RÖMISCHE LANDGÜTER AM UNTEREN INN
Nihil est agri cultura melius...



Das Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien arbeitet unter der wissenschaftlichen Gesamtleitung von F. Krinzinger seit 1991 an einem Projekt, das sich die Erforschung römerzeitlicher Landgüter auf dem Gemeindegebiet von Altheim (Oberösterreich) zum Ziel gesetzt hat. Während dieser Jahre wurden neben geophysikalischen Prospektionen (P. Melichar und W. Neubauer) einesteils als Feststellungsgrabungen konzipierte, kleinflächige Untersuchungen in den römischen Gutshöfen von Altheim-Wagham und Altheim-Weirading durchgeführt, um Erhaltungszustand und Zerstörungsgrad der dort liegenden Ruinen sondieren zu können, andernteils bildete die möglichst flächige Erforschung des Fundplatzes Simetsberg während der ersten fünf Grabungskampagnen den Schwerpunkt unserer Arbeiten.

Frühere archäologische Initiativen im südlichen Innviertel gingen vor allem auf H. v. Preen, Maler, Archäologe und Besitzer des Gutes Osternberg bei Ranshofen zurück, der seit dem späten 19. Jh. die Geschichte seiner Heimat faßbar zu machen suchte und eine Reihe von Grabungsaufzeichnungen, Fundberichten und Lageskizzen hinterließ. Seit 1985 erfährt die Region in der systematischen Bestandsaufnahme aller Bodendenkmäler und Funde durch das Bundesdenkmalamt (M. Pollak in Zusammenarbeit mit A. Stelzl) wertvolle neue Impulse. Vor allem diesen Arbeiten ist es zu danken, daß die historische Landeskunde im VB Braunau am Inn im Vergleich zu anderen Teilen Oberösterreichs sehr weit gediehen ist, zumal nicht nur Denkmäler einer einzigen Epoche, sondern von der Prähistorie bis zur Neuzeit alle Zeugnisse von Besiedlung in die Dokumentation aufgenommen werden.

Im Gemeindegebiet von Altheim sind bislang drei römische Landgüter der mittleren Kaiserzeit bekannt, welche je ca. 3 km Luftlinie voneinander entfernt auf jeweils gegenüberliegenden Hängen liegen und von der hervorragenden Platzwahl der römischen Bauherren zeugen. Allen Fundplätzen ist eine hohe Bonität der anstehenden Böden gemein, die eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Landbau von der Antike bis heute bildet. Da die römischen Gebäude nur etwa 0,2 - 0,4 m tief unter der jetzigen Humusoberkante in landwirtschaftlich genutztem Gebiet liegen, ist infolge mechanisierten landwirtschaftlichen Betriebes während der letzten Jahrzehnte viel an Bausubstanz verloren gegangen. So sind aufgehendes Mauerwerk und Fußböden nirgendwo erhalten geblieben, und die Grundrisse der Gebäude können nur noch in ihren Fundamenten, Böden - wenn überhaupt - in ihren Unterkonstruktionen, andere bauliche Elemente (wie z.B. ehemalige Holzarchitektur) als Verfärbungen im gewachsenen - also ungestörten - Boden studiert werden.

Am weitesten fortgeschritten ist die Zerstörung in der Villa rustica von WAGHAM, von der nach der Prospektion und während einer nachfolgenden Feststellungsgrabung (1994) nur noch schwache Grundrißstrukturen der Anlage zu erkennen waren. Das Fundmaterial datiert den Komplex, der an einem bestens ausgewählten Platz an einem sanft abfallenden Hügel untergebracht gewesen war, in das 2. und frühe 3. Jh. n. Chr.

Im Landgut von WEIRADING hatte H. v. Preen bereits 1913 eine kleine Versuchsgrabung durchgeführt und war dabei auf „zwei Gebäudereste, darin viele keramische Funde, Dachziegel und Heizröhren" gestoßen. Nach den neuen Prospektionsergebnissen können wir eine ausgedehnte, einstmals reich ausgestattete Villenanlage annehmen, deren vermutliches Hauptgebäude (700 -1000 m2 Grundfläche) an der nordöstlichen Seite eines ummauerten Innenhofes von ca. 48 m Seitenlänge liegt. Entlang der nordwestlichen Hofseite führt ein ursprünglich wohl überdachter Gang zu einem großen Badegebäude, welches an der südwestlichen Ecke des Hofes liegt und etwa 30 x 15 m mißt.
Nach einer bescheidenen Feststellungsgrabung im Hauptgebäude (1994) begannen wir im Sommer 1996 mit der systematischen Freilegung des Bades, dessen Befund sich als interessant und vergleichsweise gut erhalten erwies (Reste der Hypokaustheizung in situ). Das datierende Fundmaterial weist die Villa von Weirading in das 2. und 3. Jh. n. Chr.

Die Besiedlung in SIMETSBERG setzte wohl schon im ausgehenden 1. Jh. n. Chr. ein. Während unserer Grabungen in diesem Landgut (1991 - 1995) konnten wir die Grundrisse von bislang vier ehemals in Süßwassertuff, einem Sinterkalk, der lokal am Inn ansteht, errichteten Gebäuden freilegen, doch kennen wir die Gesamtausdehnung dieses weiträumig angelegten, mittelgroßen Gutsbetriebes noch nicht.
Mit Gebäude I liegt ein etwa 12 x 14 m messender Grundriß vor, dessen Funktion am ehesten im Bereich eines Wohn- und/oder Wirtschaftshauses (Gesindewohnhaus?) zu suchen ist. Etwa 11 m nordöstlich liegt ein zweiter Gebäudekomplex, der aufgrund der Kleinteiligkeit der Räume und des Nachweises einer Heizanlage als Badehaus (balneum, balnearium) des Landgutes angesprochen werden kann. Boden- und Wandheizungsziegel, zahlreiche Fragmente mehrfarbig bemalten Wandverputzes und unzählige Mosaiksteinchen belegen die einst gediegene Ausstattung dieses Baues, der alle Funktionen einer römischen Therme erfüllte. Der wohl bedeutendste Befund ergab sich aber mit der Freilegung eines im Durchmesser ca. 6,5 m großen, beheizbaren Rundbaues, der nordwestlich zwischen Gebäude I und II liegt und in seinem Inneren ein System regelmäßig angeordneter Tuffsteinfundamente für das hypocauston (Boden-Wandheizung) birgt. Aufgrund dieser nur selten nachzuweisenden speziellen Grundrißform kann dieser Bau als Schwitzbad (sudatorium) interpretiert werden und stellt damit einen gleichermaßen interessanten wie wichtigen und gut datierbaren Befund dar. Etwa 70 m nordwestlich dieser drei Bauten liegt das zuletzt ergrabene, ca. 7,5 m im Quadrat messende Gebäude IV, das als Speicherturm (granarium, horreum) verstanden werden kann.



Abb. 1: Altheim-Simetsberg, Grauer Einhenkelkrug
Obwohl die Villa rustica von Simetsberg generell als nicht sehr fundstark zu bezeichnen ist, was wohl daran liegen mag, daß die Oberfläche des erhaltenen Befundes bereits Fundamentbereich der römischen Bauten ist und der darauf liegende Humus schon seit langem landwirtschaftlich genutzt wird, können wir ein breites Spektrum von Funden benennen, die gut bestimmbar und damit datierend sind. So weisen Sigillaten, Gläser, Feinware, Fibeln und „Gebrauchskeramik" deutlich in die Zeit zwischen dem ausgehenden 1. und dem beginnenden 3. Jh. n. Chr. und belegen damit die Nutzung des Gutshofes während etwa vier Generationen (Abb. 1). Was danach mit den Bauten in Simetsberg geschah und welches Schicksal ihre Bewohner ereilte, läßt sich nur schwer erahnen. Im archäologischen Befund finden sich jedenfalls keinerlei Hinweise auf eine wie immer geartete von außen kommende Zerstörung (Brand, Erdbeben, kriegerische Auseinandersetzungen o. ä.). Vielmehr deutet manches darauf hin, daß das Gehöft - aus welchem Grund auch immer - planmäßig und vorbereitet verlassen wurde.
Erst ca. 750 Jahre später, in der Zeit um 1000 n. Chr., ist Simetsberg wieder Ort einer kleinen Siedlung. Im Bereich des römischen Gutshofes, von dem zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht mehr viel zu sehen war, entsteht ein mächtiger Holzbau (vielleicht waren es auch mehrere), dessen Reste wir als bis zu 0,75 m große Pfostengruben deutlich im Boden beobachten konnten. Zu diesem großen mittelalterlichen Befund gehören etliche Fragmente der sog. „Goldglimmerkeramik" sowie eine gut erhaltene bronzene Scheibenfibel mit zoomorpher Darstellung (Panther), deren Datierung in das ausgehende 10. Jh. sich durch die Einordnung in den Kulturhorizont Köttlach II ergibt (Abb. 2).


Abb. 2: Altheim-Simetsberg, Scheibenfibel

In unseren Methoden bemühen wir uns aber nicht nur, Architektur und Fundmaterial wissenschaftlich zu dokumentieren, sondern auch pflanzliche und tierische Reste in unsere Untersuchungen einzubeziehen, welche uns wichtige Aufschlüsse über die Wirtschaftsform des römischen Landbaues geben. Damit gelingt es, aus bescheidenen Resten einen zwar hypothetischen, im einzelnen aber doch recht konkreten Einblick in die Bewirtschaftung römerzeitlicher Landgüter am Unteren Inn zu gewinnen. So belegen Tierknochenanalysen die Haltung von Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen, Pferden und Geflügel, archäobotanische Untersuchungen bestätigen uns den Anbau verschiedener Getreidesorten und Hülsenfrüchte.

So die Weiterführung der Forschungen in den nächsten Jahren sichergestellt werden kann, wird die Bearbeitung des Gesamtbefundes letztlich ein wichtiger Beitrag dazu sein, die historische Landeskunde in diesem Teil Oberösterreichs einen Schritt voranzutreiben. Damit kann sich auch eine Chance ergeben, überregionale, dem Forschungsstand der westlich anschließenden Gebiete Raetiens entsprechende neue Aussagen zur Villenforschung zu erarbeiten.

Erste Ergebnisse der Feldforschungen in Altheim und archäologisches Fundmaterial sind während der Sommermonate (Anfang Mai - Anfang November) im Rahmen einer Dauerausstellung im Zeitspuren-Museum „Ochzet-Haus", Roßbacher Str. 2, A-4950 Altheim zu besichtigen (Informationen im Marktgemeindeamt Altheim, Tel. +43/+7723/42255; Fax +43/+7723/42255/87). Am 27. April 1997 wird der „Römerradweg", welcher vom Inn zum Attersee führen und Altheim miteinschließen wird, eröffnet (Informationen bei der Projektgruppe „Römerradweg Inn - Attersee", Dr. Martin Mayer und Hans Hartl, Tel./Fax +43/+7755/6514).

Katharina A. Heinzl (Hrsg.), Die Römer am Unteren Inn. Zur Geschichte einer Kulturlandschaft (1996). Zu beziehen über: Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien, Projekt Altheim, Franz Klein-Gasse 1, A-1190 Wien (Tel. +43/1/31352/251, Fax +43/1/3193684, e-mail: Klass-Archaeologie@univie.ac.at).

© K. A. Heinzl



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