch Überschneidungen, was zu manchen Kontroversen in der Deutung geführt hat".
[36] Weiss 1984, 137. 146. 229 Anm. 949 bzw. dies. 1986, 756 weist mit Bezug auf E. Simon auf die Rolle der Gestirngötter als Eidzeugen hin und schlägt vor, in den Flügelfrauen der Hochzeitsvasen Gestirngöttinnen in dieser Funktion zu sehen. Da bei der antiken athenischen Hochzeit aber kein Eid geschworen, sondern im Rahmen der engye eine Abmachung zwischen dem Kyrios der Braut und dem zukünftigen Bräutigam getroffen wurde, lehnt Mark 1984, 307 eine solche Interpretation ab.
[37] Kenner 1939, 95 merkt hierzu an, daß schon der antike Betrachter diese Hochzeitsgenien "wohl meistens Nikai, Siegesgöttinnen der Schönheit", nannte.
[38] Auf den Ansatz dieser Forscher wird - neben der Interpretation der Flügelfrauen als Niken - wiederholt bei Reeder 1995 hingewiesen.
[39] Schwarz 1985, 320f. Kat.-Nr. 3 sieht in der Haltung des in ähnlicher Weise dargestellten Mannes auf einer att.rf. Pelike des Phiale-Malers in München 2350 einen Hinweis darauf, daß dieser im Vergleich zur gegenüberstehenden, vollkommen in ihr Gewand gewickelten Braut absichtlich in einer "mehr in die Breite komponierten Erscheinung" abgebildet wurde, um sein Selbstbewußtsein und den Gegensatz "Werbender Mann" und "Zurückhaltendes Mädchen" herauszustreichen. Eine solche Interpretation würde ihre Unterstützung im Gebrauch der antiken Termini finden. Oakley-Sinos 1993, 31 arbeiten heraus, daß die Rollen von Braut und Bräutigam während der Hochzeit klar definiert sind: der Bräutigam spielt die aktive Rolle, er ist "the one who marries (ho gamon), while the bride is the object of his action, the one who is married (he gamoumene)". Bei der Wiener Loutrophoros 1245 ist nicht klar zu erkennen, in welcher Art die Braut wirklich dargestellt war, ihre Haltung kann aber nicht als die des passiven Teils angesprochen werden.
[40] Eine Interpretation der roten Farbe als miltos ist schwierig, da sie an keiner weiteren tongrundigen Stelle des Gefäßes sichtbar ist. Aufgesetzte rote Farbe findet man hingegen im obersten Teil der Fußhöhlung. Zur Bedeutung des miltos in der attischen Vasenherstellung siehe Schreiber 1999, 48ff.
[41] Diese Beobachtung widerlegt die Behauptung von Schreiber 1999, 192, daß die Loutrophoros erst nach ihrer vollständigen Herstellung an den Vasenmaler übergeben wurde, bzw. zeigt, daß gewisse Bereiche der Gefäße schon vor Beendigung des Töpfervorganges bemalt wurden. Für eine Interpretation des genauen Herstellungsvorganges - mit der Bemalung einzelner sonst schwer zugänglicher, unwichtiger Nebenbereiche schon während des Töpfervorganges - wären detaillierte Untersuchungen an anderen Loutrophoren wünschenswert. So merkt Weiss 1988, 661 bei der Karlsruher Loutrophoros 69/78 zur Gestaltung des Fußbereiches innen - der offene Boden ist durch eine innen eingesetzte Tonröhre verstärkt - an: "Reste von Glanzton, den wir an diesem Teil gefunden haben, dienten offensichtlich als Klebemittel" (ähnlich auch Weiss 1990, 87f.). Eine der Wiener Loutrophoros 1245 vergleichbare Beobachtung machte Kenner 1935, 100 an der Innenseite des Schnabels bzw. Ausgusses eines großen Beckens der Arch.Slg. des Institutes für Klassische Archäologie/Universität Wien. Dieser ist innen mit schwarzem Glanzton überzogen, die Bemalung läßt jedoch "gegen den unteren Rand des Fragmentes zu an Güte nach und wird zuletzt stellenweise von dünn darübergeschmierten Ton verdeckt".

© Bettina Kratzmüller
e-mail:
b.kratzmueller@gmx.at

This article will be quoted by B. Kratzmüller, Eine attisch rotfigurige Loutrophoros aus dem früheren Besitz von G. Tschmelitsch, Forum Archaeologiae 20/IX/2001 (http://farch.net).



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