Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DIE KERAMIK VON ÄGINA KOLONNA ZUR ZEIT DER GROßEN KORRIDORHÄUSER (FH II)

Inmitten des saronischen Golfes gelegen und von der Peloponnes, dem Festland und der kykladischen Inselwelt umringt, erlangt Ägina bereits sehr früh überregionale Bedeutung. Das Zentrum Äginas bildete spätestens seit der Bronzezeit eine Siedlung auf Kap Kolonna im gleichnamigen Hauptort der Insel. Hier konnte im Zuge verschiedener archäologischer Grabungstätigkeiten eine ausnehmend lange Siedlungs-, Bau- und Kulturgeschichte nachgewiesen werden, die im Neolithikum beginnend bis in die byzantinische Zeit zu verfolgen ist.
Bereits die Siedlungen der mittleren Frühbronzezeit, des Frühhelladikums II (FH II), zeichnen sich durch hervorragende Leistungen im Bereich der Architektur, die sich in der Einführung der großen Korridorhäuser manifestieren, und der Gefäßkeramik aus. Analog zur Bauabfolge kann die Keramik in zwei Phasen unterteilt werden. Sie gehören dem entwickelten (Phase 1) und späten (Phase 2) FH II an.
In beiden Phasen zeigen sich die typischen Merkmale der Frühhelladisch II Keramik im süd- und mittelgriechischen Raum, wo sich in dieser Zeit eine keramische koiné mit gleichen Leitformen, analogen Gefäßformen und Dekorarten sowie ähnlichen Gefäßgattungen und Technologien ausbildet.
In Phase 2 (Abb.) kommt es neben der Einführung von drei zusätzlichen Gefäßklassen sowie einiger neuer technologischer Elemente zu einem sprunghaften Anwachsen der Gefäßformen, welches das signifikanteste Merkmal der späten Keramik darstellt.
Ein Phänomen ist das Erscheinen von Keramiktypen, die auf ostägäisch/anatolische Traditionen zurückgehen. Es handelt sich um fünf verschiedene Trink- und Eßgefäße, die am Ende der Frühbronzezeit 2 an vielen Fundorten auf den ägäischen Inseln, insbesondere den Kykladen, sowie an der griechischen Westküste von Thessalien bis Attika zu finden sind. In Ägina konnten bisher vier der fünf Keramiktypen identifiziert werden: der einhenkelige Becher (Trichterhalskrug), die Glockentasse, die Schnabelkanne und unter Vorbehalt der Teller. Sie wurden, sofern eine Beurteilung möglich ist, lokal produziert und zeichnen Ägina als westlichsten Fundort der in der Forschung nach zwei Orten auf Euböa und Syros bezeichneten Lefkandi I-Kastri-Gruppe aus.


Ein weiteres Phänomen der Spätphase stellt das Auftreten von Gefäßformen mit formaltypologischen Elementen dar, die bereits zur nachfolgenden Stufe Frühhelladikum III überleiten. Es handelt sich um bauchige Schnabeltassen (sog. Mischformen) und um zweihenkelige Krüge (Humpen). Sie verbindet eine für die Stufe FH II ungewöhnliche, leicht s-förmige Körperform, die sich in stärker akzentuierter Gestalt im FH III-zeitlichen Formenschatz wiederfindet.
Die neuen Elemente, die additional zur herkömmlichen Gefäßkeramik hinzutreten, deuten auf Einflüsse im Zuge vermehrter Handelsbeziehungen und auf das Verschmelzen verschiedener Traditionen hin. Größere Bevölkerungsverschiebungen können weder anhand der Innovationen in Phase 2, noch anhand nachweisbarer Ereignisse am Übergang zur Stufe FH III, wie beispielsweise eine gewaltsame Zerstörung der Siedlung, nachgewiesen werden.
Dennoch kann nicht von einem fließenden Übergang zwischen den beiden Zeitstufen gesprochen werden. Es kommt am Ende der Stufe FH II zu einem Bruch, der mit Ausnahme einiger Elemente in der Keramik alles Dagewesene auslöscht und neue Formen und Gattungen ausbildet. Die Ursache für diesen Einschnitt ist in Ägina Kolonna nur schwer faßbar und vermutlich von vielschichtiger Natur.

Literaturhinweise:
Berger L., Neue Ergebnisse zur FH II - Keramik aus der prähistorischen Innenstadt, in: Alram-Stern E., Die Ägäische Frühzeit. 2. Serie. Forschungsbericht 1975-2002. 2. Band. Die Frühbronzezeit in Griechenland. Mit Ausnahme von Kreta, Wien 2004, 1093-1103 (Taf. 5-7).
Felten F. und Walter H., Die vorgeschichtliche Stadt. Befestigungen, Häuser, Funde, in: Alt-Ägina III, 1, Mainz am Rhein 1981, 12-22, 93-105 (Taf. 79-88).

© Lydia Berger
e-mail: Lydia.Berger@sbg.ac.at

This article should be cited like this: L. Berger, Die Keramik von Ägina Kolonna zur Zeit der großen Korridorhäuser (FH II), Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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