Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 26 / III / 2003

HELLENISTISCHE TONLAMPEN VON DER TETRAGONOS AGORA IN EPHESOS

Die Tetragonos Agora von Ephesos liegt im unteren Teil der Stadt, einem flachen Talbereich zwischen den beiden Stadtbergen Panayir Dag und Bülbül Dag (Abb. 1).

Seit der Verlegung der Stadt durch Lysimachos im 3.Jh. v.Chr. wurde die ehemalige Nekropole klassischer Zeit bzw. die Siedlung archaischer Zeit als Handelsmarkt und somit als Agora des antiken Ephesos genutzt [1]. Die in den späten 70er Jahren auf der Tetragonos Agora erneut aufgenommenen Grabungen konzentrieren sich seit 1993 vor allem auf die hellenistisch-römische Bebauung im westlichen Bereich des weitläufigen Areals [2]. Die Untersuchungen ergaben mehrere Bau- bzw. Umbauphasen der hellenistischen bzw. frührömischen Zeit, in deren Folge große Mengen an hellenistischer Keramik als Füllmaterial verwendet wurden [3]. Dabei kam auch zahlreiches Lampenmaterial der hellenistischen Zeit zutage.
Die hellenistischen Tonlampen bildeten bisher noch keinen Forschungsschwerpunkt in der ephesischen Keramikbearbeitung [4]. Eine lokale Produktion von Tonlampen in Ephesos ist seit dem Hellenismus bis in die Spätantike durch Matrizenfunde belegt. Die hellenistischen Lampen der Tetragonos Agora lassen sich in scheibengedrehte und matrizengefertigte Lampen einteilen, wobei erstere nur einen kleinen Prozentsatz einnehmen.

Scheibenlampen
Nur etwa 40 Lampen bzw. Fragmente dürfen den Scheibenlampen zugeordnet werden, die sowohl als importierte als auch als lokale Produkte anzusprechen sind und einen Zeitraum vom Ende des 4.Jhs. bis in das 2.Jh. v.Chr. umfassen.
Den Beginn der hellenistischen Lampen auf der Agora markieren die sich bereits in klassischer Zeit entwickelnden Rundschulterlampen [5]. In der 2. Hälfte des 4.Jhs. v.Chr. bzw. dem beginnenden 3.Jh. v.Chr. wurden Rundschulterlampen in geringen Mengen aus Athen bzw. einem kleinasiatisch/ostägäischen Produktionsort importiert [6].
Die Form wurde rasch von einheimischen Töpfern übernommen und weiterentwickelt, womit sich bereits im 1. Viertel des 3.Jhs. v.Chr. eine eigene lokale Lampenproduktion in Ephesos konstatieren läßt. Es handelt sich dabei um Rundschulterlampen mit einem breiten abgesetzten Rand (Abb. 2a-b).
Dieser Gruppe sind acht Lampen zuzuordnen, deren charakteristische Merkmale eine durchgehend gewölbte Schulter ist, die durch eine Rille vom Rand abgesetzt ist. Der Rand ist breit, flach und unterschiedlich stark einwärts geneigt. Die Schnauzen sind relativ kurz, oben leicht abgeflacht und seitlich gewölbt. Bei allen Beispielen ist die Wandung relativ dünn ausgebildet. Der Boden ist sowohl stark konkav eingezogen als auch sehr dick ausgeführt. In den meisten Fällen ist die Knubbe sehr lang, nach unten umgeschlagen und ohne Öse gebildet. An keiner Lampe sind Ansätze für einen Henkel erkennbar.
Aus Athen sind keine unmittelbaren Parallelen zu diesen Lampen bekannt, sie entsprechen nur ungefähr den Rundschulterlampen 4 vom Kerameikos bzw. dem Howland Typ 25 [7]. Die Rundschulterlampen aus Ephesos unterscheiden sich von den attischen sowohl in der ausgeprägteren Dünnwandigkeit des Körpers, dem leichteren Boden als auch in der Randgestaltung. Bei den attischen Lampen weist der durch eine Rille von der Schulter abgesetzte Rand eine viel stärkere Wölbung auf. Die Befunde, in denen diese Lampen auf der Tetragonos Agora auftreten (sog. "Störgraben"; Straße IV), deuten darauf hin, daß diese Lampen bis an das Ende des 3.Jhs. v.Chr. in Ephesos hergestellt wurden.
Ebenso wie für Ephesos lassen sich lokale Beispiele dieser Form sowohl im nördlichen kleinasiatischen Raum, wie Troja oder Pergamon, als auch südlich von Ephesos, wie etwa auf Rhodos oder Kalymnos feststellen [8]. Obwohl die Grundformen der Lampen große Übereinstimmungen aufweisen, ist dennoch für jedes Produktionszentrum eine etwas unterschiedliche Ausgestaltung erkennbar.

Flachschulterlampen kennzeichnen den Beginn des Hellenismus in der Lampenproduktion [9]. Auf der Tetragonos Agora sind sie sowohl durch jene mit einem schmalen Rand, mit einem steilen Becken als auch durch ihre Ausläufer vertreten. Ihr Einsetzen läßt sich im 2. Viertel des 3.Jhs. v.Chr. belegen. Die älteste Form tritt vor allem gemeinsam mit den Rundschulterlampen mit einem breiten abgesetzten Rand im sog. "Störgraben" bzw. der Straße IV auf. Diese Lampen dürfen ebenso wie die Rundschulterlampen als lokal hergestellte Produkte angesprochen werden. Im Gegensatz dazu stehen die Flachschulterlampen mit einem steilen Becken, die einer kleinasiatischen Werkstatt zugeschrieben werden können.
Parallel zu den Flachschulterlampen entwickelten sich am Ende des 3.Jhs. v.Chr. die Steilschulterlampen, deren Laufzeit bis in die Mitte des 1.Jhs. v.Chr. herabreicht. Bei dem ältesten Beispiel auf der Tetragonos Agora handelt es sich um ein attisches Importstück, das dem Störgraben entstammt. Ebenfalls als Importstücke dürfen zwei Steilschulterlampen mit einem tiefen Wandungsknick angesprochen werden, die am Ende des 2.Jhs. bzw. am Beginn des 1.Jhs. v.Chr. in einem kleinasiatischen bzw. ostägäischen Produktionszentrum hergestellt wurden.
Das Bild der Importe auf der Tetragonos Agora wird durch drei Knidos-Lampen ergänzt [10], die im Verlauf des 2.Jhs. bzw. am Beginn des 1.Jhs. v.Chr. nach Ephesos gelangt sein dürften.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß eine lokale Produktion von Scheibenlampen in der Zeit des Lysimachos in Ephesos eingesetzt haben dürfte. Ähnlich wie auch an zahlreichen weiteren Produktionsorten an der Westküste Kleinasiens war die Herstellung der scheibengedrehten Lampen zu Beginn nachhaltig von attischen Formen beeinflußt. Bei den Importen überwiegen attische Produkte, jedoch stammen zahlreiche Lampen, mit Ausnahme der Knidos-Lampen, aus bisher nicht näher bestimmbaren Herstellungszentren im kleinasiatischen/ostägäischen Raum.

Matrizenlampen
Ab der Mitte des 3.Jhs. v.Chr. kam es neben der Produktion von Lampen auf der Töpferscheibe auch zur Verwendung der Matrizentechnik, die eine schnellere und umfangreichere Produktion von Lampen ermöglichte [11].
In Ephesos läßt sich die Verwendung dieser Technik erst ab etwa der Mitte des 2.Jhs. v.Chr. anhand der "Ephesos-Lampen" belegen. Alle auf der Tetragonos Agora gefundenen Matrizenlampen sind zu den Ephesos-Lampen zu zählen. Eine Ausnahme bildet nur eine plastische Lampe, die jedoch in ihrer Form den Ephesos-Lampen nahe steht. Es lassen sich weder Importe noch andere lokal hergestellte Matrizenlampen feststellen.
Die Bezeichnung "Ephesos-Lampe" wurde von J.B. Walters geprägt, und aufgrund ihrer Provenienz mit dem Namen "Ephesus" Typ bezeichnete [12]. Zu den Charakteristika dieser Lampen zählen ihre spezielle Körper- und Schnauzenform, ihr grauer, harter und stark glimmerhaltiger Ton, der Überzug und der Reliefdekor, der sich durch seine immense Motivvielfalt auszeichnet.
Die Ephesos-Lampen, deren Produktion in Ephesos durch Matrizenfunde [13] und Tonanalysen [14] als gesichert gelten darf, können anhand des Materials der Tetragonos Agora in fünf große Gruppen eingeteilt werden. Diese lassen sich z.T. aufgrund ihrer Füllochgestaltung in verschiedene Typen unterteilen.
Das früheste Auftreten der Ephesos-Lampen läßt sich um kurz nach 150 v.Chr. konstatieren. Als die ältesten Lampen können jene mit einem hochliegenden Füllochrand bezeichnet werden (Abb. 3).
Im letzten Viertel des 2.Jhs. v.Chr. führt die Formentwicklung zu Lampen mit einer horizontalen Füllochmulde, sowie zu Lampen mit einem offenen Kanal und Lampen mit einer Ummantelung (Abb. 4).
Als letzte Gruppe sind jene mit einem aufgesetzten Kragen zu bezeichnen, die im Material der Tetragonos Agora die umfangreichste Gruppe bilden, und deren Produktion bis an den Beginn des 1.Jhs. n.Chr. andauerte (Abb. 5).

Im Material der Tetragonos Agora haben sich nur wenige Signaturen auf den Ephesos-Lampen erhalten [15]. Jedoch belegen die zahlreichen auf Delos gefundenen Ephesos-Lampen, daß viele unterschiedliche Werkstätten diese Lampen hergestellt haben [16]. Die Signaturen treten in Form eines vollständigen Namens (im Genitiv), einer Kurzform und als Monogramme auf.
Als eine der ältesten und wahrscheinlich größten Werkstätten darf jene des Asklepiades gelten, der zahlreiche Lampen der Gruppen 1 - 4 signiert hat (Abb. 3-4), und dessen Produkte einen großen Exportradius aufweisen [17]. Neben Delos lassen sich seine Produkte in Priene, Athen, Pella und an der Schwarzmeerküste belegen. Ein Export größeren Umfangs ist bereits im letzten Viertel des 2.Jhs. v.Chr. auf Delos und in Pella zu konstatieren.
Ebenfalls zu den frühesten Herstellern von Ephesos-Lampen kann die Werkstatt des Athenaios gelten, für die sich jedoch bisher nur eine geringere Exporttätigkeit nachweisen läßt.
Die einzigen zwei Werkstätten, für die sich bisher eine Herstellung von Lampen mit einem Kragen konstatieren läßt, sind jene des Archetimos sowie jene des ATP-Monogrammisten (Abb. 5). Die Tätigkeit der Werkstatt des Archetimos darf aufgrund von Funden auf Delos in das 1. Viertel des 1.Jhs. v.Chr. anberaumt werden. Im Gegensatz dazu scheint die Werkstatt des ATP-Monogrammisten erst gegen die Mitte des 1.Jhs. v.Chr. tätig gewesen zu sein.

Die Ephesos-Lampen stellten einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für die Stadt Ephesos dar. Dies läßt sich in der ungemein weiten Distribution der Lampen ab dem letzten Viertel des 2.Jhs. v.Chr. erkennen. Neben dem regionalen Handel spielte auch der Fernhandel eine große Rolle. Die Lampen wurden in zahlreiche Städte an der Westküste Kleinasiens und den Ägäische Inseln exportiert. Als Beispiele für den Fernhandel sind Städte am Festland von Griechenland, an der Schwarzmeerküste, auf Zypern und in der Levante zu nennen. Zahlreiche lokal hergestellte Imitationen und Varianten zeugen vom Einfluß, den die Ephesos-Lampen auf die lokalen Lampenproduktionen in den Absatzgebieten ausübten, was u.a. in Zentren wie Pergamon, Athen und Korinth belegt ist [18].
Der Export der Ephesos-Lampen scheint im wesentlichen auf die bereits bestehenden Absatzmärkte der ephesischen Keramikwerkstätten aufzubauen, da für zahlreiche Fundplätze auch der Import von delisch-ionischen Reliefbechern belegt ist, deren Export sich bereits im 3. Viertel des 2.Jhs. v.Chr. nachweisen läßt [19]. Der Vertrieb der Lampen wird sowohl von Ephesos selbst ausgegangen, als auch über den Freihandelshafen von Delos organisiert worden sein. Begünstigt war der Vertrieb einerseits durch die ideale Lage am Mittelmeer als auch durch die Expansionspolitik der Römer seit dem beginnenden 2.Jh. v.Chr., die sich in einem gut ausgebauten Straßennetz und der Sicherung der Seewege manifestierte [20].

Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß die Ephesos-Lampen einen wichtigen Exportartikel für die Handelsmetropole Ephesos darstellten. Nach der Einführung der Lampen in der Mitte des 2.Jhs. v.Chr. kam es bereits im letzten Viertel zu Exporten in größeren Ausmaßen, wie die zahlreichen über Delos verhandelten Güter belegen. Die Produktion der Ephesos-Lampen und ihr großer Exportradius erreichten im 1.Jh. v.Chr. einen quantitativen Höhenflug, wie er für keine Lampen aus anderen Produktionszentren nachweisbar ist. Die Dominanz der ephesischen Wirtschaft im späten Hellenismus spiegelt sich jedoch nicht nur im Export der Güter wider, sondern ist auch im Einfluß auf die Lampenmanufakturen an anderen Zentren erkennbar.

[1] P. Scherrer, The Historical Topography of Ephesos, in: D. Parrish (Hrsg.), Urbanism in Western Asia Minor, 45.Suppl. JRA (2001) 68; ein Überblick zur Stratigraphie bei Ch. Rogl, Hellenistische Keramik aus Ephesos: Funde der Tetragonos-Agora. Zu Fragen der Chronologie, Forum Archaeologiae 18/III/2001.
[2] Zu den älteren Grabungen vgl. R. Heberdey, ÖJh 5, 1902, Beibl. 62ff.; ders., ÖJh 7, 1904, Beibl. 37ff.; ders., ÖJh 10, 1907, Beibl. 66ff.; ders., ÖJh 15, 1913, Beibl. 162ff.; abschließende Grabungspublikation vgl. W. Wilberg, FiE III (1923) 1-90. Zu den Inschriften s. J. Keil, Inschriften in FiE III (1923) 91-168.
[3] P. Scherrer, ÖJh 63, 1994, Grabungen 11-14; ders., ÖJh 65, 1996, Grabungen 7-12; ders., ÖJh 66, 1997, Grabungen 4-6; ders., ÖJh 67, 1998, Grabungen 7-10; ders., ÖJh 68, 1999, Grabungen 13-16.
[4] Der vorliegende Artikel stellt einen Auszug meiner an der Universität Salzburg abgeschlossenen Dissertation mit dem Titel "Die hellenistischen Tonlampen der Tetragonos Agora in Ephesos" dar.
[5] Zu attischen Rundschulterlampen vgl. I. Scheibler, Griechische Lampen, Kerameikos XI (1976) 22-35.
[6] A. Giuliani, Die hellenistischen Tonlampen der Tetragonos Agora in Ephesos (unpubl. Diss. 2002) 30-31.
[7] Scheibler a.O. 26-30. R.H. Howland, Greek Lamps and their Survivals. The Athenian Agora IV (1958) 67ff.
[8] J. Schäfer, Hellenistische Keramik aus Pergamon, PF 2 (1968) 125-127: Rundschulterlampen (Typ K) Nr. K 3-5. Taf. 52. 53. R.L. Barr, Greek and Hellenistic Lamps from Ilion, Studia Troica 6 (1996) 174-178 Abb. 14-16. D.M. Bailey, A Catalogue of the Lamps in the British Museum I. Greek, Hellenistic and Early Roman Pottery Lamps (1975) 163 Nr. Q 380-382 Taf. 78-79. ders., 184 Nr. Q 429-431 Taf. 82-83.
[9] Zu attischen Flachschulterlampen vgl. Scheibler a.O. 50-53.
[10] Bailey a.O. 127-131. Howland a.O. 126.
[11] Scheibler a.O. 133-139.
[12] J.B. Walters, Catalogue of the Greek and Roman Lamps in the British Museum (1914) 46-50 Nr. 326-349.
[13] V. Mitsopoulos-Leon, Töpferateliers in Ephesos, in: Pro Arte Antiqua. Festschrift für H. Kenner, SoSchrÖAI 18/2 (1985) 247-251. Bailey a.O. Nr. Q 181. Q 182 Taf. 34; Nr. 203 Taf. 38.
[14] S. Zabehlicky-Scheffenegger - R. Sauer - G. Schneider, Graue Platten aus Ephesos und vom Magdalensberg, in: M. Herford-Koch - U. Mandel - U. Schädler (Hrsg.), Hellenistische und kaiserzeitliche Keramik des östlichen Mittelmeergebietes, Kolloquium Frankfurt 24.-25.April 1995 (1996) 49.
[15] Giuliani a.O. 83-93.
[16] Ph. Bruneau, Les Lampes, Délos XXVI (1965) 52 Abb. 2. 54-55. A. Giuliani - C. Rogl, Ephesische Töpferwerkstätten - ihre Töpfer und ihre Produkte, in: Temenos. Festgabe für F. Felten u. S. Hiller (2002) 71-74.
[17] Zur Verbreitung und zum Motivrepertoire dieser Werkstatt vgl. A. Giuliani, Untersuchungen zu Ephesos-Lampen an Beispielen aus der Werkstatt des Asklepiades, in: F. Krinzinger (Hrsg.), Studien zur hellenistischen Keramik in Ephesos (2001) 45-49.
[18] Zur Verbreitung der Ephesos-Lampen vgl. Giuliani a.O. (Anm. 6) 98-105.
[19] C. Rogl, Eine Vorschau zu den reliefverzierten Trinkbechern der ephesischen Monogramm-Werkstätte, in: F. Krinzinger (Hrsg.), Studien zur hellenistischen Keramik in Ephesos (2001) 103-105.
[20] J.-J. Aubert, Business Managers in Ancient Rome. A Social and Economic Study of Institores, 200 B.C.- 250 A.D. (1994) 212-214. Scheibler a.O. 131.

© Anita Giuliani
e-mail:
anita.giuliani@oeaw.ac.at

This article will be quoted by A. Giuliani, Hellenistische Tonlampen von der Tetragonos Agora in Ephesos, Forum Archaeologiae 26/III/2003 (http://farch.net).



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