Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 17 / XII / 2000

ZUR GESCHICHTE DES INSTITUTS FÜR KLASSISCHE ARCHÄOLOGIE DER UNIVERSITÄT WIEN

Die Arbeit an der Homepage des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien (=IKA) hat mir die Tatsache in Erinnerung gerufen, daß eine eigene Publikation zur Geschichte des Instituts bis heute fehlt. Wenngleich der hier vorgelegte Beitrag keine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Geschichte und Entwicklung des Instituts und der von ihm ausgehenden Forschungsansätze sein kann, sollen hier die wichtigsten Daten zusammengefaßt und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Grundlage dafür bildet einerseits ein maschinschriftliches Manuskript im IKA, das von Hedwig Kenner, Gerhard Dobesch und Ernst Kirsten 1977 anläßlich der Hundertjahrfeier des Instituts für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik zusammengestellt wurde, andererseits eine Reihe von Arbeiten, die in den letzten Jahren zu der Hundertjahrfeier des Österreichischen Archäologischen Instituts sowie der Grabung Ephesos erschienen sind und vor allem die Personengeschichte abdecken. Für die Entwicklung des Instituts für Alte Geschichte, das ja die längste Zeit mit dem IKA eine Einheit bildete, sei auf die Diplomarbeit von Martina Pesditschek (Wien 1996) verwiesen.
Die erste Lehrkanzel für Archäologie der Universität Wien wurde am 14. 10. 1868 eingerichtet und mit Alexander Conze besetzt. Sie ist damit die Nachfolgerin der seit 1774 bestehenden Lehrkanzel für Münz- und Altertumskunde (gegründet durch Johann Joseph Hilarius Eckel), die nach dem Tod von Joseph Arneth 1861 aufgelassen worden war. Am 1. 10. 1876 erfolgte die Gründung des "archäologisch-epigraphischen Seminars", das die beiden Studienrichtungen der Klassischen Archäologie und der Alten Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik zusammenfaßte und somit eine Wiener Besonderheit darstellte, die - seit 1956 unter dem Namen "Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik" - bis 1984 weiterbestand. Dieses Seminar war zunächst am Dr. Ignaz Seipel-Platz 2 (heute Sitz der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) untergebracht und übersiedelte 1884 in das neue Hauptgebäude am Ring.
Alexander Conze (1869-1877) prägte als Forscher und Lehrer das Studium der Klassischen Archäologie in Wien. Seine Ansätze blieben für viele Jahrzehnte bestimmend für die Ausrichtung des Faches. Obwohl er - wie das gemeinsame "Seminar" mit der Alten Geschichte und Epigraphik beweist - fest in der Tradition der Altertumswissenschaften stand, folgte er gleichzeitig der modernen Entwicklung, welche die Klassische Archäologie zunehmend als Teil der Kunstgeschichte begriff. Zu seinen bedeutenden Leistungen in diesem Bereich zählt das Erkennen der geometrischen Kunst als integrativem Teil der griechischen Kunstgeschichte [1]. Zu erwähnen ist weiters die Einrichtung der Archäologischen Sammlung des Instituts. Darüber hinaus verstand er Archäologie aber stets als "große Archäologie" [2], deren Bedeutung über die reine Kunstgeschichte hinaus im Erfassen der kulturellen Gesamtheit ganzer Städte und Kulturlandschaften liegen sollte. So formulierte er schon anläßlich seiner Antrittsvorlesung in Wien am 15. April 1869: "... nicht nur der Tempel, sondern schon der einfach behauene Stein, der aufgeschüttete Grabhügel und der von Feldsteinen zusammengetragene Altar ... alles gehört herein".
Diese Beachtung aller antiken Zeugnisse unbeachtet ihres künstlerischen Wertes machte ihn schon früh zu einem Förderer dessen, was später als provinzialrömische Archäologie bezeichnet werden sollte [3], da er - etwa in der Frage der damals diskutierten Einwanderung der Griechen aus dem Norden - den engen Zusammenhang zwischen sogenannter Prähistorie und Klassischer Archäologie begriff. Aus diesem Interesse heraus setzte er sich auch nach seiner Wiener Zeit 1902 gegen viele Widerstände für die Gründung der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt/Main ein und schuf somit eine der wichtigsten Voraussetzungen für die institutionelle Erforschung der römischen Kultur nördlich der Alpen [4].
Gleiche Bedeutung kommt ihm in der Institutionalisierung der Grabungsarchäologie in Wien zu. In den Jahren 1873 und 1875 führte er zwei archäologische Expeditionen nach Samothrake durch, welche das neu erwachte Interesse an Ausgrabungen widerspiegeln und die Wiener Archäologie in die internationale Entwicklung einbanden. Hervorzuheben ist die wissenschaftliche Ausrichtung des Unternehmens und die für die Zeit moderne Vorgangsweise, wie sie sich etwa in der Mitnahme eines Photographen zeigt [5]. 1877 wurde Conze als Direktor des Skulpturenmuseums nach Berlin berufen, wo seine Laufbahn in der Erforschung Pergamons und im Generalsekretariat des Deutschen Archäologischen Instituts ihren Höhepunkt fand.


Abb. 1: Otto Benndorf
(Photo: Archiv Kirscher. Heide Kirscher, Seattle)

Als Nachfolger Conzes kam Otto Benndorf (1877-1898) von Prag nach Wien und setzte den Aufbau der Klassischen Archäologie in Wien fort. Die Zahl seiner Schüler war groß; viele von ihnen erlangten internationale Bedeutung, wie etwa Emanuel Löwy, Paolo Orsi, Alois Riegl oder Franz Studniczka, und wurden weit über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus bestimmend für die Geschichte der Klassischen Archäologie. Der erste Absolvent des Instituts war Moritz Hoernes, dessen Dissertation "Der Raub der Kassandra in griechischen und etruskischen Bildwerken mit Rücksicht auf verwandte Darstellungen vergleichend betrachtet" 1878 approbiert wurde. Hoernes wandte sich in der Folge der Prähistorischen Archäologie zu, für welche er 1892 die erste das Gesamtgebiet umfassende Lehrbefugnis in Europa erhielt. Auch die Gründung des heutigen Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien geht auf ihn zurück. 1882 wurde Franz Studniczka Assistent in Wien und habilitierte sich 1887 mit einer Arbeit zur archaischen Malerei; er erhielt 1889 eine Professur in Freiburg im Breisgau. 1887 erfolgte auch die Habilitation von Emanuel Löwy, der zwei Jahre später als Professor nach Rom berufen wurde, wo er bis zum Beginn des 1. Weltkriegs lehrte.


Der Schwerpunkt der Tätigkeit Benndorfs lag zweifellos in Kleinasien, wenngleich er sich auch in Österreich engagierte, und etwa die Initiative zur Errichtung des Museum Carnuntinum auf ihn zurückzuführen ist. Zwei Expeditionen in den Jahren 1881 und 1882 führten nach Lykien zum Heroon von Gölbasi-Trysa, dessen Reliefplatten schließlich für das Kunsthistorische Museum in Wien erworben wurden. 1890 erfolgte die Gründung der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der "Tituli Asiae minoris". 1895 begann Benndorf schließlich die Ausgrabungen in Ephesos (gemeinsam mit dem 1894 in Wien habilitierten Rudolf Heberdey), deren rasche Ausweitung ihn auf die Errichtung eines eigenen "Grabungsinstituts" drängen ließ, das 1898 im Österreichischen Archäologischen Institut verwirklicht wurde. Benndorf wurde sein erster Direktor und legte die Professur im gleichen Jahr nieder.

Benndorfs Nachfolger wurde sein Schüler Emil Reisch (1898-1933), der zuvor die Professur in Innsbruck innehatte. Reisch war ursprünglich als klassischer Philologe ausgebildet und hatte sich erst während seiner Stipendiatenzeit verstärkt der Klassischen Archäologie zugewandt; so konnte er etwa in Rom an Helbigs Führer durch die öffentliche Sammlung klassischer Altertümer mitarbeiten. In die Amtszeit von Reisch fällt das Entstehen der kunsthistorischen "Wiener Schule" von Wickhoff und Riegl. Ihre neuen Ansätze im Verständnis der römischen und spätrömischen Kunst wirkten weit über Wien hinaus und beeinflußten auch die "Strukturvorstellungen" von Guido Kaschnitz von Weinberg, einem Schüler von Emil Reisch [6]. Nach dem Tod von Robert von Schneider übernahm Reisch 1909 auch die Direktion des Österreichischen Archäologischen Instituts. In dieser Funktion gewann er 1910 Elis und 1916 Aigeira als österreichische Grabungsplätze in Griechenland. Das Organisationstalent und sein Geschick im Umgang mit Menschen ließen Reisch aber auch eine bedeutende Karriere an der Universität machen, deren Dekan (1910/11) und Rektor (1916/17) er wurde.
Dieses Organsiationstalent war schließlich auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie und in der schwierigen Zwischenkriegszeit in höchstem Maß gefragt, als eine völlige Umstrukturierung des Universitätsinstituts ebenso wie des Forschungsinstituts erforderlich wurde. Die erzwungene Reduktion des Grabungsbetriebs im Mittelmeerraum führte zu einer Erweitungerung der Aktivitäten im Inland, etwa in Carnuntum und Virunum, aber auch zu einer verstärkten Publikationstätigkeit [7]. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage konnte der Personalstand ausgeweitet werden. Der seit 1910 als Assistent an der Archäologischen Sammlung angestellte Camillo Praschniker bekam 1929 in Arnold Schober einen Kollegen, der besonders den provinzialrömischen Forschungsbereich abdeckte; gleichzeitig wurde Franz Miltner Bibliothekar. Auch Emanuel Löwy, der 1915 aus Italien nach Österreich zurückgekehrt war, konnte 1918 schließlich ein Extraordinariat in Wien erhalten, das er bis 1928 innehatte. Löwy, der 1938 verstarb, wurde durch seine Freundschaft und seinen Einfluß auf Sigmund Freud über die klassische Archäologie hinaus bekannt.
Für die Geschichte des Wiener Studienbetriebs sind zwei weitere Ereignisse bedeutsam. 1928-1931 wurden die ersten archäologischen Lehrgrabungen auf dem Duel (Kärnten) unter der Leitung von Rudolf Egger und des deutschen Vor- und Frühgeschichtlers Gerhard Bersu abgehalten, der somit wie in Deutschland, Ungarn und Bulgarien auch in Österreich zum Begründer der modernen Grabungstechnik wurde [8]. 1921 wurde Gisela Weyde mit dem Thema "Probleme der frühgriechischen Vasenmalerei" als erste Frau in Wien in Klassischer Archäologie promoviert. Ihr folgten mehr als zehn Jahre später Lili Deutsch-Alexander (1932) und Hedwig Kenner (1934) [9], aber auch Maria Petsch, verehelichte Schindler, sowie Herma Thaller, verehelichte Stiglitz, wobei hier nur jene Forscherinnen genannt sind, die auch weiterhin wissenschaftlich tätig waren [10].


Abb. 2: Camillo Praschniker
(Photo: R. Lullies - W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (1988) 224f.)

Nach der Emeritierung Reischs, der bald darauf verstarb, erhielt Camillo Praschniker (1934-1949) den Lehrstuhl. Praschniker war dem Institut als Assistent seit 1910 verbunden. Nach seiner Habilitation 1914 war er von 1923-1930 Professor in Prag; 1930 kehrte er als a.o. Professor in der Nachfolge von Löwy nach Wien zurück. Gleichzeitig mit der ordentlichen Professur übernahm er - bis 1945 gemeinsam mit Rudolf Egger - auch die ehrenamtliche Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts, das 1935 schließlich völlig an die Universität angegliedert wurde, um seine Auflösung zu verhindern. Zu den ersten Aufgaben Praschnikers gehörte die Neuordnung und Erweiterung der Abgußsammlung des Instituts, die seit 1936 von Hedwig Kenner in der Nachfolge von Arnold Schober betreut wurde.

Praschniker hatte sich während des 1. Weltkriegs gemeinsam mit Arnold Schober um die Erforschung der Altertümer in Albanien und Montenegro verdient gemacht, doch sein besonderes Interesse galt dem Parthenon. Bekannt sind seine Studien zu den Parthenonmetopen und zur Rekonstruktion der Athena Parthenos [11]. Waren vor dem Krieg 1933 und 1935 noch Untersuchungen am Mausoleum von Belevi bei Ephesos möglich, so konzentrierten sich die Forschungsschwerpunkte des Instituts nach dem Krieg auf die Fortführung der von Reisch begonnenen Arbeiten in Österreich. In Kärnten kooperierte Praschniker mit Rudolf Egger, der seit 1929 Ordinarius für römische Geschichte und Epigraphik in Wien war, jedoch immer schon ein starkes Interesse an der archäologischen Grabungstätigkeit gezeigt hatte und nach dem Zeugnis seiner Schüler bestens mit Praschniker harmonierte [12]. So stand auch die Wiederaufnahme der Grabungen auf dem Magdalensberg 1948 unter der Leitung von Camillo Praschniker.

Nach dem plötzlichen Tod Praschnikers im Jahr 1949 herrschte am Institut ein zweijähriges Interregnum, bis 1951 Otto Walter (1951-53) die Professur übernahm. Walter war damals bereit 68 Jahre und hatte sein Berufsleben von 1910 bis 1938 an der Zweigstelle Athen des Österreichischen Archäologischen Instituts bzw. als Honorarkonsul in Athen verbracht. 1948 war er schließlich a.o. Universitätsprofessor in Innsbruck geworden, von wo er für zwei Jahre nach Wien berufen wurde.
Auch sein Nachfolger Fritz Eichler (1953-1961) trat die Professur erst als pensionierter Leiter der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums an, das - obgleich Eichler sich 1931 habilitiert hatte und 1937 zum a.o. Professor ernannt worden war - seine Laufbahn wesentlich bestimmt hatte. Eichler war 1933 Leiter der Antikensammlung, 1951-52 Erster Direktor des Kunsthistorischen Museums geworden. Diese Tätigkeit spiegelt sich auch in seinem wissenschaftlichen Oeuvre wider. Trotz seines fortgeschrittenen Alters übernahm Eichler auch die Direktion des Österreichischen Archäologischen Instituts und leitete 1954 die Wiederaufnahme der Grabungen in Ephesos ein, deren Grabungsleitung zunächst Miltner, ab 1959 (bis 1968) Eichler innehatte.

Als Eichler 1961 emeritierte, wurde Hedwig Kenner (1961-1980) Ordinaria für Klassische Archäologie. Kenner war Schülerin von Camillo Praschniker und seit 1936 Assistentin der Sammlung des Instituts, in welcher Funktion ihr ab 1962 Friedrich Brein folgte. 1942 habilitierte sie sich mit einem CVA-Band [13]. Obwohl sie als selbständige, wissenschaftlich tätige Frau zweifellos zu den Pionierinnen des Faches in Österreich zählte und auch seit ihrem Studium an Ausgrabungen teilgenommen hatte, schien ihr selbst eine Frau an der Spitze einer vor allem mit Grabungen befaßten Institution wie dem Österreichischen Archäologischen Institut schwer vorstellbar, sodaß sie 1969 dessen Leitung zugunsten von Hermann Vetters ablehnte. Im Zentrum ihres Interesses stand hingegen die Lehre, die von ihren umfassenden Zyklen zur antiken Kunst geprägt war, sowie die Betreuung von mehr als 70 Doktorarbeiten.


Abb. 3: Hermann Vetters und Hedwig Kenner
(Photo: U.P. Schwarz, Landesmuseum für Kärnten, Klagenfurt)

Ihr wissenschaftliches Werk zeigt mehrere Schwerpunkte, von denen einer zweifellos die Beschäftigung mit der griechischen Kunst war [14]. Ihre besondere Liebe galt - ganz in der Tradition von Reisch - dem griechischen Theater. Fast ebenso wichtig muß ihre Tätigkeit im Bereich der provinzialrömischen Archäologie eingestuft werden. Kenner war von Beginn an Mitglied der Grabungen auf dem Magdalensberg, aber auch ihre Vorlagen von Funden aus Virunum und Carnuntum gehören zu den frühesten, modernen wissenschaftlichen Ansprüchen entsprechenden Fundpublikationen in Österreich. Auf dem Magdalensberg hat ihr Hauptinteresse später den Wandmalereien gegolten, denen sie auch eine Monographie widmete. Mit zunehmendem Alter rückten aber auch religionsgeschichtliche Themen immer stärker in den Vordergrund.

1969 wurde an der Universität Wien ein zweites Ordinariat für "Klassische Archäologie unter besonderer Berücksichtigung der Feldarchäologie und Altertumskunde" geschaffen, das mit Hermann Vetters (1969-1985) besetzt wurde. Gleichzeitig übernahm Vetters die Leitung des Österreichischen Archäologischen Institutes. Vetters hatte 1939 bei Rudolf Egger über die Provinz Dacia Ripensis promoviert. Bestimmend für seine Interessen waren neben dem Einfluß seines Vaters, der Geologe war, zweifellos die Person seines Lehrers Rudolf Egger [15], aber auch die ersten Grabungserfahrungen 1935 und 1938 auf dem Ulrichsberg sowie 1936-37 in Bulgarien bei den Grabungen von Gerhard Bersu und Ivan Velkov.

1939 erhielt er seine erste Anstellung am Österreichischen Archäologischen Institut mit dem Aufgabenschwerpunkt in Carnuntum. Nach der Rückkehr aus dem Krieg wurde Vetters zunächst freigestellt, 1946 jedoch wieder in den Dienst aufgenommen. In die Jahre nach dem Krieg fallen zahlreiche Grabungen in Österreich, wie etwa jene gemeinsam mit Wilhelm Jenny in Enns, aber auch auf dem Magdalensberg. Aufgrund seiner Grabungserfahrung in Bulgarien konnte Vetters hier neue Maßstäbe für die Entwicklung der Ausgrabungstechnik in Österreich setzen, aber auch im Bereich der Mittelalterarchäologie leistete er mit den Grabungen im Salzburger Dom (1956-1958 sowie 1966) Pionierarbeit. Er gehörte auch zu den ersten, die sich für eine aktive Einbindung der Archäometrie in die archäologischen Arbeiten einsetzten [16].
1960 nahm Vetters erstmals an den Grabungen in Ephesos teil, wo er in der Freilegung und Erforschung der Hanghäuser das bestimmende Thema seines Lebens fand. 1965 habilitierte sich Vetters in Altertumskunde und Alter Geschichte; 1969 wurde er zum Ordinarius ernannt und übernahm gleichzeitig von Fritz Eichler die Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts und der Grabungen von Ephesos. Sowohl das 1981 wieder von der Universität getrennte und als eigenständiges Forschungsinstitut geführte ÖAI als auch die Grabungen von Ephesos sind unter ihm zu Großunternehmen geworden. Er verflocht beide mit seinen Aufgabenbereichen an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, deren Vizepräsident er von 1982-1991 war, und verlieh so der österreichischen Archäologie einen gewaltigen Auftrieb, der freilich auch seine Schattenseiten zeigte. So litt der akademische Lehrer Vetters unter chronischem Zeitmangel, den er freilich durch die Einbeziehung seiner Schüler und Schülerinnen in seine vielfältigen Forschungsunternehmen sowie durch finanzielle Förderung im Rahmen der neu geschaffenen Möglichkeiten wettzumachen suchte. Vetters emeritierte 1985, blieb aber bis zu seinem Tod im Frühjahr 1993 als Leiter der Kommission für Praktische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften seinem Fach verbunden.

Neben diesen beiden Ordinarien hatte seit 1978 Wilhelm Alzinger die Planstelle eines a. o. Professors am Institut für Klassische Archäologie inne. Alzinger war seit 1952 am Österreichischen Archäologischen Institut angestellt und in dieser Funktion Grabungsleiter von Aguntum und Lavant in Osttirol, seit 1956 aber auch regelmäßig Grabungsteilnehmer in Ephesos. 1970 erschien seine Habilitationsschrift zur augusteischen Architektur in Ephesos. In den folgenden Jahren wurden Alzinger die Arbeiten in Aigeira in Griechenland übertragen, die er bis 1988 leitete. Architektur und Bauforschung bildeten auch die Schwerpunkte der Lehre Alzingers, der 1993 - bereits schwer krank - in Pension ging und 1998 starb.

Im Jahr 1982 wurde Jürgen Borchhardt Nachfolger Hedwig Kenners und brachte den traditionsreichen Schwerpunkt der Lykienforschung zurück ans Institut. In organisatorischer Hinsicht setzte er sich für die Einrichtung eines selbständigen Institutes für Klassische Archäologie ein, die nach der Auflösung des alten Instituts für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik am 15. 5. 1984 erfolgte. 1988 übersiedelte das Institut in den ersten Stock des neu geschaffenen "Archäologiezentrums" im Währinger Park. 1989 trat Fritz Krinzinger die Nachfolge von Hermann Vetters an. Mit ihm erhielt das Wiener Institut einen neuen Forschungsbereich in Großgriechenland sowie mit Velia und mit Altheim zwei neue Grabungsplätze. Krinzinger übernahm zusätzlich zu seiner Professur 1995 die Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts von Gerhard Langmann und setzte somit die traditionsreiche Personalunion von Ordinarius und ÖAI-Direktor fort. Seit 1996 wird das Fach "Römische Archäologie" am IKA zusätzlich durch eine Zeitprofessur von Univ. Prof. Andreas Schmidt-Colinet vertreten. 1999 wurde die langjährige Assistentin des Instituts, Renate Pillinger zur Univ.-Professorin für Frühchristliche Archäologie ernannt. Am 3. November 1999 wurde das Institut für Klassische Archäologie in ein Institut nach UOG 93 umgewandelt [17].

Bibliographie:
E. Weber, Hundert Jahre Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik, Römisches Österreich 4, 1976, 301 ff.
H. Kenner - G. Dobesch - E. Kirsten, Hundert Jahre Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik der Universität Wien (1876-1976), Maschingeschriebenes Manuskript, Wien (1977).
M. A. Niegl, Die archäologische Erforschung der Römerzeit in Österreich. Eine wissenschaftliche Untersuchung. DenkschrWien 141 (1980).
R. Lullies - W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (1988):
A. H. Borbein, Alexander Conze. 59 ff.
H. Kenner, Otto Benndorf; 67 f.
H. Döhl, Franz Studniczka 138 f.
H. Kenner, Emil Reisch, 150 f.
E. Diez, Rudolf Heberdey152 f.
E. Diez, Arnold Schober, 232 f.
H. Kenner, Camillo Praschniker, 224 f.
H. Kenner, Otto Walter, 214 f.
R. Noll, Fritz Eichler, 240 f.
E. Rudolf, Hephaistos 13, 1995, 187-220.
G. Wiplinger - G. Wlach, Ephesos. 100 Jahre österreichische Forschungen (1995).
T. Wohlers-Scharf, Forschungen von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten (1995).
Martina Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte an der Universität Wien, Dipl. Arbeit Wien (1996).
100 Jahre Österreichisches Archäologisches Institut - 1898 - 1998 (1998.)
F. Brein, Emanuel Löwy. Ein vergessener Pionier (1998).
[1] A. Conze, Zur Geschichte der Anfänge der griechischen Kunst, SB Wien 64, 1870, 505 ff.
[2] Winkelmann-Feier 1902, vgl. AA 1902, 167.
[3] Vgl. H. U. Nuber, Provinzialrömische Archäologie an deutschen Universitäten, in: Provinzialrömische Forschungen. Festschrift für Günter Ulbert zum 65. Geburtstag (1995) 397 ff.
[4] Vgl. dazu W. Krämer, Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Römisch-Germanischen Kommission, Beih. BerRGK 58, 1977, 7 ff.
[5] A. H. Borbein, Archäologenbildnisse (1988) 60 nennt die Grabungen in Samothrake "...die erste von Nordeuropäern im Süden durchgeführte Grabung mit rein wissenschaftlicher Zielsetzung"; Trigger verweist darauf, daß hier die von G. Fiorelli bei den seit 1860 durchgeführten Ausgrabungen Pompeiis formulierten Anforderungen, wie etwa die Beachtung der Stratigraphie, Berücksichtigung fanden und nicht mehr das Finden von Altertümern oberstes Gebot war. Vgl. dazu B. G. Trigger, A History of Archeological Thought (1989)196; auch R. Bianchi-Bandinelli, Klassische Archäologie. Eine kritische Einführung (1978) 90 ff, besonders 96 ff.
[6] Vgl. dazu H. H. Wimmer, Die Strukturforschung in der Klassischen Archäologie. Europäische Hochschulschriften Ser. 38, Bd. 60 (1997) 148 ff.
[7] So erschienen damals etwa die Forschungen in Ephesos II-IV; A. Riegl, Spätrömische Kunstindustrie I (1901 im Großformat, 1927 nachgedruckt) und II (1923) und C. Praschniker, Parthenonstudien (1928) ebenso wie eine große Reihe von Führern zu Ephesos, aber auch zu Orten im Bereich der ehemaligen Monarchie wie Pola, Aquileia, Poetovio, Carnuntum, Aquincum, etc.
[8] Vgl. W. Krämer, Gerhard Bersu zum Gedächtnis, BerRGK 45, 1964, 1 ff.
[9] L. Deutsch-Alexander, Die Perserdarstellungen in der griechischen Kunst, approbiert von Praschniker und Reisch (1932); H. Kenner, Das Luterion im Kult, approbiert von Praschniker und Schlosser (1934), E. Weber, RÖ 4, 1976, 309 gibt fälschlich L. Deutsch-Alexander als erste Promovierte an.
[10] M. Petsch, Die Götterverehrung in Noricum zur Römerzeit, approbiert von Egger und Praschniker (1936); H. Thaller, Die Bevölkerung Noricums, approbiert von Egger und Keil (1945). Andere, wie etwa Melanie Hierath, verehelichte Vetters, promoviert 1936 von Egger und Praschniker mit dem Thema "Beiträge zur Geschichte und Kultur Österreichs in der Zeit von den Markomannenkriegen bis zum Regierungsantritt Diokletians", blieben mit der Archäologie vor allem als Ehefrauen institutionalisierter Archäologen in Kontakt - eine Tradition, die sich noch weit in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg fortsetzte.
[11] C. Praschniker, Parthenonstudien (1928).
[12] So erzählt Hedwig Kenner in dem Manuskript zur Hundertjahrfeier des Instituts 1976, daß die jüngeren Kollegen die Professoren Rudolf Egger, Camillo Praschniker und Josef Keil wegen ihrer harmonischen Verbundenheit "die heiligen drei Könige" nannten.
[13] H. Kenner, CVA Wien (1).
[14] Vgl. hier und in der Folge die bibliographischen Angaben in W. Alzinger - Ch. Schwanzar - G. Neeb (Hrsg.), Pro arte antiqua. Festschrift für Hedwig Kenner, Sonderschriften des ÖAI 18, Band 1 (1982) in der Einleitung von H. Vetters (o. S.) sowie bei E. Heinzel, In memoriam Hedwig Kenner, ÖJh 62, 1993, 1 f.
[15] Bezeichnend dafür mag sein, daß Hermann Vetters selbst im hohen Alter von Egger selten anders als vom "Papa" (mit der Betonung auf dem zweiten "a") sprach, wie die Autorin selbst bezeugen kann.
[16] Zum wissenschaftlichen Werk von Hermann Vetters vgl. die von M. Bodzenta zusammengestellte Bibliographie in: Lebendige Altertumswissenschaften. Festschrift für Hermann Vetters (1985), XV ff.
[17] Teil 5 der Satzung "Gliederung und Leitung der Universität Wien" II Gliederung der Universität Wien, § 2 Institutsgliederung.

© Verena Gassner
e-mail:
Verena.Gassner@univie.ac.at

This article will be quoted by V. Gassner, Zur Geschichte des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien, Forum Archaeologiae 17/XII/2000 (http://farch.net).



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