Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 25 / XII / 2002

EIN KAISERZEITLICHER TORBAU AN DER SÄULENSTRASSE VON LIMYRA / LYKIEN

Im Jahr 2000 wurden in Limyra unmittelbar westlich der kleinen frühbyzantinischen Kirche im Osten des Ptolemaions die Reste eines kaiserzeitlichen Torbaus freigelegt (Abb. 1) [1]. Der Torbau bildete den architektonischen Abschluß der von Südosten auf das Ptolemaion zuführenden, 8,20m breiten, römischen Säulenstraße und stand an der Kreuzung dieses Straßenzugs mit einer rechtwinkelig darauf verlaufenden Querstraße [2]. Der in situ Befund des Monuments ist dürftig und beschränkt sich auf den Unterbau und auf einen Block des östlichen Pylons (Abb. 2). Große Teile der aufgehenden Architektur fanden sich jedoch in Versturzlage v.a. südlich des Unterbaus. Aus dem Versturz wurden bislang 20 Blöcke geborgen und untersucht. Basierend auf diesen teilweise überaus signifikant gestalteten Architekturgliedern und den ortsfesten Befunden kann eine erste Vorstellung vom Aufbau und der Gestaltung des Torbaus gewonnen werden.
Der Torbau war nicht auf die Mittelachse der Säulenstraße ausgerichtet, vielmehr ist sein Standort etwas nach Westen verschoben, so dass sein westlicher Pylon in der Flucht des westlichen Stylobats der Säulenstraße liegt. Den Unterbau und die Standfläche des Monuments bilden insgesamt vier, bis zu 1,60m lange und durchschnittlich 1,45m breite Blöcke, die in den Nordstylobat der Querstraße eingelassen sind. Der Durchgang des Torbaus wurde zu beiden Seiten von dreifachen Bündelsäulen gerahmt, wobei am Ostpylon die unterste Trommel einer dreifachen Bündelsäule mit angesetzter Zungenmauer neben der Apsis der byzantinischen Kirche in ihrer originalen Position erhalten ist (Abb. 3).

Der Westpylon ist vollständig abgeräumt. Seine Lage kann jedoch durch Abwitterungsspuren der charakteristischen Bündelsäule und aufgrund technischer Anschlüsse im Stylobat bestimmt werden. Die westliche Außenecke dieses Pylons war - wie gleichfalls anhand der Abwitterungsspuren festgestellt werden kann - durch einen leicht vorspringenden Pilaster verstärkt. Ob auch der Ostpylon über einen entsprechenden Eckpilaster verfügt hat, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Die Oberfläche des Stylobats ist an der betreffenden Stelle stark durch das Grundwasser ausgewaschen, so dass keine eindeutigen Standspuren und keine Dübellöcher festgestellt werden können. Das Klammerloch an der östlichen Schmalseite der in situ erhaltenen Bündelsäulentrommel zeigt lediglich, dass hier ein weiterer Block angesetzt war. Theoretisch ist es auch möglich, dass der Ostpylon des Torbaus in eine benachbarte architektonische Struktur eingebunden hat, von der geringe Reste nordöstlich der Kirchenapsis gefunden wurden. Die Funktion und die genaue zeitliche Stellung dieser Bebauung konnte noch nicht geklärt werden. Bislang haben sich keine Hinweise auf seitliche Durchgänge ergeben, so dass von einem eintorigen Monument ausgegangen werden darf.

Die Kanneluren der Dreifachsäulen sind nur in den oberen Zonen ausgearbeitet, die unteren Trommeln der Säulen sind hingegen facettiert. In welcher Höhe die Ausarbeitung wechselte, ist noch unklar. Bekrönt wurden die Säulen von korinthischen Kapitellen, welche die dreifache Bündelung der Säulenarchitektur aufnahmen. Ein durch das Grundwasser erheblich beschädigter Block dokumentiert diesen Befund (Abb. 4). Das wesentlich besser erhaltene Pilasterkapitell (Abb. 5) kann der äußeren Ecke des Westpylons zugewiesen werden.
Die Archivolte des Tordurchgangs spannt sich über dem bemerkenswerten Architekturglied eines Halbgiebels (Abb. 6). Es handelt sich dabei um eine höchst ungewöhnliche Lösung, zu der aber der Demetrios- und Apolloniosbogen aus flavischer Zeit in Perge eine gute Parallele bietet [3]. Vier der in Limyra sichergestellten Bogensteine tragen eine Inschrift, die wohl in spätantoninisch-severische Zeit zu datieren ist [4]. Das späte 2. Jh. n.Chr. stellt somit für die Errichtung des Torbaus einen terminus ante quem dar.
Angaben zum Aufbau der Attika können zur Zeit in Ermangelung entsprechender Blöcke noch nicht gemacht werden.
Zu den Gesamtmaßen des Monuments sind erste, vorläufige Angaben möglich: Die lichte Breite des Tordurchgangs beträgt rund 3,80m. Auffallend ist die relativ schmale Grundfläche. Die größte Tiefe ist an den Bündelsäulen gegeben. Sie kann sowohl an der in situ erhaltenen Trommel der Bündelsäule des Ostpylons als auch an den betreffenden Abwitterungsspuren des westlichen Pylons mit rund 1,20m gemessen werden. Die an die Bündelsäulen anschließenden Zungenmauern verjüngen sich auf eine Tiefe von etwa 50 cm. Der Pilaster an der äußeren Ecke des Westpylons springt etwas vor und besitzt eine Tiefe von 65 cm. Während die Länge des Westpylons mit 2,35m vollständig bestimmbar ist, lässt sich der Ostpylon nur auf einer Länge von 1,56m verfolgen. Rechnerisch kann daher die Gesamtlänge des Torbaus unter der Annahme von symmetrischen Längenmaßen an den Pylonen mit rund 8,50m rekonstruiert werden [5]. Die Höhe des Monuments läßt sich derzeit noch nicht bestimmen.
Zu den charakteristischen dreifachen Bündelsäulen lassen sich Beispiele im syrischen Raum nachweisen, direkte Vergleiche an freistehenden Torbauten fehlen. In Palmyra finden sich im frühen 1. Jh. n.Chr. dreifache Bündelsäulen - allerdings mit geringer Höhe - im oberen Abschluß der Pterontür des Bel-Tempel [6] und im 2. Jh. n.Chr. im Eingangsbereich des Thalamos des Baalshamin-Tempel [7]. Außerdem können sie im 2. Jh. n.Chr. noch beim Tycheion in Apamea nachgewiesen werden [8].

[1] Erste Hinweise auf einen Torbau ergaben sich bereits während der Grabungen an der Kirche im Jahre 1989. Die geborgenen Architekturblöcke wurden zunächst als Teile eines hellenistischen Propylons in das Temenos des Ptolemaions interpretiert, vgl. P. Ruggendorfer, Die Grabung im Osten des Ptolemaions - SO 14, XII. Kazi Sonuclari Toplantisi II, 1989, 330f.
[2] Die Querstraße liegt tief im modernen Bachbett, ihre Pflasterung ist stark verschüttet. Eine Straßenkreuzung und einen Torbau im Südosten des Ptolemaions vermutete W. Reiter, Die Säulenstraße von Limyra, in: J. Borchhardt, Die Steine von Zêmuri (1993) 106.
[3] J. Inan, Der Demetrios- und Apolloniosbogen in Perge, IstMitt 39, 1989, 237ff. Abb. 1-2.
[4] Nach mündlicher Auskunft von M. Wörrle.
[5] vgl. P. Ruggendorfer, Die Arbeiten im Süden und Osten des Ptolemaions 2001, in Kazi Sonuclari Toplantisi (in Druck).
[6] Th. Wiegand u.a., Palmyra, Ergebnisse des Expeditionen von 1902 und 1917 (1932) 127ff. Taf. 72. Zur Datierung vgl. K. S. Freyberger, Die frühkaiserzeitlichen Heiligtümer der Karawanenstationen im hellenistischen Osten. Zeugnisse eines kulturellen Konflikts im Spannungsfeld zweier politischen Formationen, DaF 6 (1998) 74f.
[7] P. Collart, Le sanctuaire de Baalshamin a Palmyre (1969) Taf. 21, 2.
[8] J. Balty, Les grandes étapes de l'Apamèe sur l'Oronte, Ktema 2, 1977, 3ff. Abb. 3.

© Peter Ruggendorfer
e-mail:
peter.ruggendorfer@oeaw.ac.at


This article will be quoted by P. Ruggendorfer, Ein kaiserzeitlicher Torbau an der Säulenstraße von Limyra, Forum Archaeologiae 25/XII/2002 (http://farch.net).



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