Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 25 / XII / 2002

DIE FRÜHBYZANTINISCHE KIRCHE BEIM PTOLEMAION VON LIMYRA / LYKIEN

Bereits 1989 wurde an der Ostseite des Ptolemaions (Abb. 1) eine kleine frühbyzantinische Kirche angeschnitten [1], deren Freilegung schließlich in den Jahren 2000 und 2001 erfolgen konnte [2]. Bei der Kirche (Abb. 2) handelt es sich um eine schiefwinkelige, etwa 15m lange und 10,30m breite (Innenmaße) Emporenbasilika aus Bruchsteinmauerwerk mit vereinzelten Ziegellagen, der im Osten eine Rundapsis vorgeblendet war. Je drei Säulen teilten das 5m breite Mittel- von den 2m breiten Seitenschiffen ab. In der Apsis - ihre Konche war ehemals mit einem polychromen Glasmosaik geschmückt - fand sich ein fünfstufiges Synthronon eingestellt. Hinweise auf eine bischöfliche Kathedra fehlen. Das um eine Stufe erhöhte Presbyterium dehnte sich bis zur ersten Säulenstellung aus und war durch Schrankenplatten vom Mittelschiff getrennt. Je eine Tür verband die drei Kirchenschiffe mit dem Vorraum, dessen westliche Abschlusswand von der Stadtmauer sowie dem Podium des Ptolemaions gebildet wurde. Er konnte vom Süden her betreten bzw. verlassen werden, zudem führte ein weiterer Durchgang in nördlich anschließende Annexräume.
In der Längsachse des Mittelschiffs [3] wurden die Reste eines zweiläufigen Ambos [4] angetroffen. Vom marmornen Kanzelaufbau haben sich u. a. zwei Fragmente des Bodens des Ambokastens sowie zwei Treppenwangen mit der Darstellung eines Tropfenkreuzes innerhalb eines profilierten Rahmens erhalten. Beide Wangen fanden sich im Presbyterium, wo sie in Zweitverwendung als Bodenplatten dienten.
Neben den beiden Marmorplatten (mit je einem Kreuz auf einer Kreisscheibe) der Presbyteriumsabschrankung sind vor allem über 400 Fragmente von Kalksteinplatten zu erwähnen. Sie konnten bislang zumindest zehn verschiedenen nur auf der Vorderseite reliefierten Platten zugewiesen werden.
Als Darstellungsthemata finden sich durchwegs Motive aus Fauna [5] und Flora: so etwa zwei Fische zu beiden Seiten eines Staurogrammes [6], verschiedene Vögel und Ziegen zwischen Weinreben, die an den Trauben picken bzw. von den Blättern fressen (Abb. 3) [7], oder auch Pfaue im Überschneidungsfeld zweier ineinander gestellter Quadrate (Abb. 4).

Offensichtlich folgten der Künstler und/oder der Auftraggeber bei der Auswahl der dargestellten Tiere und Pflanzen der lokalen lykischen Fauna und Flora, die im Küstengebiet wohl von Steinhühnern, Raubvögeln, Hunden, Hasen und vor allem Ziegen sowie von Weinstöcken geprägt gewesen sein dürften [8]. Die Kalksteinplatten sind durchwegs 100cm hoch und 4-5cm dick, ihre Breite schwankt zwischen 79 und 185cm. Wahrscheinlich dienten sie als Abschrankung der Emporeninterkolumnien. Auf diese Funktion weisen auch Säulenbasen mit seitlichen, ca. 5cm breiten Einlassrillen, die bei den in situ befindlichen größeren Basen des Erdgeschosses nicht festzustellen sind.
Von der Bauornamentik der kleinen Basilika hat sich neben zahlreichen Fragmenten eines umlaufenden Gesimses mit fein- und großgezahntem Akanthusfries, der in regelmäßigen Abständen von tief hinterarbeiteten Kreuzmedaillons unterbrochen wird (Abb. 5), vor allem eine Reihe von Kapitellen erhalten. Sie sind durchwegs aus Kalkstein gearbeitet und weisen mit 38 und 46cm zwei unterschiedliche Höhenmaße auf. Es liegt nahe, sie entsprechend ihrer Größe entweder der Empore bzw. dem Erdgeschoss zuzuordnen.
Bei den Werkstücken des Erdgeschosses handelt es sich um Kompositkapitelle mit zwei Blattkränzen (groß- wie auch feingezahnter Akanthus), Voluten und Eierstäben oder auch Blattkrägen, wobei der Übergang von korinthischem zu ionischem Element durch den Wegfall der Kalathoslippe fließend gestaltet ist. Deutlich kleiner sind die korinthischen Säulenkapitelle von der Empore, bei denen auf die Zone der Hochblätter verzichtet wurde. Aus einem 3,5cm breiten stilisierten Blattband wachsen hier lediglich vier großgezahnte Akanthusblätter, die die Eckvoluten unterfangen. Die dazwischen liegende Kalathosfläche ist zur Gänze mit Blattwerk überzogen und mitunter mit einem lateinischen Kreuz geschmückt (Abb. 6).
Die geborgenen Architekturfragmente sowie die liturgische Ausstattung, i.e. die Altarschranken und der Ambo, legen aufgrund des Vergleichsmaterials der Küstenstädte sowie der zahlreichen bekannten Kirchenbauten im nahegelegenen Hinterland eine Datierung der kleinen Basilika in der ersten Hälfte des 6. Jhs. nahe.
Auch die Emporenschranken dürften dieser Zeit angehören. Zwar fällt bei ihrer Ausführung im Vergleich zu den bekannten Tierdarstellungen der iustinianischen Zeit bereits das Fehlen jeglicher Plastizität auf - die Tiere liegen ganz flach, in nur einer Reliefschicht vor dem Grund - doch sind die Innenzeichnungen (die Angabe von Gefieder und Fell) noch nicht auf die Angabe knapper Kerben beschränkt. Vielmehr werden noch Details wiedergegeben (etwa die Augen in Pfauenfedern oder das zottelige Fell an den Hinterläufen der Ziegen). Zudem ist die ab der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts zunehmende Steifheit in der Bewegung der Tiere noch nicht zu erkennen. So scheint m. E. das nahezu ‚mittelbyzantinische' Erscheinungsbild am ehesten als lokales Kolorit einer lykischen Werkstatt interpretierbar zu sein.
Im Kircheninneren wurden zahlreiche Dachziegelfragmente sowie Eisennägel (wohl vom hölzernen Dachstuhl) gefunden. Sie legen zusammen mit den Holzkohlefragmenten sowie den Brandspuren an den Wänden und der Bauplastik eine Feuerzerstörung des Gebäudes nahe. Ob diese mit den Arabereinfällen ab der Mitte des 7. in Verbindung steht oder von einem für die erste Hälfte des 8. Jhs. angenommenen Erdbeben [9] ausgelöst wurde, ist nicht zu entscheiden.
Offensichtlich hat man bald nach diesem Brand die noch aufrecht stehenden Partien der Ruine umgelegt und die Kirche mit Schutt und Erde sowie einer Steinsplittschicht abgedeckt. Dadurch wurde auch der sonst übliche Steinraub unterbunden.

[1] Vgl. P. Ruggendorfer, Die Grabung im Osten des Ptolemaions - So 14, XII Kazi Sonuçlari Toplantisi II 1989, 330f.; ders., Archäologische Beobachtungen am Ptolemaiuon in Limyra, in: J. Borchhardt u.a., ÖJh 61, 1991/92, Beibl. 161; A. Pülz, Eine frühchristliche Kirche beim Ptolemaion in Limyra, in: F. Blakolmer u.a. (Hrsg.), Fremde Zeiten. Festschrift für J. Borchhardt (1996) 1, 239ff.Vgl. P. Ruggendorfer, Die Grabung im Osten des Ptolemaions - So 14, XII Kazi Sonuçlari Toplantisi II 1989, 330f.; ders., Archäologische Beobachtungen am Ptolemaiuon in Limyra, in: J. Borchhardt u.a., ÖJh 61, 1991/92, Beibl. 161; A. Pülz, Eine frühchristliche Kirche beim Ptolemaion in Limyra, in: F. Blakolmer u.a. (Hrsg.), Fremde Zeiten. Festschrift für J. Borchhardt (1996) 1, 239ff.
[2] s. S. Kucher, P. Ruggendorfer, A. Wetzer, Die Grabungen im Osten des Ptolemaions, XXIII Kazi Sonuçlari Toplantisi II, 2000, 419ff. und A. Pülz, Die Kirche beim Ptolemaion, XXIV Kazi Sonuçlari Toplantisi II, 2001 (in Druck). Die Aufnahme und Auswertung der zahlreichen Funde sind noch nicht abgeschlossen. Eine ausführliche Publikation des Monuments durch den Verf. ist in Ausarbeitung.
[3] Damit folgte man der im kleinasiatischen Raum üblichen Tradition, vgl. J.P. Sodini, Note sur deux variantes régionales dans les basiliques de Grèce et des Balkans. Le tribèlon et l'emplacement de l'ambon, BCH 99, 1975, 585ff.
[4] Allgemein zu diesem Typus siehe P.H.F. Jakobs, Die frühchristlichen Ambone Griechenlands (1987) 44ff.
[5] Vgl. U. Treu (Hrsg.), Physiologus. Frühchristliche Tiersymbolik3 (1987).
[6] Bereits 1989 wurden die ersten Fragmente dieser Platte geborgen, vgl. Pülz a. O. 242 Abb. 6. Zur Symbolik des Fisches siehe L. Wehrhahn-Stauch, Christliche Fischsymbolik von den Anfängen bis zum hohen Mittelalter. ZKuGesch 35, 1972, 1ff.
[7] siehe etwa die Abbildung bei R. Jacobek, Eine reliefierte Schrankenplatte aus Limyra, in: J. Borchhardt - G. Dobesch (Hrsgg.), Akten des II. intern. Lykien-Symposions, Wien 1990, II (=DenkschrWien 235) (1993) 197ff.
[8] Vgl. hier etwa die Tierdarstellungen auf den Mosaiken in Jordanien, auf denen u.a. Kamele, Berglöwen, Bären, Ziegel, Esel etc. abgebildet wurden - also auch hier Tiere, die für die betreffende Region typisch waren bzw. sind. Siehe die Abbildungen bei M. Piccirillo, The Mosaics of Jordan (1993).
[9] P. Grossmann - H. G. Severin, Forschungen im süd-östlichen Lykien, TürkAD 25/2, 1981, 109.

© Andreas Pülz
e-mail:
Andreas.Puelz@oeaw.ac.at


This article will be quoted by A. Pülz, Die frühbyzantinische Kirche beim Ptolemaion von Limyra/Lykien, Forum Archaeologiae 25/XII/2002 (http://farch.net).



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