Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 20 / IX / 2001

EINE ATTISCH SCHWARZFIGURIGE LEKYTHOS AUS DEM FRÜHEREN BESITZ VON G. TSCHMELITSCH

Innerhalb einer Lehrveranstaltung von K. Herold wurden im Sommersemester 2001 drei antike Vasen der Archäologischen Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien (Inv.Nr. 1217, 1243 und 1245) restauriert, welche nun erstmals veröffentlicht werden können [1]. Sie sind im Inventarbuch der Archäologischen Sammlung unter dem Hinweis "Geschenk von Herrn G. Tschmelitsch" registriert und wurden dem Institut am 14.6.1965 überlassen. Günther Tschmelitsch hatte die Stücke in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts im Athener Kunsthandel erworben, die näheren Fundumstände der Objekte sind nicht näher bekannt [2]. Im Folgenden soll die att.sf. Lekythos (Inv.Nr. 1243) vorgestellt werden.

Gefäßform: att.sf. Lekythos
Inv.Nr.: Archäologische Slg., Universität Wien 1243
FO und Erwerb: genauer FO unbekannt, aus dem Athener Kunsthandel, Geschenk von G. Tschmelitsch, 14.6.1965
Publikationen: unpubliziert, im Inventarbuch der Arch.Slg. angeführt unter "sf. Lekythos der Warrior-Gruppe"

Erhaltungszustand: Die ursprüngliche Form des Gefäßes ist anhand der erhaltenen Fragmente, die oft aneinanderpassen, deren Kanten teilweise aber stark abgerieben sind, trotz einiger fehlender Scherben im Schulter- und Bauchbereich rekonstruierbar, nur der Fuß fehlt vollständig (Abb. 1). Die Gefäßoberfläche ist an manchen Stellen - besonders im Bauchbereich - abgerieben, an der Mündung und dem Schulterknick bestoßen. Tiefere Beschädigungen finden sich an der zweiten Figur des Bauchfrieses. Der Glanzton an der Mündung und am Henkel ist rissig, teilweise abgeblättert.
Maße: erh.H 16,7 cm, max.Dm 9,9 cm, RandDm 4,4 cm, DmSchulterknick 9,2 cm, WStMündungsbereich 0,45 bis 0,6 cm, WStBauch 0,2 cm. Drei Fragmente - zwei davon tongrundig (2,9x2,7 cm bzw. 2,0x2,5 cm), eines mit Glanzton überzogen (2,4x2,8 cm) -, welche nicht an erhaltenen Brüchen anpaßten, werden unter derselben Inv.Nr. in der Arch.Slg. extra verwahrt.
Form: Lekythos des Phanyllis-Typus [3]. Vom gerundeten Rand zieht sich die Mündung echinosförmig in Richtung Hals ein und geht ohne Knick in diesen über. Die Rundung flacht zur Schulter hin ab, deren Kontur deutlich nach unten geneigt ist. Ein klar erkennbarer Knick trennt die Schulter vom Bauch, der nach außen führende Schwung setzt sich noch etwas fort, sodaß der maximale Dm des Gefäßes erst nach etwa einem Viertel des Bauchbereiches erreicht wird. Danach führt die nach außen gewölbte Rundung in Richtung Fuß und geht erst knapp oberhalb desselben in den Gegenschwung über. Innen folgt die Kontur im oberen einsehbaren Teil der der Außenseite (Abb. 1). Der Fuß selbst ist nicht antik und ergänzt, der von außen einsehbare antike runde Boden, an dessen Kante der Ansatz zum Fuß tlw. in Resten erhalten ist, nicht ganz glatt. Der an der Schulter ansetzende Henkel liegt bis zum mittleren Halsbereich am Gefäßkörper an, führt in einer Rundung nach außen, dann leicht eingezogen vertikal zur Schulter hinab, an der er etwas oberhalb des Schulterknickes angebracht ist. Im Schnitt erscheint der Henkel oval, wobei die zum Gefäß zeigende Seite leicht abgeflacht ist. Insgesamt ist das Gefäß nicht symmetrisch aufgebaut, so liegen z.B. Hals mit Mündung bzw. Fußansatz nicht genau auf der Gefäßachse.

Nebendekoration: Die Mündung des Gefäßes (Abb. 2-3) ist mit Glanzton bedeckt, wobei die Unterkanten nicht horizontal sondern nur grob ausgeführt sind, der Rand selbst ist durch rote Farbe betont. Einen weiteren Akzent setzt der am Hals-Schulter-Übergang angebrachte, schräg verlaufende 0,15 cm breite rote Streifen, der auf der Henkelaußenseite endet. Der Schulterfries wird durch diesen Streifen oben und einem knapp oberhalb des Schulterknickes angebrachten roten Glanztonstreifen unten begrenzt. Den Bauchfries rahmen unten zwei horizontale, 0,15 cm breite rote Streifen ein. Der direkt anschließende untere Bauchteil sowie der Übergang zum Fuß sind mit Glanzton bemalt, der Boden ist außen tongrundig belassen. Der Henkel ist außen und an den Seiten mit Glanzton überzogen, dieser reicht tlw. auch an die Innenseite.

Nebendarstellungen: Auf der Schulter befinden sich neben dem Henkel drei weitere Gestaltungselemente (Abb. 2). Zwei in lange Himatia gehüllte Figuren rahmen eine fünfblättrige Mittelpalmette ein. Die vier Teile sind nicht symmetrisch auf dem Schulterbereich untergebracht, weder befinden sich Henkel und Schulterpalmette, noch die beiden Figuren in einer Linie, und nur der Henkel und die linke Schulterfigur sind etwa in einem rechten Winkel zueinander angebracht. Bei der Palmette sind die beiden zwischen dem schwarzen Mittelblatt und den beiden Außenblättern liegenden Blätter in roter Farbe gemalt. Unterhalb der Palmette befinden sich Reste zweier Kreise mit einem Dm von etwa 0,9 cm, die tlw. bis zum Schulterknick und etwas darunter reichen. Bei der nach rechts gewandten linken Figur (erh.H 3,7 cm), deren oberer Kopfteil fehlt, ist das Auge geritzt, wie auch jeweils zwei Striche, die den Mantel gegen den Hals und die Füße abgrenzen. Das Himation umhüllt den gesamten Körper, eine der Schultern samt abgewinkeltem Arm scheint leicht zurückgezogen, der andere Unterarm ist horizontal nach vorne gestreckt, jedoch genauso vom Gewand verhüllt. Der von diesem Arm herabhängende Mantelteil reicht bis in etwa Kniehöhe, ist in roter Farbe angegeben und vom Mantel durch Ritzung getrennt. Die beiden unten aus dem Gewand hervorragenden Füße sind in leichter Schrittstellung angegeben. Bei der rechten, nach links gewandten Schulterfigur (erh.H 3,5 cm), deren Gesamthaltung spiegelbildlich in etwa der der linken Schulterfigur entspricht, fehlt die untere Mantelbegrenzung samt Füßen. Die Bemalung ist analog zur linken Figur aufgetragen, auch sind das Auge, die zwei Linien zwischen Hals und Himation sowie die Abgrenzung zwischen Mantel und vorne herabhängendem Gewandteil geritzt, zusätzlich das Ohr, die Abgrenzung zu Haar oder Kappe, sowie eine leicht schräge Linie im Brustbereich. Hingegen ist die Rückenkontur akzentuierter ausgeführt und der vordere Mantelteil reicht etwas weiter herab. Hinter der rechten Schulterfigur und dem Henkel sind rötliche, unregelmäßige Flecken zu erkennen.

Darstellung: Die Darstellung des Bauchfrieses (Abb. 3) besteht aus fünf Figuren, wobei sich die erste Figur leicht vor der linken Schulterfigur, die Mittelfigur etwas links der durch die Palmette laufenden Achse und die letzte Figur genau unter der rechten Schulterfigur befinden. Betrachtet man das Gefäß von oben, so kommt auch die Mittelfigur nicht auf der durch Henkel und Gefäßmitte gebildeten Achse zu liegen. Die Mittelfigur (Figur 3; erh.H 6,0 cm) ist als nach links gewandter Krieger gestaltet. Von diesem fehlt die Vorderkante des leicht nach vorne gestellten rechten Beines, Teile beider Füße sowie der Lanze und die in doppelter Ritzung ausgeführte Schildbegrenzung oberhalb des rechten Oberschenkels. Die Figur ist mit einem korinthischen Helm mit weit nach vorne gezogenem Wangenschutz ausgestattet, der nur die Nasenspitze und das geritze Auge freiläßt. Während der Helm selbst durch rote Farbe betont wurde, ist der an fast der gesamten Kalotte befestigte Helmbusch, dessen Ende zum Schild herabhängt, als ursprünglich gestreift zu denken. Dies beweisen die stumpfen Striche auf dem glänzenden Glanzton. Der Hals und der Körper samt Armen bis zu den Oberschenkeln sind von einem großen Rundschild bedeckt, dessen Außenkante durch zwei parallele geritzte Kreise (Dm 2,2 bzw. 2,0 cm) angegeben ist, wobei der Mittelpunkt als Einstichstelle klar zu erkennen ist. Das Schildzeichen, welches sich als stumpfe Darstellung vom glänzenden Glanzton abhebt, besteht aus einem auf dem Kopf stehenden gleichschenkeligen Dreieck, an dessen nach unten verlängerten Schrägen an der linken Seite ein vertikaler Strich ansetzt. Ob sich die rechte Seite entsprechend ergänzen läßt, ist ungewiß, da an der entsprechenden Stelle die gesamte Oberfläche matt abgerieben erscheint. Weiters hält der Krieger einen wohl als Lanze zu ergänzenden Stab, der hinter dem Kopf schräg nach vorne führt. Bei den in leichter Schrittstellung gezeichneten Beinen sind die Vorder- und Hinterkante des linken, der Innenmuskel des rechten Oberschenkels, sowie die hintere gerundete Beinschienenbegrenzung durch Ritzung angegeben. Die Beinschienen selbst sind durch das Auftragen roter Farbe farblich hervorgehoben.

Neben diesem in der Mitte nach links stehenden Krieger (Figur 3) sind jeweils zwei ihm zugewandte Personen (Figuren 1 und 2 bzw. 4 und 5; erh.H etwa 5,5 cm) im Himation angegeben. Alle vier Mantelfiguren stehen in leichter Schrittstellung, wobei ihre Körper sowie die Arme samt Händen unter dem Gewand verborgen sind, dessen Begrenzung zum Hals und zu den Füßen durch zwei in etwa horizontale Ritzungen angegeben sind. Geritzt sind weiters Auge, Ohr sowie Haar/Kappenbegrenzung. Wie die Schulterfiguren haben sie eine Schulter samt Oberarm zurückgezogen, während der Unterarm des anderen Armes abgewinkelt nach schräg oben führt. Von diesem Arm hängt ein Teil des Gewandes bis in Unterschenkelhöhe herab, der durch eine Ritzung vom Mantel getrennt und durch Übermalung mit roter Farbe zusätzlich betont ist. Mit der Hand hält jede Mantelfigur eine vor dem Körper senkrecht am Boden aufgestützte Lanze, deren Spitze lanzett- bis blattförmig angegeben ist. Von der ersten Person (Figur 1) links, welche nach rechts gewandt ist, sind der obere Kopfbereich samt Gesicht bis zur Nase, der Körper von der Schulter bis zum Oberschenkelbereich sowie Reste beider Füße und Teile der Lanze erhalten. Zusätzlich zu den schon angegebenen Ritzungen ist eine vom nach vorne gehaltenen Arm in einem Bogen schräg nach hinten unten führende Linie geritzt. Das Haar bzw. die Kappe ist rot übermalt. Die zweite nach rechts gewandte Mantelfigur (Figur 2) ist bis auf die Füße erhalten. Bei ihr sind zwei von vorne nach schräg hinten unten führende Gewandfalten eingeritzt und der dazwischenliegende Teil rot übermalt. Bei der rechts neben dem Krieger nach links gewandten Mantelfigur (Figur 4) fehlt der Brustbereich. Das Gewand ist analog zur Figur 2 gestaltet, im Gesicht sind zusätzlich auch Mund und Augenbraue durch Ritzung angegeben. Von der letzten Mantelfigur (Figur 5) fehlt der obere Kopfteil. Im Gegenteil zu den anderen Mantelpersonen weist ihr Himation keine Innenunterteilung auf, dafür ist wie bei der Figur 1 der Haar/Kappenteil rot übermalt und wie bei der vor ihr stehenden Figur 4 der Mund durch Ritzung definiert.

Ton- und Oberflächengestaltung: Die Figuren sind in sf. Technik ausgeführt, dabei die Ritzungen zur Angabe der Details sehr ungenau gesetzt. Der glänzend schwarze (5 YR N2/) [4] Glanzton geht tlw. in ein Dunkelolivgrün-Schwarz (5 Y 2.5/2) über. Vom gelblich roten Tongrund (5 YR 5/6) setzen sich deutlich der gelblich rote (5 YR 5/8) bis ins Dunkelrot (2.5 YR 3/6) reichende Streifen knapp oberhalb des Schulterknickes, sowie die fleckigen Reste gleichen Aussehens auf der Schulter hinter der rechten Schulterfigur ab. Im Bruch erscheint der Ton rötlich gelb (7.5 YR 6/6).

Aufgesetzte Malerei: Einige Stellen des Gefäßes und der Darstellungen sind durch ein auf den Tongrund oder den Glanzton aufgesetztes dunkles Rot (10 YR 3/4 bis 10 R 3/3) betont. So der Mündungsrand und der am Übergang zwischen Hals und Schulter angebrachte Streifen. Auch die beiden, den Bauchfries unten begrenzenden Streifen sind in roter Farbe angegeben. Neben zwei Blättern der Schulterpalmette sind alle vom Arm herabfallenden vorderen Gewandteile der Mantelfiguren, die Gewandmittelteile der zweiten und vierten, der hintere Kopfteil der ersten und fünften Figur des Bauchfrieses, sowie die Beinschienen und der Helm des Kriegers in Rot ausgeführt. Weiters lassen sich auf dem Glanzton stumpf abhebende Stellen als Bereiche, die ursprünglich in zusätzlich aufgesetzter Farbe bemalt waren, erkennen, so kurze vertikale, 0,1 cm breite Striche auf dem Helmbusch, sowie das Schildzeichen des Kriegers des Bauchfrieses (Figur 3).

Restaurierungsarbeiten: Da drei Scherben nicht anpaßten, wurden sie bei der Rekonstruktion des Gefäßes nicht eingefügt. Sie werden unter derselben Inv.Nr. extra verwahrt. Als nichtantik ist die Gestaltung des Fußes hervorzuheben. Die Fehlstellen sowie die auseinanderliegenden Bruchkanten wurden bei der Restaurierung ergänzt, die Oberfläche tongrundig eingefärbt. Innerhalb der in Glanzton ausgeführten Bereiche wurden Ergänzungen schwarz, die innerhalb roter Bereiche liegenden rot bemalt. Neben den Spalten zwischen aneinanderliegenden Fragmenten sind folgende Bereiche als ergänzt anzuführen: Von den beiden unter der Palmette der Schulterdekoration liegenden Kreisen ist die obere Hälfte des linken, sowie die Verbindungsstücke zwischen den Schulter- und Bauchfragmenten des rechten Ornamentes ergänzt, weiters der oberste Teil des Mittelblattes der Palmette selbst, sowie der hintere untere Gewandteil der Schulterfigur links, beim Bauchfries die obere Kopfkontur der zweiten, die hintere Kopfkontur und der Brustbereich der vierten, sowie der untere hintere Mantelteil der fünften Figur. Weiters wurden die beiden Ritzungen der Rundung des Schildes durchgezogen und die Einstichstelle mit schwarzer Frabe übermalt.

Datierung und Malerzuschreibung: spätes 6., beginnendes 5. Jh.v., Phanyllis-Werkstatt, Gruppe E, Kriegerabschied-Gruppe, "Lekythoi con una palmetta su due cerchi tra due spettatori sulla spalla"

Zum Maler und seinem Umkreis: Zur Phanyllis-Gruppe siehe ABV 463ff. 699; Para. 204ff.; Add.2 116f. Als grundlegende Werke zu dieser Gruppe att.sf. Vasenmaler sind Haspels 1936, 62ff. 199ff. und Giudice 1983 zu nennen, dessen Publikation von Böhr 1985 rezensiert wurde. Giudice gibt a.O. 143ff. die von ihm verwendete ältere Literatur sehr detailliert an. Er behandelt die Kriegerabschied-Gruppe ["Gruppo dell´oplita che si congenda (gruppi D-E)"] ausführlich a.O. 39ff. Die entsprechenden zugeschriebenen Lekythen sind a.O. 88ff. Kat.-Nr. 186ff. katalogisiert und Taf. 34ff. abgebildet. Böhr geht a.O. 493 näher auf diese Gruppe ein. Wegen der Schulterdekoration der zwischen zwei Mantelfiguren angebrachten Palmette ist die Zuschreibung des Wiener Stückes 1243 an Giudices Untergruppe "Lekythoi con una palmetta su due cerchi tra due spettatori sulla spalla" (Giudice a.O. 88ff. Kat.-Nr. 186-402) möglich.
Innerhalb dieser Untergruppe sind zahlreiche Gefäße am Bauchfries mit einem nach links stehenden Krieger mit Helm und Lanze, dessen Körper größtenteils durch einen großen Schild verdeckt ist, zwischen zwei Zuschauerpaaren, von denen jede Figur mit einem Himation bekleidet ist und eine Lanze in der Hand hält, verziert (Giudice 1983, 21f. Anm. 49; 25f. mit Anm. 71; 28f. mit Anm. 102; 30 mit Anm. 124 Kat.-Nr. 186-293). Nach Giudice a.O. 26 Anm. 71 können diese Stücke einer Malerhand zugewiesen werden [5]. Haspels 1936, 68 sieht den Höhepunkt der Lekythen des Phanyllis-Typus um 500 v. und spricht von einem Weiterleben auch noch nach 490 v. Die Datierung der Phanyllis-Werkstatt ins späte 6. bzw. an das beginnende 5. Jh.v. gibt Böhr a.O. 491 an.

Zu Form und Verwendung: Die Lekythos reiht sich auch von der Form und der Größe her in die Kriegerabschied-Gruppe der Phanyllis-Werkstatt ein, in der nach Böhr 1985, 493 alle zugeordneten Lekythen dem Phanyllis-Typus angehören und von denen die meisten unter 20 cm bzw. nach Haspels 1936, 67 um die 18 cm groß sind.

Zu Bildthematik und Darstellung: Eine Szene, bei der ein zwischen anderen Personen stehender vollständig gerüsteter Krieger abgebildet ist, wird allgemein als "Kriegerabschied" interpretiert, wie es sich in der Benennung dieser Gruppe durch J. Beazley ABV 464 mit "the Group of 'Hoplite-leaving-Home'" bzw. in der Bezeichnung Giudices a.O. ausdrückt. Innerhalb der zahlreichen Lekythen der Kriegerabschied-Gruppe, die sich durch eine einheitliche Darstellung auf der Schulter (Palmette zwischen Mantelmännern) und auf dem Bauchfries (Krieger nach links zwischen zwischen zwei Zuschauergruppen) auszeichnen, lassen sich einige Unterschiede in den Ausführungen der Details feststellen. Die Lekythos Wien 1243 zählt zu den Stücken, deren stehende Schulterpalmette aus fünf Blättern besteht, wobei das zweite und vierte Blatt in roter Farbe angegeben sind, und die unten von zwei Kreisen ohne eingefügtem Mittelpunkt eingerahmt ist (vgl. Giudice 1983 Taf. 47-50, dort finden sich Vergleichsbeispiele ähnlichen, aber auch abweichenden Aussehens). Böhr weist a.O. 493 unter Bezug auf Haspels 1936, 67 auf die durch die Zweifarbigkeit der Palmetten gegebene Beziehung zu älteren Lekythen hin. Die Aufteilung der drei Verzierungselemente der Schulter in bezug auf den Henkel ist auch bei den Vergleichsbeispielen nicht immer symmetrisch, das Wiener Stück stellt hier keine Ausnahme dar. Zur Schulterdekoration sei als gutes Vergleichsbeispiel die Lekythos in Florenz (Mus.Naz. 3841. Giudice 1983, 92 Kat.-Nr. 223 Taf. 35,8; 47,8) genannt. Auch die Darstellung des Hauptfrieses samt Auftrag der roten Farbe für bestimmte Teile ist ähnlich, obwohl nicht alle Details miteinander übereinstimmen, wie z.B. die Richtung der Gewandfalten der Mantelmänner oder die Form der Beinschienen des Kriegers. Diese sind beim Wiener Beispiel an der Rückseite in einem runden Bogen ausgeführt. Zusätzlich weicht dieses Gefäß in der Form des Halses und Mündungsbereiches völlig ab (Giudice a.O. Taf. 35,4). Ein durch aufgesetzte weiße Farbstriche gestreift gestalteter dekorierter Helmbusch kommt vereinzelt bei unterschiedlichen Malern der Phanyllis-Werkstatt vor, so z.B. bei der Gruppe B (u.a. Giudice a.O. Taf. 16,6 Kat.-Nr. 65; 18,7 Kat.-Nr. 76), aber auch innerhalb der Gruppe E mit vergleichbarer Bauchfriesgestaltung, z.B. auf der Lekythos in Grosseto (Mus.Civ. Giudice a.O. 89 Kat.-Nr. 196). Grundsätzlich ist festzuhalten, daß allein durch das Vorhandensein des Farbschattens nicht auf das ursprüngliche Aussehen der aufgesetzten Farbe - wie z.B. weiß oder rot - rückgeschlossen werden kann, siehe hierzu Tuna-Nörling 1996, 38 zu Kat.-Nr. 70.
Das als diphros okladias zu interpretierende Schildzeichen steht innerhalb seiner Gruppe nicht alleine da (vgl. z.B. Giudice a.O. 92 Kat.-Nr. 221f.). Einen gestreiften Helmbusch in Kombination mit einem diphros okladias als Schildzeichen findet man beim Krieger, der zwischen zwei Zuschauerpaaren als Mittelfigur des Hauptfrieses auf einer Lekythos vom Ende des 6. Jhs.v. aus dem Athener Kerameikos abgebildet ist (KER 21058f. 21105. 21108; Kunze-Götte-Tancke-Vierneisel 1999, 155 Kat.-Nr. S97 Taf. 98,5f.). Kunze-Götte-Tancke-Vierneisel a.O. führen dazu an: "Der ganz unmilitärische Diphros als Schildzeichen ist ungewöhnlich". Hierzu sei angemerkt, daß dieses leicht transportierbare und in vielen Lebensbereichen gebräuchliche Möbelstück nicht nur innerhalb der Phanyllis-Werkstatt z.B. als Sitzmöbel für Dionysos (z.B. Lekythos des Phanyllis-Malers in Agrigent, Mus.Reg. M/C 864. Giudice a.O. 52 Kat.-Nr. 8 Taf. 1,8) oder für neben Kriegern sitzende Zuschauer (z.B. Lekythos der Gruppe B in Syrakus, Mus.Reg. 7488/T.296. Giudice a.O. 67 Kat.-Nr. 76 Taf. 18,7f.) abgebildet wird. Auch Ares, der Kriegsgott, kann eine solche Sitzgelegenheit benutzen und hebt sich so auf dem Ostfries des Siphnier Schatzhauses klar von den anderen Göttern ab, die wie z.B. Zeus einen thronos oder wie die neben Ares sitzenden Göttinnen einen einfachen diphros benutzen [zum thronos des Zeus und den diphroi der Göttinnen auf dem Fries des Siphnier Schatzhauses siehe G.M.A. Richter, The Furniture of the Greeks, Etruscans and Romans (London 1966) 20. 40 Abb. 66. 213, allgemein zum diphros okladias a.O. 43ff. Abb. 236ff.].

Zur keramischen Form und zum Zustand des Gefäßes: Auffällig ist die Fußform. Das Abweichen von der Echinosform der vergleichbaren Gefäße derselben Gruppe läßt sich dadurch erklären, daß der Fuß des Wiener Stückes 1243 vollständig ergänzt und daher nicht dem antiken Bestand zuzuordnen ist. Die hinter der rechten Schulterfigur befindlichen rötlichen Flecken lassen sich als Reste verdünnten Glanztons interpretieren, wie er für den Streifen knapp oberhalb des Schulterknickes verwendet wurde. Zum fragmentierten Zustand der Gefäße aus der Slg. G. Tschmelitsch merkt Brein 1999, S. XIII an, daß diese "1945 von alliierten Bomben fragmentiert wurden". Darauf, daß das Gefäß schon vorher über eine längere Zeit in zerstörtem Zustand gelagert war, weisen die abgerundeten Bruchkanten hin, die im Rahmen der Restaurierung die Wiederherstellungsarbeiten erschwerten.

Die verwendeten Abkürzungen und Zitierweisen richten sich nach den Vorgaben der Abkürzungsverzeichnisse und Richtlinien für die Publikationen des Deutschen Archäologischen Institutes, AA 1997, 611ff. Die antiken Autoren und ihre Werktitel werden nach H. Cancik - H. Schneider (Hrsg.), Der neue Pauly I (Stuttgart - Weimar 1996) S. XXXIXff. angegeben. Weiters werden folgende Begriffe und Titel wie folgt abgekürzt:
Inv. (Inventar), max. (maximal), min. (minimal), St (Stärke), W (Wand).
Add.2: T.H. Carpenter - T. Mannack - M. Mendonça, Beazley Addenda2 (1989).
Böhr 1985: E. Böhr, Rez.: F. Giudice, I Pittori della classe di Phanyllis I, Studi e materiali di archeologia greca I.1 (Catania 1983), Gnomon 57, 1985, 490-493.
Brein 1999: F. Brein (Hrsg.), Bronzezeitliche und geometrische Keramik. Archaische Lokalstile, Kataloge der Archäologischen Sammlung der Universität Wien II (1999).
Giudice 1983: F. Giudice, I Pittori della classe di Phanyllis I, Studi e materiali di archeologia greca I.1 (1983).
Haspels 1936: C.H.E. Haspels, Attic Black-Figured Lekythoi (1936).
Kunze-Götte-Tancke-Vierneisel 1999: E. Kunze-Götte - K. Tancke - K. Vierneisel, Die Nekropole von der Mitte des 6. bis zum Ende des 5. Jahrhunderts. Die Beigaben, Kerameikos 7.2 (1999).
Tuna-Nörling 1996: Y. Tuna-Nörling, Attische Keramik aus Klazomenai (1996).

Die im Text verwendeten Abbildungen beruhen auf Aufnahmen der Autorin, die 2001 während und direkt im Anschluß an die Restaurierungsarbeiten angefertigt wurden.

[1] An dieser Stelle sei J. Borchhardt als Vorstand des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien sowie P. Dintsis, der für die Archäologische Sammlung des Institutes zuständig ist, herzlich für die Erlaubnis der Publikation der bisher unveröffentlichen Vasen und ihre bereitwillige Unterstützung sowie K. Herold dafür gedankt, daß ich die Exemplare während der Restaurierung begutachten und photographieren konnte. Anzuführen sind weiters L. Dollhofer und K. Schaller, denen die gesamten organisatorischen Arbeiten zufielen, sowie E. Trinkl, der ich die Möglichkeit, diese Stücke bearbeiten zu können, verdanke. Die genauen Zitate der im Text verwendeten Abkürzungen und Hinweise zu den Abbildungen befinden sich im Anschluß an den Haupttext.
[2] Zur Sammlung G. Tschmelitsch siehe Brein 1999, S. XIII. Die Eintragungen im Inventarbuch wurden von F. Brein durchgeführt.
[3] Zu dieser Lekythosform siehe Giudice 1983, 162 Index s.v. Phanyllis-shape bzw. Böhr 1985, 491. 493.
[4] Die Beschreibungen in den Klammern beziehen sich auf die Farbangaben in den Munsell Soil Color Charts (Baltimore 1990).
[5] Böhr a.O. 493 merkt hingegen an, daß aus den Ausführungen Giudices weder ablesbar ist, ob alle diese Lekythen einem Maler zuzuschreiben sind, noch, ob spezielle Ornamentmaler anzunehmen sind. Giudice schreibt aber an der im Haupttext genannten Stelle, daß das einheitliche Bemalungsschema "eliminando ogni dubbio sull´attribuzione alla stessa mano", eine Benennung des Malers nimmt er jedoch nicht vor.

© Bettina Kratzmüller
e-mail:
b.kratzmueller@gmx.at

This article will be quoted by B. Kratzmüller, Eine attisch schwarzfigurige Lekythos aus dem früheren Besitz von G. Tschmelitsch, Forum Archaeologiae 20/IX/2001 (http://farch.net).



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