Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 24 / IX / 2002

ZUR PRÄSENTATION DES LEGIONSLAGERS VINDOBONA IM RAHMEN DER SCIENCE WEEK 2002

Ein äußerst erfreulicher Nebeneffekt , der sich aus dem Projekt der Studenten vom Institut für Klassische Archäologie in Wien zur Science Week 2002 entwickelte, war der rege Informationsaustausch mit den Mitarbeitern der Stadtarchäologie Wien (Sigrid Strohschneider-Laue, Martin Mosser) auf Initiative von Mechthild Ladurner, aus dem sich eine Posterpräsentation des neuesten Forschungsstandes zum Legionslager Vindobona (Anne Lykke, Rupert Gietl) sowie erstmals ein GIS-unterstütztes dreidimensionales Geländemodell des Lagerareals ergab (Rupert Gietl).

Die Posterpräsentation beinhaltet zunächst eine kurz zusammengefasste Geschichte der Truppenabfolge in Vindobona, wobei hier schon die neuesten Erkenntnisse zur Stationierung der legio XV Apollinaris in tiberischer Zeit einflossen. Aus einer gemeinsamen Begehung des Areals in der Wiener Innenstadt entstand das Kapitel über die Befestigungsanlagen, in dem darauf hingewiesen wird, dass sich die Konturen des Lagers in Hausfluchten und Geländekanten auch heute noch abzeichnen. Ebenfalls dem letzten Forschungsstand zuzurechnen ist auch der Hinweis der Autoren, dass der nördliche Bereich des mittelkaiserzeitlichen Legionslagers einer Hangrutschung zum Opfer fiel, die heute durch die Analyse geologischer Bohrprofile noch feststellbar ist. Erst das spätrömische Kastell zeigte den schrägen Nordabschluss mit Hafenanlagen am Fuß des Plateaus. Auch diese Erkenntnisse sind erst durch übergreifende Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, in diesem Fall mit der Geologin Sabine Grupe von der Firma DonauConsult, möglich geworden.
Am Poster folgt nun eine allgemeine Einführung über Aufbau, Architektur und Organisation römischer Legionslager, die durch Bildmaterial aus den Publikationen von P. Conolly [1] illustriert wird. Im letzten Abschnitt über die Innenbauten von Legionslagern wird wieder auf Wiener Forschungsergebnisse Bezug genommen, das heißt, dass auf die Rekonstruktionsversuche von praetorium und principia bzw. auf die Holz- und Steinbauphasenabfolge der Mannschaftskasernen, die durch die Grabungen am Judenplatz festgestellt werden konnte, hingewiesen wird. Wichtig ist auch die Information über Lagerumstrukturierungen und Umwidmungen bestimmter Areale spätestens im 4.Jh. n.Chr., die bei archäologischen Grabungen in Wien meist, im Gegensatz zu den offensichtlich intentionell planierten früh- und mittelkaiserzeitlichen Phasen, am besten zu fassen sind. Weitere Illustrationen zeigen die Rekonstruktion des Lagers Vindobona, eine schon etwas ältere Landschaftszeichnung des römischen Wien, einen Ausschnitt aus der Traianssäule zum Lagerbau, einen römischen Wachturm sowie die AutoCAD-Rekonstruktion der porta principalis von Vindobona.
Für eine zukünftige weitere Zusammenarbeit richtungsweisend war die Idee von Rupert Gietl ein Geländemodell des Lagers Vindobona computerunterstützt anzufertigen. Die ersten sehr erfolgreichen Schritte in dieser Richtung konnte er bereits im Rahmen dieser Science Week am Maria Theresien-Platz der Öffentlichkeit präsentieren. Es wird dabei versucht so realistisch wie möglich das antike Gelände im Bereich der Wiener Innenstadt (bzw. in weiterer Folge darüber hinaus) mit dem noch rekonstruierbaren Verlauf des alten Donauarmes (vor und nach der postulierten Hangrutschung im 3.Jh.) und der Zubringerbäche (Ottakringer Bach, Wienfluß) rund um das Plateau des Legionslagers darzustellen. In dieses Gelände können dann die römischen Strukturen (Straßen, Gebäude, Hafenanlagen etc.) in den jeweiligen Epochen eingefügt werden. In Zusammenarbeit mit der Stadtarchäologie Wien (Martin Mosser) wird der aktuelle Stand zu diesem Projekt von Rupert Gietl im April 2003 im Rahmen der CAA-Tagung in Wien präsentiert.

[1] P. Conolly, Die Römische Armee (Nürnberg 1978); P. Conolly, Tiberius Claudius Maximus, ein Legionär im Dienste Trajans (Nürnberg 1990).

Literaturauswahl:
Allgemein:
J. Fitz, Die Verwaltung Pannoniens in der Römerzeit II (1993).
K. Genser, Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit, Der römische Limes in Österreich 33 (1986).
J. Gómez-Pantoja, Legio X Gemina, in: Y. Le Bohec (Hrsg.), Les Légions de Rome sous le Haut-Empire. Actes du Congrés de Lyon 17-19 septembre 1998, Collection du Centre d´Études Romaines et Gallo-Romaines, Nouvelle série, Nr. 20 (2000) 169-190.
O. Harl, Erforschung, Name, Lage, Befestigungsanlagen, in: Vindobona - die Römer im Wiener Raum. 52. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (1978) 84-89.
O. Harl, Vindobona. Das römische Wien, Wiener Geschichtsbücher 21/22 (1979).
M. Kandler, Zu den Innenbauten des Legionslagers, in: Vindobona - die Römer im Wiener Raum. (52. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (1978) 90-100.
F. Kenner, Die archäologischen Funde aus römischer Zeit, in: Geschichte der Stadt Wien I (1897) 42-159.
F. Kenner, Bericht über römische Funde in Wien in den Jahren 1896-1900 (1900).
F. Kenner, Römische Funde in Wien aus den Jahren 1901 bis 1903, Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission N. F. 2, 1904, 103-170.
F. Kenner, Römische Funde in Wien aus den Jahren 1904 und 1905, Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission N. F. 3, 1905, 137-230.
F. Kenner, Römische Funde in Wien 1908-1910, JA 5, 1911, 107-162.
H. Ladenbauer-Orel, Mittelalterliche Quellen zur römischen Lagermauer von Vindobona, Wiener Geschichtsblätter 39/2, 1984, 75-79.
H. Ladenbauer-Orel, Erfolge und Probleme auf drei Baustellen in Vindobona, in: Römerzeit-Mittelalter. Festschrift Herma Stiglitz (1996) 61-65.
A. Neumann, Inschriften aus Vindobona, Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 17/18, 1961/1962, 7-29.
A. Neumann, Forschungen in Vindobona 1948-1967. I. Teil: Lager und Lagerterritorium, Der römische Limes in Österreich 23 (1967).
A. Neumann, Die Skulpturen des Stadtgebietes von Vindobona, CSIR Österreich I, 1 (1967).
A. Neumann, Ziegel aus Vindobona, Der römische Limes in Österreich 27 (1973).
R. Pohanka, Das römische Wien (1997).
E. Polaschek, Die Kunst der Römerzeit in Wien, in: R. K. Donin (Hrsg.), Geschichte der bildenden Kunst in Wien I: Von der Urzeit bis zur Romantik. (1944) 91-121.
S. Soproni, Die letzten Jahrzehnte des pannonischen Limes, Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 38, 1985.
M. Speidel, Die römischen Reitertruppen und die Wiener Ala Britannica, in: Vindobona - die Römer im Wiener Raum, 52. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (1978) 20-23.
K. Strobel, Zur Dislozierung der römischen Legionen in Pannonien zwischen 89 und 118 n. Chr., Tyche 3, 1988, 193-222.
Vindobona-Katalog 1978, Vindobona - die Römer im Wiener Raum, 52. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (1978).
E. Weber, Die römischen Meilensteine aus dem österreichischen Pannonien, ÖJh 49, 1968-71, 121-145.

Forschungen der letzten Jahre:
W. Chmelar, Judenplatz, FÖ 37, 1998, 829-830.
W. Chmelar - H. Helgert, Die römischen Kasernen unter dem Judenplatz, Fundort Wien 1, 1998, 20-26.
P. Donat, Feinkeramik aus Vindobona - Hinweise auf eine lokale Produktion?, Fundort Wien 2, 1999, 32-46.
P. Donat, Zur Herkunft der Terra Sigillata von der Ausgrabung Michaelerplatz, Fundort Wien 2, 1999, 210-215.
U. Eisenmenger - E. Eleftheriadou, Ein neues Schlangengefäß aus dem Legionslager Vindobona, Fundort Wien 3 (2000) 34-39.
I. Gaisbauer - M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil II: Altgrabungen im Bereich der principia, Fundort Wien 4, 2001, 114-157.
O. Harl - K. Süß, Tuchlauben, FÖ 34, 1995, 726-727.
O. Harl, Die zweite Weihung an den Genius einer Zenturie aus dem Legionslager Vindobona, Fundort Wien 2, 1999, 6-14.
O. Harl, Die Römerzeit, in: P. Csendes - F. Oppl (Hrsg.), Wien - Geschichte einer Stadt. Bd. I: Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung (1529) (2001).
H. Helgert, Judenplatz, FÖ 36, 1997, 880-884.
M. Kronberger - M. Mosser, Das spätrömische Körpergräberfeld im Bereich des Neuen Marktes, Fundort Wien 4, 2001, 158-221.
M. Mosser, Das Legionslager Vindobona - EDV gestützte Erfassung alter und neuer Grabungen, Fundort Wien 1, 1998, 74-88.
M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil I: Altgrabungen am Judenplatz und Umgebung, Fundort Wien 2, 1999, 48-85.
M. Mosser, Die Porta Principalis Dextra im Legionslager von Vindobona, in: Akten des 8. Österreichischen Archäologentag 1999 (2001) 145-152.
M. Mosser, C. Atius und die legio XV Apollinaris in Vindobona, Fundort Wien 5 (im Druck).
M. Müller, Herrengasse, FÖ 36, 1997, 876-881.
M. Müller, Römische und neuzeitliche Funde aus Wien 3, Eslarngasse 20. Zur Befestigung der Zivilstadt von Vindobona, Fundort Wien 3, 2000, 76-102.
S. Sakl-Oberthaler, Untersuchungen zur Limesstraße in Wien-Simmering, Fundort Wien 2, 1999, 110-127.
K. Süss - W. Bauer, Freyung, FÖ 36, 1997, 870-876.
I. Weber-Hiden, Die reliefverzierte Terrasigillata aus Vindobona, Wiener Archäologische Studien 1 (1996).

© Martin Mosser
e-mail:
mos@gku.magwien.gv.at

This article will be quoted by M. Mosser, Zur Präsentation des Legionslagers Vindobona im Rahmen der Science Week 2002, Forum Archaeologiae 24/IX/2002 (http://farch.net).



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