Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 46 / III / 2008

UBI ERAT LUPA - VOM PROJEKT ZUR INSTITUTION
Probleme und Lösungsansätze beim Betreiben und Weiterentwickeln von internet-basierten Informationssystemen aus dem Bereich des kulturellen Erbes

Der Aufbau
Zwischen 2002 und 2005 wurde das webbasierte Informationssystem UBI ERAT LUPA vom Culture 2000 Programm der Europäischen Union gefördert. Dieser Periode des Aufbaus und der Prosperität wurde durch das Auslaufen der Projektfinanzierung aus Brüssel ein abruptes Ende gesetzt. Zusätzlich stand die LUPA, als Folge der Sukzessionswirren, die der Pensionierung ihres Initiators folgten, plötzlich praktisch ohne institutionelle Heimat da. Die stolze römische Wölfin musste nun schamhaft jene Frage stellen, die schon viele ihrer caninen Zeitgenossinnen zu treuherzigem, telegenen Schmachten veranlasst hat: Wer will mich?

Das Dilemma
Einerseits belegen die unzähligen virtuellen Projektleichen im Cyberspace eindrucksvoll, dass elektronische Ressourcen nicht auf Projektbasis mit begrenzter Laufzeit betrieben werden können. Sie sind mit ihrem langfristigen Bedarf an technischer Weiterentwicklung, dauerhafter Verfügbarkeit und inhaltlicher Erweiterung ein Paradebeispiel für die Probleme der Informationsgesellschaft in Bezug auf die nachhaltige Verfügbarkeit der in elektronischen Medien gespeicherten Daten.
Andererseits wird unsere Zeit dadurch geprägt, dass die Basisfinanzierung wissenschaftlicher Institutionen ständig gekürzt wird und dass wissenschaftliche Arbeit fast ausschließlich nur mit Hilfe von zeitlich limitiert gewährten Drittmitteln finanziert werden kann.
Welche seriös kalkulierende Einrichtung könnte sich also darauf einlassen, ein Projekt mit ungeklärtem Finanz- und Personalbedarf auf die Dauer zu beheimaten?

Der Lösungsansatz
Auf der Habenseite konnte die LUPA 2005 eine ansehnliche Datensammlung verknüpft mit weltweit wohl einzigartigem Bildmaterial, eine funktionierende technische Infrastruktur, beträchtliches angesammeltes Know How und eine schon damals recht bemerkenswerte internationale Vernetzung verbuchen.
Nach einer halbjährigen Orientierungsphase verblieben als Interessenten einerseits die Universität Salzburg und andererseits die Bayerische Staatsbibliothek, München (BSB). Hier keine "entweder / oder-" sondern eine "sowohl / als auch-"Entscheidung zu treffen, erwies sich im Nachhinein als Glücksgriff und führte zur Gründung von CHC, der Arbeitsgruppe für Archäometrie und Cultural Heritage Computing an der Universität Salzburg. Es wurde im Laufe der Zeit ein Modell entwickelt, das folgende Schwerpunkte umfasst:
1. Eine Basisfinanzierung der Arbeitsgruppe, durch die "Finanzierungstiefs" (Basisbetrieb) zwischen "Finanzhochs" (vorhandene Projektmittel) ausgeglichen werden, konnte inzwischen mittelfristig gesichert werden.
2. Das nachhaltige Betreiben von elektronischen Ressourcen ist nur durch ständige Weiterentwicklung und das Aufsetzen von neuen Projekten möglich. So bildete LUPA seit 2006 die Basis zweier inzwischen bereits abgewickelter EU-Projekte, andere sind im Begutachtungsverfahren.
3. Das Entwickeln eines eigenständigen Profils der interdisziplinären Arbeitsgruppe mit dem Erstellen und Betreiben von Informationssystemen für Archäologie und Archäometrie bietet viel Spielraum für die Vernetzung mit benachbarten Disziplinen und stärkt die Position der Betreiber - die Abteilungen für Archäologie und für regionale und angewandte Geologie der Universität Salzburg. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit bildet durch die unterschiedlichen Annäherungsweisen an Forschungsfragen und Lösungsstrategien den Motor für die weitere Entwicklungen.
4. Im Zuge des Projektes STONE RELIEF INSCRIPTION wurde ein Archäometrie-Schwerpunkt initiiert, der um ein neues, groß angelegtes Datenbankprojekt (saxa-loquuntur.org) angesiedelt ist. Dieses Datenbankprojekt bildet die Basis der Zusammenarbeit mit einem Partner aus der Wirtschaft, der Firma OMYA, einem internationalen Bergbauunternehmen. Neben einem Sponsoring für die weitere Entwicklung dieser Datenbank sind gemeinsame Forschungsprojekte vorgesehen.
5. Das vorhandene technische und organisatorische Wissen konnte im Rahmen von Kooperationen mit regionalen und internationalen Partnern umgesetzt werden. Im Testbetrieb sind mittlerweile die Informationssysteme AIS-OOE und DER RÖMISCHE LIMES IN ÖSTERREICH. Erstmals ist auch ein kartographisches Interface für die LUPA, ein Desiderat von Beginn an, in Sicht.
6. Die Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek umfasst die gemeinsame Entwicklung von Software im Zuge gemeinsamer Projekte, und vor allem das langfristige zur Verfügung stellen und Betreuen der dabei erstellten Informationssysteme.

Die Perspektiven
Die institutionelle Verankerung von UBI ERAT LUPA und ihrer digitalen Nachkommenschaft in Salzburg und München scheint fürs Erste geglückt zu sein. Darüber hinaus wird sie schon von vielen Benutzern selbst als Institution betrachtet und mit der gleichen Selbstverständlichkeit benutzt und zitiert wie gedruckte Standardwerke und Corpora von Range eines CIL oder CSIR.

Das oben geschilderte Dilemma bezüglich Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit betrifft auf die eine oder andere Weise alle Betreiber von elektronischen Ressourcen aus dem Bereich des kulturellen Erbes. Es sei hier abschließend vorgeschlagen, eine Initiative zu starten und zu versuchen, die Beteiligten an einem Tisch zu versammeln, um gemeinsam Erfahrungen auszutauschen, Strategien zu entwickeln oder allfällige Synergien zu nutzen.
Interessenten werden gebeten, sich zu melden.

Weiterführende Literatur
http://www2.sbg.ac.at/chc/pdf_downloads/LiteraturZumAbstract.pdf

© Kurt Schaller & Christian Uhlir
e-mail: k.schaller@aon.at
christian.uhlir@sbg.ac.at


This article should be cited like this: Kurt Schaller - Christian Uhlir, UBI ERAT LUPA - Vom Projekt zur Institution. Probleme und Lösungsansätze beim Betreiben und Weiterentwickeln von internet-basierten Informationssystemen aus dem Bereich des kulturellen Erbes, Forum Archaeologiae 46/III/2008 (http://farch.net).



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