Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 17 / XII / 2000

HOMER UND ENTENHAUSEN.
Zur Antikenrezeption in den Donald-Duck-Comics von Carl Barks

Im Rahmen der Antikenrezeption hat sich in letzter Zeit die Aufmerksamkeit verstärkt auch der Form des Comic zugewandt [1]. Im Mittelpunkt des Interesses standen dabei bisher zumeist die Asterix-Bände von R. Goscinny und A. Uderzo, die sich auf Grund ihrer inhaltlichen, bildlichen und textlichen Bezüge zur Antike, welche den Autoren gleichzeitig die Möglichkeit zu satirischen Anspielungen auf die Gegenwart geben, hervorragend für derartige Untersuchungen eignen [2].
Sehr konkrete Anspielungen auf die Antike ergeben sich jedoch auch bei anderen Comiczeichnern und -textern. Sehr auffällig, wenngleich auch bisher kaum behandelt, ist dies in manchen Walt Disney-Comics von Carl Barks. Anhand eines Beispiels sollen Bezüge zur Antike in seineim Oeuvre aufgezeigt werden [3].


Abb. 1: Carl Barks und Erika Fuchs (nach K. Bohn, Das Erika Fuchs Buch [1996] 88f.)

Carl Barks (Abb. 1) [4] wurde am 27. März 1901 in Oregon/USA geboren und wuchs in relativ einfachen Verhältnissen auf. Laut eigener Aussage wollte Barks bereits früh Cartoon-Zeichner werden, übte aus finanziellen Gründen jedoch verschiedene Berufe aus, bevor er 1935 für den Disney-Konzern zu arbeiten begann. Zunächst führte er die Zeichnung von Bewegungsabläufen in Einzelbilder für Trickfilme aus. Erst 1942 begann Carl Barks, eigene Donald Duck - Geschichten zu schreiben und zu zeichnen. Bereits eine seiner ersten Arbeiten, "Donald Duck and the Mummy's Ring" [5] beschäftigt sich mit einem ägyptologischen Thema.

Barks entwickelte in seinem mehrere Jahrzehnte dauernden Schaffen Donald Duck von einer eindimensionalen Trickfilmfigur zu einem komplexen Charakter weiter. Gleichzeitig "erfand" er Figuren wie Tick, Trick und Track (Huey, Louie and Dewey), Dagobert Duck (Uncle Scrooge), Gustav Gans (Gladstone Gander), Daniel Düsentrieb (Gyro Gearloose) und Gundel Gaukeley (Magice de Spell) [6].
Carl Barks verstarb am 25. August 2000.

Eine sehr wesentliche Rolle für den Erfolg der Barks-Comics im deutschsprachigen Raum spielten die Übersetzungen von Erika Fuchs [7] (Abb. 1). Die am 7. Dezember 1906 geborene Erika Fuchs studierte Kunstgeschichte, Archäologie und mittelalterliche Geschichte in München, Lausanne und London und promovierte 1935 mit einer Arbeit über den Barockbildhauer Johann Michael Feichtmayr. Nach dem Krieg begann sie als Übersetzerin für Reader's Digest zu arbeiten. 1951 wechselte sie zum Ehapa-Verlag und wurde so Übersetzerin der "Micky Maus" und anderer Disney-Comics des Verlages. Bis 1972, danach nur noch mit Einschränkungen, übersetzte sie das gesamte Disney-Material für den Verlag.
In den - teilweise sehr freien - Übersetzungen von Fuchs tauchen immer wieder Anspielungen auf die Antike auf, so sagt etwa Donald einmal über seine Backkenntnisse: "Mir braucht man nicht zu sagen, daß ein Biskuitteig zart wie Zephirsgesäusel sein muß." [8]

Den vorliegenden Betrachtungen liegen die von Fuchs ins Deutsche übertragenen Werke von Barks zugrunde [9].
In "Die Irrfahrten des Dagobert Duck" [10] versucht die Hexe Gundel Gaukeley wie so oft, Dagobert Duck den ersten selbstverdienten Zehner abzujagen, der ihm als Glücksbringer seinen sagenhaften Reichtum beschert hat [11]. In der Geschichte finden sich, wie der Titel bereits anklingen läßt, zahlreiche Anspielungen auf Homers Odyssee [12].
Dagobert, sein Neffe Donald sowie dessen Neffen Tick, Trick und Track werden von Gundel Gaukeley mittels eines durch magische Düfte präparierten Briefes, in dem sie Dagobert die von Odysseus im Trojanischen Krieg erbeuteten Schätze verspricht, auf die Insel der Kirke gelockt. In der Übersetzung wird ein Bezug zu den von Gustav Schwab herausgegebenen Sagen des Klassischen Altertums hergestellt (Abb. 2). Der Name ist eine Hinzufügung der Übersetzerin, im amerikanischen Original bleibt Schwab unerwähnt [13].


Abb. 2: nach TGDD 120/1 1

Bei der Fahrt durch das Mittelmeer geraten Dagobert und Donald ins Schwärmen vom Himmel Homers und von der sagenhaften Kirke. Ähnlich wie Odysseus erliegen auch Dagobert und Donald zunächst ihren Reizen (Abb. 3). Weder der Schatz des Odysseus noch der Schmuck der Schönen Helena können den bereits wieder etwas ernüchterten Dagobert jedoch dazu veranlassen, seinen Glückszehner einzutauschen.


Abb. 3: nach TGDD 120/1 8

Als die Ducks bereits wieder flüchten wollen, findet Gundel Gaukeley in einer zugemauerten Kammer den Zauberstab der Kirke. So gelingt es ihr, Tick, Trick und Track in Schweine zu verwandeln (Abb. 4).


Abb. 4: nach TGDD 120/1 13

Auch Donald wird in verschiedene Tiere verzaubert. Zur Rettung der Neffen ist Dagobert bereit, seinen Glückszehner herzugeben. Gemeinsam schaffen die Ducks es jedoch, das Einschmelzen der Münze zu verhindern. Als ihnen die Flucht mit dem Zehner gelingt, stellt sich heraus, daß Gundel Gaukeley keineswegs den echten Schatz des Odysseus zum Tausch angeboten hatte, sondern nur billigen Modeschmuck (Abb. 5).


Abb. 5: nach TGDD 120/1 21

Die von Barks gezeichnete Geschichte folgt weder streng dem Inhalt der Odyssee noch berichtet sie von einer Irrfahrt. Barks variiert geschickt ein häufig in seinen Geschichten auftauchendes Thema: Die ständigen Versuche von Gundel Gaukeley, Dagobert Ducks Glückszehner in ihren Besitz zu bringen, um ihn zu einem Amulett umzuschmelzen, das ihr Reichtum bringen soll [14]. Die Kirke-Episode [15] bietet ihm dafür geradezu ideale Möglichkeiten.
Gundel Gaukeley entspricht als "weiblichste" von Barks Schöpfungen gut dem Bild der verführerischen Kirke und Donalds Neffen standen ihm in vielen Abenteuern treu und hilfreich zur Seite wie die Gefährten des Odysseus.

Betrachtet man die Zeichnungen, ist auffällig, daß zwar sowohl der Verlauf der Erzählung als auch die Texte der Vorlage entsprechen, die Bilder hingegen nur wenige antike oder antikisierende Motive zeigen. So genügen Barks etwa zwei Säulen, um die Höhle der Kirke anzudeuten (vgl. Abb. 5). Eine derartige Reduktion der Bildinhalte auf wesentliche Elemente ist ein bewußt eingesetztes Stilmittel, das Barks von eher naturalistischer arbeitenden Zeichnern wie Alex Raymond (Flash Gordon) oder Hal Foster (Prinz Eisenherz) unterscheidet und ihn vergleichbar macht mit anderen Künstlern wie Charles M. Schulz (Peanuts) [16].
Ein in seinen späteren Lebensjahren entstandenes Ölgemälde verdeutlicht, daß Barks auch Antikisierendes detailgetreu wiedergeben konnte (Abb. 6) [17]: Der Tempelruine links im Bildhintergrund hinter Dagobert Duck ist eine getreue Wiedergabe des heutigen Zustandes des Saturn-Tempels auf dem Forum Romanum in Rom.


Abb. 6: Ölgemälde von Carl Barks (nach M. Barrier, Carl Barks. Die Biographie [1994] 98)

Wie dieses Beispiel verdeutlicht, werden im Bereich des Comics auch jenseits von "Asterix" antike Themen aufgegriffen und unterhalten durch ihre immer noch andauernde Aktualität Leser aller Altersstufen.

[1] Vgl. etwa das Beigleitbuch zu einer Ausstellung in der Basler Skulpturenhalle: T. Lochmann (Hrsg.), Antico-mix. Antike in Comics (1999); S. Brenne - T. Lochman, Antico-Mix oder Anti-Comics?, AW 1, 2000, 61ff.; DNP 13 (1999) 656ff. s.v. Comics (K. Geus).
[2] Siehe dazu R. van Royen - S. van der Vegt, Asterix. Die ganze Wahrheit (1998); R. Aßkamp u.a., ‚Die spinnen, die...'. Mit Asterix durch die Welt der Römer (1999).
[3] Neben den Angaben des Archäologischen Anzeiger 1997, 611ff. gelten folgende Abkürzungen in Übereinstimmung mit J.A. Grote, Carl Barks. Werksverzeichnis der Comics2 (1995):
BL-OD Barks Library - Onkel Dagobert
FC Four Color Comic
MM Micky Maus
TGDD Donald Duck Sonderheft - Die tollsten Geschichten (bis Nr. 105: Die tollsten Geschichten von Donald Duck - Sonderheft; dann bis einschließlich Nr. 118: Donald Duck Sonderheft - Die tollsten Abenteuer)
US Uncle Scrooge
WTTT Wir, Tick, Trick und Track
[4] Siehe dazu M. Barrier, Carl Barks. Die Biographie (1994); A. C. Knigge, Comics. Vom Massenblatt ins multimediale Abenteuer (1996) 132ff.
[5] Erschienen in FC 29/1 am 10. 5. 1943; deutsch als "Der Schlangenring" WTTT/1 August 1985 bzw. TGDD 86/1, 1986.
[6] Barrier a.O. 39ff.
[7] K. Bohn, Das Erika Fuchs Buch (1996).
[8] TGDD 23/1, 1970; Im englischen Original heißt es hingegen (freundliche Auskunft eines Diskussionstielnehmers im Ehapa-Comicforum): "Any half-baked baker would know that chiffon laver cakes should be tall and fluffy".
[9] Eine Einbeziehung der englischen Originalausgaben muß hier zunächst auf Grund der erschwerten Zugänglichkeit des Materials unterbleiben. Entscheidend ist jedoch, daß die hier in Übersetzung betrachteten Comics seit den 50er Jahren in dieser Form vom deutschsprachigen Publikum rezipiert wurden.
[10] Das Original erschien unter dem Titel "Uncle Scrooge Oddball Odyssey" in US 40/1 am 12. 4. 1962, deutsch erstmals in MM 33-35 1963, 17., 24. und 31. August 1963. Bei der hier verwendeten Fassung handelt es sich um TGDD 120/1, Juli 1992 in der ersten überarbeiteten Übersetzung von Erika Fuchs.
[11] Zumindest in späteren Geschichten ist der erste selbstverdiente Zehner die Grundlage für Dagoberts Reichtum, vgl. Barrier a.O. 84.
[12] Zu Homer siehe DNP 5 (1998) 686ff. bes. 693ff. s.v. Homeros (J. Latacz) mit weiterführender Bibliographie.
[13] J.A. Grotte - A. Platthaus, Who's who in Entenhausen. Die Spitzen der Gesellschaft (1997) 85.
[14] Ebenda 75.
[15] Hom. Od. X 133ff.
[16] Siehe dazu S. McCloud, Comics richtig lesen4 (1997) passim, bes. 32ff.
[17] Das Bild greift auf eine andere Episode mit antiker Grundlage zurück: "The Golden Fleecing", US 12/2 am 2. 6. 1955; deutsch erstmals in einer Übersetzung von Erika Fuchs in TGDD 77/1, 1984, "Das goldene Vlies".

© Ursula Quatember
e-mail:
a9400516@unet.univie.ac.at

This article will be quoted by U. Quatember, Homer und Entenhausen. Zur Antikenrezeption in den Donald-Duck-Comics von Carl Barks, Forum Archaeologiae 17/XII/2000 (http://farch.net).



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