Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 14 / III / 2000

"JA, NICHT STUMM IST DAS BILD -

es spricht der leuchtende Marmor." [1] Glänzend polierte und in vielen Farben leuchtende Dekorgesteine unterschiedlicher Provenienz erfreuten sich im dekorativen Einsatz von Marmor [2] für die Ausstattung von Wänden und Böden römerzeitlicher Bauten im öffentlichen wie im privaten Bereich großer Beliebtheit. Im Folgenden möchte ich das farbenprächtige Spektrum jener antiken Dekorgesteine, die in der Marmorwandausstattung des sog. Marmorsaales im Hanghaus 2 in Ephesos [3] Verwendung fanden, vorstellen und mit dieser Zusammenstellung dem Jubliar, der meinen Weg zur Erlangung akademischer Würden vom einführenden Proseminar bis zum abschließenden Rigorosum begleitete, meinen aufrichtigen Dank für gezielte Anregungen und stete Anteilnahme aussprechen.

In Ephesos, der metropolis Asiae der römischen Kaiserzeit, wurden in den vergangenen Jahrzehnten zwei, am Nordabhang des Bülbüldagi und innerhalb der römischen Stadt zentral gelegene, insulae mit auf mehreren Terrassen situierter, geschlossener Wohnbebauung freigelegt [4]. Das Hanghaus 2 (Abb. 1), das westliche und besser erhaltene der beiden Hanghäuser [5], erstreckt sich über drei, in der ersten Anlage gleich dimensionierten, Bauterrassen und etwa 4000 m2 Gesamtfläche [6]. Auf jeder der Bauterrassen waren ursprünglich jeweils zwei in sich abgeschlossene Wohneinheiten in der Form von Peristylhäusern angelegt [7]. In der östlichen Hälfte der untersten Bauterrasse befindet sich die Wohneinheit 6, deren beträchtliche Vergrößerung für die Errichtung der beiden großen Repräsentationsräume basilica privata (Raum 8) und sog. Marmorsaal (Raum 31) in einer zweiten Bauperiode [8] die Erweiterung der Terrasse nach Süden um fast 15 m im Bereich der basilica privata bzw. 7,5 m im Bereich des sog. Marmorsaales erforderte.

Abb. 1: Hanghaus 2 (nach P. Scherrer [Hrsg.], Ephesos. Der neue Führer [1995] 107). Die einzelnen Wohneinheiten sind farblich voneinander unterschieden.

Abb. 2: Wohneinheit 6, sog. Marmorsaal (Raum 31). Auf dem Boden, mit einem Belag aus Marmorplatten und einem im rückwärtigen Teil des Raumes U-förmig die Wände entlang verlaufenden Mosaikstreifen, wurden ganze Felder der Marmorwandausstattung, vorbereitet zur Anbringung im Zuge von Restaurierungsarbeiten, angetroffen (Plan Verf.)

Der sog. Marmorsaal [9], der diese Bezeichnung vom Ausgräber Hermann Vetters aufgrund seiner prächtigen Ausstattung mit Marmor an Wänden und Boden erhielt, befindet sich in der Süd?Ost-Ecke der Wohneinheit 6 und beansprucht mit einer Grundfläche von 183,6 m2 mehr als ein Fünftel der etwa 950 m2 Gesamtfläche dieser Wohneinheit (Abb. 2. 3). Aus der Ausdehnung des Raumes mit etwa 11,85 m in der Breite und etwa 15,10 m in der Länge, etwa 40 auf 51 Fuß zurückgeführt auf den pes Romanus zu 0,2962 m, lässt sich ein Maßverhältnis von annähernd 4:5 für die Raumbreite zur Raumlänge erschließen.

Abb. 3: Blick in nördliche Richtung in den sog. Marmorsaal von der nach Süden versetzten Terrassenmauer. Der Höhenunterschied in den Fußbodenniveaus zwischen dem sog. Sokrateszimmer (Raum 7) der Wohneinheit 4 und dem sog. Marmorsaal beträgt etwa 7 m (Photo Verf.)

Die Wände des Raumes sind unterschiedlich hoch, bis zu einer maximalen Höhe von 8,70 m an der Westwand, erhalten. An allen Wänden des Raumes haben sich Reste der Mörtelhinterfüllung der architektonisch gegliederten Marmorwandausstattung mit den für die Rekonstruktion der einstigen Gestaltung aussagekräftigen Abdrücken von Platten, Profilleisten und Pilastern erhalten, in einigen Bereichen befinden sich Teile der Sockel- und Pilasterzone der Marmorwandausstattung noch in situ (Abb. 4).

Abb. 4: Sockelzone der Marmorwandausstattung in der SW-Ecke des Raumes mit in situ erhaltenen, axialsymmetrisch versetzten Orthostatenplatten aus Cipollino verde (Photo A. Schiffleitner)

Die Marmorwandausstattung des sog. Marmorsaales [10] ist in drei horizontale, unterschiedlich dimensionierte Zonen mit einer Gesamthöhe von fast 7 m oder 23 ½ Fuß gegliedert, wobei sich die Sockel-, die Pilaster- und die abschließende emblemata-Zone in ihren Höhen ungefähr wie 3:5:3 verhalten. Sowohl die Pilaster- als auch die emblemata-Zone weisen vertikale Gliederungen auf; die Pilaster und Platten, bzw. Platten und opus sectile-Schmuckfelder, aus deren rhytmischer Abfolge sich ebenfalls die dem gestalterischen Konzept zugrunde liegenden Maßverhältnisse erschließen lassen, sind unterschiedlicher Dimension und durch die Wahl verschiedener Dekorgesteine farblich voneinander abgesetzt. Herausragende Elemente der Marmorwandausstattung bezüglich ihrer qualitätvollen Ausführung und dekorativen Gestaltung, sowohl von der Steinmetzarbeit als auch von der Formen- und Materialvielfalt her, sind die insgesamt sechzehn Pilasterkapitelle [11] sowie die ornamental und motivisch gestalteten opus sectile-Schmuckfelder [12].

Für die zeitliche Einordnung der Marmorwandausstattung ergeben sich zwei Anhaltspunkte: Einerseits durch die Erweiterung der Bauterrasse für die Errichtung des Raumes und der damit verbundenen Versetzung der Terrassenmauer nach Süden, die durch das Fundmaterial aus der Hinterfüllung in traianische Zeit datiert ist und durch die kunsthistorische Einordnung der Pilasterkapitelle in dieselbe Epoche andererseits [13]. Dem archäologischen Befund, der sozusagen die Momentaufnahme einer so massiven Erdbebenzerstörung zeigt, die nur noch die Aufgabe der gesamten Wohneinheit zur Folge hatte [14], ist es zu verdanken, dass sich aus den in situ-Befunden an den Wänden (Abb. 4) und den zahllosen im Fundmaterial erhaltenen Fragmenten das Aussehen der Marmorwandausstattung rekonstruktiv erschließen lässt [15]. Gemeinsam mit der dekorativen Gestaltung des Bodens (Abb. 2) durch einen Marmorplattenbelag und ein spezifisch angeordnetes Bodenmosaik legt die Ausstattung des sog. Marmorsaales eine Interpretation als Bankettraum nahe [16].

Das Spektrum der in der Marmorwandausstattung des sog. Marmorsaales durch alle Zonen hindurch akzentuiert eingesetzten Dekorgesteine, soll nun, dem zonalen Aufbau der Marmorwandausstattung folgend, bezüglich deren herkunftsmäßigen Bestimmung [17] und Benennung sowie deren, mit Ausnahme des lokalen weißen Marmors, allgemeinen Verwendungszeitraumes für Ausstattungszwecke im weiteren Sinne, kurz vorgestellt werden [18].

weißer Marmor
Sockelzone
Herkunft: vermutlich lokaler Provenienz
Referenz: -
antike Bezeichnung: -
Verwendungszeitraum: 6. Jh. v. Chr. bis byzantin. Zeit
Weißer Marmor, der durch schattenartige Flecken ein tendenziell hellgraues Erscheinungsbild aufweist, ist das in Ephesos als Baumaterial überwiegend verwendete Gestein. Zahlreiche, auch in nächster Nähe der antiken Stadt lokalisierte Marmorvorkommen, deren Ausbeutung sich anhand der Abbauspuren bis in die Antike zurückverfolgen lässt, erklären die Dominanz dieses Materiales.

Cipollino verde
Sockelzone
Herkunft: Griechenland, Karystos/Euböa
Referenz: Marmi 56; Mielsch 566. 569; Pensabene 11-12
antike Bezeichnung: marmor Carystium
Verwendungszeitraum: 1. Jh. v. Chr. bis Spätantike
Die antike Bezeichnung dieses Dekorgesteines ist von seinem Hauptabbaugebiet bei Karystos auf Euböa herzuleiten. Seine charakteristische, zwiebelartige Venatur mit weißen und petrolgrünen Bändern unterschiedlicher Stärke führte zur modernen Bezeichnung als "Cipollino". Verstärkt wurde die attraktive Wirkung dieses Materiales durch das axialsymmetrische Versetzungsschema der Platten.

Pavonazzetto weiß
Pilasterzone
Herkunft: Kleinasien, Iscehisar bei Afyon/Zentralanatolien
Referenz: Marmi 109; Mielsch 600. 603. 606. 610-611. 619; Pensabene 37-40
antike Bezeichnung: marmor Docimenium, m. Phrygium, m. Synnadicum
Verwendungszeitraum: 2./1. Jh. v. Chr. bis byzantin. Zeit
Netzartige violette Bänder und feine purpurfarbene Adern charakterisieren dieses, hier eine helle farbliche Gesamtwirkung bietende Gestein, das in Dokimeion bei Synnada in Phrygien, daher die antiken Bezeichnungen, gewonnen wurde.
Breccia corallina
Pilasterzone
Herkunft: Kleinasien, Vezirhan-Bileçik/Bithynien
Referenz: Marmi 22; Mielsch 201. 212. 204. 210. 222-223; Pensabene 41-44
antike Bezeichnung: lapis coralliticos
Verwendungszeitraum: röm. Kaiserzeit
Bezeichnung für eine Gruppe von Marmorbreccien, die v.a. in Kleinasien vielerorts vorkommen, deren Herkunft sich vorläufig aber nicht näher bestimmen lässt. Charakteristisch ist eine rote Matrix unterschiedlicher Intensität mit hellen bzw. weißen Einschlüssen verschiedenster Dimensionen.
Bigio antico
Pilasterzone
Herkunft: Kleinasien/Westanatolien
Referenz: Marmi 16; Mielsch 629. 633
antike Bezeichnung: -
Verwendungszeitraum: röm. Kaiserzeit
Die Gruppe der beliebten grauen Marmorbreccien ist unter dieser Bezeichnung zusammengefasst. Vorkommen des in vielfältigen Grautönen und mit unterschiedlichst geformten, hellergrauen bis weißen Anteilen auftretenden Gesteines, liegen im westlichen Kleinasien, z.B. bei Teos und Milet sowie den vorgelagerten Inseln, z.B. auf Lesbos, Kos und Rhodos.
Rosso brecciato
Pilasterzone
Herkunft: Kleinasien, Iasos/Westanatolien
Referenz: Marmi 127; Mielsch 259. 257; Pensabene 47-48
antike Bezeichnung: marmor Carium, m. Iassense
Verwendungszeitraum: röm. Kaiserzeit bis byzantin. Zeit
Dieses Gestein mit dem Abbaugebiet im Hinterland von Iasos in Karien, das vergesellschaftet mit "Cipollino rosso" vorkommt, ist durch seine tiefrote Farbe mit vorwiegend weißen, eher ovalen Einschlüssen charakerisiert.
weißer Marmor aus Aphrodisias
Pilasterzone
Herkunft: Kleinasien, Aphrodisias/Westanatolien
Referenz: Marmi 94
antike Bezeichnung: marmor Aphrodeisiakos
Verwendungszeitraum: 3. Jh. v. Chr. bis byzantin. Zeit
Aufgrund seiner homogenen Kristallstruktur und damit ausgezeichneten Bearbeitbarkeit sowie seiner einheitlichen weißen Färbung eignet sich dieses Material besonders für die Herstellung von Skulptur und Bauskulptur und war gleichermaßen bei Bildhauern wie Steinmetzkünstlern hoch geschätzt.
Pavonazzetto violett
Pilasterzone
Herkunft: Kleinasien, Iscehisar bei Afyon/Zentralanatolien
Referenz: Marmi 109; Mielsch 600. 603. 606. 610-611. 619; Pensabene 37-40
antike Bezeichnung: marmor Docimenium, m. Phrygium, m. Synnadicum
Verwendungszeitraum: 2./1. Jh. v. Chr. bis byzantin. Zeit
Durch gezielte Materialauswahl kann, v.a. bei gering dimensionierten Elementen, eine dunkle farbliche Gesamtwirkung dieses, in Dokimeion bei Synnada in Phrygien abgebauten, Gesteines erreicht werden.
Rosso antico
emblemata-Zone
Herkunft: Griechenland, Matapan/Peloponnes
Referenz: Marmi 126; Mielsch 596. 599; Pensabene 19-20
antike Bezeichnung: marmor Taenarium
Verwendungszeitraum: 2. Jh. v. Chr. bis röm. Kaiserzeit
Die antike Bezeichnung dieses Gesteines, das sich durch feinstkristalline Homogenität auszeichnet, leitet sich von seinem Abbaugebiet um das Kap Tainaron an der Südspitze der Peloponnes her. Charakteristisch für dieses Material mit einem von altrosa über blutrot bis purpur reichendem Farbspektrum sind äußerst feine grauschwarze Glimmeradern.
Nero antico
emblemata-Zone
Herkunft: Nordafrika, Djebel Aziz/Tunesien
Referenz: Marmi 101; Mielsch 539. 543; Pensabene 80
antike Bezeichnung: -
Verwendungszeitraum: 2. Jh. v. Chr. bis Spätantike
Einheitlich dunkelgraue bis tiefschwarze Farbe ebenso wie eine dichte Kristallstruktur kennzeichnet dieses Gestein, dessen Abbaugebiete zwar v.a. in Nordafrika, vereinzelt aber auch auf der Peloponnes und in Kleinasien liegen. Die Homogenität des Materiales und das Fehlen von makroskopisch erkennbaren Charakteristika erschwert die herkunftsmäßige Zuordnung.
Giallo antico
emblemata-Zone
Herkunft: Nordafrika, Chemtou/Tunesien
Referenz: Marmi 65; Mielsch 508. 513-514. 517. 526-527. 529. 531; Pensabene 73-76
antike Bezeichnung: marmor Numidicum
Verwendungszeitraum: 1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.
Charakteristisch für dieses häufig verwendete Gestein, dessen Abbaugebiet beim antiken Simmithus liegt, ist seine Farbe in vielfältigen Gelbtönen mit unterschiedlich prägnanter Maserung, deren farbliches Spektrum von rosa bis braun reicht.
Porfido rosso
emblemata-Zone
Herkunft: Ägypten, Gabal Dokhan
Referenz: Marmi 116; Mielsch 698. 702. 705; Pensabene 53-56
antike Bezeichnung: lapis Porphyrites
Verwendungszeitraum: 1. Jh. v. Chr. bis Spätantike
Dieses Dekorgestein vulkanischer Genese zeichnet sich durch seine intensive purpurrote Farbe, die durch unzählige, winzige weiße Einschlüsse aber sehr lebendig wirkt, aus. Die antike Bezeichnung des Materiales leitet sich von seinem Abbaugebiet am Mons Porphyrites ab.
Porfido verde di Grecia
emblemata-Zone
Herkunft: Griechenland, Krokeai/Peloponnes
Referenz: Marmi 121; Mielsch 731. 737; Pensabene 13-16
antike Bezeichnung: lapis Lacedaemonius
Verwendungszeitraum: röm. KaiserzeitIn der nähe von Sparta, worauf die antike Bezeichnung hinweist, liegt das Abbaugebiet dieses auch Serpentino genannten Gesteines. Charakteristisch ist die dunkelgrüne Grundmasse mit ungerichteten hellergrünen Einschlüssen.
Alabastro fiorito
emblemata-Zone
Herkunft: wahrscheinlich Kleinasien
Referenz: Marmi 5; Mielsch 24-25. 30. 34; Pensabene 29-32
antike Bezeichnung: lapis alabastrites
Verwendungszeitraum: röm. Kaiserzeit
Für besondere Ausstattungsdetails, in diesem Fall innerhalb eines motivisch gestalteten opus sectile-Schmuckfeldes, kamen mit der Bezeichnung "Alabaster" bezeichnete Süßwasserkalke zum Einsatz, die aufgrund ihrer Genese sowohl farblich als auch von ihrer Textur her attraktive Akzente setzen konnten.
Alabastro fiorito
(Brunnenverkleidung)
Herkunft: wahrscheinlich Kleinasien
Referenz: Marmi 5; Mielsch 24-25. 30. 34; Pensabene 29-32
antike Bezeichnung: lapis alabastrites
Verwendungszeitraum: röm. Kaiserzeit
Um das weitreichende farbliche Spektrum dieses Gesteines zu illustrieren, soll auch das zur Verkleidung des Springbrunnens im sog. Marmorsaal verwendete Material gezeigt werden. Als Herkunftsgebiet für Alabastro fiorito kommen verschiedene Orte in Kleinasien, Syrien und dem arabischen Raum in Frage, ein Abbaugebiet befindet sich bei Hierapolis (Pamukkale) in Phrygien.
Die heute gebräuchliche, italienische, Nomenklatur antiker Dekorgesteine ist v.a. auf Faustino Corsi zurückzuführen, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen drei Bände umfassenden Katalog der "marmi antichi" verfasste und sich dabei auf die unter den zeitgenössischen Steinmetzen und Marmorkünstlern Roms geläufigen Bezeichnungen stützte [19].
Zu den in der Antike geläufigen Bezeichnungen der Dekorgesteine geben v.a. zwei Quellen Auskunft: Plinius der Ältere, der die siebenunddreißig Bücher seiner naturalis historia in der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. verfasste, beschreibt im sechsunddreißigsten Buch [20] sechzehn Gesteine [21] im Zusammenhang mit Baukunst, von denen sich sieben mit den in der Marmorwandausstattung des sog. Marmorsaales verwendeten Dekorgesteine identifizieren lassen. Es sind dies marmor Carystium, m. Numidicum, lapis Lacedaemonius, l. Porphyrites, l. coralliticos, l. alabastrites und marmor Phrygium [22]. Plinius nennt explizit nur die besonders auffälligen und die wertvollsten Gesteine mit dem Hinweis, dass es nicht nötig sei, die "Arten und Farben des Marmors anzugeben, da sie ohnehin gut bekannt sind" und dass es nicht leicht sei, alle aufzuzählen, "denn wie wenige Orte gibt es schon, an denen man nicht einen ortstypischen Marmor findet" [23].
Die zweite wichtige Quelle für die antiken Bezeichnungen von Dekorgesteinen ist das im Winter 301 n. Chr. erlassene edictum de pretiis rerum venalium Diocletians [24], das die Namen und Maximalpreise von neunzehn Gesteinen auflistet, von denen dreizehn sicher zu lesen und die Namen von vier Dekorgesteinen, die in der Marmorwandausstattung des sog. Marmorsaales Verwendung fanden, enthalten sind. Das sind lapis Porphyrites, l. Lacedaemonius, marmor Numidicum und m. Phrygium [25].
Aus den beiden, von Plinius formulierten knappen Bemerkungen werden die Schwierigkeiten bei der korrekten Ansprache und herkunftsmäßigen Bestimmung von in archäologischen Kontexten angetroffenen Marmoren und Buntgesteinen nur allzu deutlich; hinzu kommt noch, dass sich die in antiken Quellen verwendeten Toponyme oft auf unterschiedlich genau definierte Orte oder Regionen beziehen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass weder der antike Autor noch der Wirtschaftstext etwa den bekannten und hochgeschätzten weißen Marmor aus Aphrodisias [26], dessen Qualität untrennbar mit künstlerischem Schaffen [27] verbunden ist, nicht nennen [28]. Ebenso lässt sich die Diskrepanz in der Anzahl der Dekorgesteine, deren Verwendung zu Ausstattungszwecken in der Antike als gesichert gilt und den dafür (bislang) zur Verfügung stehenden antiken Bezeichnungen erklären.

Abschließend sei noch der geographische Rahmen für die Herkunft der in der Marmorwandausstattung des sog. Marmorsaales verwendeten Dekorgesteine (Abb. 5), der, die Provinzen des östlichen Mittelmeeres umspannend, von Griechenland über Kleinasien und Ägypten bis nach Nordafrika reicht, illustriert [29].

Abb. 5: Geographische Verbreitung der Dekorgesteine. Aus Griechenland stammen Cipollino verde, Rosso antico und Porfido verde di Grecia; aus Kleinasien stammen weißer Marmor lokaler Provenienz und aus Aphrodisias, Pavonazzetto, Breccia corallina, Bigio antico, Rosso brecciato und Alabastro fiorito; aus Ägypten stammt Porfido rosso und aus Nordafrika stammen Nero antico und Giallo antico (Grafik Verf. basierend auf http://plato/acadian.ca/courses/clas/provincal/Maps/ROME/empire/a116eu.gif)

[1] Candida non tacita respondet imagine lygdos, Martial. epig. 6,13,3. Im poetischen Sinne wird mit lygdos bzw. lygdinos generalisierend "weißer Marmor" bzw. "marmorweiß" charakterisiert, was konkret vielleicht auf ein bei Plin. nat. 36, 62 im Zusammenhang mit den Eigenschaften von Alabastern als lygdinos bezeichnetes Gestein, das auf der Insel Paros vorkommt, zurückzuführen und möglicherweise vom lapis lychnites, weißen Marmor von der Insel Paros, ebd. 14, abzuleiten oder gar mit diesem gleichzusetzen ist. Trotzdem scheint mir, da marmaros für "glänzend" bzw. "glänzender Stein" steht, das zitierte Epigramm auch als Überschrift für ein Streiflicht auf innerhalb einer Marmorwandausstattung zu einem farbenprächtigen Gesamtbild zusammengefügte Buntgesteine passend.
[2] "Marmor" als terminus technicus, da in petrologischer Hinsicht metamorphe Gesteine mit mehr als 50% Volumsanteil Calcit bzw. Dolomit als Marmor anzusprechen sind, während im Bereich der Steinbe- und Verarbeitung alle polierfähigen Kalk- bzw. Dolomitgesteine, unabhängig ihrer geologischen Genese, als Marmor bezeichnet werden, W. Maresch - O. Medenbach, Gesteine2 (1996) 204; H. Mielsch, Buntmarmore aus Rom im Antikenmuseum Berlin (1985) 35; D. Monna - P. Pensabene - J. P. Sodini, L'identification des marbres: sa nécessité, ses méthodes, ses limites, in: P. Pensabene (Hrsg.), Marmi antichi. Problemi d'impiego, di restauro e d'identificatione, Studi miscellanei 26 (1985) 15. Zur Vermeidung von Irreführungen wurde aber die Bezeichnung "Dekorgesteine" als übergeordneter Begriff für die in der Antike zu Ausstattungszwecken verwendeten Marmore und Buntgesteine gewählt.
[3] K. Koller, Die dekorative Marmorwandausstattung des sogenannten Marmorsaales im Hanghaus 2 in Ephesos - Ein ausgewähltes Beispiel für privaten Ausstattungsluxus im Wohnbau des gehobenen Gesellschaftsstandes der Metropolis Asiae in der mittleren römischen Kaiserzeit (unpubl. Diss. Wien 1999).
[4] Zur historischen Topographie sowie zur Geschichte der Stadt P. Scherrer (Hrsg.), Ephesos. Der neue Führer (1995) 8ff. 14ff. 116ff. und immer noch grundlegend für die römische Kaiserzeit D. Knibbe, Ephesos vom Beginn der römischen Herrschaft in Kleinasien bis zum Ende der Principatszeit, ANRW II 7.2, 1980, 748-810; außerdem die umfassende Darstellung von St. Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos. Die Geschichte einer der großen Städte der Antike (1995), ebenso wie die Akten des 1994 an der Harvard Divinity School abgehaltenen Ephesos-Symposiums zu speziellen Aspekten, H. Koester (Hrsg.), Ephesos, Metropolis of Asia. An Interdisciplinary Approach to its Archaeology, Religion, and Culture (1995). Die Akten von zwei weiteren Ephesos-Symposien, beide anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der österreichischen Ausgrabungen in Ephesos im Jahre 1995, H. Friesinger - F. Krinzinger (Hrsg.), 100 Jahre Österreichische Forschungen in Ephesos. Akten des Symposiums Wien 1995, Denkschr Wien 260 (1999) und R. Pillinger - O. Kresten - F. Krinzinger - E. Russo (Hrsg.), Efeso paleocristiana e bizantina - Frühchristliches und byzantinisches Ephesos, Denkschr Wien 282 (1999), die Beiträge des gleichnamigen Kongresses in Rom 1996, geben einen Überblick zu den unterschiedlichsten Fragestellungen innerhalb der Ephesos-Forschung. Über rein wissenschaftliche Aspekte hinausgehend und teilweise als persönliche Rückschau des Autors auf mehr als 100 Jahre österreichischen Wirkens in Ephesos verfasst, D. Knibbe, Ephesus. Geschichte einer bedeutenden antiken Stadt und Portrait einer modernen Großgrabung (1998) bes. 98-209.
[5] Vorberichte zu den freigelegten Bereichen wurden sukzessive vom unterzeichneten Grabungsleiter bzw. von den Projektverantwortlichen publiziert: AnzWien 100, 1961-107, 1969 (Hanghaus 1), AnzWien 108, 1970-125, 1988 (Hanghaus 2); erste Zusammenfassung, H. Vetters, Die Hanghäuser an der Kuretenstraße, ÖJh 50, 1972-1975, 331-380; Ergebnisse von archäologischen Nachuntersuchungen: AnzWien 128, 1991 und 130, 1993 (Hanghaus 1), sowie ab 1987 im Beiblatt der ÖJh. Aktuelle Zusammenfassung in Scherrer a.O. 102-114. Als abschließende Publikation bisher vorliegend, C. Lang-Auinger, Hanghaus 1 in Ephesos. Der Baubefund, FiE VIII/3 (1996). Zu Wandmalereien und Mosaiken in den beiden Hanghäusern grundlegend, allerdings aufgrund der seit dem Erscheinungsjahr aus den archäologischen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der vorgeschlagenen Datierungen in Teilbereichen zu modifizieren, V. M. Strocka, Die Wandmalerei der Hanghäuser in Ephesos, FiE VIII/1 (1977) und W. Jobst, Römische Mosaiken aus Ephesos I. Die Hanghäuser am Embolos, FiE VIII/2 (1977). Die Vorbereitung der in Faszikeln zu den einzelnen Wohneinheiten vorzulegenden Gesamtpublikation des Hanghauses 2 wird in der Verantwortlichkeit des Österreichischen Archäologischen Institutes (Wohneinheiten 1 und 2, G. Wiplinger und Mitarb.) und des Institutes für Kulturgeschichte der Antike (vormals Forschungsstelle für Archäologie) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Wohneinheiten 4 und 6, H. Thür und Mitarb.) durchgeführt. Im Zuge dessen erfolgt auch die Bearbeitung der Marmorwandausstattungen, wofür die Verf. finanzielle Unterstützung durch eine Forschungsbeihilfe vom Fonds zur wissenschaftlichen Forschung in Österreich erfuhr (Wohneinheiten 4 und 6, Projekt P 11038-SPR, 01.10.1995-30.09.1997); im Rahmen des seit 01.01.1999 laufenden Projektes P 13185-SPR mit dem Schwerpunkt der Wand- und Deckendekorationen werden die Arbeiten auf das gesamte Hanghaus 2 ausgeweitet und unter Einbeziehung von Bodenbelägen aus Marmor auf Dienstvertragsbasis fortgeführt. Die seit dem Erscheinen von FiE VIII/1 zutage gekommenen, gemalten Wand- und Deckendekorationen werden ebenda von N. Zimmermann bearbeitet; die schon publizierten Befunde sollen mit V. M. Strocka konsensual neu beurteilt werden. Aktuelle Zwischenergebnisse zum Bearbeitungsstand der laufenden Projekte sind den ÖJh zu entnehmen.
[6] Die trapezoide Grundrissform des Baukomplexes ergibt sich aus der topographischen Situation mit der sog. Kuretenstraße oder embolos als nördliche Begrenzung, jener zwischen den beiden Stadtbergen geführten und, da der alten Prozessionsstraße folgend, auch bei der Anlage der Stadt im hippodamischen Stadtplanungssystem beibehaltenen, von Säulenhallen, öffentlichen Bauten und Ehrenmonumenten begleiteten Hauptstraße des kaiserzeitlichen Ephesos; südlich des Hanghauses 2 verläuft die sog. Hanghausstraße, die im Bereich des Memmiusbaues in den oberen embolos, dem östlichen Ende der sog. Kuretenstraße, einmündet, während steile Stiegengassen die insula des Hanghauses 2 von jener des Hanghauses 1 im Osten und der des Hanghauses 3 im Westen abgrenzen.
[7] Die Einrichtung der beiden kleinen Wohneinheiten 3 und 5 in der westlichen Hälfte der mittleren Bauterrasse (Abb. 1) durch Unterteilung der ursprünglichen Anlage erfolgte in einer späteren Bauphase.
[8] Für die gesamte insula des Hanghauses 2 zeichnen sich, besonders durch die archäologischen Detailuntersuchungen der jüngsten Vergangenheit, vier Phasen großer baulicher Veränderungen ab: vor der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. (I) - traianisch (II) - severisch (III) - gallienisch (IV).
[9] Zur Forschungsgeschichte des sog. Marmorsaales, Koller a.O. 10f., ausführlich zum archäologischen Baubefund, ebenda 18ff.
[10] Zu zonalem Aufbau und Rekonstruktion der architektonisch gegliederten Marmorwandausstattung und in diesem Zusammenhang auch zum verwendeten Fußmaß und den daraus ermittelten Maßverhältnissen, Koller a.O. 32ff.
[11] Vgl. ÖJh 67, 1998, Beibl. Grab. 60 Abb. 48. Zu Typus, topologischer Zuweisung, Dekoration und kunsthistorischer Einordnung, Koller a.O. 47-79. Anhand ihrer Dekoration und entsprechenden Vergleichsbeispielen an dekorierten Baugliedern epigraphisch datierter Bauten in Ephesos (Celsus-Bibliothek: 113/117 n. Chr., Hafenthermen: Bautätigkeit bis ins 1. Drittel des 2. Jhs. n. Chr.) lässt sich für die in ihrem Aufbau dem Typus des korinthisierenden S?Spiralvolutenkapitells folgenden Pilasterkapitelle eine Datierung in das 1. Viertel des 2. Jhs. n. Chr. vorschlagen.
[12] Die farbenprächtige Dekoration der emblemata-Zone lassen die erhaltenen Reste von drei Ornamentfeldern und einem motivisch gestalteten opus sectile-Schmuckfeld, das sich inhaltlich auf den Topos des "rastenden Herakles" bezieht, erahnen. Zu den opus sectile-emblemata ausführlich, Koller a.O. 80-95.
[13] Der Befund an der Ostwand des Raumes zeigt deutlich, dass seine Erweiterung und seine Ausstattung mit Marmor in unmittelbarer zeitlicher Abfolge stattfanden. Zur Chronologie von Errichtung und Ausstattung des sog. Marmorsaales, Koller a.O. (Anm. 3) 24ff. und oben, Anm. 11.
[14] Seine Zerstörung und Aufgabe, dazu Koller a.O. (Anm. 3) 26, erfolgte, wie der Befund der auf dem Boden zur Versetzung vorbereiteten Felder der Marmorwandausstattung (Abb. 2) und von an die Wände gestapelten Marmorplatten und opus sectile-Schmuckfeldern zeigt, in einer Phase der Restaurierung, durch ein verheerendes Erdbeben, wohl am Ende einer Serie von leichteren Beben. Dieses Erdbeben lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit als das in der vita Gallieni für das Jahr 262 n. Chr. überlieferte und mit großen Zerstörungen in ganz Ephesos (auch im sog. Serapeion) verbundene Erdbeben identifizieren, wie v.a. die Münzbefunde, die in den zentralen und hangseitig auf der untersten Bauterrasse gelegenen Bereichen der Wohneinheiten 6 und 7 nicht weit über die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. hinausreichen, glaubhaft machen.
[15] Vgl. Anm. 10.
[16] Zu weiteren Argumenten für diese Interpretation, wie z.B. Überhöhung der Raumdimension durch seine Ausstattung und Ausrichtung und möglichen Nutzern, s. Koller a.O. (Anm. 3) 30f.
[17] Als Referenz für die Identifizierung der verwendeten Dekorgesteine diente v.a. das von R. Gnoli editierte, von M. C. Marchei und A. Sironi zusammengestellte Repertorium antiker Marmore und Buntgesteine in: G. Borghini (Hrsg.), Marmi antichi2 (1997) 131-302, hier abgekürzt zitiert "Marmi", die Zahlen beziehen sich auf die fortlaufende Nummerierung der in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Dekorgesteine. Ergänzend wurden die Kataloge Mielsch a.O. (Anm. 2) 35-71 und P. Pensabene (Hrsg.), Il marmo e il colore: guida fotografica. I marmi della Collezione Podesti (1998) 5-16 verwendet; auch da entsprechen die Zahlen den Katalognummern.
[18] Für ausführlichere Informationen zu den in der Marmorwandausstattung des sog. Marmorsaales verwendeten Dekorgesteinen s. Koller a.O. (Anm. 3) 96-128. Das Bildmaterial für die Zusammenstellung der Dekorgesteine stammt von A. Schiffleitner oder der Verf.; die digitale Aufbereitung erfolgte, wie bei Abb. 1-5, durch die Verf.
[19] M. C. Marchei - B. Pettinau, Bibliografia ragionata: risultati e problemi degli studi sui marmi antichi, in: Borghini a.O. 117 Anm. 7 und 8; Mielsch a.O. 35.
[20] Plinius, Naturkunde. Lateinisch-Deutsch, Buch XXXVI. Die Steine, hrsg. von R. König - J. Hopp (1992).
[21] Plin. nat. 36, 44-63.
[22] Plin. nat. 36, 49 (m. Carystium und m. Numidicum). 55 (l. Lacedaemonius). 57 (l. Porphyrites). 60f. (l. corralliticos). 62 (l. alabastrites). 102 (m. Phrygium).
[23] Plin. nat. 36, 55.
[24] S. Lauffer, Diokletians Preisedikt (1971) 280f. 302 (Frag. Aphrodisias XXIII).
[25] Lauffer a.O. 302 (Frag. Aphrodisias XXIII) Zeile 1a (l. Porphyrites), Zeile 2 (l. Lacedaemonius), Zeile 3 unsicher (m. Numidicum) und Zeile 8 (m. Phrygium).
[26] Als marmor Aphrodeisiakos in einer 301 n. Chr. datierten Schenkungsurkunde aus Hypaipa in Lydien bezeichnet, J. Kramer, Korinthische Pilasterkapitelle in Kleinasien und Konstantinopel, 39. Beih. IstMitt (1994) 66.
[27] Hierzu sei an dieser Stelle nur auf M. Floriani Squarciapino, La scuola di Afrodisia (1943) und auf die entsprechenden Abschnitte bei G. Koch - H. Sichtermann, Römische Sarkophage, HdArch (1982) bes. 527f. verwiesen.
[28] Gleiches gilt für Rosso brecciato aus Iasos in Karien, marmor Carium, R. Gnoli, Marmora Romana2 (1988) 244f. und Rosso antico vom Kap Tainaron, marmor Taenarium, ebenda 187ff.
[29] Für detaillierte Angaben zur geographischen Verbreitung der wichtigsten Steinbrüche für Marmore und Buntgesteine im Imperium Romanum siehe Pensabene a.O. (Anm. 17) 4 Abb. 1.

© Karin Koller, Wien
e-mail:
Karin.Koller@oeaw.ac.at

This article will be quoted by K. Koller, "Ja, nicht stumm ist das Bild -", in: Altmodische Archäologie. Festschrift für Friedrich Brein, Forum Archaeologiae 14/III/2000 (http://farch.net).



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