Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

UNTERSUCHUNGEN AM OSTTOR VON SIDE 2011

Das Osttor von Side gehört zu einem durchdachten Befestigungssystem, das nach dem derzeitigen Forschungsstand zu Beginn des 2.Jhs. v.Chr. angelegt worden war. Die Toranlage wurde von 1964–1966 von A.M. Mansel [1] ausgegraben und untersucht.
Das Institut für Archäologie der Karl-Franzens-Universität Graz führte im Sommer 2011 unter der Leitung von Peter Scherrer nach freundlicher Einladung von Hüseyin Alanyalı und Feriştah Soykal Alanyalı von der Anadolu Üniversitesi Eskişehir neuerlich Untersuchungen am Osttor von Side durch. Die bauchronologische Entwicklung des Tores und seine Bedeutung für Side und Umgebung sind die zentralen Fragestellungen unseres Vorhabens. Diese Forschungen gehören zu einem wissenschaftlichen Schwerpunktprojekt „Stadtmauern und Urbanisierung“, das an der Universität Graz durchgeführt wird.
Die gesamte Toranlage umfasst eine Fläche von ca. 20x30m. Von Osten kommend betritt man das Tor durch zwei Durchgänge, die von seitlichen Türmen flankiert sind. Von den Durchgängen aus gelangt man in einen ca. 17x17m großen Hof, von dem drei weitere Durchgänge in das Stadtinnere führen. An den der Stadt zugekehrten Außenmauern des Hofes führen zwei Treppen zu den Wehrgängen bzw. zu einer über der Torfront gelegenen Terrasse oder „Attica“.
Nach ersten bauhistorischen Beobachtungen sind die beiden Türme, sowie der gesamte westliche Hofbereich mit dem Zugang zur Stadt der frühesten – wohl hellenistischen – Bauphase zuzurechnen. Der gesamte vordere Eingangsbereich mit den östlichen Hofmauern, den seitlichen Treppenaufgängen, den beiden Seitentoren und den beiden Haupttoren wird ab frührömischer Zeit errichtet worden sein. Größere Umbauarbeiten wurden in der Spätantike durchgeführt. Die beiden Haupt- und Seitentore wurden zugemauert. Auf der Terrasse über den Haupttoren wurde ein Mosaikboden angelegt. Auch die Reste von Wandmalereien und die große Menge an Vorratsgefäßen deuten darauf hin, dass das Tor in der Spätantike für Wohnzwecke genützt worden sein könnte.
Parallel zu den ersten Untersuchungen am Baukörper wurde mit einem Katalog von architektonisch gestalteten Baugliedern begonnen. Bisher konnten 85 einzelne Bauglieder identifiziert, fotografiert und kurz beschrieben werden. Es sind Bauglieder eines dorischen Frieses, eines ionischen Gebälkes, Steine mit Pilastergliederung und Fenster- bzw. Türrahmen vorhanden, die sich mehrheitlich nicht mehr in ihrem originalen Verband befinden. Darüber hinaus wurde mit der Dokumentation des bereits von Mansel gefundenen Waffenfrieses begonnen, der sich heute im Museum Side befindet. Auffällig an den Baugliedern ist das zahlreiche Vorhandensein von Versatzmarken. Bei den Gesimsblöcken liegen diese an den Unterlagern und müssen daher zur ursprünglichen Bauphase gehören; dies wird auch durch die Form der Buchstaben unterstützt. Auf dem Waffenfries liegen die Versatzmarken an der Schauseite und stammen wohl mit großer Wahrscheinlichkeit von einer sekundären Verwendung des Frieses.

Für die Kampagne 2012 sind Sondagen im Torhof sowie vor der landseitigen Torfront geplant, um die Schichtenabfolge der Anlage zu untersuchen und den Verlauf möglicher älterer, derzeit nicht sichtbarer Bauphasen oder Vorgängerbauten zu erfassen. Außerdem wird eine komplette digitale Aufnahme der Toranlage durchgeführt werden und ein Grundrissplan erstellt werden. Weitere bauhistorische Untersuchungen, die Fortsetzung der zeichnerischen und fotografischen Dokumentation der Architektursteine sowie Untersuchungen zum Waffenfries und zu dessen ursprünglichen Lage am Torbau sind auch für die nächste Kampagne geplant.

[1] A.M. Mansel, Osttor und Waffenreliefs von Side (Pamphylien), AA 1968, 239-279.

© Ute Lohner-Urban, Elisabeth Trinkl
e-mail: ute.lohner@uni-graz.at, elisabeth.trinkl@uni-graz.at

This article should be cited like this: U. Lohner-Urban – E. Trinkl, Untersuchungen am Osttor von Side 2011, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



HOME