Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 11 / VI / 1999

DIE PORTA PRINCIPALIS DEXTRA IM LEGIONSLAGER VINDOBONA

Die computerunterstützte Methode der Aufarbeitung von Altgrabungen im Stadtgebiet von Wien beinhaltet die Digitalisierung von archäologischen Befunden nach alten Aufzeichnungen, speziell jene aus der Zeit der Jahrhundertwende, als Josef Nowalski de Lilia als Ausgräber und Friedrich von Kenner, der die Ausgrabungen veröffentlichte, sich in besonderem Ausmaß mit der Archäologie Wiens beschäftigten. Bei der bereits abgeschlossenen Befundaufnahme innerhalb des Legionslagers im Bereich der Wiener Innenstadt konnte eine bemerkenswerte Beobachtung gemacht werden, die in diesem Beitrag vorgestellt wird.
Außer einem kurzen Mauerstück im Bereich der Ertlgasse, das Neumann 1971 als Teil der porta principalis dextra identifizierte, konnte dieser Torturm archäologisch bisher nicht nachgewiesen werden.. Mit Hilfe einer Spiegelung des linksseitigen Torturms (porta principalis sinistra) an der Achse der via praetoria kann die "ideale" Lage des rechtsseitigen Torturmes (porta principalis dextra) festgestellt werden. Bei einer Spiegelung würde der Torturm im Bereich des Hauses Kramergasse 9 zu liegen kommen, also etwas weiter westlich der von Neuma= nn aufgefundenen Mauer. Von den aufgenommenen Altgrabungen im Bereich Kramergasse/Ertlgasse sind vor allem vier parallele Mauern zu beachten, die sich relativ genau mit dem gespiegelten Grundriß des Torturmes decken.
Diese Befunde sind in der bisherigen Forschungsgeschichte kaum beachtet worden und fanden nur in einer Fußnote bei Kenner (Geschichte der Stadt Wien 1897) ausführlichere Erwähnung. Kenner bezog sich dabei auf einen Architektenplan vom Umbau der Häuser mit den Konskriptionsnummern 533, 534 und 583 im Jahr 1843, die im Bereich des heutigen Hauses Kramergasse 9 lagen.

Abb. 8: Rekonstruktion der porta principalis dextra des Legionslagers Vindobona

Akzeptiert man die Hypothese, daß die 1843 in der Kramergasse gefundenen Mauern als Fundamente der porta principalis dextra anzusprechen sind, dann legt die Rekonstruktion nahe (Abb. 8), daß dieser Torturm einer frühen Phase der Errichtung angehört, die der porta principalis sinistra an der Hohen Brücke entspricht, als die Front des Torturmes in einer Linie mit der Lagermauer fluchtete. In einer späteren Phase, vielleicht gegen Ende des 2. Jhs. n.Chr., wurde dann der Torturm in der Kramergasse vor die Umfassungsmauer des Lagers gesetzt, im Gegensatz zum Befund an der Hohen Brücke, wo offensichtlich die Lagermauer in einer späteren Zeit, aus welchen Gründen auch immer, nach innen, in die Flucht der Rückseite des Torturmes, versetzt wurde.

© Martin Mosser
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