Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 51 / VI / 2009

DIE GRABUNGEN IN WIEN 1, AM HOF IN DEN JAHREN 2007 UND 2008

Ab 19. März 2007 fanden archäologische Untersuchungen der Stadtarchäologie Wien im Bereich der Wiener Zentralfeuerwehrwache Am Hof in mehreren Kampagnen (Schnitte 1-8) statt. Die Grabung umfasste bislang acht Schnitte, die sich Am Hof 7-9 und im Nord- und Westtrakt des 1562 errichteten Bürgerlichen Zeughauses, Am Hof 10, befinden (Abb. 1).

Schnitt 2, 3 und 5
In den Schnitten 2, 3 und 5 fanden sich Reste einer fabrica (Werkstatt), von denen im Legionslager Vindobona bislang noch keine nachgewiesen werden konnte. Die Ausmaße des Gebäudes ließen sich nicht feststellen, da der östliche Bereich durch eine 1962/63 erbaute Parkgarage gestört ist.
Es wurden vier Räume der fabrica ergraben, deren westliche und südliche Außenmauer aus Bruchsteinen und Kalkmörtel errichtet war. Bei den ältesten Befunden handelt es sich um drei Grubenkomplexe in den zwei südlichen Räumen, die als Ofenanlagen dienten. Funde von Schlacke und Eisenobjekten lassen metallverarbeitende Werkstätten vermuten. Eine durchgehende Nutzung bis Ende des 4.Jh. n.Chr. belegen mehrere mittelkaiserzeitliche Bodenniveaus und Planierungen (durch Münzfunde datiert), die meist stark verbrannt und mit Asche durchsetzt waren. Spätantike Planierungen, die blaue Farbreste enthielten, und Farbreste in Keramikgefäßfragmenten machen eine Nutzung der Räume als Malerwerkstätten wahrscheinlich.
Westlich der fabrica wurde die Lagerstraße (via vallaris) freigelegt, die aus mehreren Schotter- und Kieslagen, durchsetzt mit Ziegelsplittern und -bruchstücken, bestand. Zwischen der via vallaris und den östlich angrenzenden Gebäuden verliefen eine Senke, die als Abflussrinne diente, sowie der Gehsteig. Insgesamt konnten vier Straßen- und Trottoirniveaus festgestellt werden. In der Abflussrinne wie auch im Gehsteigbereich befanden sich zahlreiche Funde, darunter eine Bernstein- und eine Jadeperle, eine Schanierfibel und ein Messergriff aus Bein.

Schnitt 4
Im Ende Mai 2007 begonnenen Schnitt 4 (S4) fand sich in einer neuzeitlichen Planierschicht der marmorne Kopf einer römischen Geniusstatuette aus der zweiten Hälfte des 2., oder ersten Hälfte des 3.Jh. n.Chr. (Abb. 2).
In römische Zeit datieren eine Bruchsteinmauer, die die westliche Außenwand einer Kaserne des Legionslagers bildet, und Lehmziegelmauern, die den Raum nach Norden und Süden begrenzen. Es handelt sich hierbei um den Hauptraum (papilio) eines aus Vor- und Hauptraum bestehenden contuberniums, dem Wohn- und Schlafplatz für bis zu acht Legionssoldaten. In diesem Raum ließen sich zwei Feuerstellen identifizieren, die als Backöfen oder Herdstellen genutzt wurden.

Schnitt 6
Schnitt 6 (Abb. 1) war durch einen unter den Raum reichenden Keller und einem verschütteten Stiegenabgang stark gestört. Unter den Bodenniveaus des Bürgerlichen Zeughauses folgte eine bis zu 30cm hohe Planierung, die eine Vielzahl an fragmentierten Tierknochen und Keramik enthielt. Dabei dürfte es sich, nach ersten Bestimmungen des Knochenmaterials, um die planierten Überreste des bis 1421 existierenden jüdischen Fleischhofes handeln.
Die römischen Baureste sind der westlichsten von sechs Kasernen des Legionslagers zwischen dem praetorium im Osten und der via vallaris im Westen zuzuordnen. Von dieser Kaserne konnten insgesamt drei Raumeinheiten erfasst werden, wobei es sich auch hier um die papiliones, die rückwärtigen Wohn- und Schlafräume der Legionssoldaten handelt.
In der nördlichsten Struktur fand sich in einer Grube ein vollständig erhaltener eiserner Schildbuckel. Im südlich daran angrenzenden Raum zeigte sich an der Nordmauer eine Ofenanlage, die als Herd- oder Backofen anzusprechen ist. Auch in der dritten, südlichsten Wohneinheit wurden zwei Herdstellen freigelegt.
In spätrömischer Zeit erfolgte der Einbau einer Schlauchheizung, bestehend aus einem Nord-Süd-verlaufenden Kanal, der seitlich von gemauerten Ziegeln und Bruchsteinen begleitet wird. Die Grundrissform der Heizanlage (X-, Y-, oder T-förmige Kanalheizung) konnte nicht ermittelt werden.
Auch in S6 ließen sich westlich der Außenmauer der Kaserne die Schotterungen und Planierungen eines Gehsteiges und der daran anschließenden via vallaris nachweisen.
Zur frühesten Bauphase gehört ein ca. 1,70m breiter Graben im Westen des Schnittes, in dessen Grabensohle Fußspuren hinterlassen wurden. In die Verfüllung wurde ein schmälerer Graben gesetzt, der in Beziehung zu zwei weiteren Fundamentgräben im Bereich der östlich anschließenden, späteren Kaserne steht und auf einen Vorgängerbau schließen lässt.
In der Spätantike wurde die Straßenschotterung der via vallaris und der Gehsteig durch einen Anbau an die Kaserne überbaut, von dem noch eine Ost-West-orientierte Bruchsteinmauer in Lehmbindung erhalten war.

Schnitt 7
In der Offiziersgarage der Feuerwehrzentrale Am Hof 10 war bereits im Frühjahr 2007 ein Probeschnitt (S1) angelegt worden, der durch den Schnitt 7 (Abb. 1) im Herbst 2008 erweitert wurde.
Von den mittelalterlichen Befunden ist nur ein Ost-West-orientiertes Mauerfundament erhalten. Dieses bestand aus einer Abfolge von Rollierungen aus Bruchsteinen, zum Teil sorgfältig in opus spicatum gesetzt, jeweils getrennt durch dünne Planierschichten. Mittelalterliche Bodenniveaus, die sich dieser Mauerstruktur zuordnen lassen, blieben allerdings nicht erhalten.
Zu den römischen Befunden gehört eine mittelkaiserzeitliche Wallanlage an der Innenseite der Lagermauer. Den Wall stützte eine Holzkonstruktion, die durch Pfostengruben am Ostrand nachgewiesen werden konnte. In spätrömischer Zeit wurde der Erdwall abgetragen und durch ein an die Lagermauer gesetztes Gebäude überbaut. Eine West-Ost orientierte Zwischenmauer dieses Gebäudes bestand aus einem Bruchsteinfundamentsockel, die ursprünglich eine aufgehende Lehmziegelkonstruktion besaß (Abb. 4 vorne). Das Wandfragment einer Einglättware datiert diese Baustruktur in spätrömische Zeit. Von dieser Mauer zweigt im rechten Winkel ein seichteres Bruchsteinfundament einer weiteren Lehmziegelmauer ab, die im nördlichen Abschnitt eine Türschwelle aufweist. Der Gebäudeabschluss im Osten war nicht mehr feststellbar. Dem spätrömischen Gebäude sind eine Reihe von Planierungen, darunter ein Lehmbodenniveau im Westen und ein Mörtelestrichboden im Osten der Nord-Süd-Mauer, sowie zwei Herdstellen zuzuordnen.
2008 gelang es zudem, die Verlängerung des bereits 1953 aufgedeckten römischen Abwasserkanals entlang der via vallaris im Schnitt 7 aufzufinden. Die Seitenmauern waren vollständig ausgerissen worden, so konnten nur noch fünf tegulae freigelegt werden, die paarweise mit den Leisten nach oben aneinander stoßend die Kanalsohle bilden. Bei den jeweils äußeren Ziegelleisten waren noch die originalen Vermörtelungsspuren für die aufgehenden Seitenmauern vorhanden. Die Ziegel trugen, soweit vollständig freigelegt, alle unterschiedliche Stempel der 13. Legion. Unmittelbar über der Ziegelkanalsohle war, von den Ausrissmaßnahmen unberührt, eine römerzeitliche Verfüllschicht erhalten geblieben (Abb. 3).

Ausblick auf Schnitt 8 (Abb. 4)
Seit dem 15. Dezember 2008 wurden die archäologischen Untersuchungen in der Feuerwehrzentrale Am Hof 10 im südlich an S7 angrenzenden Schnitt 8 (S8) fortgeführt. Im Zuge der Grabung konnte die Fortsetzung des römischen Abwasserkanals von S7 aufgefunden werden. Weiters folgte die Freilegung der Wallrollierung, sowie Teile der via vallaris. In spätrömischer Zeit folgte wie bereits in S7 festgestellt, die Verbauung des Bereichs zwischen via vallaris und der Legionslagermauer, wobei zusätzliche gut erhaltene Lehmziegelmauern im Gebäudeinneren dokumentiert werden konnten. In die römischen Befunde wurde ein mittelalterlicher Ost-West verlaufender Abwasserkanal gesetzt, der höchstwahrscheinlich mit dem jüdischen Ghetto in Verbindung zu bringen ist. Zum Schluss sollen einige außergewöhnliche Funde aus S8 nicht unerwähnt bleiben: dazu gehören ein Goldring, ein Silberohrring, ein spätrömischer Dreilagenkamm, eine kleine Bronzeadlerskulptur, sowie ein spätmittelalterlicher Deckel mit Phallus-Knauf.

Ausgewählte Literatur:
A. Neumann, Die römischen Baureste Am Hof 9 (Wien 1958).
A. Neumann, Forschungen in Vindobona 1948 bis 1967 I: Lager und Lagerterritorium, RLÖ 23, 1967, 12-15. 20-23.
M. Jandl - M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona IV: Vallum, fabrica und Kasernen in der westlichen retentura - Vorbericht zu den Grabungen Am Hof im Jahr 2007, FuWien 11, 2008, 4-34.

© Marina Brzakovic, Angelika Kupka, Kira Lappé
e-mail: marina.brzakovic@yahoo.com, a.kupka@gmx.at, Kira.L@gmx.at


This article should be cited like this: M. Brzakovic - A. Kupka - K. Lappé, Die Grabungen in Wien 1, Am Hof in den Jahren 2007 und 2008, Forum Archaeologiae 51/VI/2009 (http://farch.net).



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