Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 50 / III / 2009

FRÜHHELLADISCHE KREUZBANDSCHALEN AUS ÄGINA
Vorläufer, Parallelen und mögliche Kontinuität

Kap Kolonna, ein etwa 200 m langes, ins Meer vorragendes Felskap an der Nordwestküste der Insel Ägina, bietet den Inselbewohnern seit dem Neolithikum einen geeigneten Standort für eine Siedlung mit angrenzendem Hafen. Zwei der zehn prähistorischen Siedlungsphasen gehören dem Frühhelladikum II an. Entsprechend der Bauabfolge kann das keramische Fundmaterial einer älteren (Phase B) und einer jüngeren Phase (Phase C) zugeordnet werden. Die Gefäße zeichnen sich durch charakteristische Elemente der frühhelladischen Keramik im südgriechischen Raum aus und legen eine zeitliche Einordnung in eine entwickelte Phase [1] sowie an das Ende [2] der Stufe FH II nahe.


In der jüngeren Phase C treten zur traditionellen FH II-Keramik neue Gefäßklassen, bisher unbekannte Formen, fremde Dekorelemente und Technologien hinzu [3]. Zur Gruppe der keramischen Innovationen zählen auch sogenannte Kreuzbandschalen. Es handelt sich um Schalen des Typs I mit flachem Boden, kaum gekrümmter Wandung und unprofiliertem bzw. leicht eingezogenem Rand. An der Innenseite und in einem Fall auch an der Außenseite waren mit dunkler Farbe zwei sich überkreuzende, 3-5 cm breite Streifen aufgetragen worden (Abb.). Insgesamt konnten in Ägina Kolonna bisher Fragmente von 17 verschiedenen Kreuzbandschalen identifiziert werden, wovon beinahe die Hälfte im Bereich des "Weißen Hauses" zutage kam. Naturwissenschaftliche Analysen des gebrannten Tones bestätigen die Vermutung, dass der Großteil der Gefäße lokal hergestellt worden ist. Die Art der Musterbemalung wie auch das Motiv treten ausschließlich in Phase C auf und finden sich weder im Repertoire der vorangegangenen Phase B noch auf älteren Gefäßfragmenten. Ebenso plötzlich wie das Erscheinen ist auch das Verschwinden des Dekormotivs gleichzeitig mit der Gefäßform am Beginn der nachfolgenden Stufe FH III. Unmittelbare Parallelen finden sich an mehreren zeitgleichen Fundorten Südgriechenlands. Besonders häufig treten sie auf der NO-Peloponnes (Korakou, Zygouries, Berbati, Asine und Lerna), aber auch weiter südwestlich, in Malthi in Messenien, auf. In Mittelgriechenland werden Beispiele aus Orchomenos, Kirrha und Eutresis genannt. Auf Keos wird ein Fragment aus Agia Irini als mutmaßliches Importstück angeführt. Gut stratifizierte Fundkontexte weisen auf das entwickelte FH II hin.
Bedeutend früher tritt das dunkel gemalte Kreuz an der Innenseite von Schalen oder Schüsseln im westlichen Anatolien auf. Aus neolithischen Schichten stammen etwa Beispiele aus Ulucak Höyük bei Izmir und aus Hacilar. Etwas jünger sind Funde aus Demircihüyük.
Ein weit verbreitetes und charakteristisches Element stellt die Kreuzbandbemalung jedoch erst in mittelbronzezeitlichen Fundzusammenhängen Anatoliens dar. Die ersten Vertreter der bekannten ‚red cross bowls' stammen aus Schichten der ausgehenden Frühbronzezeit. Weit über 30 Fundorte sind bisher bekannt [4], unter ihnen Kültepe, Tarsus, Kilise Tepe, Kusura, Beycesultan und Troja. Die meist einhenkeligen Schüsseln unterschiedlichster Profilierung verschwinden am Ende der Mittelbronzezeit wieder.
Inwiefern sich die verschiedenen Traditionen und Entwicklungen beeinflussten, ist schwer fassbar. Die frühesten Beispiele finden sich zweifellos in Westanatolien. In Südgriechenland treten Kreuzbandschalen erst in einer entwickelten Phase der Stufe FH II auf. Eine autonome Entwicklung dieser Verzierungsform ist in Anbetracht der Zunahme an partieller Bemalung in Form von meist horizontal umlaufenden Bändern denkbar [5], aber nicht zwingend. In Ägina tritt die Produktion der Kreuzbandschalen erst spät, am Ende der Stufe FH II, auf. Der Impuls dazu kam vermutlich von der NO-Peloponnes.
In Anatolien kommt es am Übergang von der Früh- zur Mittelbronzezeit zu einer wahren Blüte der ‚red cross bowls'. In Anbetracht der einzelnen Beispiele, die bis in das Neolithikum reichen, und der tief verwurzelten Tradition der Bandverzierung sowie des Kreuzmotivs in der anatolischen Keramik kann von einer eigenständigen, unabhängigen Entwicklung ausgegangen werden, deren Kontinuität jedoch anhand der derzeitigen Fundlage nicht durchgehend belegt werden kann.

[1] Bauphase Kolonna II entspricht der keramischen Phase B (vgl. Lerna III B spät und III C); s. L. Berger, Neue Ergebnisse zur FH II-Keramik aus der Prähistorischen Innenstadt, in: E. Alram-Stern, Die Ägäische Frühzeit. 2. Serie. Forschungsbericht 1975-2002. 2. Band. Die Frühbronzezeit in Griechenland. Mit Ausnahme von Kreta (Wien 2004) 1094-1097 (ehemals Keramikphase 1).
[2] Bauphase Kolonna III entspricht der keramischen Phase C (vgl. Lefkandi I-Kastri-Gruppe, Lerna III D); s. Berger a.O. 1097-1102 (ehemals Keramikphase 2).
[3] L. Berger, Die Keramik von Ägina Kolonna zur Zeit der großen Korridorhäuser (FH II), in: G. Grabherr - B. Kainrath (Hrsg.); Akten des 11. Österreichischen Archäologentages in Innsbruck, 23.-25. März 2006, Ikarus 3 (Innsbruck 2008) 60-63 (vgl. Forum Archaeologiae 39/VI/2006).
[4] s. u.a. M. Korfmann, Red Cross Bowl - Angeblicher Leittyp für Troja V, in: R. M. Böhmer - H. Hauptmann (Hrsg.), Beiträge zur Altertumskunde. Festschrift für Kurt Bittel (Mainz 1983) 292. 294 Abb. 1.
[5] Vgl. u.a. M. H. Wiencke, Lerna IV. The Architecture, Stratification, and Pottery of Lerna III (Princeton/New Jersey 2000) 323 (Light-Painted). 325 f. (Dark-Painted). 597 (Saucers); H. J. Weißhaar, Ausgrabungen in Tiryns 1978, 1979. Bericht zur frühhelladischen Keramik, AA 1981, 224 Abb.69; 229 f. Abb. 75.

© Lydia Berger
e-mail: Lydia.Berger@sbg.ac.at


This article should be cited like this: L. Berger, Frühhelladische Kreuzbandschalen aus Ägina. Vorläufer, Parallelen und mögliche Kontinuität, Forum Archaeologiae 50/III/2009 (http://farch.net).



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