Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 72 / IX / 2014

DIE LÖSUNG DES DORISCHEN ECKKONFLIKTS DURCH EINFACHE ECKKONTRAKTION

Bei der sog. einfachen Eckkontraktion steht die Regelmäßigkeit der Metopen und Triglyphen im Vordergrund: Diese bleiben in ihrer Größe absolut einheitlich und entsprechen so zugleich dem Normaljoch des Tempels. Die Säulen – mit Ausnahme der Ecksäulen – stehen dabei mittig unter jeder zweiten Triglyphe. Diese Grundvoraussetzungen haben zur Folge, dass das Eckjoch gegenüber dem Normaljoch verkleinert werden muss, da sonst der Abakus des jeweiligen Eckkapitells zu weit über den Architrav hervorkragen würde. Diese einfache Eckkontraktion kann durch eine doppelte Kontraktion erweitert werden. Im zweiten Fall werden sowohl das Eckjoch, als auch das angrenzende Nachbarjoch kontrahiert; der Metopen-Triglyphen-Fries bleibt weiterhin regelmäßig (Abb.).


Im Hinblick auf die Gesamtarchitektur des Tempels hat das verschiedene Veränderungen zur Folge: Je nachdem wie ausgereift und durchgeplant das jeweilige Baukonzept war, nahm man Anpassungen an der Krepis vor. Wenn die Platten und Fugen sich ebenfalls nach den Jochen richteten, so musste folglich auch dort die Eckkontraktion sichtbar werden. Je stärker also eine Symmetrie im gesamten Bau vorhanden ist, umso eindrücklicher werden die Auswirkungen der Eckkontraktion.
Im Vergleich mit der Lösung des Konflikts im Fries fällt auf, dass die einfache Eckkontraktion vermeintlich den gegenläufigen Entwurf zur Friesverlängerung darstellt: Der Fries bleibt regelmäßig, wohingegen die Säulenstellung variiert [1]. In der Fachwelt umstritten ist jedoch die Bedeutung des regelmäßigen Frieses für die griechische Architektur. Einerseits wird postuliert, dass die Regelmäßigkeit des Frieses das ausgesprochene Ziel der Architekten gewesen sei [2]. Diese Annahme beruht jedoch auf der Hypothese, dass es eine mathematische Formel gegeben habe, welche allen Architekten zur Verfügung stand, um den benötigten Säulenabstand im Vorhinein berechnen zu können. Im Fries hätte ja im Nachhinein kein Ausgleich mehr stattfinden dürfen. Andererseits wird angenommen, dass eine derartige Formel nicht existiert haben könne [3]. Somit sei die Eckkontraktion unabhängig vom Fries durchgeführt worden.
Insgesamt stellt sich zudem die Frage, ob einheitliche Triglyphen nun Regel oder Ausnahme der griechischen Tempelarchitektur gewesen sind. Dem allgemeinen Forschungsstand folgend, habe sich im Laufe der Jahrhunderte eben dieses Konzept gegenüber den anderen Lösungen – besonders im griechischen Mutterland – durchgesetzt [4]. Bei genauerer Untersuchung der erhaltenen Beispiele kann davon aber tendenziell nicht die Rede sein: Selbst in klassischer Zeit hatten im Mutterland weniger Tempel eine regelmäßige Triglyphe als eine unregelmäßige [5]. Folglich dürfte die einfache Eckkontraktion in ihrer reinen Form eher als eine von vielen möglichen Varianten anzusprechen sein.

Hier finden Sie alle Zeichnungen als hochaufgelöste Dateien bereit zum Download.

[1] Vgl. hierzu auch Osthues 2005, 13.
[2] Vgl. hierzu bes. Knell 1988, 6; Müller-Wiener 1988, 116; Gruben 2001, 43; zusammenfassend bei Osthues 2005, 76. 84.
[3] Zuerst bei Riemann 1935, 148. 172. 201f.; ebenso vehement Coulton 1977, 62; vgl. zusammenfassend Osthues 2005, 76. 84; eine Entscheidung für oder gegen eine dieser Positionen scheint sich nach Osthues nicht abzuzeichnen.
[4] z.B. bei Müller-Wiener 1988, 116f.; Mertens 2006, 31–34. Vergleichend hierzu Osthues 2005, 13.
[5] Vgl. hierzu ausführlich Osthues 2005, 83.

Literatur
J.J. Coulton, Greek Architects at Work. Problems of Structure and Design (New York 1977)
G. Gruben, Griechische Tempel und Heiligtümer 5(München 2001)
H. Knell, Architektur der Griechen 2(Darmstadt 1988)
D. Mertens, Städte und Bauten der Westgriechen. Von der Kolonisationszeit bis zur Krise um 400 vor Christus (München 2006)
W. Müller-Wiener, Griechisches Bauwesen der Antike (München 1988)
E.-W. Osthues, Studien zum dorischen Eckkonflikt, JdI 150, 2005, 1–154
H. Riemann, Zum griechischen Peripteraltempel. Seine Planidee und ihre Entwicklung bis zum Ende des 5. Jhdts. (Düren 1935)


© Katinka Sewing
e-mail: katinka.sewing@st.oth-regensburg.de

This article should be cited like this: K. Sewing, Die Lösung des dorischen Eckkonflikts durch einfache Eckkontraktion, Forum Archaeologiae 72/IX/2014 (http://farch.net).



HOME