Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 37 / XII / 2005

KURZBERICHT ÜBER DIE ARBEITEN IN PALMYRA 2005

Im Rahmen des deutsch/österreichisch-syrischen Kooperationsprojektes zur Erforschung des vorkaiserzeitlichen Palmyra fand vom 22. August bis 5. Oktober 2005 eine weitere Arbeitskampagne im Areal der ‚hellenistischen' Stadt von Palmyra statt (Abb. 1-3).

Für die weitere Finanzierung der Arbeiten ist der Fritz-Thyssen-Stiftung (Köln), dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF, Wien) und der Universität Wien zu danken, für Trägerschaft und administrative Unterstützung der Außenstelle Damaskus der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, dem Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien und der Generaldirektion der Altertümer und Museen Syriens. Für die bewährte herzliche Gastfreundschaft und logistische Unterstützung danken wir allen Mitarbeitern der Außenstelle Damaskus [1].


Vorläufige Ergebnisse der bisherigen Arbeiten wurden auf internationalen Kolloquien zur Diskussion gestellt, publiziert und/oder sind im Druck [2].


Erweiterung der Sondagen
Eines der Ziele der diesjährigen Kampagne war es, weitere Aufschlüsse über Ausdehnung, Bautechnik, Baugeschichte sowie die Bestimmung der monumentalen hofartigen Anlage im Zentrum der ‚hellenistischen' Stadt zu erhalten (Abb. 1-3). Zu diesem Zweck wurden die Sondagen II und III erweitert und zu einer Sondage (II) zusammengeführt. Für die Aufnahme der ergrabenen Befunde wurde wieder das digitale Dokumentationssystem LISCAD mit der herkömmlichen Methode zeichnerischer Bauaufnahme kombiniert. Nach Abschluss der Arbeiten wurden aus Sicherheitsgründen einzelne Abschnitte der Sondagen verfüllt und das gesamte Grabungsareal durch Aufschüttung eines rings umlaufenden Erdwalles geschützt.

Vorläufige Ergebnisse:
Durch die komplette Freilegung des Südflügels (Räume A-E, G, I, L-O) sowie des Westflügels (Räume A, F, K, R, P) und die weitgehende Freilegung des Nordflügels (Räume P, Q, T) sowie des zentralen Hofes wurde die Ausdehnung der gesamten Anlage (ca. 40 x 40 m) geklärt. Die Mauern der neuerlich freigelegten Räume waren weitgehend bereits in spät- oder nachantiker Zeit ausgeraubt. Dennoch ist zu erkennen, dass der Hof über mindestens drei Eingänge (in den Räumen C, R und T) zu betreten war. An verschiedenen Stellen des Gebäudes wurden starke Brandschichten beobachtet. Die Mauertechnik entspricht dem bereits bekannten Bild aus Steinlagen im unteren Bereich des aufgehenden Mauerwerkes und einer Lehmziegelarchitektur darüber. In der Südostecke des Baus (in den Räumen M und N) befanden sich zwei besonders gut erhaltene Öfen (Abb. 4).
Mehrere Räume, insbesondere diejenigen, welche die Zugänge zum Hof flankieren, waren mit Wandmalerei und Stuckgesimsen geschmückt, die sich aus Hunderten von im Versturz gefundenen Fragmenten rekonstruieren lassen (Abb. 5-8), insbesondere stuckierte Halbsäulen mit korinthischen Kapitellen sowie einer Muschelkonche vor rotem Hintergrund. Bisher einzigartig sind vergoldete (!) Stuckfragmente mit Motiven maritimer Fauna (verschiedene Arten von Fischen, Oktopus etc.), die mit Eisennägeln auf blauem Grund befestigt waren (Abb. 8). Nach ersten Untersuchungen stammt diese für Palmyra ungewöhnlich luxuriöse Ausstattung aus dem 1.-2. Jh. n.Chr.


Durch Sondagen, baugeschichtliche Beobachtungen und die Korrelierung der stratigraphisch ergrabenen Kleinfunde (insbesondere der Keramik) mit den einzelnen Straten des Baus können für die gesamte Anlage zahlreiche Bauphasen erschlossen werden, die mindestens vom 1. Jh. v.Chr. bis in das 3. Jh. n.Chr. reichen. Eine Gesamtinterpretation des Baus ist nach wie vor nicht möglich. Die Öfen belegen für einen Teil der Anlage eine wirtschaftliche Nutzung. Die zentrale Lage im Gesamtplan der Stadt, die monumentale Architektur sowie die ungewöhnlich luxuriöse Ausstattung einzelner Räume mit Wandmalerei und Stuck machen aber deutlich, dass es sich um eine Anlage öffentlichen Charakters handelt. Die hofartige Anlage mit umliegenden Räumen findet architekturtypologisch ihre engsten Parallelen einerseits in syrischen Hofheiligtümern [3], andererseits in Karawanenbauten [4]. Letztere Interpretation erscheint uns im Moment am ehesten wahrscheinlich. Die Zerstörung oder Aufgabe der Anlage könnte im Zusammenhang mit der Einnahme Palmyras durch Aurelian im Jahr 272/3 stehen.


Bearbeitung der Kleinfunde
Um mögliche weitere Aufschlüsse über die Chronologie einzelner Bauphasen der Anlage sowie über die Nutzung des Baus bzw. einzelner Räume sowie schließlich über die Handels- und Wirtschaftsgeschichte Palmyras allgemein zu erhalten, wurde die intensive Bearbeitung der Kleinfunde fortgesetzt. Insbesondere die Keramik und die Lampen (Abb. 9-11), aber auch andere Kleinfunde wurden dokumentiert, gereinigt, restauriert und analysiert. Anschließend wurden alle Kleinfunde im Depot des Museums zur weiteren Bearbeitung deponiert.


Vorläufige Ergebnisse:
Bei der Keramik ist der Anteil an einheimischer lokaler Ware bei weitem überwiegend (ca. 85%) gegenüber der Importkeramik. Andererseits belegen Importware u.a. aus Beirut, Zypern, Ägypten, Nordafrika, Rhodos und Italien (Abb. 10) sowie parthische und sassanidische glasierte Ware die weit reichenden Verbindungen Palmyras seit dem späten Hellenismus bis in die hohe Kaiserzeit. Das chronologische Spektrum der Keramik reicht vom 1. Jh. v.Chr. bis in das 3./4. Jh. n.Chr. Insgesamt auffällig ist der hohe Anteil an Feinware gegenüber der Gebrauchskeramik. Die Fundverteilung einzelner Keramiktypen auf bestimmte Räume der Anlage erlaubt möglicherweise erste Rückschlüsse auf die Nutzung der betreffenden Räume. Dies gilt auch für andere Kleinfunde aus Knochen und Ton, Glasschmuck sowie eine Tessera mit der Darstellung des Sonnengottes auf der Vorder- und einem gelagerten Priester auf der Rückseite (Abb. 12). Schließlich sind mehrere gemalte Graffiti auf Keramikscherben zu nennen (Abb. 13), die aber noch nicht gelesen werden konnten.


Weitere Planung
Leider können wir bis heute die Nutzung der Anlage bzw. einzelner Räume dieses weitläufigen Architekturkomplexes nicht mit Sicherheit bestimmen. Um die Bedeutung dieser Anlage und ihren urbanistischen Kontext zu verstehen, sind weitere Grabungen und Forschungen nötig. Für die nähere Zukunft ist deshalb geplant, die Sondage II zu erweitern und den Bau in seiner Gänze freizulegen. Gezielte weitere Sondagen sollen Aufschluss über die Chronologie der einzelnen Bauphasen geben, die nach bisheriger Kenntnis mit Sicherheit bereits in hellenistischer Zeit beginnen. Zugleich sollen die archäologischen und archäo-zoologischen Untersuchungen, die naturwissenschaftlichen (technischen und chemischen) Analysen sowie die Restaurierung bzw. Konservierung des Fundmaterials fortgesetzt werden.

[1] Die Arbeiten in Palmyra standen wieder unter Leitung des Berichterstatters und des Direktors der Altertümer und Museen von Palmyra, Waleed al-As'ad. Weitere Mitarbeiter der Kampagne waren Christoph Baier, Dominik Maschek, René Ployer und Dieta Svoboda (alle Universität Wien), sowie zeitweise Fanette Laubenheimer (CNRS Paris), Christiane Römer-Strehl (Universität Göttingen) und Salah Shaker (Generaldirektion der Altertümer und Museen Syriens, Damaskus).
[2] A. Schmidt-Colinet - Kh. Al-As'Ad, Twenty Years of the Syro-German Mission at Palmyra, Annales Archéol. Arabes Syriennes 45/46, 2002/03, 207ff.; A. Schmidt-Colinet, Palmyra, in: Fritz Thyssen Stiftung Jahresbericht 2003/2004 (2004) 77ff.; DERS., Zur Urbanistik von Palmyra, in: F. Meynersen (Hrsg.), Orte & Zeiten. 25 Jahre archäologische Forschungen in Syrien 1980-2005 (2005) 88ff.; ders., Recent archaeological research on Hellenistic Palmyra, in: AL-BATH UNIVERSITY (Hrsg.), Proceedings of the Intern. Conf. on Zenobia and Palmyra, Homs 2002 (2005) 97ff.; ders., A new tessera from Palmyra. Questions of Iconography and Epigraphy, in: E. Cussini (Hrsg.), A Journey to Palmyra. Collected Essays to Remember D.R. Hillers (2005) 169ff.; F. Laubenheimer - Kh. Al-As'Ad - A. Schmidt-Colinet, Des amphores à Palmyre. Le matériel des fouilles récentes de la mission syro-allemande, in: M. Sartre (Hrsg.), Productions et Echanges dans la Syrie Gréco-Romaine, Intern. Coll. Tours 2003 (im Druck).
[3] Vgl. etwa J.-M. Dentzer, Le sanctuaire syrien, in: J.-M. Dentzer - W. Orthmann (Hrsg.), Archéologie et histoire de la Syrie 2 (1989) 297ff.; S. B. Downey, Mesopotamian Religious Architecture (1988); dies., Damaszener Mitteilungen 10, 1988, 202ff.; dies., Mesopotamia 30, 1994, 241ff. (mit Lit.); K. S. Freyberger, Die frühkaiserzeitlichen Heiligtümer der Karawanenstationen im hellenisierten Osten, DaF 6 (1998); dazu auch M. Gawlikowski, Topoi 8/1, 1998, 381ff.
[4] Vgl. etwa W. Kleiss, Karawanenbauten in Iran 1-6 (1966-2001) passim, z. B. 1 (1966) 101f. Abb. 143; auch J.-M. Dentzer, Khans ou casernes à Palmyre?, Syria 71, 1994, 45ff.

© Andreas Schmidt-Colinet & Mitarbeiter
e-mail: andreas.schmidt-colinet@univie.ac.at

This article should be cited like this: A. Schmidt-Colinet, Kurzbericht über die Arbeiten in Palmyra 2005, Forum Archaeologiae 37/XII/2005 (http://farch.net).



HOME