Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 11 / VI / 1999

ÜBER DEN SCHUTZ ARCHÄOLOGISCHER KULTURGÜTER

Kulturgüter - welcher Art auch immer - zu schützen, ist von eminentem öffentlichem Interesse und findet seinen Niederschlag in nationalen Gesetzgebungen. Viele Probleme, die zahlreichen Ländern in den letzten Jahren erwachsen sind, resultieren allerdings aus einer unzureichenden strafrechtlichen Verfolgung und Ahndung und einer inkonsequenten Anwendung der Gesetze, die allzu oft nicht administriert werden.
Vom effizienten Schutz archäologischer Kulturgüter - des 'Quellenmaterials' - und der Bewahrung der Befunde hängt für die archäologischen Wissenschaften ein wesentlicher Teil ihrer Möglichkeit zur Erkenntnis ab: um zuverlässige wissenschaftliche Aussagen treffen zu können, benötigen Archäologen ungestörte Fundkontexte, durch deren verantwortungsvolle Beobachtung erst die oft mannigfaltigen kulturellen und geschichtlichen Zusammenhänge aufgezeigt werden können.
Die Thematik läßt sich in drei Problemkreise gliedern:
1. Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten, der durch die UNESCO-Konvention von Den Haag aus dem Jahre 1954 geregelt ist;
2. betrifft der Schutz von Kulturgütern die vielfältigen Fragen im Zusammenhang mit der Konservierung und Restaurierung, um die sich zahlreiche UNESCO- und ICOMOS-Konventionen bzw. Empfehlungen annehmen;
3. geht es um die Thematik der Raubgrabungen und das damit untrennbar verbundene Problem des illegalen Kunsthandels, der mittlerweile im Bereich der internationalen Kriminalität eine Spitzenposition einnimmt. Neueste Entwicklungen im Bereich des Kunstmarktes, der sich mehr und mehr auf virtuelle Auktionen verlegt, geben zusätzlich Anlaß zu ernster Sorge. Als ein Beispiel unter vielen sei auf EBAY.COM verwiesen. Unter dieser Adresse werden täglich Tausende von Antiken aus allen Teilen der Welt versteigert - Hauptcharakteristikum: Herkunft unbekannt (Abb. 16).

Abb. 16: Ungereinigte römische Münzen aus dem osteuropäischen Raum, genaue Herkunftsangaben fehlen. -
Bei EBAY.COM unter Item #72189143 angeboten. Ende der virtuellen Versteigerung: 6. März 1999, 21:42:44 PST.

Gerade in diesem Bereich haben verstärkte nationale und internationale Bemühungen sowie die Zusammenarbeit von Polizei-, Versicherungs- und Denkmalschutzbehörden über Datennetze in den letzten Jahren bereits zu ansehnlichen Fahndungserfolgen geführt, wie das Beispiel der aus einer Kirche auf Zypern gestohlenen Fresken und Ikonen, die vor einem Jahr in München wieder auftauchten, oder das der hellenistischen goldenen Phiale des Achyris zeigen. Es bestätigt sich, daß internationale Vereinbarungen, wie die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung des illegalen Imports, Exports und Transfers von Kulturgut von 1970 oder die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter von 1995, entscheidend dazu beitragen können, den unerlaubten Handel mit antiken Kulturgütern wirkungsvoll zu bekämpfen.
Während in zahlreichen europäischen Staaten eine Ratifizierung der UNESCO-Konvention von 1970 bzw. der UNIDROIT-Konvention von 1995 ernsthaft diskutiert wird, herrscht in Österreich von politischer Seite zu diesem Thema weitgehend Stillschweigen. Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates verbrachten Kulturgütern vom 15. März 1993 mittels des Bundesgesetzes Nr. 67 vom 15. Mai 1998 meint man, daß zur Zeit kein weiterer Handlungsbedarf in dieser Angelegenheit besteht.
Auch von seiten der Archäologie blieb man in Österreich in den letzten Jahren vieles schuldig. Mit 'Augenzwinkern' wurden illegale Metallsondengeher akzeptiert. Diskussionen über einen Verzicht auf Erstveröffentlichung von Fundstücken ungeklärter Provenienz aus dem Kunsthandel oder aus Sammlungen sind noch immer nicht abgeschlossen. In Mißachtung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz des archäologischen Erbes vom 6. Mai 1969, das seit 1974 in Österreich durch das BGBl. 239 anwendbares Recht ist, haben sich Archäologen auch viel zu wenig um öffentlichkeitswirksame Aufklärungsaktionen bemüht, durch welche das Bewußtsein um den Wert archäologischer Gegenstände und Befunde geweckt und gefördert hätte werden können. Mit der Organisation der Ausstellung "Fundort: unbekannt. Raubgrabungen zerstören das archäologische Erbe" in Wien im letzten Jahr wurde ein wichtiger Schritt gesetzt. Das Referat am 8. Österreichischen Archäologentag sollte einen weiterführenden Meinungsaustausch unter KollegInnen in Gang setzen.

"Wir nennen »Abenteuer«, was unsere Pflicht ist." (Karl R. Popper)


Zusätzliche Informationen:
The Illicit Antiquities Research Centre
United States Information Agency (USIA) Cultural Property Information
R. Thornes, Protecting Cultural Objects in the Global Information Society. The Making of Object ID
The Art Loss Register
Institute of Art and Law

© Hubert D. Szemethy
e-mail: Hubert.Szemethy@univie.ac.at



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