Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 11 / VI / 1999

ZEUS IN DER STADT DER ARTEMIS

Ephesos und die Forschung in der metropolis Asiae stehen nicht nur auf Grund des Weltwundertempels im Zeichen der Artemis. Die mit religiösen Belangen zu verbindenden Quellen sind häufig Weihungen zu Ehren der Artemis oder nennen Vorschriften oder Personal in deren Kult. Bezüglich der Kulte "anderer Götter" - wie sie Dieter Knibbe nennt [1] - ist das Wissen bisher aber noch relativ gering. Aus literarischen und epigraphischen Überlieferungen kennen wir zwar unter anderem Kulte für Demeter, Athena, Aphrodite, Apollon und schließlich auch für den Göttervater Zeus, doch nur in seltenen Fällen wie dem Meterheiligtum am Panayir dag können die Kultstätten genau lokalisiert werden. Knibbe schätzt die Stellung der "anderen Götter" folgendermaßen ein: "Allen gemeinsam ist die zumindest im offiziellen Bereich subalterne Stellung gegenüber Artemis, die ebenso eifersüchtig wie erfolgreich ihren Primat verteidigt hat. [2]"

Abb. 4: Zeus keraunios
(Selçuk, Museum Inv.Nr. 45;
Photo: M. Büyükkolanci)

Hier stellt auch der Göttervater selbst keine Ausnahme dar. Allerdings sind für Zeus zumindest eine größere Anzahl an Epitheta überliefert, von denen als einziges hier keraunios herausgegriffen werden soll, da es für dieses Epitheton sowohl bildliche als auch epigraphische Überlieferung gibt [3].
Keraunios, der blitzschleudernde Zeus, hat starke Anklänge an den alten Wettergott: Sein Blitz zeichnet aus, wirkt aber auch tödlich [4]. Darstellungen in Nachfolge der Zeusstatuen des Hageladas von Argos, die ihrerseits an ältere Schöpfungen anküpfen, sind der häufigste Typus des blitzschleudernden Zeus [5]. In dieser Tradition steht auch ein kaiserzeitliches Relief, das mit der Fundortangabe "aus Ephesos" in das Museum in Selçuk kam (Abb. 4) [6]. Ein weiteres Relief des Zeus keraunios befand sich im Osttor der Arkadiane [7].
Neben diese ikonographischen Überlieferungen ist die epigraphische Überlieferung zu stellen. Eine Inschrift, die im Schutt des Nordtores der Tetragonos Agora gefunden wurde, belegt die Weihe des Priesters Demetrios, Sohn der Myndios und Enkel des Nestor, an Zeus keraunios am Beginn des 1. Jhs. n.Chr [8]. Derselbe Name taucht auf einem stark zerstörten Stein, der sekundär verbaut auf dem Ayasoluk gefunden wurde, wieder auf [9]. Könnte sich das Heiligtum, in dem Demetrios seinen Dienst versah, im Einzugsgebiet des Reliefs an der Arkadiane und der Inschrift von der Agora befunden haben? Das wäre etwa die Gegend der sog. Theatergasse bzw. des Theaterplatzes.

[1] D. Knibbe, Ephesos - nicht nur die Stadt der Artemis, EPRO 66, 2 (1978) 489-503.
[2] Ebenda 503.
[3] Überblick zum Zeuskult in Ephesos bei R.E. Oster, ANRW II 18, 3 (1990) 1691-1695.
[4] RE Suppl. XV (1978) 322f. (H. Schwabl).
[5] LIMC VIII 1 (1997) bes. 324 Nr. 64 s.v. Zeus (M. Tiverios).
[6] A. Bammer - R. Fleischer - D. Knibbe, Führer durch das Archäologische Museum in Selçuk-Ephesos (1974) 156, ohne Abbildung.
[7] E. Trinkl, Ein Zeusrelief aus Ephesos. Unterbindung großstädtischer Unsitten (in Druck).
[8] IvE IV 1239.
[9] M. Büyükkolanci - H. Engelmann, ZPE 120, 1998, 74f. Nr. 13.

© Elisabeth Trinkl
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