Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 28 / IX / 2003

NOCHMALS PEION

Den niedrigeren, aber anscheinend bedeutenderen der beiden Stadtberge von Ephesos, den Peion, stellt ein neu aufgetauchtes numismatisches Bild in abgewandelter Form nochmals vor, ohne allerdings seinen Namen anzugeben [1]. Die bisherigen Münzbilder [2], alle mit der Namensangabe ΠΕΙΩΝ ΕΦΕΣΙΩΝ, reihen sich wie folgt:

Kaiser 1. Zentralfigur 2. Zentralfigur = Peion Umgebung Nebenfigur
A. Pius [3]
Zeus Hyetios auf Fels n.re. liegt darunter n.re., zu Zeus aufschauend dazwischen Tempel über Eck mit Zypresse .
A. Pius [4]
Zeus Hyetios auf Fels n.re. liegt darunter n.re., zu Zeus aufschauend dazwischen Tempel über Eck mit Zypresse, um Zeus 2 Türme .
A. Pius [5]
Zeus Hyetios auf Fels n.re. liegt darunter n.li., hält Tempel u.Füllhorn hinter Zeus Zypresse .
Macrinus [6]
. liegt n.li., hält Ephesia u. Füllhorn darüber Bergkimme m. 2 Türmen, li. unten Tempel über Eck Eber läuft n.re.
S. Alexander [7]
. liegt n.li, hält Ephesia u. Füllhorn Bergkimme mit 1 Turm, Tempel u. Zypresse Eber läuft n.re.
Philippus I [8]
. liegt n.li., hält Ephesia u. Füllhorn Bergkimme mit Tempel Eber läuft n.re.


Das neue Münzbild (Abb. 1) weicht von diesen, eigentlich auf zwei reduzierbaren, Typen beinahe grundlegend ab:


Vs. Büste des Gordianus III n.re. (238-44).
Rs. Rahsegler n.li., die Ruder zum Eintauchen bereit; auf dem Bug die Ephesia, auf dem Heck Serapis, beide frontal stehend. Unter dem Schiff Wellen und die Legende ΕΦΕΣΙΩΝ / ΑΛΕΞΑΝΔΡΕΩΝ, die sich auf die Homonoia = Allianz der beiden Städte bezieht; durch das erstgenannte Ephesos ist ersichtlich, daß die Münze auch dort geprägt wurde.
Über der, auf den Münzen der Zeit häufig stereotyp vorkommenden [9], Szene (Abb. 2) wölbt sich der Rücken eines mit Türmen befestigten Berges, auf dessen zentralem Gipfel ein Tempel über Eck dargestellt ist, von dem ein speerdurchbohrter Eber n.re. abläuft.

Die Auffassung, es handle sich hier um eine Ansicht des ephesischen Hafens [10], ist schon aufgrund des bisherigen Materiales unhaltbar, da ja wieder nur der Berg Peion gemeint sein kann. Allerdings steht der Tempel jetzt zum ersten Male an prominentester Stelle, doch läßt sich das Bild gut mit den Münzen ab Macrinus vergleichen, wo der Eber ebenfalls n.re., aber in zwei Fällen (S. Alexander und Philipp I) auf den Tempel zu, in einem Fall eher von diesem wegläuft. Es müßte sich dabei also um denjenigen handeln, der laut der ephesischen Gründungssage [11] nach Erlegung des Ebers zu Ehren Athenas errichtet wurde [12].
Die Darstellung des Peion wurde wegen der Türme, die eine durchgehende Befestigung anzeigen, vielfach lieber auf den größeren der beiden Stadtberge von Ephesos, den Bülbüldag, bezogen [13]. Da die antiken Quellen jedoch eindeutig auf den kleineren, den Panayirdag, weisen [14], war dieser eben gleichfalls mit einem Mauerring, nämlich der Fortsetzung der lysimachischen Befestigung, bewehrt [15]. Und den mythischen Eberlauf, der eine Circumvallatio insinuiert, kann man sich auch nur auf dem Panayirdag vorstellen. Daß er nun auf den Münzen nicht - wie eigentlich zu erwarten - ausschließlich auf den Tempel hinführt, mag darauf zurückzuführen sein, daß die Stempelschneider hier keinem festgelegten Kanon folgten, wie die obige Reihe schon sehr deutlich erweist: So kam der Eber erst ab Macrinus ins Spiel, und der Tempel wechselte überhaupt dauernd seinen Standort.
Wollte man im neu hinzugekommenen Münzbild nun doch einen topographischen Bezug erkennen, so höchstens darin, daß das im Hafen zu denkende Schiff vor der Kulisse von Peion-Panayirdag vor Anker geht.

[1] im Auktionskat. Triton 6 (2002) Nr. 566 der Classical Numismatic Group.
[2] s. dazu schon Karwiese, in LIMC 7(1994) 410f.; zum Peion überhaupt St. Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos (1995) 84f.
[3] Aukt.Kat.Gorny 44 (1989) 372.
[4] Aukt.Kat.Egger 41 (1912) 560.
[5] Aukt.Kat.Waddell 1 (1982) 192.
[6] Paris, Bibl.Nat., Cab.des Méd.876.
[7] Mus.Winterthur 2951.
[8] London, Brit.Mus.: "Seltman 1920".
[9] s. z.B. Gordian III mit den beiden Göttern auf Schiff n.re., ohne jede Umgebung : Paris, Bibl.Nat., Cab.des Méd.955.
[10] so in Triton 6. Hafendarstellungen auf Münzen zeigen gewöhnlich eine Art von Vogelperspektive: s. z.B. Nero, Rom : RIC 12 (1984) Taf. 20,182.
[11] s. Kreophilos bei Athenaios, epit. 8,42.
[12] s. dazu Karwiese, LIMC 411 (Anm. 2) und P. Scherrer, The historical topography of Ephesos, in: D. Parrish (Hrsg.), Urbanism in Western Asia Minor, 45. Suppl. JRA (2001) 57-87.
[13] zu diesem Komplex s. Karwiese, Artemis (Anm. 2) 84.
[14] Pausanias 7, 5.
[15] s. dazu P. Scherrer, Der Eber und der Heros (Ktistes), in : Altmodische Archäologie. Festschrift f. Friedrich Brein, Forum Archaeologiae 14/III/2000 (http://farch.net).

© Stefan Karwiese
e-mail: stefan.karwiese@oeai.at

This article will be quoted by St. Karwiese, Nochmals Peion, Forum Archaeologiae 28/IX/2003 (http://farch.net).



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