Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 7 / VI / 1998 |
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Vor 10 Jahren wurde im Zentrum von Ephesos das Marmorporträt eines etwa 60-jährigen Mannes gefunden, der aufgrund seines Kopfschmuckes, eines Büstendiadems, als Priester des Kaiserkultes ausgewiesen ist (Abb. 1). Ungewöhnliche Fundumstände - das Marmorporträt war in einem vergrabenen Sarkophag innerhalb der Stadt deponiert - sprechen dafür, das Bildnis mit einer außergewöhnlichen antiken Persönlichkeit zu identifizieren, der das Vorrecht eines Ehrenbegräbnisses innerhalb der Stadtmauern aufgrund besonderer Verdienste für das Gemeinwohl zugebilligt worden war. Da das sorgfältig gearbeitete Porträt eine chronologische Bestimmung erlaubt, lassen sich auch die Lebensdaten der bestatteten Person eingrenzen. Damit rückte eine Suche nach einer historischen Person in den Bereich der Möglichkeiten. |
Abb. 2: Sarkophag in Fundlage
Abb. 3: Sarkophag mit Deckel, Süd- und Ostseite
Der aufgrund der unvollständigen Quellenlage noch immer nicht befriedigend erhellten Problematik des städtischen und provinzialen Kaiserkultes und ihrer Priester, deren Insignie eine Büstenkrone ist, hat sich PETER SCHERRER ausführlich angenommen[4]. Das überraschende Ergebnis EGON REUER’s aus der anthropologischen Untersuchung[5] warf in erster Linie die Frage nach einer historischen Persönlichkeit, darüber hinaus aber auch die Frage nach der Lokalisierung des originalen Aufstellungsortes von Sarkophag und Statue auf. Die Bestimmung und zeitliche Einordnung der Keramik durch ULRIKE OUTSCHAR[6] trug den aussagekräftigen zeitlichen Rahmen für das Vergraben des Sarkophags an dieser Stelle und die Deponierung der Skulpturenteile bei. STEFAN KARWIESE stellte einen Beitrag über einen neuen Münzfund aus dem Stadion und dessen möglichen Kontext mit der gesuchten historischen Person zur Verfügung[7]. Der Verfasserin oblag es, die Grabungsdokumentation und das Halbfertigfabrikat des Girlandensarkophages vorzulegen, die ungewöhnliche Fundsituation darzulegen, sowie einen Standort für das Ehrengrab zu beleuchten[8]. Die konkrete Personensuche führte PETER SCHERRER durch[9], sie focusiert auf Ti. Claudius Aristion, einen aus zahlreichen Quellen bekannten Ephesier, der nach Meinung des Autorenteams[10] die Voraussetzungen für die gesuchte historische Persönlichkeit am besten erfüllt.
Das Porträt und der Girlandensarkophag, wurden - wie der Grabungsbefund eindeutig ergeben hat - an der Fundstelle westlich des Heroons deponiert und verborgen, auf keinen Fall jedoch für eine spätantike Bestattung wiederverwendet. Die anthropologische Analyse des Porträts und der menschlichen Skelettreste durch Egon Reuer ergab, daß der Porträtkopf die maß- und detailgetreue Nachbildung des Kopfes einer historischen Person ist. Darüber hinaus weist der Porträtkopf die folgenden auffallenden Gemeinsamkeiten mit dem Skelett des Individuums I auf:
Für die Frage nach dem Standort seines Ehrengrabes ist zu berücksichtigen, daß in der Antike häufig ein räumlicher Kontext zwischen Stiftung und Ehrung gesucht wurde und auch bestand, als ephesische Beispiele sei nur auf den Polliobau und die Celsusbibliothek verwiesen. Der Polliobau wurde als Ehren- und wahrscheinlich auch Grabbau auf einem von der Stadt gegebenen Grundstück in unmittelbarer Nähe der von C. Sextilius Pollio gestifteten basilike stoa errichtet. Der Bau war gleichzeitig der innerstädtische Endpunkt der von Pollio finanzierten Fernwasserleitung, der aqua Throessitica, mit ihrem noch heute aufrecht stehenden Aquädukt im Derwend Dere. Ti. Cl. Polemaeanus Celsus fand sein Ehrengrab direkt in seiner Stiftung, der Bibliothek.
Abb. 4: Giebel an der Südostseite des Embolos
Ein Ehrengrab des Ti. Claudius Aristion ist deshalb ebenfalls in der Nähe einer seiner großen Stiftungen zu suchen. Die für das Wohl der Stadt bedeutendste Leistung des Aristion ist wohl die 40km lange Fernwasserleitung, auf die innerhalb der Stadt mit zwei aufwendigen Nymphaeen, dem sog. Straßenbrunnen und dem Nymphaeum Traiani hingewiesen wurde. Ein Ehrengrab des Aristion würde am besten in den Kontext des Nymphaeums Traiani passen. An dessen Ostseite liegt ein 8,40m langer freier Bereich, der durch seine Tiefe von 6m auf einen besonderen Bau schließen läßt - die Straßenhallen sind jeweils nur 3 - 3,5m tief. Zu einem an diesem Platz errichteten Grabbau würde ein Giebel von ca. 8,0m Länge passen (Abb. 4), der in Dimension und Dekoration mit dem Obergeschoßgebälk des Nymphaeums Traiani identisch ist, mit dessen Säulenabständen aber nicht in Einklang zu bringen ist. Er wurde deshalb auch weder in der zeichnerischen Rekonstruktion noch bei den Wiederaufbauarbeiten berücksichtigt. Der im Tympanon angebrachte Rundschild würde gut in die Ikonographie eines Grabbaues passen. Aus dem Giebel ist auf einen tempelartigen Grabbau zu schließen, der aus einer Vorhalle mit vier Stützen, vielleicht wie beim Hadrianstempel außen Pfeiler, innen Säulen, und einer mit einer Tür verschlossenen Cella in der Funktion der Grabkammer bestand. Die Ehrenstatue des Aristion könnte gemeinsam mit Statuen seiner Familie in der Vorhalle oder aber in Fortsetzung der Ehrenstatuen des oberen Embolos vor den Pfeilern und Säulen aufgestellt gewesen sein.
[1] Das Halbfertigfabrikat eines Girlandensarkophages ist seitdem an der Nordseite der „Kuretenstraße" im Bereich der sog. Kuretenhalle aufgestellt.
[2] H. Thür (Hrsg.), „...und verschönerte die Stadt..." Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld (1997); zu beziehen bei phoibos@ping.at.
[3] M. Aurenhammer, Das Porträt eines Kaiserpriesters, in: Thür a.O. 41-53.
[4] P. Scherrer, Anmerkungen zum städtischen und provinzialen Kaiserkult: Paradigma Ephesos - Entwicklungslinien von Augustus bis Hadrian, in: Thür a.O. 93-112.
[5] E. Reuer, Anthropologische Untersuchung der Marmorbüste und der menschlichen Skelettreste aus dem Sarkophag westlich des „Androklos-Heroons", in: Thür a.O. 77-92.
[6] U. Outschar, Die keramischen Funde aus dem und neben dem Sarkophag westlich des „Androklos-Heroons", in: Thür a.O. 27-40.
[7] St. Karwiese, Die Hafenthermen von Ephesos: Ihr ursprünglicher Name und ihr erster (?) Gymnasiarch, in: Thür a.O. 141-146.
[8] H. Thür, Grabungsbericht der Sondage an der Westseite des „Androklos-Heroons", in: Thür a.O.17-26; dies., Der Girlandensarkophag aus der Sondage westlich des „Androklos-Heroons", in: Thür a.O. 55-63; dies., Girlandensarkophag und Porträt eines Kaiserpriesters im Fund- und Primärkontext - Bestandteile eines Ehrengrabes am Embolos?, in: Thür a.O. 65-75; dies., Anhang. Zum Standort eines Ehrengrabes des Aristion am Embolos, in: Thür a.O. 151-156.
[9] P. Scherrer, Das Ehrengrab des Kaiserpriesters am Embolos - Eine Personensuche, in: Thür a.O. 113-139.
[10] Die Autoren, Zusammenfassung und Schlußbemerkungen, in: Thür a.O. 147-150.