Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 44 / IX / 2007

REKONSTRUKTION DER TÜREN IN DER NORD- UND WESTMAUER DES MARMORSAALES 31 DER WOHNEINHEIT 6 IM HANGHAUS 2 VON EPHESOS

Der sog. Marmorsaal 31 der Wohneinheit 6 (Plan) erhielt seine heutige Form in der spätflavisch-traianischen Bauphase II und blieb in dieser Form bis zu seiner Zerstörung im 3. Viertel des 3. Jhs. n.Chr. erhalten [1]. Er weist Maße von 11,85 m x 15,10 m auf. K. Koller hat eine Umrechung auf den römischen Fuß (pes romanus = 0,2962 m) vorgeschlagen und nimmt daher Raummaße von 40 x 51 Fuß an (Abb. 1) [2]. Die Wände sind in unterschiedlicher Höhe erhalten und waren in drei Zonen (Sockel-, Pilaster- und Emblematazone) mit verschieden farbigen Marmorplatten verkleidet, die teilweise noch in situ vorhanden bzw. aufgrund ihrer Abdrücke in der ca. 10 cm starken Mörtelhinterfüllung zu rekonstruieren sind. Ferner fand man zahlreiche Haken und Stifte aus Bronze, die der Befestigung der Platten an den Wänden dienten. Die Wandausstattung wurde von Koller in das erste Viertel des 2. Jhs. n.Chr. datiert [3].
Die Nordwand weist zwei kleinere und eine große, zentrale Türöffnung auf, auf die später ausführlich eingegangen wird. Eine weitere Tür mit einer Breite von 0,96 m liegt im nördlichen Teil der Westwand und führt in Raum 36.
Zur sonstigen Ausstattung des Raumes ist festzuhalten, dass sich in der Südmauer eine ebenfalls marmorverkleidete Apsidennische mit einer Breite von 1,33 m und einer Höhe von 2,40 m befindet. Ferner ist im nördlichen Bereich des Fußbodens ein quadratisches, mit alabastro fiorito verkleidetes Bodenwasserbecken mit einer Seitenlänge von ca. 1,27 m installiert. Die Bodenausstattung besteht aus weißen Marmorplatten mit dunklen, ebenfalls aus Marmor gefertigten Trennlinien und einem U-förmigen Mosaik im Süden des Raumes. Er ist als triclinium-Boden anzusprechen und liefert damit einen offensichtlichen Hinweis auf die Raumfunktion, also als Ort für Symposien [4].
Die Rekonstruktion der marmornen Wandverkleidung und die Türmaße wurden aus der Dissertation von Koller übernommen.
Die Nordwand des Marmorsaales ist nur noch teilweise erhalten, ihre maximale noch erhaltene Höhe an der Ostseite beträgt 4,80 m bei einer Mauerstärke von ca. 0,74 m. Die Baumaterialien sind grob zugehauene Bruchsteine und Quader, nur der Entlastungsbogen über der kleinen Seitentür im Westen ist aus Ziegeln hergestellt. Die zwei seitlichen Türöffnungen sind mit rezent eingefügten Türstürzen aus Holz versehen, mittig befindet sich der große Haupteingang zum Saal.

Das hier vorgestellte Modell der Nordwand im Maßstab 1:20 wurde nach den bisher vorliegenden Plänen und Wandaufnahmen angefertigt. Es wurde dabei versucht, sowohl den Blick vom Peristylhof 31a, als auch vom Marmorsaal 31 darzustellen. Der Blick von Norden, vom Peristylhof 31a (Abb. 2), bietet die "archäologische Ist-Version", dreht man das Modell um, hat man in der Ansicht vom Marmorsaal 31 die "originale War-Version" vor sich (Abb. 3), d.h. das, was der Betrachter im 3. Jh. n.Chr. gesehen hat.

Bezüglich den Türmaßen, wurden zunächst die Ausführungen Vitruv's zu den Maßen von Tempeltüren (er unterscheidet einen dorischen, ionischen und attischen Türtyp) und deren Umrahmungen herangezogen [5]. Anhand der dort vorgegebenen Berechnungen und des lichten Maßes am Fuße des Türstocks wurde versucht, die Höhe des mittleren Portals zu berechnen; jedoch konnte das Ergebnis nicht mit dem Baubefund in Einklang gebracht werden [6]. Aus diesem Grund, und weil der Tempelbau nicht 1:1 auf den Wohnbau übertragen werden kann, wurden die bei Koller vorliegenden Daten als Rekonstruktionsgrundlage herangezogen. Von Vitruv, der die Türblätter in der Senkrechten in einem Verhältnis von 3:2 untergliederte, wurde jedoch diese Unterteilung übernommen [7].
Mein Hauptaugenmerk lag auf der 2,80 m weiten, mittigen Türöffnung. Auf Grund der noch in situ befindlichen zweiteiligen Marmorschwelle mit Anschlag und zwei eingelassenen Scharnierlöchern stand außer Frage, dass es sich hierbei um eine sich nach innen öffnende, mehrflügelige Tür handelte [8].

Türen gehörten bereits in der griechischen Antike, seit dem 8./7. Jh. v.Chr., zu den repräsentativen und wichtigsten Bauteilen der Tempel und Wohnhäuser. Form und Gestaltung ließen den Rang des Erbauers oder Besitzers erahnen und hoben somit den Status eines Bauwerkes [9]. Sie gehörten in Privathäusern zum beweglichen Mobiliar, welches im Falle eines Umzuges auch mitgenommen wurde. Aus antiken Verträgen den Hauskauf betreffend ist bekannt, dass extra vermerkt wurde, ob die Immobilie mit Türen ausgestattet war oder nicht [10]. E. und S. Künzl stellen in ihrer Bearbeitung zum Prunkportal von Ladenburg viele Beispiele für Türen römischer Zeit vor. Als Vergleichsbeispiele vierflügeliger Türen für die hier vorliegende Rekonstruktion sind die malerische Darstellung einer Tür aus Torre Annunziata, und die noch erhaltene Holztür der Kirche S. Sabina in Rom (Abb. 4) aus dem 5. Jh. n.Chr. am geeignetsten [11].
Bezüglich der Türmaße ist festzuhalten, dass die zentrale Tür auf den Peristylhof 31a 3,60 m hoch ist, während die beiden anderen Türen in der Nordmauer eine Höhe von 2,10 m besitzen [12]. Für die Breite der Mitteltür wurde ein Maß von 2,80 m als Grundlage genommen, für die Stärke der Tür 10 cm, da diese Materialstärke bei so schmalen und hohen Türflügeln genügend Halt und Beständigkeit gegen ein Verziehen bieten müsste. Von außen wurden die Falttürblätter mit runden Türziehern mit einem Durchmesser von 12 cm versehen, der Schließmechanismus dagegen wurde aus Mangel an diesbezüglichen archäologischen Belegen in Raum 31 nicht berücksichtigt (Abb. 5).
Aus mehreren Gründen wurde einer vierflügeligen Falttür der Vorzug gegeben: Zunächst sprach die Anzahl der in Raum 31 gefundenen Scharnierbänder dafür, außerdem handelte es sich um die zeitgemäßere und elegantere Lösung: Die vier lediglich 0,70 m, statt zwei 1,40 m breiten Türblätter entsprechen dem damaligen architektonischen Trend, der lange schmale Türblätter vorgab. Hinzu kommt, dass sich eine Falttür wesentlich besser in das Platzangebot fügt als eine einflügelige Konstruktion. Sie lässt sich ohne großen Aufwand in verschiedene Richtungen wegklappen, steht also auch nicht unnötig weit in den Raum hinein, verdeckt weit geöffnet kaum den Blick auf die verzierten Wände und stört so niemals das Raumgefühl.

Die acht vor Ort bei den Ausgrabungen gefundenen, massiv gegossenen bronzenen Scharnierbänderpaare gaben den genauen Bewegungsradius der einzelnen Türflügel vor (Abb. 6-7) [13]. Interessant waren hier v.a. die fehlenden Durchlochungen der Scharnierzungen zur Befestigung auf einem Trägermaterial. Stattdessen waren alle Zungen trapezförmig angefertigt worden. Diese Bandform kann eventuell aus ästhetischen Motiven resultieren, d.h. die Scharnierbänder sollten sich in den Rahmen der einzelnen Türblätter verdeckt einbauen lassen. Ohne sie mit Nägeln zu fixieren, verklemmten sich die Bänder durch ihre zu den Enden hin breiter werdenden Trapeze von selbst (Abb. 8). Fertigt man die Rahmenstücke des Türblattes zweiteilig an, baut man also zwei Rahmen für ein Türblatt, so würden sich die Bänder an der gewünschten Position durch eine Ausnehmung im Holz einlegen lassen (Abb. 9). Durch die folgende Aufdoppelung des Rahmenstückes wären die Bänder zur Gänze verschwunden, d.h. auf den Sichtseiten der Türblätter wären keine punktuell zusammengefassten "Nagelansammlungen" mehr an den Stellen, wo es das Band zu fixieren galt; hingegen könnte man den Türblattrahmen mit einer gleichmäßig umlaufenden Reihe von Ziernägeln oder -nieten versehen. Mit dem gleichen System könnten die Bänder m.E. im Türstock befestigt gewesen sein. So könnten die trapezförmigen Lappenenden in einer ebenfalls zweiteiligen, massiv gebauten Holzverkleidung der Türzarge eingelassen worden sein, eingeklemmt durch ihre auseinander laufende Form. Beim Einhängen der Türflügel wäre nur ein Splint durch die Scharniere zu treiben. Damit hätte man eine dezente und ästhetische Lösung gefunden, die der Gesamtoptik sehr zuträglich wäre.
Die beiden Seitentüren waren bei ihrer Aufdeckung durch H. Vetters vermauert (Abb. 10-11) [14].
Die Breite der Nebeneingänge kann mit 0,76 m im Westen und 1,10 m im Osten angegeben werden, die Höhe liegt bei jeweils 2,10 m [15]. Die schmale Tür im Westen verbindet den Marmorsaal 31 mit dem Südumgang des Peristylhofes 31a, über den einerseits der Hof und die um diesen gruppierten Räume erschlossen wurden, andererseits hat eine Treppe im Westen des Umgangs ins Obergeschoss geführt. Über die breitere Tür im Osten besteht eine Verbindung zu einem luxuriös ausgestatteten Bad, das sekundär in den Ostumgang des Peristylhofes eingebaut wurde. Die Tür in der Westmauer führte in Raum 36 und ist damit als direkter Zugang zu den weniger öffentlichen Bereichen 36, 36a, 8 und 8a zu verstehen [16]. Die Funktion der beiden kleineren Türen in der Nordmauer des Marmorsaales 31 ist m.E. die von Dienstboteneingängen: In diesem Zusammenhang ist besonders für die Westtür der Nordwand die Nähe zu den im Obergeschoss liegenden Räumen 32 und 32b relevant (zugänglich über die Treppe in 36b), über die die Räume 33, 34, 34a, 34b, 35 und 37 der Wohneinheit 7 erreicht werden konnten, die als Wirtschaftsräume anzusprechen sind [17]. Die Osttür der Nordwand bot außerdem einen gesonderten Zugang zu dem in Bauphase IV in die Ostportikus einbauten Privatbad [18].

Bedenkt man den Repräsentationsanspruch, der in der Anlage des Marmorsaales 31 zum Ausdruck kommt, so ist durchaus vorstellbar, dass eine große Anzahl von Türen als Zeichen des Wohlstandes des Hausbesitzers aufzufassen ist [19]. Darüber hinaus vermitteln die drei Portale aus der Sicht des Peristylhofes 31a die Illusion eines weitaus größeren Raumes.
Die beiden seitlichen Türen in der Nordmauer des Marmorsaales 31 werden als zweiflügelige Türen rekonstruiert, da auf den Schwellensteinen zu beiden Seiten ausgebrochene Türangellöcher vorhanden sind. Beim Öffnen beider Türen würden die Türblätter fast komplett im Türloch verschwinden und hätten somit nicht die Sicht auf die marmornen Wandverkleidungen verdeckt (Abb. 3). Eine Türblattstärke von 8 cm hätte vollkommen ausgereicht. Bei der Rekonstruktion der Türflügel wurde bei der Tür im Westen auf jeglichen Zierrat verzichtet, sie wurde lediglich mit einem zeitgemäßen Hakenschlüssel versehen. Die andere Tür, die sich auf das Bad im Ostumgang des Peristylhofes 31a öffnete, bekam jeweils einen Türzieher pro Flügel als Handhabe.

[1] Thür, Chronologie, 60-65; allgemein zum Hanghaus 2 s. Beitrag Thür.
[2] Koller, Marmorsaal, 18f.
[3] Koller, Marmorsaal, 58ff.
[4] Zu Raumfunktion und Möblierung von Raum 31 s. Beitrag Stökl.
[5] Vitruv, De Architectura 4, 6 (Hrsg. C. Fensterbusch, 190-195). Eine zeichnerische Rekonstruktion der bei Vitruv beschriebenen Türen hat T.N. Howe unternommen, s. I.D. Rowland - T.N. Howe, Vitruvius, ten books on architecture (Cambridge 1999) 231ff.
[6] Die Raumhöhe bildet die Grundlage für Vitruvs Berechnungen der Türhöhe. Für Raum 31 wird die maximale Höhe mit 8,70 m in der Südwestecke der Westwand angegeben, s. Koller, Marmorsaal, 20. Für die dorische bzw. attische Tür müsste man deswegen bei einer lichten Weite von 2,848 m eine lichte Türhöhe von 6,214 m annehmen. Die ionische Tür hätte dieselbe Höhe bei einer lichten Weite von 2,486 m. Das lichte Maß der mittleren Tür von Raum 31 beträgt zwar ca. 2,80 m, die Höhe von 6,214 m erscheint allerdings unproportional. Außerdem ist ein Mauerversatz in einer Höhe von ca. 3,60 m wahrscheinlich aus Ausriss des Türsturzes zu interpretieren.
[7] Vitruv, De Architectura 4, 6 (Hrsg. C. Fensterbusch, 194f.).
[8] Vitruv, De Architectura 4, 6 (Hrsg. C. Fensterbusch, 190ff.). Das unterscheidende Kriterium zwischen dorischer, ionischer und attischer Tür war allerdings das Dekor des Rahmens, die Gestaltung der Türblätter selber spielte dabei keine Rolle.
[9] DNP 12/1 (2002) Sp. 891f. s.v. Tür II. Griechisch - Römische Antike (Ch. Höcker); zu Türen in römischen Atriumhäusern und Domus s. v.a. Dickmann, Domus, 229-240.
[10] E.-L. Schwandner, Einzelprobleme, in: W. Hoepfner, Geschichte des Wohnens 1 (Stuttgart 1999) 531f.
[11] E. Künzl - S. Künzl, Das römische Prunkportal von Ladenburg. FBerBadWürt 94, 2003, 260-263 Abb. 30, 323ff. Abb. 9a und b.
[12] Koller, Marmorsaal, 21.
[13] Ich danke an dieser Stelle Elisabeth Rathmayr für die genauen Angaben zu Zahl und Maßen der Scharniere. H. Vetters spricht von sieben Bronzescharnieren, die er einem eingestürzten Baugerüst zuordnet: H. Vetters, Ephesos. Vorläufiger Grabungsbericht für die Jahre 1984 und 1985, AnzWien 123, 1986, 96.
[14] Diese Maßnahme wurde vom Ausgräber noch in die zweite Hälfte des 4. Jhs. n.Chr. datiert: H. Vetters, Ephesos. Vorläufiger Grabungsbericht 1986/87, AnzWien 125, 1988, 97.
[15] Koller, Marmorsaal, 21.
[16] Vgl. Dickmann, Domus, 237: "Die Vielzahl von Durchgängen, die in den meisten Fällen mit Flügeltüren zu rekonstruieren sein werden, muß bei der geschickten Verschränkung der Wohnräume als direkter Hinweis auf unterschiedliche Benutzungsformen und damit sehr differenzierte Grade von Öffentlichkeit verstanden werden".
[17] Thür, Chronologie, 62. Auch der schmalen Tür der Westwand, die in Raum 36 führt, kann wahrscheinlich eine ähnliche Funktion im Zusammenhang mit der Bedienung zugesprochen werden.
[18] Thür, Chronologie, 61.
[19] An der Südseite des Peristylhofs der Wohneinheit 6 steht eine Inschrift auf der nordseitigen Brüstung eines Brunnenbeckens. Diese nennt als vermutlichen Besitzer der Wohneinheit C. Flavius Furius Aptus, einen Alytarchen und Dionysospriester im mittleren 2. Jh. n.Chr., s. C. Schulte, Die Grammateis von Ephesos. Schreiberamt und Sozialstruktur in einer Provinzhauptstadt des römischen Kaiserreiches, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 15 (Stuttgart 1994) 98f. 118. 182f. 186. 189f.; W. Eck, RE Suppl. XV (1978) Sp. 100 Nr. 117a s.v. Flavius (W. Eck); zuletzt E. Rathmayr, Die Skulpturenausstattung der Wohneinheiten 4 und 6 des Hanghauses 2 in Ephesos, (Unpubl. Diss. Salzburg 2002) 64-66.

© Sebastian Swientek
e-mail: herrderbusse@gmx.at


This article should be cited like this: S. Swientek, Rekonstruktion der Türen in der Nord- und Westmauer des Marmorsaales 31 der Wohneinheit 6 im Hanghaus 2 von Ephesos, Forum Archaeologiae 44/IX/2007 (http://farch.net).



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