Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 19 / VI / 2001

ÄGYPTEN IN BUNTEN BILDERN UND SPRECHBLASEN

Nicht nur die griechisch-römische Antike [1], sondern auch Ägypten wird in Comics gerne als Schauplatz zur Erzählung von Abenteuern der jeweiligen Protagonisten verwendet [2]. Viele Comic-Helden wie beispielsweise Asterix [3], Tim und Struppi [4] oder Donald Duck [5] unternehmen zumindest einmal eine Reise nach Ägypten.
Im traditionell dem Medium Comic aufgeschlosseneren Frankreich veranstalteten das Musée de la bande desinée d'Angoulême und das Musée Pincé d'Angers 1998/99 eine Ausstellung zu diesem Thema [6]. Zahlreiche der in dieser Ausstellung besprochenen Titel sind heute jedoch (zumindest im deutschen Sprachraum) vergriffen [7].
Ägypten wird in Comics auf verschiedene Weise rezipiert. Thematisch gesehen liegt einer der Schwerpunkte auf archäologischen Abenteuern, häufig werden aber auch der Hofstaat des Pharaos und die dort stattfindenden Intrigen sowie die Götterwelt und das Verhältnis der Ägypter zu Tod und Jenseits behandelt. Th. Groensteen unterscheidet drei verschiedene Arten, auf welche die genannten Themenbereiche abgehandelt werden: Der "dokumentarische" Ansatz ist vom Streben geprägt, der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen, der "fantastische" Ansatz hingegen bezieht die Bedeutung des Todes in der ägyptischen Kultur und die entsprechenden Bräuche in die Handlung ein. Mumien und Götter sind häufig die Haupthandlungsträger. Die "satirische" Form der Ägypten-Comics wiederum arbeitet mit Mitteln der Karikatur und anderen humoristischen Elementen [8].

Das Erscheinen der deutschen bzw. englischen Ausgabe von zwei Publikationsreihen, die gänzlich im alten Ägypten angesiedelt sind, soll Anlaß für die folgende Betrachtung dieses Themas sein.

In der Serie "Keos" von Jacques Martin (Text) und Jean Pleyers (Zeichnungen) sind bisher zwei Bände auf deutsch erschienen [9]. Der Autor der Serie, J. Martin, ist als Zeichner historischer Serien wie "Alix" und "Orion" bekannt. Alix ist der Sohn eines gallischen Häuptlings, der als Sklave nach Rom gelangt und dort von einem Patrizier adoptiert wird, bei "Orion" handelt es sich um eines der wenigen Beispiele für Comics, die im antiken Griechenland angesiedelt sind [10]. Martin arbeitet heute hauptsächlich als Autor historischer Serien für Zeichner wie J. Pleyers [11].
Keos ist ein junger Knabe, der zur Zeit von Ramses II. in Ägypten lebt. An dessen Sterbebett wird er auf Grund der von seinem Vater errungenen Verdienste in den Rang eines Prinzen erhoben und gewinnt schnell das Vertrauen des neuen Pharaos Mineptah. Gleichzeitig versucht der Judenführer Moshe (Moses), Keos für seine Anliegen zu gewinnen. Mit dem Hohepriester des Amon-Re, Roy, hat Keos auch einen mächtigen Feind innerhalb des königlichen Hofes. Ausgehend von dieser Konstellation muß Keos zahlreiche Abenteuer bestehen, er hat als Beschützer jedoch den Gott Osiris an seiner Seite.
Die Serie beinhaltet hauptsächlich realistische Elemente, weist jedoch durch das direkte Eingreifen des Osiris in manche Ereignisse auch "fantastische" Elemente auf.
Kleidung, Frisuren etc. in den Zeichnungen orientieren sich an ägyptischen Darstellungen aus dem Neuen Reich (Abb. 2). Aus ägyptologischer Sicht liegen die größten Schwächen des Comic in der deutschen Übersetzung. Orts- und Personennamen sind teilweise nicht korrekt wiedergegeben, so wird etwa Pi Ramesse, die Hauptstadt der Ramessidenkönige, zu "Pi-Rames" [12], Namen sind in der im französischsprachigen Raum gängigen Transkriptionsweise wiedergegeben, die nicht den deutschen ägyptologischen Konventionen entspricht, beispielsweise als "OUSER-MÂÂT-RE SETEPEN-RE" [13]. Der Name des Nachfolgers von Ramses II. wird im Deutschen üblicherweise als "Merenptah", nicht "Mineptah" [14] wiedergegeben.
Diese falschen Details sind um so bedauerlicher, da viele Elemente genau recherchiert sind. So wurde etwa an der Mumie von Ramses II. (1279 - 1213 v.Chr. [15]) tatsächlich ein Zahnabszeß nachgewiesen [16], welches auch im Comic als Todesursache des Pharaos genannt wird [17]; die beiden gezeichneten Sarkophage im Vordergrund haben den inneren Sarg des Tutanchamun zum Vorbild (Kairo, Museum JE 60671)(Abb. 3).

Historisch völlig korrekt sind beispielsweise auch die Kämpfe seines Nachfolgers Merenptah (1213 - 1203 v.Chr.) im Westen des Deltas gegen die Seevölker und Libyer, deren Anführer (zumindest nach deutschsprachiger Konvention) Marijaui, nicht "Maraju" heißt [18]. Die zeichnerische Wiedergabe des kämpfenden Königs folgt ebenso ägyptischen Darstellungen wie jene der Libyer [19]. Die Seevölker werden hingegen als "Meervölker" bezeichnet [20].
In diesem Rahmen kann nicht auf alle in "Keos" nicht ganz richtig wiedergegebenen Details eingegangen werden, die angeführten Beispiele mögen als exemplarische Darstellung genügen. Dem Lesevergnügen tun derartige "Fehler" jedoch keinen Abbruch.

Die Serie "Nofret" wird von der dänischen Grafikerin Sussi Bech gestaltet. Die seit 1986 existierende Reihe erscheint auch in Frankreich, Schweden, Belgien, den Niederlanden sowie in Indonesien und wurde nun ins Englische übersetzt. Neben "Nofret" illustriert S. Bech Kinderbücher und gestaltete u.a. eine zweibändige Geschichte über die Abenteurerin Aida Nur, die von der Entdeckung des Grabes Tutanchamuns angeregt wurde [21].
Nofret und ihre Schwester Kiya, zwei minoische Prinzessinnen, werden von syrischen Piraten entführt und verkauft. Kiya wird eine der Hauptfrauen des ägyptischen Pharaos Echnaton (Amenophis IV., 1351 - 1334 v.Chr.), während Nofret den Sklavenhändlern entkommt und in den Ländern des Mittleren Ostens verschiedene Abenteuer erlebt, bis sie schließlich nach Ägypten gelangt und Hohepriesterin im Tempel des Amun wird. Kiya nimmt an einer Palastverschwörung gegen den Pharao teil, wird nach der Aufdeckung vom Hof verbannt und schließlich von den Feinden Nofrets ermordet, welche die beiden Schwestern verwechseln. Nofrets Freunde überreden sie, zu ihrem Schutz die Identität der toten Kiya anzunehmen. Echnaton entschließt sich jedoch, seiner Nebenfrau zu vergeben, und so gelangt Nofret an den Hof des Pharaos. Sie trifft dort u.a. Kiyas Sohn Tutanchamun (Abb.). Dies ist die Ausgangssituation für den nun ins Englische übersetzten Band "Kiya".
Die grafische Gestaltung zeichnet sich im Vergleich zur Serie "Keos" durch geringeren Detailreichtum aus und ist der "Ligne claire" zuzurechnen [22].
Zur Hintergrundgeschichte der Serie ist festzuhalten, daß Kontakte zwischen der minoisch-mykenischen Welt und Ägypten auf Grund des archäologischen Befundes nachzuweisen sind [23], welcher nicht zuletzt an politische Heiraten denken läßt [24].
Echnaton besaß tatsächlich eine Nebenfrau namens Kija, die jedoch aus dem Reich der Mitanni in Mesopotamien stammte und in der neu gegründeten Hauptstadt Achet-Aton einen eigenen Palast sowie eine ihr geweihte Kapelle im Aton-Tempel besaß [25]. Ob es sich bei ihr jedoch wirklich um die Mutter Tutanchamuns handelt, ist umstritten [26].
Neben den historischen Fakten sind auch die bildlichen Bezüge auf konkrete Darstellungen und Monumente gegeben, so orientiert sich etwa die Wiedergabe Echnatons an den bekannten Statuen seiner Zeit, auch wenn die extremen Züge etwas gemildert sind (Abb. 5-6) [27].
Groensteen bezeichnet Nofret als diejenige Serie unter allen Ägypten-Comics, die am meisten "synchretistisch" ist, da sie Motive aus "1001 Nacht" mit humoristischen Elementen und Fakten verbindet [28]. Gerade dieses "orientalische Flair" macht einen der Reize der Serie aus.
Zusammenfassend läßt sich daher für beide Reihen festhalten, daß zwar trotz bemühter Recherchen einschlägig Vorgebildeten die eine oder andere Unstimmigkeit auffällt. Der Unterhaltungswert leidet darunter jedoch keineswegs.

[1] Zur Verarbeitung des Odysseus-Mythos in "Die Irrfahrten des Dagobert Duck" durch Carl Barks siehe Forum Archaeologiae 17/XII/2000. Allgemein zu diesem Thema vgl. T. Lochmann (Hrsg.), "Antico-mix". Antike in Comics (1999); S. Brenne - T. Lochmann, Antico-Mix oder Anti-Comics?, AW 1, 2000, 61ff. - Speziell mit den in den Asterix-Bänden von R. Goscinny und A. Uderzo rezipierten Elementen beschäftigt sich K. Brodersen (Hrsg.), Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers (2001).
[2] Für Literaturhinweise und Tips bin ich den Diskussionsteilnehmern im (Comicforum), besonders F. Weiland-Pollerberg, sehr zu Dank verpflichtet. Für die Beschaffung von in Österreich schwer erhältlichen Büchern danke ich J. Dureck (Berlin) sehr herzlich.
[3] R. Goscinny - A. Uderzo, Asterix und Kleopatra (1969), im französischen Original: Astérix 6. Astérix et Cléopâtre (1965); vgl. dazu M. Clauss, Asterix und Kleopatra, in: Brodersen a.O. 72ff.
[4] Hergé, Tim und Struppi 3. Die Zigarren des Pharaos, im Original: Tintin. Les Cigares du pharaon (schwarz-weiß 1934, farbig 1955).
[5] C. Barks, Der Schlangenring, in: Wir, Tick, Trick und Track 1 (1985) sowie in: Die tollsten Geschichten von Donald Duck (Donald Duck Sonderheft) 86 (1986), im Original: Donald Duck and the Mummy's Ring, in: Four Color Comic - Donald Duck (1943); vgl. dazu Erläuterungen in Barks Library Special: Donald Duck 2 (1994) 67ff.
[6] Th. Groensteen (Hrsg.), L'Égypte dans la bande dessinée. Katalog zur Ausstellung Toutan'BD des Musée de la bande dessinée d'Angoulême, 20. 5. - 20. 9. 1998 und des Musée Pincé d'Angers 17.10.1998 - 31.1.1999 (1998).
[7] Beispielsweise L. de Gieter, Papyrus (Boiselle-Löhmann Verlag, vergriffen), in der französischen Originalausgabe erschienen als Papyrus (éd. Dupuis, 1978ff.); D. Convard u.a., Die Erben der Sonne (Carlsen Verlag, vergriffen), im französischen Original erschienen als Les Héritiers du Soleil (éd. Glénat, 1986ff.). Diese Bände sind mangels Vorhandensein in Bibliotheken u. dergl. nur schwer zugänglich. Zu einer ausführlichen Bibliographie vgl. M. Thiébaut in: Groensteen a.O. 125; Zu "Papyrus" vgl. M. Thiébaut, Le voyage en Égypte dans la série Papyrus, in: Groensteen a.O. 93ff.
[8] Th. Groensteen, Humour et fantastique: les deux rives du Nil, in: Groensteen a.O. 9ff.
[9] J. Martin - J. Pleyers, Keos 1. Osiris (2000), im Original: Osiris (2000); dies., Keos 2. Die Kobra (2000), im Original: Le Cobra (2000). Die beiden Bände werden im Folgenden als Keos 1 bzw. Keos 2 abgekürzt.
[10] Zu "Alix" und "Orion" vgl. Lochmann a.O. passim, bes. 92ff.
[11] A.C. Knigge, Comics. Vom Massenblatt ins multimediale Abenteuer (1996) 189ff.
[12] Vgl. Keos 1 und Keos 2 passim.
[13] Keos 1, 5.
[14] Keos 1 und Keos 2 passim.
[15] Die hier genannten Jahreszahlen folgen J. v. Beckerath, Chronologie des pharaonischen Ägypten. Die Zeitbestimmung der ägyptischen Geschichte von der Vorzeit bis 332 v.Chr., MÄS 46 (1997) 190. Zu einer ausführlichen Diskussion der ägyptischen Chronologie siehe ebendort.
[16] S. Ikram - A. Dodson, The Mummy in Ancient Egypt. Equipping the Dead for Eternity (1998) 325f.; zur Mumie von Ramses II. i.a. siehe weiters L. Balout u.a., La Momie de Ramses II (1985). Anders als im Comic angegeben, besaß jedoch nicht Merenptah, sondern der übernächste Pharao, Siptah, ein verkürztes Bein, das mit einem Klumpfuß in Verbindung gebracht wurde, vgl. Ikram - Dodson a.O. bes. 100 Abb. 98f.
[17] Keos 1, 3.
[18] Vgl. Th. Schneider, Lexikon der Pharaonen (1994) s.v. Merenptah 159ff. mit weiterer Literatur.
[19] Zu Libyern in ägyptischen Darstellungen vgl. LÄ III (1980) 1017ff. s.v. Libyen, Libyer (J. Osing) mit Hinweisen auf einzelne Darstellungen.
[20] Keos 1, 32ff.; Zu den Seevölkern siehe zusammenfassend W. Helck, Die Beziehungen Ägyptens und Vorderasiens zur Ägäis bis ins 7. Jahrhundert v.Chr. Von R. Drenkhahn durchgesehene und bearbeitete Neuauflage, Erträge der Forschung 1202 (1995). Über das Thema herrscht innerhalb der Forschung jedoch noch keine Einigkeit.
[21] Verlagsinformation, vgl. http://www.nofret.dk
[22] Bekanntester Vertreter dieser Richtung ist Hergé (Timm und Struppi, frz. Tintin), vgl. Knigge a.O. 179ff.
[23] Zusammenfassend Helck a.O. 46ff.; Zu den Funden von minoischen Fresken in Tell el-Dab'a siehe beispielsweise M. Bietak, Avaris. Capital of the Hyksos. Recent Excavations at Tell el-Dab'a (1996) bes. 73ff. - Dazu sowie zu chronologischen Fragen und Kontakten zwischen verschiedenen Kulturen im östlichen Mittelmeerraum siehe die Homepage des Projekts SCIEM 2000 (http://www.nhm-wien.ac.at/sciem2000/index.html).
[24] P.W. Haider, Menschenhandel zwischen dem ägyptischen Hof und der minoisch-mykenischen Welt?, Ä&L 6, 1996, 137ff. bes. 149ff.
[25] Ebenda 150f.
[26] Vgl. Schneider a.O. 301f. s.v. Tutanchamun mit weiteren Literaturangaben.
[27] Vgl. die Statuen im Ägyptischen Museum in Kairo, siehe beispielsweise M. Saleh - H. Sourouzian, Die Hauptwerke im Ägyptischen Museum Kairo (1986) Kat. Nr. 159ff.
[28] Th. Groensteen, Humour et fantastique: les deux rives du Nil, in: Groensteen a.O. 14.

© Ursula Quatember
e-mail:
a9400516@unet.univie.ac.at

This article will be quoted by U. Quatember, Ägypten in bunten Bildern und Sprechblasen, Forum Archaeologiae 19/VI/2001 (http://farch.net).



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