Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 66 / III / 2013

SIDE 2012: DIE ERGEBNISSE DER GRABUNGSKAMPAGNE AM OSTTOR

Einleitung
Durch ein Kooperationsprojekt mit der Anadolu Üniversitesi Eskişehir unter der Grabungsleitung von Hüseyin Sabri Alanyalı und dem Institut für Archäologie der Universität Graz werden seit 2011 archäologische Forschungsarbeiten in Side in der heutigen Provinz Antalya in der Türkei durchgeführt [1]. Entsprechend dem Schwerpunktthema des Instituts für Archäologie „Stadtmauern und Urbanisierung“ wurden archäologische Untersuchungen am östlichen Stadttor von Side begonnen.
Die Befestigungsmauer von Side stellt mit den beiden Toren, dem sogenannten Haupttor und dem Osttor, eines der besterhaltenen Monumente der antiken Stadt dar (Abb. 1). Während von der Seemauer nicht mehr viel zu sehen ist, ist die Landmauer noch sehr gut erhalten. Es handelt sich um eine dreigeschossige Kasemattenmauer, bei der im obersten Geschoß anstatt einer Zinnenbrüstung eine mit Fenstern versehene Wand errichtet war. Dieses Merkmal wird stets als Begründung für eine hellenistische Datierung der Landmauer angeführt [2].

Diesem durchdachten Befestigungssystem gehört auch das Osttor von Side an, das nach der bisherigen Forschungsmeinung [3] als hellenistisch bezeichnet und in das 3.–2.Jh. v.Chr. datiert wird [4]. Obwohl die Befestigungsanlage und viele Gebäude der antiken Stadt bereits lange bekannt waren [5], wurde das Osttor erstmals 1964 von Arif Müfid Mansel entdeckt und bis 1966 teilweise ausgegraben [6].
Die gesamte Umgebung des Tores liegt unter bis zu 10 m hohen Sanddünen, weshalb die topographische Einordnung des Tores in die umliegenden baulichen Strukturen unklar ist. K. Lanckorońsky [7] erfasste in seinem Plan bereits den zur Toranlage gehörenden südlichen Turm (Abb. 2) sowie eine Straße vom antiken Stadtzentrum in Richtung Osttor (Abb. 1). Fragmente von Säulentrommeln und Säulenbasen sowie Mauerreste entlang dieser Verbindung lassen eine Säulenstraße vom Tor stadteinwärts zum sogenannten „Gebäude mit dem Kaisersaal“ [8] vermuten. Stadtauswärts wird eine weitläufige Nekropole angenommen, die ebenfalls unter den Sanddünen liegt wie auch der Weiterverlauf der Stadtmauer vom Osttor nach Norden [9]. Aufgrund der aus dem Sand ragenden Türme ist die Fortsetzung jedoch zu erahnen.
Die gesamte Toranlage umfasst eine Fläche von ca. 30 x 20m [10]. Die Gestaltung des Tores erweist sich jedoch hinsichtlich der Bauabfolge als kompliziert. Aufgrund von bauhistorischen Beobachtungen am Tor und Streufunden ist davon auszugehen, dass die Anlage bis in das 7.Jh. n.Chr. mehrmals umgestaltet wurde [11].

Die Ergebnisse der Ausgrabungskampagne 2012
Entlang der südlichen Hofmauer, den beiden Pfeilern und der Sperrmauer von Tor F sowie der südlichen Torwand von Tor A wurde eine ca. 9 (Ost-West) x 6 m (Nord-Süd) große Sondage (Fläche 1) angelegt (Abb. 3). Ziel war es, die stratigraphische Abfolge an dieser wichtigen Stelle, wo das Tor A, das Tor F und die Hofmauer zusammentreffen, zu erfassen und eventuelle frühere bauliche Strukturen zu erkennen. Ausgangspunkt war das Endniveau der von A.M. Mansel durchgeführten Ausgrabung in den 1960er Jahren. Mansel gibt zwar eine sehr genaue Beschreibung des Osttores, liefert darin aber sehr wenig Informationen über seine durchgeführten archäologischen Untersuchungen. So beschreibt er nur kurz einen Fußboden in den Tordurchgängen aus gestampfter Erde, der das Ausgangsniveau unserer Ausgrabungen darstellte [12].

In der untersten sandigen Schicht, die aufgrund des Grundwassers nicht bis zum Ende verfolgt werden konnte, wurde hellenistische Keramik gefunden, die in das 2.Jh. v.Chr. datiert werden kann. Neben zahlreichen Wandscherben aus gelblich-beigem Ton wurden innenbemalte Schälchen aufgedeckt, die der sogenannten Hellenistic coloured coated ware zuzurechnen sind, wie sie in Paphos auf Zypern vorkommen [13]. Diese bisher unterste sandige Schicht schließt mit einer Mauer ab, die unter der gesamten Toranlage leicht schräg verläuft (Abb. 4). Von dieser Mauer konnten bisher drei Mauerscharen ausgegraben werden [14]. Sie besteht hauptsächlich aus grob- bis mittelkörnigem Konglomeratblöcken (ca. 0,70m lang und 0,60m breit). Dazwischen befinden sich aber immer wieder größere Blöcke mit einer Länge von 1,90m, was im Vergleich zu den Mauern im Torhof ein unregelmäßiges Erscheinungsbild widergibt.
Über diesem sandigen Stratum folgt eine mit Schotter und Sand durchsetzte Schicht, in der sich Eastern Sigillata A sowie frühe Formen der Sigillata Cipriota fanden, die in das 1.Jh. v.Chr. zu datieren sind. Auf diese Schicht folgt eine dunkelgraubraune Erdschicht mit Sigillata Cipriota der Form X59 aus dem 1.–2.Jh. n.Chr. sowie eine Schicht mit Münzen aus dem 2.–3. Jh. und sogenannter Sagalassos Red Slipped Ware der Form 1B162/1 und 1B170 [15]. Diese Schicht reicht exakt bis an die Oberkante des treppenartigen Vorsprungs der südlichen Hofmauer. Darüber folgt im westlichen Teil der Grabungsfläche eine Lehmschicht mit viel Ziegel und Holzkohle, die nach Osten hin lehmiger wird. In dieser Schicht ist eine Grube für eine Kanalleitung aus Tonrohren eingetieft. An Keramik kamen hier hauptsächlich Late Roman D Ware der frühen Form 2 sowie zahlreiche Münzen aus dem 4.Jh. n.Chr. zutage. Darüber befand sich eine massive Schuttlage mit vielen Ziegelfragmenten, Marmorplattenbruch, Moasiksteinchen, Late Roman D Ware sowie Münzen aus dem 4. Jh. In den obersten Schichten fanden sich Münzen aus dem 6.Jh. n.Chr. sowie späte Late Roman D Ware.

Außer der leicht schräg verlaufenden untersten Mauer, die aufgrund der stratigraphischen Abfolge und des damit in Zusammenhang zu bringenden Fundmaterials als hellenistisch zu bezeichnen ist, konnten in dieser Kampagne keine weiteren phasengleiche Strukturen festgestellt werden. Die jüngste Keramik aus der untersten Sandschicht gibt mit dem 2.Jh. v.Chr. einen terminus antequem für eine erste Toranlage vor, falls eine solche mit der schräg verlaufenden Mauer in Verbindung zu bringen ist. Nach den bisherigen Ergebnissen wurden der Torhof, das Tor F bis zum östlichen Pfeiler sowie der untere Teil von Tor A im 1.Jh. v.Chr. auf diese frühere Mauer mit leicht geänderter Ausrichtung gesetzt. Wie die massiven Schuttschichten aus dem 4.Jh. n.Chr. zeigen, sollte das Niveau in der Anlage erhöht werden. Damit werden auch Umbauarbeiten an den Torgewölben in Zusammenhang zu bringen sein. Einen Hinweis dafür liefert auch eine ca. 1,20m breite grubenartige Vertiefung, die ausschließlich mit Konglomeratabschlag verfüllt war und als Baugrube für Umbauarbeiten am Torgewölbe A gedeutet werden kann. Unmittelbar darüber befand sich außerdem eines der wenigen vorhandenen Gehniveaus, das aufgrund des Fundmaterials in das 4.Jh. n.Chr. datiert werden kann. Das Mauerwerk in den Gewölben von Tor A und C zeigt gegenüber dem sehr regelmäßigen Aufbau des Torhofes einen uneinheitlicheren Charakter. Neben vereinzelten bossierten Steinen, die vermutlich von der früheren Toranlage stammen, kommen auch sehr unterschiedlich lang gearbeitete Steinblöcke vor. Spätere Ausbesserungen an der Torwand, die durch den brüchigen Konglomeratstein notwendig wurden, weisen Ziegelstücke auf.
Dieser Befund liefert somit eine Neudatierung der gesamten Anlage, wonach große Teile vom sichtbaren, bisher als hellenistisch bezeichneten Osttor erst im späteren 1.Jh. v.Chr. errichtet wurden [16].

Literatur
Gliwitzky 2010 Ch. Gliwitzky, Späte Blüte in Side und Perge. Die pamphylische Bauornamentik des 3. Jahrhunderts n.Chr. (Bern 2010)
Hayes 1991 J.W. Hayes, Paphos III. The Hellenistic and Roman pottery (Nicosia 1991)
Lanckoroński 1890 K. Lanckoroński, Städte Pamphyliens und Pisidiens I (Wien 1890)
Lohner-Urban – Trinkl 2012 U. Lohner-Urban – E. Trinkl, Untersuchungen am Osttor von Side 2011, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net)
Mansel 1963 A.M. Mansel, Die Ruinen von Side (Berlin 1963)
Mansel 1968 A.M. Mansel, Osttor und Waffenreliefs von Side, AA 1968, 1968, 239–279
Mansel 1978 A.M. Mansel, Side. 1947–1966 yılları kazıları ve araştırmalarının sonučları (Ankara 1978)
McNicoll 1997 A.W. McNicoll, Hellenistic fortifications from the Aegean to the Euphrates (Oxford 1997)
Nollé 1993 J. Nollé, Side im Altertum. Geschichte und Zeugnisse I. Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 43 (Bonn 1993)
Nollé 2001 J. Nollé, Side im Altertum. Geschichte und Zeugnisse II. Griechische und lateinische Inschriften (5–16). Papyri-Inschriften in sidetischer Schrift und Sprache. Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 44 (Bonn 2001)
Peschlow 2010 U. Peschlow, Mauerbau in krisenloser Zeit? Zu spätantiken Befestigungen im südlichen Kleinasien: Der Fall Side, in: D. Kreikenbom et al. (Hrsg.) Krise und Kult. Vorderer Orient und Nordafrika von Aurelian bis Justinian, Millenium-Studien zu Kultur und Geschichte des 1. Jahrtausends n.Chr. 28 (Berlin/New York 2010) 61–108
Poblome 1999 J. Poblome, Sagalassos red slip ware. Typology and chronology. Studies in Eastern Mediterranean Archaeology II (Brepols 1999)
Winter 1971 F. Winter, Greek Fortifications (Toronto 1971)

[1] Vgl. Lohner-Urban – Trinkl 2012.
[2] Mansel 1968, 238–239.
[3] Winter 1971, 191 Anm. 104; McNicoll 1997, 147-148; Nollé 1993, 8; Gliwitzky 2010, 123–131.
[4] Nach Nollé 1993, 67, ist eine Datierung des Osttores in den letzten Jahrzehnten des 3.Jhs. v.Chr wahrscheinlich.
[5] Lanckorońsky 1890, 125–152.
[6] Mansel 1968, 239–279.
[7] Lanckoroński 1890, 124.
[8] Mansel 1963, 109-121. Der Grabungsleiter H. S. Alanyalı vermutet, dass dieses Gebäude ein Teil der nach Süden anschließenden Therme ist.
[9] Mansel 1963, 173–194.
[10] Vgl. Lohner-Urban – Trinkl 2012.
[11] Vgl. zuletzt dazu Peschlow 2010, 83–85. In der letzten Grabungskampagne im Sommer 2012 wurde ein digitaler steingerechter Grundrissplan der Toranlage erstellt. Eine digitale Aufnahme der Maueransichten ist für Sommer 2013 geplant, deswegen steht die endgültige Auswertung des bauhistorischen Befundes noch aus.
[12] Aufgrund der knappen Angaben über seine Ausgrabungen in den 60-er Jahren war es auch nicht weiter erstaunlich, dass sich innerhalb der ausgesteckten Grabungsfläche an der südlichen Wand von Tor A und der Sperrmauer von Tor F eine ca. 4 x 1,50m große Sondage fand, die mit Sand verfüllt war. Diese Sondage, die wohl auf die archäologischen Aktivitäten Mansels zurückzuführen sein wird, wurde bis annähernd zur Mitte der Sperrmauer in Tor F, dem östlichen Pfeiler von Tor F sowie einem kurzen anschließenden Teil der südlichen Wand von Tor A angelegt. Insgesamt wurden die Kulturschichten von Mansel ca. 1,20m tief weggenommen, wobei er nicht bis zum anstehenden Boden vorgedrungen war.
[13] Hayes 1991, 26–27 Abb. 14. Nach Auskunft des Grabungsleiters H. Alanyalı und des Fundbearbeiters A. Oransay wurden diese innenbemalten Schälchen auch bei Ausgrabungen im Dionysostempel in Side im Jahre 2011 in einem Kontext gefunden, der ebenfalls der späthellenistischen Periode zugerechnet werden kann.
[14] Aufgrund des steigenden Grundwassers war es gegen Ende der Kampagne im Sommer 2012 nicht mehr möglich an dieser Stelle weitere Ausgrabungen durchzuführen.
[15] Poblome 1999, 306. Die Münzbestimmung führte A.T. Tek durch.
[16] Nollé 1993, 67.
[17] Mansel 1968, 247 Abb. 10.

© Ute Lohner-Urban
e-mail: ute.lohner@uni-graz.at

This article should be cited like this: Ute Lohner-Urban, Side 2012: Die Ergebnisse der Grabungskampagne am Osttor, Forum Archaeologiae 66/III/2013 (http://farch.net).



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