Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 6 / III / 1998

EPHESOS 97
Die Kampagne im Jahre 1997

Abb. 1 : Marienkirche, Pastophorion
Abb. 2 : Marienkirche, Pfauenmosaik im Pastophorion

Während der Kampagne 1997, die wie immer von Mai bis Oktober dauerte, und an der ein internationales Team von 115 Wissenschaftlern teilnahm, wurde an folgenden Projekten weitergearbeitet: Agora (P.Scherrer), Artemision (A. Bammer, U. Muss), Damianos-Stoa, Epigraphik (D. Knibbe, H. Taeuber), Frühchristentum (R. Pillinger), Geophysik (S. Seren), Hadrianstor (R. Seeber), Hanghaus 2 (C. Lang, U. Outschar, H. Thür; G. Wiplinger), Hanghaus 2 - Überdachung (F. Krinzinger), Küstengeographie (H. Brückner), Magnesisches Tor (G. Seiterle), Marienkirche (Karwiese: abgeschlossen, Abb. 1 - 2), Numismatik (Karwiese, Abb. 6), Restaurierung (K. Herold), Skulptur (M. Aurenhammer), Stadion (Abb. 3) (Karwiese: Grabung abgeschlossen; P. Turnovsky), Theater (I. Ataç, Karwiese) und Vermessung (St. Klotz, C. Schirmer). Neu hinzugekommen sind Archäobotanik (M. Popovtschak), Hydrologie (Abb. 4) (D. Crouch, C. Ortloff) und Bouleuterion (L. Bier).

Abb. 3 : Arbeiten im Stadion
Abb. 4 : Obere Agora, Verteilerbau einer Wasserleitung

Die umfangreiche Tätigkeit war möglich dank der weiteren Finanzierung durch Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (Abt.I/12), Österreichische Akademie der Wissenschaften, Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Gesellschaft der Freunde von Ephesos, Senator A. Kallinger, Wiener Hochschuljubiläumsstiftung und Schweizer Stiftung Pro Epheso; das Theaterprojekt verdankt eine Sonderdotation dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Angelegenheiten (Abt.IX/B/10) und eine Sachspende der Firma BMC Izmir. Die Lizenz zum Einsatz vor Ort wurde von den türkischen Behörden vergeben, mit denen es weiterhin die traditionell gute Zusammenarbeit gab.

Da das Theater einer antiken Stadt u.a. vor allem als Ort der Volksversammlung ein bedeutendes Zentrum bildete, seien diesmal die hiesigen Arbeiten stellvertretend für alle übrigen etwas ausführlicher beschrieben:
Nachdem die, 1992 seitens der türkischen Antikenverwaltung von der österreichischen Grabungsleitung geforderten, Sanierungsarbeiten zwischen 1993 und 1996 mit Ausnahme des Bühnengebäudes weitgehend abgeschlossen, und die korrigierenden Planaufnahmen fertiggestellt worden waren, konnte 1997 im Anschluß an erste weiterführende archäologische Arbeiten und Bauforschung seit 1995 jetzt mit Nachdruck auf diesen beiden Gebieten fortgefahren werden. So wurden im Bereich des nördlichen Analemma (Flankenaufbau) Freilegungen vorgenommen, und die bisher identifizierten Architekturglieder der Bühnenwand nahebei in der Palästra des Theatergymnasiums nach Geschossen ausgelegt (A. Öztürk; Abb. 5 ).

Abb. 5: Blick über Theatergymnasium mit den ausgelegten Architekturstücken
des Theaters nach Osten

Mit der Entfernung eines Teiles der gewaltigen Versturzmassen im Nord-Analemma mittels Kraneinsatzes (Kalksteinblöcke und Mauerbrocken in einem Gewicht von an die 1.500 t !) wurde hier ein Korridor erfaßt, von dem ehedem Türen in hohe Gewölbekammern mit Fenstern in der Gebäude-Westfront führten. Der Korridor diente als Übergang von einem Stiegenhaus zur nördlichen Außentreppe, über die man in das 2. Diazoma (Rang) gelangte. Ein weiteres Stiegenhaus lag ursprünglich parallel daneben und führte über Eck nach Süden in das 1. Diazoma. Die bisherige Untersuchung der Gewölbekammern hat ergeben, daß sie zu einer Bauphase gehören, die nach 2-3maligem Um- bzw. Wiederaufbau seit etwa dem 2.Jh. v.Chr. um ca. 100 n.Chr. zu datieren ist.
Nach einem der schweren Erdbeben zwischen 359 und 366, deren Wirkung in ganz Ephesos nachzuweisen ist, wurden die Kammern halb zugeschüttet, die Gewölbe neu aufgemauert, und der Korridor in eine Zisterne umgebaut. Das hohe und mächtige Gewölbe des Korridors (der in Dimension und Struktur sogar jene im Theater von Milet übertroffen haben muß) stürzte erst nach 615 (datiert durch 3 Münzen des Kaisers Heraclius) ein und riß den ganzen darüberliegenden Zuschauerbereich in die Tiefe. Auslösend muß neuerlich ein gewaltiges Erdbeben gewesen sein, das jetzt wahrscheinlich auch für andere Bauten innerhalb von Ephesos, für deren Ende eine gleiche Münzdatierung vorliegt, ins Kalkül zu ziehen ist.

Abb. 6: Silbermünze des Hadrian; Av: Hadrian; Rv: Artemis Ephesia zwischen Niken und Adlern
Münzen spielen in der Fundevidenz und als Befund-Basis weiterhin eine besondere Rolle. So sind im Einsturzschutt des Süd-Analemmas bisher hauptsächlich Silberstücke (3fache Denare) zum Vorschein gekommen, die offenbar anläßlich der in den Schriftquellen beschriebenen Verteilungen zwischen den Sitzstufen verloren gegangen sind. Ihre Thematik bezieht sich dabei wohl jeweils auf Feste, die im Theater stattfanden: allen voran natürlich solchen zu Ehren der Artemis (Abb. 6).

Die Auslegung der Bühnenfront-Architektur (Abb. 5) diente nicht nur zur Strukturordnung, sondern auch zu einer erstmaligen Zusammenschau des Vorhandenen; dies erbrachte sogleich erste Anhaltspunkte für die Notwendigkeit von Modifizierung, ja teilweise sogar starker Veränderung der bisherigen zeichnerischen Rekonstruktionen. Während die Arbeiten dafür (neben der weiteren archäologischen Erschließung und vor allem restauratorisch-konservatorischen Maßnahmen) ab 1998 im Vordergrund stehen werden, ist an eine Wiederaufstellung der Fassade nicht gedacht.

Stefan Karwiese und Team



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