Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 9 / XII / 1998

DIE RÖMISCHE PALASTVILLA VON BRUCKNEUDORF
Die neuesten Grabungen von 1994 bis 1998

Forschungsgeschichte:
Die "Heidwiesen" zwischen Bruckneudorf und Parndorf (Burgenland, Österreich) sind seit dem 19. Jh. als Fundstelle von Gräbern bekannt. Das Hauptgebäude der Villenanlage wurde 1931 durch Alexander Seracsin erstmals angegraben. Balduin Saria hat dann in den Jahren 1949 bis 1955 im Auftrag des Österreichischen Archäologischen Instituts mit Mitteln des Landes Burgenland das palastartige Hauptgebäude, eine große Anzahl an Nebengebäuden und die Umfassungsmauern der Villa ergraben. Im Hauptgebäude wurde der größte Mosaikenkomplex auf österreichischem Boden aufgedeckt, über 300 m2 von ursprünglich 500 m2 sind erhalten. Die Nebengebäude wurden in erster Linie als Grundrisse erfaßt. Von den Mosaiken wurden das Einschaltbild des Raumes 9 (Bellerophon tötet Chimaira) und der gesamte Boden des Raumes 11 (Ceres) abgenommen. Der dekorative Boden aus Raum 10 wurde im Stiegenhaus der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See an eine Wand montiert. Die Baureste mit den noch in situ befindlichen Mosaiken wurden wieder mit Erde bedeckt.

Abb. 1: Mosaikboden mit Darstellung der Ceres im Burgenländischen Landesmuseum, Eisenstadt (Photo Helmreich)

Die außergewöhnlich reiche Ausstattung und der Fund des sekundär verbauten Grabsteines eines M. Cocceius Caupianus, pr(inceps) c(ivitatis) B(oiorum) waren nahezu sensationell und provozierten eine kontroversielle und teilweise mißverständliche Diskussion zwischen bedeutenden Vertretern der römerzeitlichen Forschung in Pannonien. Beteiligt waren der Ausgräber B. Saria, E. Swoboda, E.B. Thomas und A. Mocsy. Mißverständnisse entbrannten um die Frage, ob die von Saria als spätantik erkannten Mosaiken als Nachweis für die heftig diskutierte "Romanisierung" der Boier gelten durften. Unbestritten galt M. Cocceius Caupianus als boischer Adeliger, was er seinem Namen nach ja nicht sein müßte. Auch hatte E.B. Thomas noch vor der ausführlicheren Publikation einen Vorschlag zur Baugeschichte vorgelegt, der kaum bestehen konnte. Die Villa wurde von A. Mocsy auch als Residenz der kaiserlichen Familie im Herbst 375 vermutet, womit die außerordentliche Ausstattung gut erklärt wäre: Hier hätte sich die Kaiserin Justina mit ihrem vierjährigen Sohn aufgehalten, als Valentinian I. bei Verhandlungen mit den Quaden in Brigetio starb und von hier hätte man den Knaben geholt, damit er als Valentinian II. in die Herrschaft einträte. Nicht nur die Datierung dieser Periode in die Zeit nach 350 sondern auch einige Baudetails, die auf eine hastige, von Planänderungen und Provisorien bestimmte Errichtung hinweisen, sprechen für diese Hypothese, ohne sie allerdings zu beweisen.

Befürchtungen, daß die Mosaiken unter der landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes trotz der Abdeckung gelitten hätten und der Neubau des Burgenländischen Landesmuseums, wo sie präsentiert werden sollten, haben 1975 die Wiederaufnahme der Grabungen veranlaßt. Unter der Leitung von G. Langmann (ÖAI) wurden, ebenfalls mit Mitteln des Landes Burgenland, zunächst die Mosaiken wieder freigelegt, gehoben und mit Ausnahme eines Raumes im Burgenländischen Landesmuseum wieder verlegt.

Bis 1987 wurden Sondierungen im Hauptgebäude und in seiner Umgebung angeschlossen, auch Teile des Bades wurden wieder freigelegt. 1989 wurden durch den Bau der zweiten Hochspannungsleitung (Grabung durch das Österreichische Archäologische Institut) und 1990/91 durch den der Ostautobahn (Grabung durch das Bundesdenkmalamt) Arbeiten im Umfeld der villa notwendig, die das Gräberfeld und einige der Wirtschaftsbauten, vielleicht auch zu Nachbarvillen, erfaßten.

Damit war das Gesamtbild eines landwirtschaftlichen Großbetriebes im Hinterland der nur etwa 15 Meilen entfernten Provinzhauptstadt Carnuntum umrissen. Außer dem palastartigen Wohngebäude und dem Bad gehörten ein großer Getreidespeicher, ein Wirtschaftshof mit Stallungen und einer Schmiede, Gesindewohnhäuser und Torbauten an der Umfassungsmauer zu diesem Gutshof.

Neue Ergebnisse:
Da unsere Kenntnis bisher in erster Linie den Zustand der letzten Ausbauphase betraf, wird seit 1994 unter der Leitung des Autors daran gearbeitet, die Baugeschichte und das Aussehen der älteren Perioden zu klären. Nach fünf Jahren soll nun versucht werden, eine erste Bilanz zu ziehen.

Abb. 2: Bauperioden der Palastvilla

1. Der älteste einigermaßen faßbare Bau (rot) ist eine Konstruktion aus Holz mit Lehmziegeln oder Lehmfachwerk. Zugehörige Pfostengruben wurden bisher unter den Räumen 24 und 29 sowie unter Raum 1 erfaßt. Ein Grundriß ist noch nicht zu erkennen, doch ist sicher, daß die Orientierung von den späteren Steinbauten um etwa 7 Grad abweicht. Eine Münze des Kaisers Galba in einer zugehörigen Gräbchenverfüllung erlaubt eine Datierung dieses Baues in das 1. Jahrhundert n.Chr.

2. Einer nächsten Bauperiode (blau) sind die Fundamente mit etwas abweichender Flucht im Raum 16 zuzuordnen sowie die Fundamente, die 1987 im nordöstlichen Teil des Baues unter den Räumen 5, 26 und 27 festgestellt worden waren. Zwischen diesen Fundamenten und dem Mauerwerk der folgenden Periode, das diese Fundamente z.T. weiterverwendet, konnte eine dünne Erdlage beobachtet blackwerden. In dieser Erdlage konnten an einer Stelle, wo sie etwas stärker war, noch Lehmbrocken festgestellt werden, die auf die Möglichkeit verweisen, daß auch in dieser Periode das "Aufgehende" in Fachwerktechnik aus Lehmziegeln errichtet war. Eine gesicherte Datierung dieses vermutlichen Fachwerkbaues mit Steinfundamenten steht noch aus, doch wäre eine Einordnung in die 1. Hälfte des 2. Jhs. n.Chr. recht gut möglich.

3. Die folgende Steinbauphase (grün) ist durch Mauerwerk mit Fugenstrich charakterisiert. Diese Mauern ergeben bereits deutlich den Grundriß einer Villa mit einem zentralen Hof und Eckrisaliten und einer Porticus an der Südseite. Der große Raum 27 im Osttrakt hat schon in dieser Zeit eine Hypokaustheizung unter seiner gesamten Fläche. In der Mitte des Hofes stand ein massiver Pfeiler für ein Monument, von dem aber nichts auf uns gekommen ist. Zumindest entlang der Südwand des Hofes ist mit einer 10 Fuß tiefen Halle zu rechnen. Diese zum Hof hin offene, jedoch überdachte Halle hat ein gegenüber der Hoffläche erhöhtes Gehniveau. Ihre Stützen waren nach den Pfostengruben zu schließen aus Holz. Für eine absolute Datierung dieser Periode fehlt noch ein Hinweis.

4. Die letzte Steinbauphase (orange) stellt den großen, schon seit langem bekannten Aus- und Umbau des 4. Jhs. dar, zu dem die oben erwähnten Mosaikböden gehören. Sie ist bautechnisch durch Mauern mit Ziegeldurchschuß charakterisiert. An der Nordseite werden durch den Neubau des großen Saales 1 einige Räume des alten Nordflügels kassiert, die Eckrisaliten erhalten apsidalen Abschluß und in der Hof wird durch kleine Räume und einen Korridor komplett verbaut. Das Bodenniveau wird um 80 cm angehoben und in vielen Räumen werden Kanalheizungen eingebaut. In manchen Fällen werden diese Kanäle aber nur vorbereitet, die eigentliche Heizstelle, das Praefurnium, fehlt. Die Datierung dieser Phase in die Zeit nach 350 n.Chr. ist durch entsprechende Münzfunde im Unterbau für den Mosaikboden und im Mauerwerk gesichert.

5. Ausflickungen an den Mosaikböden (freundl. Mitteilung K. Kaus) und schlecht erhaltene höher gelegene Bodenreste, in deren Niveau auch "Horreum-Keramik" gefunden wurden, markieren eine letzte Ausbesserungsphase, die wohl in das 5. Jh. zu datieren ist.

Die weiteren Grabungen und Forschungen werden eine Erweiterung unserer Kenntnisse der frühen Bauphasen, eine Präzisierung der Bauabfolge und Angaben zur Ausstattung dieses Gebäudes erbringen. Im Gange sind die Fundbearbeitung und eine Erfassung der Wandmalerei.

Literatur in Auswahl:
Ältere Gräberfunde: E. v. Sacken, Über die neuesten Funde zu Carnuntum, SbWien 11, 1853, 363f., Taf. IV. - A. Soter, A Bruck-Ujfalusi Asatatasrol, ArchErt N.S. 19, 1899, 341-351.
Grabung 1931: A. Seracsin, FÖ 1, 1930-1934, 94 s.v. Parndorfer Heide.
Grabungen 1949-1955: Vorberichte: G. Pascher, Bericht über die Versuchsgrabung Parndorf, BHBl 12, 1950, 49-54 - B. Saria, Der Mosaikfund (vom Heidehof) zwischen Parndorf und Bruckneudorf, BHBl 13, 1951,49-65. - B. Saria, Zweiter vorläufiger Bericht über die Grabungen nächst dem Heidehof zwischen Parndorf und Bruckneudorf, BHBl 14, 1952, 97-102 und B. Saria, PAR 1, 1951, 5f.; 2, 1952, 51f.; 3, 1953, 37f.; 5, 1955, 39ff. Zusammenfassend: B. Saria, Der römische Herrensitz bei Parndorf und seine Deutung, in: Festschrift für A.A. Barb (Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 35) (1966) 252ff.
Diskussionen der Ergebnisse: B. Saria, Noricum und Pannonien, Historia 1, 1950, 436ff. - E. Swoboda, Carnuntum. Seine Geschichte und seine Denkmäler2 (1953) 139; 3 (1958) 181. 185; 4 (1964) 270f. - A. Mocsy, Zur Geschichte der peregrinen Gemeinden in Pannonien, Historia 6, 1957, 488ff., bes. 494; ders., Die Bevölkerung von Pannonien bis zu den Markomannenkriegen (1959) 48f. 137. - E.B. Thomas, Römische Villen in Pannonien (1964) 177ff.; dazu Rezension von A. Ohrenberger in: Festschrift fhr A.A. Barb (Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 35) (1965) 605ff. - A. Mocsy, Murocincta, in: Adriatica praehistorica et antiqua. Miscellanea Gregorio Novak dicata (1970) 583ff.
Grabungen 1975-1987, Vorberichte: G. Langmann, PAR 26, 1976, 9ff.; 27, 1977, 1ff.; 28, 1978, 1ff.; 30, 1980, 28; 32, 1982, 1f.; 35, 1985, 20ff. - ders., FÖ 15, 1976, 236ff.; 16, 1977, 396ff.; - ders., ÖJh 52, 1978-80, Grab. 22f.; 53, 1981/82, 25ff.; 54, 1983, 41; 55, 1984, 21ff.; 56, 1985, 15f.; 57, 1986-87, 23ff.(gem. mit G.J. Lang); 58, 1988, 19; 59, 1989, 18 - Zusammenfassend: ders., Bericht über die Grabungskampagnen 1975-1978 in Bruckneudorf, Bez. Neusiedl am See, Burgenland, BHBL 41, 1979, 66-87 und 100-114. - ders., Der Gutshof von Bruckneudorf/Bgld., MGFC 1979, Heft 1, 6ff. - P. Scherrer, EAA Suppl. 2 I (n)(A - carro) 757ff. s.v. Bruckneudorf.
Zu den Grabungen 1989: U. Vogler-Stangelmaier, ÖJh 60, 1990, Grab. 51. - I. Heiling, FÖ 34, 1995, 686ff. (4 Einträge unter Bruckneudorf). Zu einzelnen Themen: K. Herold, PAR 31, 1981, 1f. - I. Benda, Der Gutshof von Bruckneudorf und seine Stellung innerhalb der Villenarchitektur der römischen Kaiserzeit (ungedr. Dipl.Arb. Wien 1989). - A. Diebold, Die Mosaiken von Bruckneudorf (ungedr. Dipl.Arb. Wien 1989).
Zu den Grabungen seit 1994: H. Zabehlicky, ÖJh 64, 1995, Grab. 54ff.; 65, 1996, Grab. 58f.; 66, 1997, Grab. 79ff.; 76, 1998, Grab. 110ff.; ders. FÖ 35, 1996, 472f. (gem. mit G. Kremer). 473ff. (gem. mit C. Öllerer); FÖ 36, 1997, 822f. (gem. mit C. Öllerer); Kleiner Fhhrer durch die römische Palastanlage von Bruckneudorf von Bruckneudorf (1998).

© Heinrich Zabehlicky
e-mail: hzabehl@oeai.univie.ac.at



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