Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 13 / XII / 1999

ego Lar sum familiaris ...[1]

Private Frömmigkeit und Religionsausübung im Hanghaus 2 in Ephesos

Roman domestic religion and household shrines can be studied especially well in the cities of Pompei and Herculaneum. This is also true at Ephesus in the eastern mediterranean where the Slope Houses give us much information on this topic due to the good state of preservation of the material remains. In this article room 5 in unit 4 of the Slope House 2 is used as an example to show the problems of origin and development of domestic religion. A wall painting of a snake, which can iconographically be connected to paintings from pompeian lararia, and three re-used hellenistic funerary reliefs show a close connection to protection of the household by gods and the worship of ancestors. Yet it is not clear if the motifs derive from greek prototypes or come to Ephesos from italian sources.

Das Hanghaus 2 in Ephesos [2] bietet auf Grund seines Erhaltungszustandes die Möglichkeit, private Religiosität und die damit zusammenhängenden archäologischen Hinweise einer näheren Betrachtung zu unterziehen, wie dies nur an wenigen anderen Orten des römischen Reiches der Fall ist, z.B. in Pompeji [3] und Herculaneum oder auf Delos [4].
In der Historia Augusta, also vermutlich im 4. Jh. n.Chr. [5], wird erstmals ein Hausheiligtum als lararium bezeichnet [6]. Zuvor existieren nur allgemeine Bezeichnungen wie sacrarium [7], aedicula [8] und sacellum [9].
Literarische und bildliche Quellen geben Auskunft über die im Haus verehrten Gottheiten. Die Laren (Abb. 1), die zumeist paarweise als Jugendliche im Tanzschritt dargestellt werden, besaßen keine näher bestimmte Funktion als zu schützen und zu wachen. Sie sind an das Haus gebunden und stammen von den "guten Geistern des Anwesens" ab [10].
Im Gegensatz dazu ist der Genius (Abb. 1) eine personenbezogene Kraft, die jeden Mann überall hin begleitet. In Pompeji wird er immer in Verbindung mit einem Altar dargestellt, während er Weihrauch oder ein Trankopfer in die Flamme gießt. Parallel zum Genius besitzt jede Frau eine Juno, die jedoch im allgemeinen nicht in Lararien dargestellt wird [11].

Abb. 1: Genius flankiert von Laren, Casa dei Vettii, Pompeji VI 15, 1
(nach T. Fröhlich, 32. Ergh. RM [1991] Taf. 7)

Abb. 2: Nische mit Gorgoneion, flankiert von zwei Laren, Pompeji I 12, 15
(nach T. Fröhlich, 32. Ergh. RM [1991] Taf. 4, 1)

Die Penaten sind anfangs mit keiner konkreten Vorstellung von Person oder Geschlecht verbunden. G. Radke interpretiert sie als "Geister des sich selbst versorgenden Hausstandes" [12]. In der weiteren Entwicklung der römischen Religion sind unter den Penaten alle Götter zu verstehen, die zusätzlich zu den Laren und dem Genius in den Hauskult aufgenommen wurden [13].
Ein weiterer wichtiger Punkt im kultischen Geschehen des Hauses war die Ahnenverehrung. Die Vorfahren stehen nach ihrem Tod in enger Beziehung zur Familie und wachen über ihr Schicksal [14].
In ihrer baulichen Ausgestaltung können Hausheiligtümer verschiedene Formen annehmen. Neben einfachen Wandmalereien, vor denen möglicherweise ein tragbarer Altar aufgestellt werden konnte, sind bemalte Nischen üblich, die mit einem vorspringenden Bord ausgestattet waren, auf dem Statuetten, Räuchergefäße u.ä. aufgestellt werden konnten (Abb. 2).
Die sicherlich kostspieligere Form, ein Hausheiligtum einzurichten, besteht in der Errichtung einer Ädikula, also einer einem kleinen Tempelchen ähnelnden Struktur auf einem Podest [15] (Abb. 3). Hölzerne Lararien waren häufig zweigeteilt: Der Unterteil war als Schrank gestaltet, der Oberteil hingegen als eine Ädikula mit Säulchen und verschließbaren Türen (Abb. 4).

Abb. 3: Ädikula, Casa del Larario del Sarno, Pompeji I 14, 6/7
(nach T. Fröhlich, 32. Ergh. RM [1991] Taf. 6)

Abb. 4: Ädikula aus Holz, Herculaneum, Casa del sacello di legno
(nach S.T.A.M. Mols, Houten Meubels in Herculaneum vorm, Techniek en Functie [1994] Abb. 145A)

Aus den verschiedenen Befunden im Hanghaus 2 soll im folgenden ein Beispiel herausgegriffen werden, um die Situation in Ephesos zu verdeutlichen.
Bei Raum 5 handelt es sich um den ursprünglichen Eingangsbereich der Wohnung 4 . Dieser wurde in der dritten Bauphase, vor oder um 200 n. Chr., zugemauert und in den daneben liegenden Raum 4 verlegt.
Auf einem Teil der Nordwand befand sich eine - heute abgenommene - Wandmalerei, die eine rote Schlange zeigt, die sich vor weißem Hintergrund in acht Windungen aufrichtet. Der Kopf trägt Kamm und Bart [16] (Abb. 5).

Abb. 5: Schlangenmalerei, Hanghaus 2, Wohnung 4
(Photo ÖAI)

An der Südwand des Raumes wurde in einer Nische mit vorspringendem Bord ein sekundär verwendetes Totenmahlrelief in situ gefunden (Abb. 6). Zwei weitere Totenmahlreliefs befanden sich im Versturz des Raumes und waren vermutlich in der Wand über dem noch in situ befindlichen Stück angebracht. Es handelt sich um Totenmahldarstellungen des üblichen Typus. Dem auf einer Kline gelagerten Toten sind Frau, Kinder und Diener zur Seite gestellt. Vor dem Toten steht ein Tisch, auf dem Früchte liegen. Weiters ist auf allen drei Reliefs eine Schlange dargestellt. Eine Datierung der Stücke erfolgt in späthellenistische Zeit [17].
Diese Raumausstattung ist eindeutig dem religiösen Bereich zuzuschreiben. Dafür spricht neben den dargestellten Motiven nicht zuletzt ein ebenfalls im selben Raum gefundener Thymiaterionständer. H. Vetters [18] sah in der Schlangendarstellung eine Verbindung zum Agathos Daimon, dem hier seiner Meinung nach ein kleines Privatheiligtum errichtet werden sollte.

Bisher ist im griechischen Raum jedoch keine einzige Schlangendarstellung bekannt geworden, die mit Sicherheit auf Agathos Daimon hinweist [19]. Ikonographisch gesehen ist die Darstellung vielmehr mit den Schlangenmalereien in pompejanischen Lararien in Verbindung zu bringen, die von G. K. Boyce [20] überzeugend als Genius loci identifiziert wurden. In diesem Zusammenhang ist Schlangen eine apotropäische Funktion zuzuschreiben, die sich mit den in Griechenland und im hellenistischen Ägypten gehaltenen Hausschlangen sowie mit Agathos Daimon verbinden läßt. Die Frage der Herkunft muß jedoch offen bleiben [21].

Abb. 6: Totenmahlrelief, Hanghaus 2, Wohnung 4
(nach R. Fleischer, ÖJh 50, 1972-75, Abb. 20)

Abb. 7: Totenmahlmalerei, Casa del Larario del Sarno, Pompeji I 14, 6/7
(nach T. Fröhlich, 32. Ergh. RM [1991] Taf. 29, 3)

Totenmahlreliefs, die in klassischer Zeit als Votivgaben für chthonische Gottheiten und Heroen dienten, verloren im Lauf der Zeit an Exklusivität und konnten ab dem 3. Jh. v.Chr. vor allem im griechischen Osten in Verbindung mit den Verstorbenen und der Vorstellung eines Weiterlebens nach dem Tod als Grabreliefs verwendet werden [22].
Eine solche Verbindung mit dem Totenkult läßt sich auch auf motivischen Parallelen in pompejanischen Lararien nachweisen. So befindet sich etwa im Hof der Casa del Larario del Sarno eine Nische, an deren Rückwand eine Malerei angebracht ist (Abb. 7). Diese zeigt eine liegende menschliche Figur, die in der rechten Hand einen Zweig, in der linken eine Patera hält. Vor der Kline steht ein Tischchen [23]. Diese Malereien werden von T. Fröhlich als Abbilder von Sterblichen gedeutet und u.a. in Verbindung mit den Totenmahlreliefs in der Wohnung 4 in Ephesos gebracht [24]. Sowohl die Schlangenmalerei als auch die drei Totenmahlreliefs zeigen also aus pompejanischen Lararien bekannte Motive, die wahrscheinlich griechischen Ursprungs sind, bald jedoch auch in das römische Formenrepertoire aufgenommen wurden.
Griechische Traditionen des Hauskultes in Kleinasien, die auf Grund mangelnder Zeugnisse leider zuwenig bekannt sind, haben am Hauskult des Hanghauses 2 in Ephesos zwar sicherlich einen großen Anteil, boten aber gleichzeitig Anknüpfungspunkte für italische Elemente, die in Einzelfällen ebenfalls im griechischen Raum beheimatet sein dürften.
Die Situation auf Delos scheint vergleichbar zu sein. Bruneaus Ansicht nach brachten nicht nur Italiker ihre eigenen Kulte nach Delos und übertrugen diese auf die Hausheiligtümer der Insel, sondern es kam im Gegenzug sicherlich auch zur Beeinflussung römischer Sitten und Gebräuche durch auf Delos ansässige Griechen und andere Völker [25].
Auf Grund dieser gemeinsamen Ursprünge und großer Ähnlichkeiten läßt sich kaum entscheiden, ob es sich in der Hauptsache um einheimische, griechische Elemente oder um die Übernahme religiöser Formen aus dem italischen Raum handelt.
Weitere Untersuchungen in anderen Städten des griechischen Ostens werden in Zukunft hoffentlich zur Klärung der Frage um Ursprünge und Verbreitung der privaten Religionsausübung beitragen können.

[1] Plaut. Aul. 1.
[2] Die Hausheiligtümer des Hanghauses 2 in Ephesos sind Thema einer Diplomarbeit, die in Kürze von der Verf. am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien eingereicht werden wird.
[3] Siehe zuletzt T. Fröhlich, Lararien- und Fassadenbilder in den Vesuvstädten. Untersuchungen zur "volkstümlichen" pompeianischen Malerei, 32. Ergh. RM (1991) mit weiterer Literatur.
[4] Zuletzt P. Bruneau, Recherches sur les cultes de Délos à l'époque hellénistique et à l'époche impériale, BEFAR 217 (1970) bes. 639ff.
[5] DNP 5 (1998) 637ff. s.v. Historia Augusta (Johne).
[6] Hist. Aug. IV 3,5; XVIII 29,2; XVIII 31,4f.
[7] Cic. Verr. IV 2,4; 3,7; Cic. ad fam. XIII 2.
[8] Petron. 29,8; Iuv. VIII 111.
[9] Kl. Pauly 3 (1979) 493 s.v. Lararium (Eisenhut).
[10] K. Latte, Römische Religionsgeschichte, HAW V 4 (1960) 90ff.
[11] Fröhlich a. O. 22. 28.
[12] G. Radke, Die dei penates und Vesta in Rom in: ANRW 17,1 (1981) 357.
[13] G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer, HAW V 42 (1912) 163.
[14] F. Bömer, Ahnenkult und Ahnenglaube im alten Rom, Beih. zum Archiv für Religionswiss. 1 (1943) bes. 5f.
[15] Zu den verschiedenen baulichen Ausgestaltungsmöglichkeiten siehe G. K. Boyce, Corpus of the lararia of Pompeii, MemAmAc 14 (1937) 10ff.
[16] V. M. Strocka, Die Wandmalerei der Hanghäuser in Ephesos, FiE VIII 1 (1977) 92f.
[17] Zu den Reliefs siehe besonders R. Fleischer, Grabungen in Ephesos von 1960-1969 bzw. 1970. Die Skulpturenfunde, ÖJh 50, 1972-75, 440ff. Abb. 20ff.; E. Atalay, Hellenistik cag'da Ephesos mezar stelleri atölyereri (1988) 69ff.
[18] Zur Deutung des Raumes siehe bereits H. Vetters, Der Schlangengott in: Festschrift K. Dörner, EPRO 66, 2 (1978) 967ff. Taf. 224ff. Zu dieser Interpretation soll im folgenden ein Gegenvorschlag erstellt werden.
[19] DNP I (1996) 242 s.v. Agathos Daimon (Graf).
[20] G. K. Boyce, Significance of the serpents on pompeian house shrines, AJA 46, 1942, 13ff.
[21] Siehe dazu auch Fröhlich a. O. 60.
[22] Zu Totenmahlreliefs siehe bes. R. N. Thönges-Stringaris, Das griechische Totenmahl, AM 80, 1965, 1ff. Beil. 1-30; J. Fabricius, Die hellenistischen Totenmahlreliefs. Grabrepräsentation und Wertvorstellungen in ostgriechischen Städten. Studien zur antiken Stadt 3 (1999).
[23] Fröhlich a. O. 263f.; Zu weiteren Beispielen siehe Fröhlich a. O. 273, L55. 290, L92; Boyce a. O. Corpus 55 Nr. 218.
[24] Fröhlich a. O. 44ff.
[25] Bruneau a. O. 614f.

© Ursula Quatember
e-mail:
a9400516@unet.univie.ac.at

This article will be quoted by U. Quatember, ego Lar sum familiaris ... Private Frömmigkeit und Religionsausübung im Hanghaus 2 in Ephesos, Forum Archaeologiae 13/XII/99 (http://farch.net).



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