Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 58 / III / 2011

„GÖTTERBILDER - MENSCHENBILDER“
Die Niederösterreichische Landesausstellung 2011 am Standort Archäologisches Museum Carnuntinum

Im Jahr 2011 wird die niederösterreichische Landesausstellung in der Region „Römerland Carnuntum“ nur knapp 40 km östlich von Wien stattfinden. Die Gemeinden der Region „Römerland Carnuntum“ in den Bezirken Bruck an der Leitha und Wien-Umgebung haben sich gemeinsam beworben und den Zuschlag für diese Großveranstaltung im Zeitraum vom 16. April bis 15. November 2011 erhalten.
Auf halbem Weg zwischen den beiden nächstgelegenen Hauptstädten Europas (Bratislava und Wien) treffen Kultur, Geschichte und Natur in unvergleichlicher Weise aufeinander. Nirgendwo sonst sind die Lebensweise und Architektur der Antike so lebendig, kaum anderswo sonst gelingt die Symbiose aus ruhmreicher Vergangenheit und genussvoller Gegenwart so vollendet wie hier. Eingebettet in die naturbelassene Landschaft des Nationalparks Donau-Auen zeugen majestätische Burgen und Schlösser (z.B. Petronell, Rohrau, Margarethen/Moos), romanische Kirchen und Karner (z.B. Wildungsmauer, Petronell, Bad Deutsch-Altenburg, Hainburg) und mittelalterliche Städte (z.B. Hainburg, Bruck a.d.Leitha) von der abwechslungsreichen Vergangenheit Mitteleuropas.

Der Titel der Ausstellung lautet „Erobern - Entdecken – Erleben“. Passend zu den besonderen Charakteristika der Region behandelt die Ausstellung deren Veränderung über Jahrtausende: Römisches Leben und antike Kultur, glorreiche Eroberer und Entdecker sowie malerische Landschaften. Neben Natur-, Kultur-, Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte werden auch die technischen Entwicklungen von den Römern bis ins Heute beleuchtet.
Die Landesausstellung findet an drei Hauptstandorten statt: Hainburg, Bad Deutsch-Altenburg und Petronell-Carnuntum. Der Archäologische Park Carnuntum mit dem Freilichtmuseum Petronell und dem Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg sowie die Kulturfabrik Hainburg stehen dabei für Ausstellungen zur Verfügung.

Das neue Besucherzentrum des Freilichtmuseums in Petronell-Carnuntum geleitet auf einer „Gräberstraße“ die Besucher nach Carnuntum. Man begleitet dann die Legionäre filmisch bei ihrer Ankunft in Carnuntum und erlebt virtuell und filmisch die Entstehung des Legionslagers und der Donaumetropole. Die auf Basis der wissenschaftlichen Ergebnisse der in den letzten Jahren durchgeführten archäologischen Untersuchungen rekonstruierten Gebäude eines römischen Wohnstadtviertels aus der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts n.Chr. sind in ihrer Komplexität europaweit einzigartig, da es sich nicht nur um Einzelobjekte handelt, sondern die dort gebauten Kubaturen die Dichte einer antiken innerstädtischen Verbauung widerspiegeln. Alle Gebäude (Haus des Lucius, villa urbana, Therme etc.) sind in antiker Handwerkstechnik mit originalen oder experimentalarchäologisch wiederhergestellten Materialien errichtet und voll funktionstüchtig. Marmor, Stuck und rekonstruierte Malereien sowie die ausgefeilte Heiz- und Wasserversorgungstechnik zeigen das zivilisatorische Niveau in Carnuntum vor rund 1700 Jahren.
Die enorme Ausdehnung der Provinzhauptstadt Carnuntum demonstriert das größte 3D-Modell Europas, im Maßstab M 1:300 ist die antike Metropole der severischen Zeit auf ca. 350 m² äußerst detailgetreu dargestellt. Dem Modellbau ging ein langjähriges Forschungsprojekt zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaft – Institut für Kulturgeschichte der Antike, der Universität Wien - Institut für Ur und Frühgeschichte/Luftbildarchäologie, den Abteilungen Hydrologie und Geoinformation bzw. Kultur und Wissenschaft des Landes Niederösterreich sowie des Archäologischen Parks Carnuntum voraus, wodurch der Letztstand der Forschung in diesen Modellbau einfließen konnte.


Im Gegensatz zum „Erleben“ der römischen Antike in Petronell-Carnuntum, wo die gebaute Architektur im Vordergrund steht, werden im größten Römermuseum Österreichs, dem Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg, vorwiegend Originalobjekte gezeigt (Abb. 1-2). Dieses „Schatzhaus“ des Archäologischen Parks Carnuntum wurde vom bekannten Architekten Friedrich Ohmann (z.B. auch Palmenhaus im Burggarten Wien, Wienfluss-Überbauung; Museen in Magdeburg, Reichenberg, Aquileia und Split) im Auftrag des „Vereins Carnuntum“ im Stil einer römischen Landvilla erbaut und am 27. Mai 1904 von Kaiser Franz Joseph eröffnet.
Nach den inhaltlich klar strukturierten Ausstellungen der letzten sechs Jahre (2004: „Marc Aurel und Carnuntum“ aus Anlass des Jubiläums „100 Jahre Museum Carnuntinum“ ; 2006: „Legionsadler und Druidenstab“ aus Anlass des Jubiläums „2000 Jahre Carnuntum“; 2008: „Von Kaisern und Bü"gern“ aus Anlass des Jubiläums „1700 Jahre Kaiserkonferenz in Carnuntum“) sollte nunmehr das Generalthema der antiken Religiosität im Mittelpunkt der neuen Ausstellung „Götterbilder - Menschenbilder“ stehen.
Die Gründe dafür waren, dass die sakralen Denkmäler den Hauptanteil des Museumsbestandes ausmachen, dazu gerade auf diesem Gebiet neue Forschungsergebnisse und eine solide wissenschaftliche Grundlage vorliegen, weiters diese Denkmäler das antike Leben in Carnuntum grundlegend bestimmten und daher eine Vielzahl von alle Lebensbereiche umfassenden Aspekten beinhalteteten und nicht zuletzt diese Denkmäler in einen Bereich der Antike einführen, der für einen Großteil des Publikums über weite Strecken unbekannt sein dürfte und wo es Bezüge zu existentiellen Fragen der Gegenwart ermöglicht werden.
Oder, wie es die Ausstellungskuratorin Gabrielle Kremer formuliert: „Wenige Aspekte der römischen Antike ermöglichen einen Einblick in derart vielfältige und unterschiedliche Bereiche der damaligen Gesellschaft wie das Thema Religion. In weitaus stärkerem Ausmaß als heute durchdrangen einander die Welt der Götter und die Welt der Menschen, so dass kaum ein Lebensbereich unberührt blieb von religiösen Handlungen. Diese Handlungen, oder vielmehr die Spuren, die sie hinterlassen haben, können Auskunft geben über Organisationsformen, Denkmuster und Befindlichkeiten einer Gesellschaft, für die es unsere Gegenden betreffend kaum literarische Quellen gibt. Will man einen Eindruck von den Menschen in der römischen Provinz Pannonien gewinnen, so kommt man an den Zeugnissen ihrer Kulte nicht vorbei. Das Thema Religion eignet sich daher in idealer Weise als übergeordnetes Thema für eine Ausstellung, die einen möglichst breit gefächerten Eindruck der römischen Gesellschaft an einem bestimmten Ort und während einer bestimmten Zeitspanne vermitteln will. Die Bezüge zur heutigen Welt sind dabei mannigfaltig und unübersehbar. Damals wie heute wurden Antworten auf die existenziellen Fragen der Menschheit gesucht. Damals wie heute boten sich den Menschen die unterschiedlichsten Lösungsstrategien auf offizieller wie auf privater Ebene an. Auch für den heutigen Menschen kann deren zeitlich distanzierte Betrachtung zu gewinnbringenden Erkenntnissen führen.
Das Museum besitzt heute eine reichhaltige Sammlung an Objekten, die mit der Ausübung von Kulten in Zusammenhang stehen. Allein von den fast 2.000 Steindenkmälern der Sammlung ist mehr als ein Viertel dem sakralen Bereich zuzuweisen. So kann mit dieser Ausstellung zumindest ein kleiner Teil der noch nicht wissenschaftlich aufgearbeiteten Sammlung an Kleinfunden des Museums bearbeitet und gezeigt werden. Und auch viele bislang noch „verborgene“ Schätze in- und ausländischer Museen können hier nun erstmals in thematischem Zusammenhang gezeigt werden und in einzelnen Punkten entscheidende Ergänzungen zu dem in Carnuntum vorhandenen Material bringen: so die Präsentation von jahrzehntelang nicht gezeigten und im Depot des Kunsthistorischen Museums gelagerten Steinobjekten des Mithräums I aus Carnuntum; die aus Carnuntum stammenden Fluchtäfelchen im Burgenländischen Landesmuseum Eisenstadt im Vergleich mit ähnlichen Stücken aus Mautern oder eine Kopie des großen Mithraskraters aus Mainz, der neue Aspekte zum Thema Ritus und Mysterienkulte beibringt. Eine aus Carnuntum stammende ehemalige Privatsammlung von Bleivotiven im Besitz der Archäologischen Staatssammlung München wurde eigens für diese Ausstellung restauriert und wissenschaftlich ausgewertet und kann nun erstmals nach 30 Jahren der Öffentlichkeit präsentiert werden.


Folgende Themen erwarten die Besucher in der Ausstellung 2011:
- Im Eingangsbereich wird im Atrium eine kuppelförmige Projektionsfläche abgehängt, welche mit mehreren Projektoren von unten bespielt wird. Zur Darstellung kommen verschiedene Götterbilder, welche im Rahmen der Carnuntum Datenbank Digitalisierung durch die Abteilung Hydrologie und Geoinformation gescannt wurden. Die Götterbilder drehen sich um die eigene Achse und kreisen auf der Projektionsfläche sowie treten abwechselnd in den Vorder- und in den Hintergrund (Abb. 3). An der Oberfläche der Kuppel wird ein Orthobild des Pfaffenbergs als Standort des zerstörten antiken Tempelbezirkes im Zustand des Jahres 2010 gezeigt.
- In einer Spezialvitrine werden die einzelnen Götter und Göttinnen des römischen Pantheons sowie ihre jeweiligen Zuständigkeitsbereiche anhand von Bronzestatuetten vorgestellt.
- An der Wand sind die wichtigsten Steindenkmäler des Jupiter Dolichenus-Kultes zu sehen, die zu den Prunkstücken des Museum Carnuntinum gehören.
- Erstmals werden die Denkmäler des Mithraskultes aus dem ersten Carnuntiner Mithräum nach über 150 Jahren wieder am Originalstandort versammelt. Eine interaktive Station erläutert Symbolik und Interpretation des komplexen und vielschichtigen Mithraskultes. In der so genannten „Mithrasgrotte“, einem wichtigen Bestandteil des ursprünglichen Museumskonzeptes aus der Jahrhundertwende, werden die prominenten Monumente des dritten Mithräums versammelt. So wie die Mithräen der Antike die Anhänger des Mysterienkultes durch Lichtinszenierungen zu beeindrucken versuchten, so soll auch dem Besucher durch vorsichtige und effektvolle gestalterische Maßnahmen der Eindruck einer Kulthöhle vermittelt werden. Daher wird eine farbliche Rekonstruktion des Mithrasreliefs durchgeführt. Da aus konservatorischen Gründen eine direkte Anbringung der Farbinformationen am Objekt nicht möglich ist, wird mit Projektionstechnik und Effektstrahlern gearbeitet (Abb. 4). Für die Erstellung der Projektionsvorlage waren mehrere Arbeitsschritte über 0,1 mm - Laserscan, 3D-Modell, Animationsprogramm und Lichtberechnung notwendig.
- Der Aufgang in das Obergeschoss führt den Besucher – wie auf einem vorgezeichneten Prozessionsweg – zum Heiligtum für Jupiter und den Kaiserkult auf dem Pfaffenberg. Eine virtuelle Rekonstruktion des Heiligtums vermittelt eine Vorstellung des Tempelbezirks zur Römerzeit. Im oberen Umgang sind zahlreiche Exponate vom Tempelbezirk des Stadtberges von Carnuntum ausgestellt.
- In der Halle des Nordflügels werden die Themenbereiche „Römische Götter aus aller Welt“; „Heliopolis – Syrien in Carnuntum“; „Sarapis und Isis – Ägypten in Carnuntum“; „Opfer – wie kommuniziert man mit den Göttern?“; „Im Zentrum der Macht – Loyalität und Pflicht“; „Legionäre – Gruppenzwang und persönlicher Glaube“ gezeigt. Im letzten Raum des Nordflügels wird das Denkmälerensemble des Carnuntiner Nemesisheiligtums aufgestellt und eine virtuelle Rekonstruktion dieses neu untersuchten Fundortes vorgestellt (Thema “Diana Nemesis – Kult in der Arena“).
- Die Halle des Südflügels enthält folgende Themenbereiche: „Carnuntiner Bürger stellen sich vor“; „Stadt und Gemeinschaft – Götter stiften Identität“; „Schutz und Hilfe – private Religiosität“; „do ut des – ich gebe, damit du gibst“; „Weißer Marmor – wo kamen die Götterbilder her?“; „Lebensfreude – Dionysos und seine Welt“; „dis manibus – den Totengöttern“. Im letzten Raum des Südflügels endet der Rundgang mit den Themen „Ausgedient – das Ende der heidnischen Kulte“ und „Ein neuer Glaube – frühes Christentum in Carnuntum“.


Um den Ausstellungsinhalt möglichst gut vermitteln zu können, soll mit Hilfe virtueller und realer Rekonstruktionen, Touchscreens, sowie abrufbaren Hör- und Geruchserlebnissen der Besucher zur Auseinandersetzung mit den gezeigten Objekten angeregt werden. Eine eigene Kinderschiene möchte das Interesse bei den jungen Besuchern wecken.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher wissenschaftlicher Katalog.

© Franz Humer
e-mail: franz.humer@noel.gv.at


This article should be cited like this: F. Humer, „Götterbilder – Menschenbilder“. Die Niederösterreichische Landesausstellung 2011 am Standort Archäologisches Museum Carnuntinum, Forum Archaeologiae 58/III/2011 (http://farch.net).



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