Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 51 / VI / 2009

"lupa" SETZT EIN PFÖTCHEN IN DIE CISALPINA - EIN ERSTER ARBEITSBERICHT

1. lupa: Vorgangsweise und Ziel
Die Website www.ubi-erat-lupa.org (kurz lupa) basiert auf einem Projekt, das Ortolf Harl zu Beginn der 1990er Jahre aus persönlichem Interesse an einer gesamtheitlichen Betrachtung provinzialrömischer Steindenkmäler aufgebaut hat. Im Jahre 1994 hat seine Frau Friederike auf dem Computer mit der Anlage von Datenblättern begonnen, die später von Kurt Schaller und Jakob Egger zu einem web-basierten Informationssystem weiter entwickelt wurden, das mit den damals vorhandenen Fotos von Ortolf Harl im Jahre 2001 ins Internet gebracht wurde. Finanziert wurde der Ausbau von lupa von der Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie und durch ein internationales Forschungsprojekt, das aus dem EU-Programm Kultur 2000 stark gefördert wurde. Nach der Pensionierung des Autors hat die Universität Salzburg lupa übernommen, wo sie zur Gründung einer Institution zur wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Weiterentwicklung führte, der Arbeitsgruppe für Archäometrie und Cultural Heritage Computing (kurz CHC) [1]. Nachhaltigkeit und langfristiger Zugang zu den Daten werden seither in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek gewährleistet. Damit ist das Überleben von lupa gesichert.
Lupa versteht sich als Informationsmedium zu den römischen Steindenkmälern und will einen neuen Zugang zu ihnen eröffnen. Lupa betreibt keine Wissenschaft, sondern will wissenschaftliche Arbeit erleichtern. Sie besteht aus zwei miteinander verschmolzenen Datenbanken, von denen eine die Datenblätter zu den Denkmälern enthält (Betreuung Friederike Harl) und die zweite die Bilder (Betreuung Ortolf Harl) mit den Informationen zu ihnen. Der Vorteil der elektronischen Datenbanken von lupa liegt darin, dass sie

  • große Materialmengen ungeordnet aufnehmen können
  • jederzeit zu erweitern und zu korrigieren sind
  • erst durch die Fragestellungen ihrer jeweiligen Benützer geordnet werden.

Grundlage sind die sog. Datenblätter mit den wesentlichen Informationen zu jedem Steindenkmal. Die Beschreibungen sind nach den Basiskriterien "Was - Wo - Wie - Wann" gegliedert und verwenden nach Möglichkeit immer dieselben Schlüsselbegriffe, damit sie von den Suchfunktionen der Datenbank erfasst werden können. Persönliche Interpretationen werden vermieden. Ergänzt werden die Datenblätter durch möglichst aussagekräftige Fotos, die so aufgenommen werden, dass sich jeder Interessent selbst ein Bild machen kann: Denn je mehr Informationen das Bild enthält, umso knapper kann die Beschreibung des Stückes sein.
Da den Bildern ein hoher Informationswert zukommt, wird prinzipiell eine Neuaufnahme angestrebt, die von vornherein eine Autopsie der Stücke erfordert. Für die Fotos werden nach Möglichkeit immer die gleichen Bedingungen gesucht: Elektronische Aufnahme mit hoher Auflösungsrate zur Möglichkeit einer Nachbearbeitung am Computer, Dunkelheit und Ausleuchtung mit Kunstlicht, Abschirmung der Stücke von ihrer Umgebung, Wiedergabe in Farbe. Damit lassen sich Charakteristik und Details des jeweiligen Monumente optimal erfassen und - das sei nicht verschwiegen - eine bei römischen Steindenkmälern bisher unbekannte Dramatik (Abb. 2) erzielen. Diese Dramatik, die vor allem durch kräftige Licht und Schattenwirkungen sowie durch Erhöhung der Kontraste entsteht, wird nicht nur nicht unterdrückt, sondern sogar angestrebt, mit der einzigen Einschränkung, dass die Aussage des Denkmals nicht darunter leiden darf.
Die fotografische Aufnahme der Steindenkmäler bei Dunkelheit (Abb. 1) und Kunstlicht verursacht in Museen insofern Probleme, als auf Besucher Rücksicht genommen werden muss. Daher werden für die Aufnahmen die Schließtage bevorzugt. Eigentlich wäre das gar nicht nötig, weil die Museumsbesucher es gerne sehen, dass mit Exponaten "gearbeitet" wird. Überdies gibt es kaum ein Museum, in dem die Exponate adäquat beleuchtet sind, weshalb uns Museumsbesucher gerne zusehen, wie wir die Denkmäler mit Scheinwerfern zum Leben erwecken. Noch schwieriger ist die Situation im Freigelände von Museen bzw. bei Steinen, die an Gebäuden eingemauert sind. Für solche Stücke sind Herbstabende mit noch einigermaßen erträglichen Außentemperaturen die ideale Arbeitszeit.

In Fragen des Copyright gelten einfache und logische Richtlinien: Für Steindenkmäler, die in museal bzw. wissenschaftlich betreuten Sammlungen verwahrt werden, bleibt das Copyright bei der jeweiligen Institution, die natürlich eine Belegserie der gesamten Aufnahmen erhält. Sollten von Dritten bei lupa Fotos bestellt werden, was immer häufiger vorkommt, werden diese erst dann weitergeleitet, wenn die schriftliche Genehmigung der Institution vorliegt, die das Copyright besitzt. Von Versandspesen abgesehen, werden Bilder prinzipiell kostenlos weitergeben.
Mit Mai 2009 enthält lupa 15203 Steindenkmäler, von diesen sind 9745 Steindenkmäler durch eines oder mehrere Bilder dokumentiert. Auf dem lupa-Server sind 16939 Bilder abrufbar. In Österreich wurden 93 Museen, in Bayern und Baden Württemberg 41, in Ungarn 38, in der Schweiz 11, in Slowenien 7 und Serbien 6 Museen durchfotografiert.

2. lupa in Aquileia
Mit persönlicher Unterstützung von Franca Maselli Scotti, der Direktorin des Archäologischen Nationalmuseums von Aquileia, konnte ein lang gehegter Wunschtraum aller Forscher, die sich mit römischen Steindenkmälern beschäftigen, in Angriff genommen werden: Die Aufnahme der römischen Steindenkmäler von Aquileia in eine kostenfrei zugängliche Website [2]. Durch die Publikation von V. Scrinari sind zwar die figürlichen Skulpturen mit hervorragenden Photos veröffentlicht worden [3] und immer wieder wurde vor allem in Aquileia Nostra über Neufunde von Steindenkmälern berichtet, doch ist ein Überblick über die Masse und Bandbreite des Materials bisher nur durch einen persönlichen Besuch des Museums von Aquileia möglich gewesen.

Das Aquileia-Projekt wurde durch je eine Vereinbarung (convenzione) zwischen der Universität Triest und der Universität Salzburg einerseits und zwischen der Universität Triest (Monika Verzár) und der Soprintendenza ai Beni Archeologici (Fulvia Lo Schiavo) andererseits in die Wege geleitet. Auf Antrag von Wolfgang Wohlmayr vom Institut für Klassische Archäologie der Universität Salzburg hat die Direzione Regionale per I Beni Culturali e Paesaggistici del Friuli - Venezia Giulia die Genehmigung zu riprese fotografiche di tutti i monumenti lapidei di età romana della Regione Friuli Venezia Giulia, da inserire nel sito Web "ubi-erat-lupa" erteilt. Die Genehmigung erstreckt sich auf alle in den Museen und Depots von Friaul - Venezia Giulia verwahrten, in staatlichem Besitz befindlichen römischen Steindenkmäler.
Begonnen wurde mit der fotografischen Neuaufnahme im größten und wichtigsten Komplex in Aquileia, mit den im Museumsgebäude (Abb. 2) und seinen Lapidarien (Abb. 1) aufgestellten Steindenkmälern. Da die Stücke mit Scheinwerfern optimal ausgeleuchtet werden sollten, wurde für den Arbeitsbeginn ein möglichst später Termin des Jahres 2008 gewählt, damit täglich einige Stunden bei Dunkelheit im Freien gearbeitet werden konnte. Kälte und Regen waren in den überdachten Galerien weniger ein Problem als der in Aquileia oft unberechenbare Wind, der die Scheinwerfer mit dem Leuchtschirm zum Schwanken brachte. Im Museum selbst konnten wegen des Publikumsverkehrs nur an einem Nachmittag pro Woche die Räume verdunkelt werden.
Probleme, die aus dem Material selbst resultieren, waren schwieriger zu bewältigen: Die Steine sind fix aufgestellt oder an Wänden montiert und bis auf einige Ausnahmen nicht zu bewegen, die dichte Reihung der großen Grabmonumente lässt oft nur eine Schrägansicht auf die Seitenflächen zu, im Museum sind die Rückseiten der großen Rundskulpturen nicht zu photographieren und die Aufstellung der Porträtköpfe erschwert manche Profilansicht.
Trotz der eingeschränkten Arbeitszeit und trotz manchmal schwieriger Bedingungen haben wir ab 18. November 2008 in 17 Arbeitstagen 2115 Bilder von 864 Denkmälern aufgenommen, also alle frei zugänglichen Steindenkmäler erfasst, die eine künstlerische, historische oder architektonische Aussage erlauben. Nicht erfasst wurden die in Vitrinen stehenden bzw. zu Ausstellungen verliehenen Steindenkmäler.
Wegen der enormen Materialfülle erfolgt die Aufnahme der Stücke in lupa in zwei Schritten: Zunächst werden nur die Bilder mit den wesentlichsten Daten - Fundort, Verwahrort, Maße, Literatur - ins Netz gestellt. Die weitere Beschreibung der Denkmäler, die für die geplanten CSIR-Bände von Aquileia relevant sind, soll danach durch die Archäologen der Universität Triest erfolgen.
Die zweite Phase des Projekts, dessen Genehmigung ja alle Museen und Depots von Friaul - Iulisch Venetien umfasst, wird in Angriff genommen, wenn die bisher aufgenommenen Steindenkmäler vollständig in lupa integriert sind. Ein Wunsch wäre auch die Einarbeitung der wertvollen alten Fotobestände von Aquileia, beginnend bei den von Frau Scrinari veröffentlichten Fotos. Deshalb wäre die gezielte Durchsicht der archäologischen Archive ein wichtiger Punkt in einem künftigen Projekt.
Den Projektbeginn hat das CHC mit einem kleinen Betrag unterstützt, der für die Quartierkosten in Aquileia ausreichte. Im Hause von Luciano Nardin, IV Partita, 4. Bonifica fanden wir in einer landschaftlich faszinierenden Nähe zur Natissa und zur Lagune gastliche Unterkunft. Alle anderen Auslagen z.B. für Material und Ausrüstung haben wir aus eigenen Mitteln getragen. Unsere Arbeitskraft stellen wir wie immer unbezahlt in den Dienst an den Steindenkmälern.

3. lupa in Padua
Durch Vermittlung von Giovanni Gorini, Professor für Antike Numismatik an der Universität Padua, ist es gelungen, in Padua vom 10.-13. Dezember 2008 die in den Sälen der Musei Civici degli Eremitani ausgestellten Steindenkmäler aufzunehmen. Die Erlaubnis wurde von Girolamo Zampieri, dem Direktor der Musei Civici spontan erteilt, mit der Einschränkung, dass die Säle nur unter Rücksicht auf Besucher verdunkelt werden durften. Aus archäologischer Sicht ist die Padovaner Sammlung besonders interessant, weil sie dreizehn paläovenetische Steindenkmäler (Abb. 4) enthält, die durch ihre Bilder und Beschriftungen eine Verbindung zu den vorrömischen Inschriften vom Schneidjoch (Tirol), Findenigtörl/Passo Lodin (Kärnten), von der Missoriaalm = Würmlacher Wiesen (Kärnten), und zu den Votivblechen von der Gurina (Kärnten) herstellen. Dazu kommt die Grabädikula der Volumnii aus San Pietro Viminario (östlich von Monsélice PD), die deshalb von besonderem Interesse ist, weil sie aus fast 200 Fragmenten wieder aufgebaut werden konnte.
Insgesamt haben wir in Padua 132 Steindenkmäler aufgenommen.

[1] Informationen zum CHC finden sich unter http://www2.sbg.ac.at/chc/.
[2] http://www.ubi-erat-lupa.org: Römische Steindenkmäler. Der Kürze halber wird diese Website als "lupa" bezeichnet und zitiert. Die kostenfreie Zugänglichkeit von lupa ist eine der wesentlichsten Bedingungen, unter denen uns die Museen und Sammlungen - und auch das italienische Kulturministerium - die Aufnahme ihrer Steindenkmäler erlaubt haben.
[3] Valnea Santa Maria Scrinari, Museo Archeologico di Aquileia - Catalogo delle sculture romane, Roma 1972.

© Friederike Harl, Ortolf Harl
e-mail: ortolf.harl@aon.at


This article should be cited like this: F. Harl - O. Harl, "lupa" setzt ein Pfötchen in die Cisalpina - Ein erster Arbeitsbericht, Forum Archaeologiae 51/VI/2009 (http://farch.net).



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