Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 5 / XII / 1997

ARCHÄOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IN DER KAPLANEIKIRCHE KIRCHBERG/KREMSMÜNSTER, OBERÖSTERRREICH


Die topographische Lage der ehemaligen Pfarrkirche von Kremsmünster an einem an drei Seiten abfallenden Felssporn abseits des Dorfes gab immer wieder Anlaß zu Spekulationen über die Bedeutung von Kirchberg in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Aufgrund der geplanten Feierlichkeiten zum 900 Jahr Jubiläum der Kirche von Kirchberg 1998 und der dadurch im April 1997 in Angriff genommenen umfangreichen Renovierung bzw. Restaurierung des Kircheninneren war es dem Österreichischen Archäologischen Institut mit Unterstützung der Pfarre und des Stiftes Kremsmünster möglich, begleitende archäologische Untersuchungen[1] unter der Gesamtleitung von Univ.-Prof. Dr. Fritz Krinzinger durchzuführen.
Als ältestes bei der Grabung zutage gekommenes Fundstück ist ein spätneolithisches Keramikfragment in einer neuzeitlichen Grabverfüllung anzuführen, das zusammen mit einem ebenfalls aus Kirchberg stammenden, in den Sammlungen des Stiftes Kremsmünster aufbewahrten Flachbeil aus Serpentin [2], auf eine in der Nähe liegende neolithische Siedlung schließen läßt. Eine der 52 gefundenen Münzen weist zumindest auf eine Begehung dieses Areals in der römischen Kaiserzeit hin[3].

Abb. 1: Mittelschiff: Nordwestecke der ältesten Kirche
Der älteste, teilweise ergrabene Bau (Abb. 1) kann als Saalkirche mit eingezogenem Rechteckchor angesprochen werden (Abb. 2a) und ist aufgrund des schriftlich überlieferten frühesten Weihedatums von 1098 ans Ende des 11. Jhs. zu datieren. Seine Fundamente wurden mehrheitlich aus grob zubehauenen Tuffblöcken mit Mörtelbindung errichtet, die Innenmaße des Kirchensaales betrugen 5,8 x 10,8 m. Ein Eingang lag mit Sicherheit an der Nordseite, wo Reste von Bretterabdrücken im Mörtel festgestellt werden konnten (im Plan gepunktet dargestellt).

Abb. 2a: Ergänzter Grundriß Kirche I. Planskizze
Abb. 2b: Rekonstruktionsvorschlag des Grundrisses der Kirche II. Planskizze

Abb. 3: Kirche II: Altarfundament und Chorostmauer

Diese Saalkirche wurde durch einen Neubau abgelöst. Die Fundamente der Nord- und Südmauer des Langhauses, das eine Länge von ca. 16,2 m und eine Breite von 9,6 m aufweist, sowie eine 3,0 x 2,2 m große Steinsetzung im Osten bestanden aus lose in lockere Erde gelegten Steinblöcken - mehrheitlich Konglomerat - ohne Mörtelbindung. Unmittelbar an die erwähnte Steinsetzung schloß ein 1,5 m breites, in NS-Richtung laufendes Fundament aus verschieden großen Steinblöcken an, deren einzelne Lagen mit Mörtel übergossen worden waren (Abb. 3). Zu dieser Bauphase muß auch der in den heutigen Kirchenbau integrierte Westturm gerechnet werden, an dessen Südmauer im ersten Obergeschoß noch ein romanisches Fenster erhalten geblieben ist[4].

Die vorläufige Interpretation der bei der Grabung aufgedeckten Fundamentreste und der daraus resultierende Versuch einer Rekonstruktion ist in Abb. 2b dargestellt. Demnach läge wieder eine Saalkirche mit eingezogenem Rechteckchor samt Altarfundament vor, baulich ergänzt durch den den Westturm[5]. Eine im Norden der Langhausmauer im Abstand von 2 m paralell vorgelagerte Mauer in Trockentechnik kann derzeit noch nicht schlüssig interpretiert werden.
Im 15. Jh., wahrscheinlich in der zweiten Hälfte, erfolgte ein weiterer Neubau, der im Wesentlichen dem heutigen Kirchenbau entspricht[6]. Die Pfeilerstellungen dieser dreischiffigen Kirche mit einem 5/8-Chorabschluß nehmen - wie bisher angenommen[7] - keinerlei Rücksicht auf die Fundamente des Vorgängerbaues, sondern stehen zwischen den Fundamenten des ersten und zweiten Baues. Nur die bauliche Trennung von Langhaus und Chor lag bei allen Kirchen an derselben Stelle. Rund um den Altar waren noch die Mörtelabdrücke des ursprünglich aus quadratischen Ziegelplatten gesetzten gotischen Fußbodens erhalten. Einige wenige noch erhaltene Ziegel dieses Bodens weisen verschiedene Ornamente auf, unter anderem einen Bogenschützen auf einem Pferd.
Dieser Fußboden aus quadratischen Ziegelplatten wurde westlich des Altares durch sechseckige Ziegelplatten ersetzt. Diesem folgte ein aus quadratische und danach partiell aus langrechteckigen Steinplatten bestehender Boden, die bis heute in Verwendung stehen. Unter den Kirchenbänken hingegen waren rechteckige Ziegel verlegt. Die exakte zeitliche Einordnung dieser Fußböden ist bei derzeitigem Bearbeitungsstand noch nicht möglich, sie sind aber alle ansatzweise zwischen dem Ende des 15. Jhs. (quadratische Ziegelplatten) und der Mitte des 18. Jhs. (langrechteckige Steinplatten) zu datieren.
Im Kircheninneren konnten eine Reihe von Grabverfärbungen festgestellt werden, die vorläufig drei Perioden zugeordnet werden müssen. Aufgrund der Beigabenlosigkeit der aufgedeckten Bestattungen ist aber eine exakte zeitliche Zuweisung in den seltensten Fällen möglich. Aufgrund des unterschiedlichen Füllmaterials der Grabschächte können einige wahrscheinlich dem romanischen Friedhofsareal zugeschrieben werden. In beiden Seitenschiffen konnten insgesamt an die 25 Neonatenbestattungen festgestellt werden, alle geostet und ohne Beigaben. Sie liegen in der Aufschüttung des gotischen Baues, müssen daher zeitlich dem Spätmittelalter bzw. der frühen Neuzeit zugeordnet werden und sind deshalb als Innenbestattungen anzusehen. Diese werden von einer ganzen Reihe neuzeitlicher Grablegungen gestört, die alle weit tiefer als der durch die Sanierungsmaßnahmen betroffene Teil lagen und daher aus Zeitgründen nicht freigelegt werden konnten. Indizien weisen darauf hin, daß die in den Kirchenwänden eingemauerten Grabtafeln Bezug auf diese Innenbestattungen nehmen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Grabungen die Vermutung einer "vorkirchlichen" Bebauung dieses Areals nicht verifizieren konnten, die erwähnten Funde aber zumindest eine Begehung in früher Zeit dokumentieren. Hingegen brachten die Untersuchungen zu Grundrißgestaltung und Größe der Vorgängerbauten wesentliche Neukenntnisse. Die hier vorgelegten Ergebnisse können beim derzeitigen Bearbeitungsstand aber nur vorläufigen Charakter besitzen.

[1] Aufgrund des großen Zeitdruckes mußten sich die Untersuchungen auf den durch die geplante Einbringung einer Isolierschicht bis 40cm unter dem Kirchenbodenniveau betroffenen Bereich konzentrieren.
[2] O. Urban, Der prähistorische Raum der Sternwarte Kremsmünster. Berichte des Anselm Desing Vereins 26, Oktober 1992, 21.
[3] Datiert 316-324 (Kaiser Licinius I.); Bestimmung durch Univ.-Prof. Dr. W. Szaivert.
[4] W. Hujber, Die Filialkirche St. Stephan in Kirchberg, in: Marktgemeinde Kremsmünster. Festschrift zum 1200 Jahr Jubiläum des Stiftes Kremsmünster (1977), Abb. 83.
[5] Der Unterschied in der Mauertechnik-Trockenmauerwerk bei den Langhausmauern bzw. die Verwendung von Mörtel in der Ostmauer des Chores-läßt sich meines Erachtens mit der Geländekonfiguration einleuchtend erklären und muß in diesem Fall nicht zwingend zwei verschiedenen Bauphasen zugeordnet werden.
[6] Zu An- und Umbauten der jüngeren Baugeschichte siehe: Hujber a.O. 122ff.
[7] Hujber a.O. 126.

© R. Risy
email: rrisy@oeai.univie.ac.at



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