Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 42 / III / 2007

DAS PENTATHLON - DER ANTIKE FÜNFKAMPF

Einleitung

Der erste Mehrkampf in der Geschichte des griechischen Sports wurde nach antiker Überlieferung 708 v.Chr. ausgetragen. Im 3.Jh. n.Chr. verlegte Philostratos seine Ursprünge in mythische Zeiten, indem er ihn mit der Argonautensage in Verbindung brachte. So berichtet er, Jason habe dem Peleus zuliebe das Pentathlon erfunden, weil dieser zwar ein ausgezeichneter Ringer, in den anderen Disziplinen jedoch immer nur zweitbester war [1].
Diese Aussage verdeutlicht auch, dass der Fünfkampf dem Athleten Vielseitigkeit abverlangte: um beim Pentathlon zu gewinnen, reichte es nicht, der beste Diskuswerfer oder Weitspringer zu sein; vielmehr musste man in mehreren Disziplinen Leistungen auf hohem Niveau erbringen. Die umfassende Körperertüchtigung, die dazu nötig war, brachte es mit sich, dass Pentathleten als die schönsten unter den Athleten galten. So bezeichnete Aristoteles sie als die perfekten Sportler, weil sich Stärke und Geschwindigkeit in ihren Körpern harmonisch verbanden [2].
Der antike Fünfkampf bestand aus folgenden Disziplinen (Abb. 1): Diskuswurf, Weitsprung, Speerwurf, Lauf und Ringen. Davon wurden der Diskuswurf, der Weitsprung und der Speerwurf nur innerhalb des Pentathlon ausgetragen [3], Lauf und Ringen hingegen gab es auch als selbständige Disziplinen außerhalb des Fünfkampfs. Hat man also beispielsweise eine der zahlreichen Darstellungen eines Speerwerfers vor sich, kann man mit Sicherheit sagen, dass es sich bei dem Athleten um einen Pentathleten handelt; bei einem Läufer hingegen ist dieser Schluss nicht zulässig.
Philostratos teilte diese fünf Disziplinen, die alle dem militärischen Training entstammen, in leichte (Speerwurf, Lauf und Weitsprung) und schwere (Diskuswurf und Ringen) ein [4]. Ihre genaue Abfolge im Verlauf des Wettkampfes kann zwar teilweise aus antiken Quellen rekonstruiert werden, gilt aber nicht als gesichert. Manche Forscher vermuten, dass zunächst die drei Pentathlon-spezifischen Disziplinen ausgetragen wurden, gefolgt vom Laufbewerb und dem Ringkampf zum Abschluss, da hier Übungen, die primär den Einsatz der Beine forderten, mit denen, die vorwiegend die Arme beanspruchten, abwechseln würden.
Ferner lassen die Aufzeichnungen antiker Autoren Rückschlüsse auf die Modalitäten der Siegerermittlung zu. Eine Besonderheit daran war, dass der Sieger schon nach Austragung der ersten drei Disziplinen feststehen konnte, wenn ein Athlet immer siegreich geblieben war, was eine deutliche Dominanz von Leichtathleten im Pentathlon mit sich brachte [5].

Zum Wertungssystem des antiken Pentathlon

Von vielen Wissenschaftern wurde der Versuch unternommen, die vielen aus antiken Quellen vorliegenden Informationen über die Siegerermittlung zu einem einheitlichen Wertungssystem zusammenzuführen. So wurden unterschiedliche Systeme rekonstruiert: solche, die auf einer Punktewertung basieren, andere, denen ein Ausscheidungsprinzip zugrunde liegt, und Kombinationen dieser beiden Systeme [6]. Doch bis heute konnte keine Lösung gefunden werden, die sich mit allen antiken Überlieferungen in Einklang bringen lässt. Daher liegt die Vermutung nahe, dass das Wertungssystem in der über 1000-jährigen Geschichte des Pentathlon Veränderungen unterworfen oder jeweils ortsabhängig war.
Auf die breiteste Akzeptanz stößt heute das von dem Philologen und Sporthistoriker Joachim Ebert vorgelegte Modell [7]. Es beruht auf der grundlegenden Auffassung, dass das Pentathlon als Dreikampf mit maximal zwei Zusatzrunden zu verstehen ist. Voraussetzung für diese Annahme ist die oben genannte Austragungsreihenfolge der Disziplinen, bei der die drei Pentathlon-spezifischen Bewerbe Diskuswurf, Weitsprung und Speerwurf zu Beginn durchgeführt werden. Ebert legt seiner Theorie das "Prinzip des dreifachen relativen Sieges" zugrunde.
Das bedeutet, dass ein Athlet als Gesamtsieger aus dem Pentathlon hervorging, wenn er jede der ersten drei Disziplinen zu seinen Gunsten entscheiden konnte.
Wenn nach den ersten drei Bewerben noch kein eindeutiger Sieger feststand, wurde der Wettkampf fortgeführt. Zur nächsten Disziplin, dem Stadionlauf, wurden nur noch jene Athleten zugelassen, die keine dreifache relative Niederlage gegenüber einem anderen Athleten erlitten hatten. Das bedeutet, dass ein Athlet, der in allen drei Bewerben schlechter war als ein und derselbe andere Athlet, ausgeschlossen wurde. Nach der Austragung des Laufes zog man abermals Bilanz: auch an dieser Stelle konnten drei Einzelsiege einem Athleten den Gesamtsieg bringen. War das nicht der Fall, schieden wiederum jene aus, die drei relative Niederlagen zu verzeichnen hatten. Die wenigen verbleibenden Pentathleten kämpften im Ringen um den Gesamtsieg, dabei wurde das k.o.-System angewendet.

Die Einzeldisziplinen

Diskuswurf (Diskós)
Die Tradition des Diskuswurfs lässt sich bis in mythische Zeiten zurückverfolgen. So stand er bei den Leichenspielen des Patroklos [8] ebenso auf dem Programm wie bei den Wettkämpfen zu Ehren des Odysseus am Hof des Alkinoos [9]. Dabei spricht Homer einmal vom Diskos, das andere Mal vom Solos als Wurfgerät. Daraus werden die Ursprünge des Diskus deutlich: denn beim Solos handelt es sich um einen Kupferbarren, der in seiner runden Form bei einem einfachen Verhüttungsofen entsteht, wenn sich das warme Metall im Sand ausbreitet und erstarrt. In der Bronzezeit hatte genormte Handelsware diese Form [10]. Auch Homer gibt einen Hinweis auf den materiellen Wert des Solos: er berichtet, dass das Wurfgeschoss gleichzeitig der Wettkampfpreis für den Sieger war, und dass ein adeliger Großgrundbesitzer damit seinen Metallbedarf für fünf Jahre decken konnte [11]. In nachhomerischer Zeit wurden sorgfältig bearbeitete Scheiben vorwiegend aus Bronze, aber auch Stein, Blei und Eisen verwendet.
Material, Größe und Gewicht betreffend dürfte es keine Normierung für die Disken gegeben haben (Abb. 2). Da zur Siegerermittlung nur die relativen Leistungen aller Athleten eines Wettkampfes miteinander verglichen wurden, es aber keine Aufzeichnungen über absolute Weiten im Sinne eines Rekorddenkens gab, war dies auch nicht nötig. Im Sinne der Chancengleichheit wurde von alle Athleten eines Wettkampfes ein und derselbe Diskus verwendet.
Pausanias berichtet, dass im olympischen Pentathlon drei Disken verwendet wurden, und dass diese im Schatzhaus von Sikyon in Olympia aufbewahrt wurden [12].
Absolute Weiten sind aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung kaum überliefert; Phayllos von Kroton soll seinen Diskus 95 delphische Fuß (entspricht ca. 28m) weit geworfen haben [13]. Dabei zählte allerdings nicht wie heute der erste Aufprall des Diskus, sondern die Entfernung, in der er letztendlich liegen blieb [14].
Die Technik des Diskuswurfes ist nach wie vor umstritten. Man steht vor dem Problem, dass die zahlreichen Abbildungen jeweils nur eine Momentaufnahme eines komplexen Bewegungsablaufes darstellen (Abb. 3). Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob der Werfer eine ganze Drehung vollführte oder nur den Oberkörper drehte, um zum Wurf auszuholen. Die Frage nach der Technik ist schon allein aus dem Grund nicht eindeutig zu beantworten, weil bei einem Sport mit einer 1000-jährigen Geschichte mit Veränderungen gerechnet werden muss.
Von Philostratos wissen wir, dass es eine Abwurfschwelle (Bálbis) gegeben hat; außerdem berichtet er auch über die Wurftechnik: Eine Schwelle ist abgegrenzt, klein und nur für einen Stehenden hinreichend (außer rückwärts), die dem rechten Bein Stand verleiht bei der Neigung des vorderen Teils und das linke Bein entlastet, das mit der Rechten sich emporheben und mitschwingen muss. Die Haltung dessen, der den Diskos hält: er muss den Kopf nach rechts drehen und sich so weit biegen, dass er an seiner Seite hinabsehen kann; dann muss er den Diskos werfen, wie wenn er etwas hochzöge und die ganze Kraft seiner rechten Seite in den Wurf legen. [15]
Weitere Hinweise auf die Technik liefert der römische Epiker Statius: Zuerst macht er mit Erde Diskus und Hand griffig, schüttelt dann den Staub weg und dreht gekonnt den Diskus herum, um zu sehen, wo die Finger gut greifen, welche Seite besser in der Armbeuge liegt. [16] [...] Schon holte er zu einem riesigen Wurf aus, hatte den Kopf gedreht, schon schwang seine ganze Seite zurück [...] [17] Oder an anderer Stelle: Er hebt das Kampfgerät, das seiner Hand vertraut ist, hält es hoch, sammelt die Kraft seiner festen Seite und starken Arme, schleudert den Diskus mit mächtiger, wirbelnder Drehung und folgt ihm selbst nach. [18]
Für die Unfälle mit getöteten Zuschauern beim Diskuswurf, von denen in den Mythen gelegentlich die Rede ist, gibt es zwar keine historischen Belege, im Bereich des Wahrscheinlichen liegen sie aber dennoch. Um die Sicherheit der Zuschauer zu gewährleisten, hätte es bei Wurfweiten um 30m jedenfalls gereicht, einen kleinen Teil der Tribünen während des Diskuswurfes abzusperren [19].

Weitsprung (Hálma)
Auch beim Weitsprung gibt es viele Unklarheiten im Hinblick auf die Technik. Gewissheit herrscht über die Verwendung von Sprunggewichten (Haltéres). Außerdem weiß man, dass von einem Absprungbalken (Báter) in eine aufgelockerte Fläche (Skámma) gesprungen wurde.
Die heute erhaltenen Sprunggewichte, die aufgrund zahlreicher Darstellungen leicht zu identifizieren sind (Abb. 4), lassen sich in zwei Gruppen einteilen: sphärische und lange. Die sphärischen, meist aus Stein, sind durch eine Fläche für die Finger an der einen, und ein Loch für den Daumen auf der anderen Seite gut an die Hand angepasst. Die langen hingegen sind meist Metallgewichte, in der einfachsten Form rechteckig und nur in der Mitte, wo sie der Athlet hält, etwas schmäler. Die beiden Formen wurden parallel verwendet, stellen also keine chronologische Entwicklung dar.
Es gibt kein Standardgewicht, die erhaltenen Haltere wiegen um 2-2,5 kg, oft treten sogar Abweichungen beim Gewicht innerhalb eines Paares auf [20].
Philostratos überliefert einige wichtige Informationen zum Weitsprung und den Halteren: Das Sprunggewicht ist eine Erfindung der Fünfkämpfer, erfunden aber wurde es für den Sprung, von dem es auch den Namen hat; denn die Spielregeln betrachten den Sprung als schwierige Kampfart und feuern den Springenden mit Flötenspiel an und beflügeln ihn mit dem Sprunggewichte; es ist nämlich ein sicherer Führer für die Hände und bringt die Füße fest und elegant auf den Boden. Was das aber wert ist, zeigen die Spielregeln. Sie gestatten nämlich nicht die Ausmessung des Sprunges, wenn die Sprungspur nicht tadellos ist. Es üben aber die länglichen Sprunggewichte Schultern und Arme, die rundlichen auch die Finger. Leichte wie schwere Athleten sollen sie bei allen Übungen nebenbei verwenden, die Erholung ausgenommen. [21]
Das Skámma war keine Sandgrube, wie sie im modernen Weitsprung verwendet wurde, sondern eine Fläche, die für die Zeit des Wettkampfes mit einer Spitzhacke aufgelockert wurde. Die Technik des Weitsprungs ist bis heute nicht restlos geklärt. Die verwendeten Sprunggewichte schließen jedoch einen Anlauf wie beim heutigen Weitsprung praktisch aus.
Wie schon beim Diskuswurf erwähnt, waren absolute Weiten nur von sekundärer Bedeutung, daher liegen diesbezüglich auch kaum Hinweise vor. Durch ein agonistisches Epigramm ist allerdings überliefert, dass Phayllos von Kroton in Delphi das Skamma um 5 delphische Fuß übersprang. Da auch die Dimensionen des Skamma genannt werden, lässt sich die von ihm erzielte Weite damit auf 16,3m berechnen [22].
Da diese Weite unmöglich durch einen Standsprung zu erzielen ist, wurde die Glaubwürdigkeit dieser Überlieferung in Frage gestellt. Ein Eintrag des Lexikographen Hesych aus dem 5.Jh. n.Chr. lässt die Sache in einem anderen Licht erscheinen. Unter dem Stichwort Batéra schreibt er: Der Rand der Sprunggrube der Pentathleten, von wo aus sie zum ersten Mal springen. [23]
Diese Information lässt darauf schließen, dass der antike Weitsprung ein mehrfacher Standsprung war [24]. Ebert kommt zu dem Schluss, dass es sich um einen fünffachen Standsprung in zeitlich nichtkontinuierlicher Folge [25] handelt. Obgleich sich diese Theorie nicht mit allen bildlichen Darstellungen in Einklang bringen lässt, erscheint sie in Anbetracht der Ergebnisse von Versuchen mit modernen Athleten plausibel [26].
Der Weitsprung wurde musikalisch auf einem Aulos begleitet. Es gibt mehrere Ansätze, die Funktion des Aulosspiels im Rahmen des Weitsprungs zu erklären. So berichtet Philostratos: [...] die Spielregeln betrachten den Sprung als schwierige Kampfart und feuern den Springenden mit Flötenspiel an [...] [27].
Weitere oft genannte Erklärungen nennen das Verleihen von Bewegungsimpulsen durch den Rhythmus an den Weitspringer sowie die Funktion des Flötenspiels als zeitliche Begrenzung [28].

Speerwurf (Akóntion)
Wahrscheinlich mehr als bei allen anderen Disziplinen ist beim Speerwurf der militärische Ursprung offensichtlich. Der Speer des Athleten unterscheidet sich dennoch im Gewicht vom schwereren Militär- bzw. Jagdspeer. Von Vasendarstellungen weiß man, dass er ca. körperlang und daumendick war und eine Bronzespitze hatte.
Der deutlichste Unterschied zum modernen Speerwurf besteht in der Verwendung eines Lederriemens (Ankyle), der in der Mitte des Speers um den Schaft gewickelt wurde und in einer Schlaufe auslief. Der Athlet steckte Zeige- und Mittelfinger in die Schlaufe, mit den restlichen Fingern hielt er den Speer. Über die Schlaufe konnte er Druck auf den Speer ausüben, der sich beim Abwerfen als Beschleunigungsimpuls auswirkte. Durch das Abwickeln der Ankyle wurde der Speer außerdem in Rotation versetzt, was eine stabilere Luftfahrt bewirkt. Die Ankyle war nicht am Speer befestigt; nachdem sie sich abgewickelt hatte, fiel sie vom Speer ab.
Die Technik kann, wenn auch mit Unsicherheiten, anhand von Darstellungen rekonstruiert werden: Zu Beginn wickelt der Athlet die Ankyle um den Speer und positioniert Zeige- und Mittelfinger in der Schlaufe, Daumen, Ring- und kleiner Finger halten den Speerschaft. Die linke Hand hält die Speerspitze. Danach bringt er den Speer auf Schulterhöhe, der rechte Arm ist gewinkelt und hält ihn an der Schulter. Er spannt die Schlaufe der Ankyle, wodurch er Druck aufbaut, dem er einen Gegendruck durch die linke Hand, die noch immer die Spitze hält, entgegensetzt. Ein gleichzeitig erfolgender, frontaler Anlauf ist wahrscheinlich.
Der Athlet lässt dann die Spitze aus und die Hand, die den Speer hält, wird, einhergehend mit einer Torsion des Oberkörpers nach rechts, bis zur Streckung nach hinten geführt. Danach stoppt er den Anlauf. Mit der Verlagerung des Gewichtes auf das vordere (linke) Bein wird der Speer nach vorne geführt und abgeworfen, gleichzeitig wird der Oberkörper wie beim Diskuswurf von der Torsion wieder in frontale Position gebracht. Beim Abwurf geben Zeige- und Mittelfinger dem Speer über die Schlaufe noch einen letzten Beschleunigungsimpuls.
Der Vergleich einer Vasendarstellung mit einer Grafik des Bewegungsablaufes beim modernen Speerwurf zeigt, dass es zumindest in manchen Phasen der Bewegung deutliche Übereinstimmungen gegeben haben muß (Abb. 5).

Da es auch Darstellungen gibt, die Speerwerfer beim Abwerfen des Speeres aus dem Stand zeigen, wurde immer wieder infrage gestellt, ob es einen Anlauf gab.
Vielleicht sollte man die Möglichkeit bedenken, dass diese Darstellungen die Athleten beim Training zeigen. Würfe aus dem Stand sind auch innerhalb des modernen Leichtathletiktrainings gängige Praxis, um diesen Teil des Bewegungsablaufes isoliert und somit gezielt zu trainieren.
Auch wenn es immer wieder Diskussionen darüber gegeben hat, ob der Speerwurf des Pentathlon ein Weitwurf oder ein Zielwurf war, sprechen Vasendarstellungen, auf denen die Verwendung eines Semeion zur Markierung der Weite dargestellt ist, doch deutlich für ersteres [29]. Da aber beim Speerwurf, wie auch bei den beiden oben besprochenen Disziplinen nur die Weiten von Athleten innerhalb eines Wettkampfes verglichen wurden und absolute Weiten unerheblich waren, sind solche Werte nicht überliefert. Dennoch wurde auch Zielwurf praktiziert: junge Männer übten ihn im Rahmen der Kriegsausbildung im Gymnasion aus. Ob es auch eine Wettkampfdisziplin war, ist unklar [30].

Lauf
Im Gegensatz zu den drei bisher besprochenen Disziplinen wurde der Lauf auch außerhalb des Pentathlon ausgetragen, differierte aber sowohl hinsichtlich der zu bewältigenden Distanz als auch der Ausrüstung. Welche Distanz innerhalb des Pentathlon gelaufen wurde, ist umstritten.
Von den verschiedenen Laufbewerben war der älteste und über eine Zeit von 17 Olympiaden auch der einzige Laufbewerb der Stadionlauf. Dabei bezeichnet Stadion eine Maßeinheit von 600 Fuß. Trotz dieser Normierung gibt es, bedingt durch die Autonomie griechischer Stadtstaaten, Unterschiede in der Länge bei den Stadien verschiedener Städte. Hier sei nur exemplarisch das Stadion des Apolloheiligtums auf Delos mit 167m dem Stadion in Olympia mit 192,25m gegenübergestellt. Die Laufrichtung von Ost nach West und somit in Richtung des Zeusheiligtums ist in Olympia ein Hinweis auf den kultischen Charakter [31].
Die Popularität des Stadionlaufes lässt sich an dem Umstand ermessen, dass die Olympiaden immer nach dem Sieger im Stadionlauf benannt wurden.
Laut antiker Überlieferung [32] wurde der Diaulos ab den 14. Olympischen Spielen (724 v.Chr.) ins Wettkampfprogramm aufgenommen. Er erstreckt sich über die Distanz von zwei Stadien und entspricht somit in etwa dem modernen 400-m-Lauf. Die Athleten hatten am Ende des Stadions eine Wendemarke zu umrunden, die Ziellinie war in diesem Fall mit der Startlinie identisch. Man weiß nicht mit Sicherheit, ob es eine Wendemarke für alle Athleten oder für jeden Athleten eine eigene gegeben hat. In ersterem Fall hätte das jedenfalls beträchtliche Nachteile für die Läufer der äußeren Bahnen mit sich gebracht, von Rempeleien ganz abgesehen.
720 v.Chr. kam der Dolichos hinzu, ein Langstreckenlauf über 20 Stadien [33], was ungefähr 3800m entspricht. Erst 200 Jahre nach dem Dolichos wurde der Waffenlauf (Hoplitodrómos) eingeführt. Hatten die Läufer in den Anfängen dieser Disziplin die Distanz von zwei Stadien noch in voller Rüstung zu bestreiten, blieb am Schluss davon nur noch der Schild, den sie zu tragen hatten.
Außerdem gab es an anderen Wettkampforten noch den sog. Pferdelauf (Híppios) über 2 Diauloi (4 Stadien) und den Fackellauf.
Bei den zahlreich erhaltenen Darstellungen von Läufern kann man anhand der Körperhaltung zumindest zwischen Kurz- und Langstreckenläufern unterscheiden: Ein Stadionläufer ist naturgemäß stets mit hochgezogenen Knien und weit ausgestreckten Armen dargestellt, ein Dolichosläufer mit kaum gewinkelten, nur wenig hochgezogenen Knien und den angewinkelten Armen nah am Körper.
Gestartet wurde im Stehen, es gab eine steinerne Schwelle (Áphesis) mit zwei parallelen Einkerbungen, in die der Läufer seine Zehen verankern und sich so besser abdrücken konnte. Ab dem 5. Jh. verwendete man an einigen Orten Vorrichtungen zum Verhindern bzw. Erkennen von Frühstarts, die mit der Zeit noch wesentlich verbessert wurden, um den Athleten möglichst absolute Chancengleichheit beim Start gewährleisten zu können: eine horizontale Leiste, die mit Halteseilen fixiert war, blockierte die Startbahnen. Mit dem Startsignal wurden die Seile gelockert, damit fiel die Blockierung und gab die Laufbahn frei [34].
Über die im Rahmen des Pentathlon gelaufene Distanz gibt es unterschiedliche Meinungen: Ebert favorisiert den Fünfstadienlauf [35], während Wolfgang Decker dem Stadienlauf den Vorzug gibt, mit Verweis auf zwei Sieger im Stadionlauf, die auch im Pentathlon siegreich waren [36].

Ringen
Das Ringen, die letzte Disziplin des Pentathlon, sei hier nur kurz erwähnt [37]. Stand auch nach der Austragung des Laufs kein Sieger fest, kämpften die wenigen verbleibenden Athleten im Ringen um den Gesamtsieg. Organisiert war der Ringbewerb wie ein Turnier, die Teilnehmer schieden nach dem k.o.-System aus [38].

Das Weiterleben des Pentathlon in der Gegenwart

Der moderne Fünfkampf, der bei den Olympischen Spielen der Neuzeit zum ersten Mal 1912 durchgeführt wurde, umfasst die Disziplinen Reiten, Schießen, Fechten, Schwimmen und Laufen. Pierre de Coubertin, der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, passte die Disziplinen des antiken Pentathlon der modernen Zeit an: von ihm stammt die Legende eines Meldereiters, dessen Pferd in feindlichem Gelände getötet wird. Daraufhin muss er sich zuerst mit der Pistole und dann mit dem Degen verteidigen, um danach einen Fluss zu durchschwimmen und den Rest des Weges laufend zu bewältigen. Der moderne Fünfkampf ist die einzige olympische Sportart, die auf Pierre de Coubertin zurückgeht. Sie wurde bis 1948 ausschließlich bei den Olympischen Spielen ausgetragen. 1949 wurde die "Union Internationale de Pentathlon Moderne et Biathlon" (UIPMB) ins Leben gerufen. Seither gibt es jährlich - außer in den Olympischen Jahren - Weltmeisterschaften im modernen Fünfkampf. Seit den frühen 70er Jahren wird diese Sportart auch von Frauen betrieben [39].
Der militärische Fünfkampf kann als modernisierte Variante des Pentathlon Pierre de Coubertins betrachtet werden. Er besteht aus den Disziplinen Schießen (Präzision und Schnelligkeit), 500m Hindernislauf mit 20 Hindernissen, 50m Hindernisschwimmen mit 4 Hindernissen, Werfen (Präzision und Distanz) und Geländelauf (8km Männer, 4km Frauen). Der militärische Pentathlon wird seit 1946 ausgetragen, ab 1952 werden Weltmeisterschaften veranstaltet. Die Sportart hat aber bis heute keinen Eingang in die Olympischen Spiele gefunden [40].
Verbindendes Element der modernen Pentathlonvarianten mit dem Pentathlon der Antike sind einerseits die militärischen Wurzeln, andererseits die hohen Ansprüche, die an die Vielseitigkeit der Athleten gestellt werden.

Die Auflösung der Kurzzitate entnehmen Sie bitte der Bibliographie.
[1] Philostr., Gymn. 3 (eingeleitet und übertragen von J. Jüthner [1909]).
[2] Aristot. rhet. I 5,11.
[3] Dies gilt nicht für die homerische Zeit: bei den Patroklosspielen und dem Festagon der Phaiaken treten diese Disziplinen z. T. einzeln auf, s. Hom. Od. 8 bzw. Hom. Il. 23.
[4] Philostr., Gymn. 3.
[5] Sinn 1996, 14.
[6] Miller 2004, 74; Sinn 2004, 167f.
[7] J. Ebert, Zum Pentathlon der Antike (1963) 2-24.
[8] Hom. Il. 23, 826-849; 884-897.
[9] Hom. Od. 8, 129; 186-194; 229.
[10] Decker 1995, 95.
[11] Hom. Il. 23, 831-835.
[12] Paus. VI 19, 4. - Nach Miller 2004, 61 ist nicht auszuschließen, dass die Athleten mit einem Set von Disken arbeiteten, wobei man im Verlauf des Wettkampfes zu immer schwereren Exemplaren griff.
[13] Hom. Il. 23, 431f.
[14] Weiler 1988, 165.
[15] Philostr., Eikones 1, 24 (hrsg. v. O. Schönberger [1968]).
[16] Stat., Thebais 6, 670ff. (Übers. O. Schönberger [1988]).
[17] Stat., Thebais 6, 691ff.
[18] Stat., Thebais 6, 707ff.
[19] Sinn 2004, 162.
[20] Miller 2004, 64.
[21] Philostr., Gymn. 55.
[22] Sinn 2004, 166.
[23] Hesych., Lexikon, s. v. batéra (hrsg. v. M. Schmidt [1867]).
[24] Die Ausführung eines Dreisprunges, wie er heute praktiziert wird, wäre mit den Halteren nicht möglich gewesen.
[25] Ebert (Anm. 7) 64.
[26] Ebert (Anm. 7) 49f. - Die Haltere wurden jedoch auch als allgemeines Trainingsgerät verwendet (Philostr., Gymn. 55).
[27] Philostr., Gymn. 55.
[28] Decker 1995, 99; B. Rieger, Weitsprung mit Gewichten und Ringen in heißem Sand, in: Sportschau 2004, 67.
[29] Miller 2004, 71.
[30] Weiler 1988, 168.
[31] Weiler 1988, 151.
[32] Paus. V 8, 6.
[33] Sinn 2004, 143. In antiken Quellen finden sich allerdings unterschiedliche Angaben zur Länge. Weitere angegebene Distanzen: 7, 8, 10, 12, 24 Stadien. - s. dazu Weiler 1988, 152.
[34] Sinn 2004, 143; B. Rieger, Von der Linie (grammé) zur Hysplex. Startvorrichtungen in den panhellenischen Stadien Griechenlands, Nikephoros Beih. 9 (2004); P. Valavanis, Hysplex (1999).
[35] Ebert (Anm. 7) 10-13.
[36] Ailios Granianos aus Sikyon (133/137 n.Chr.) und Demetrios aus Salamis (225/229 n.Chr.), s. Decker 1995, 100.
[37] Zum Ringkampf s. den ausführlichen Artikel von A. Nordmeyer.
[38] Decker 1995, 102.
[39] Vgl. http://www.modernerfuenfkampf.at.
[40] s. dazu http://www.military-pentathlon.org.

© Linda Bäumel
e-mail: L.Baeumel@gmx.at

This article should be cited like this: L. Bäumel, Das Pentathlon - Der antike Fünfkampf, Forum Archaeologiae 42/III/2007 (http://farch.net).



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