Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 5 / XII / 1997 |
Kurzfassung
Der Artikel befaßt sich mit der Erstellung eines digitalen Stadtplanes für das antike Ephesos. Dabei wird eingegangen auf die Schaffung eines modernen geodätischen Referenzrahmens, die Verwendung von vorhandenem geodätischen Datenmaterial, die Neuvermessung von archäologischen Bauten und die Probleme der Einbindung von analogem archäologischen Planmaterial und dessen Digitalisierung.
Einleitung
„Mit Genehmigung des k. und k. Reichskriegsministerium war mir von k.k. Ministerium für Cultus und Unterricht die Aufgabe gestellt, die Umgebung von Ephesos kartographisch aufzunehmen" (A.Schindler, Forschungen in Ephesos, Band 1, 1906). Der Beginn der österreichischen archäologischen Grabungen vor mehr als einhundert Jahren ist eng verbunden mit dem Namen Anton Schindler, einem k.k. Offizier und Lehrer an der Technischen Miltärakademie in Wien. Beginnend 1896 wurden verschiedene Karten für das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) hergestellt: eine dreifarbige Umgebungskarte im Maßstab 1:25 000 (Abb. 1), eine für den Stadtbereich (M = 1:15 000) und weitere Detailkarten. Diese werden noch heute verwendet und dienten vielfach als Grundlage für weiter Stadtpläne. Ein den heutigen technischen Voraussetzungen entsprechendes Planwerk zu schaffen, wurde immer wieder in Angriff genommen (W. Modrijan, P. Waldhäusl/H. König, F. Steiner, G. Wiplinger).
Abb. 1: Schindlerkarte (1906)
Terrestrische Vermessungen
Eine Karte mit dem Gebiet des antiken Ephesos in seinen Stadtmauern und dem Heiligtum Artemision umfaßt eine Fläche von ca. 15 km2. Um hier eine einheitliche, auf einen Referenzrahmen bezogene Vermessung durchführen zu können, ist es notwendig ein Festpunktfeld zu schaffen. 1977 wurde von P. Waldhäusl und J. Tschannerl (Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung, TU Wien) gemeinsam mit H. König (Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen) ein Grundlagennetz von 24 Punkten stabilisiert und vermessen. Die Festpunkte bestehen aus einem Bodenpunkt (Messingbolzen bzw. Betonstein der türkischen Landvermessung) und einem 2,5 m hohen Eisensignal. Der eigentliche Zweck, sie als Paßpunkte für eine photogrammetrische Luftbildvermessung zu verwenden, konnte nie verwirklicht werden. Die Netzpunkte bilden einen lokalen Bezugrahmen, dessen geodätisches Datum durch eine astronomische Orientierung mit Sonnenazimut-Messungen und der Koordinaten-Zuweisung an einen Punkt festgelegt wurde. Von F. Steiner wurden die lokalen Höhen auf türkische umgestellt.
In den letzten Jahren erfolgte eine Revision des Netzes von 1977, wobei verlorengegangene Bodenpunkte neu gesetzt und im zentralen Stadtbereich weitere hinzugefügt wurde. Ein neues Höhennetz mit zahlreichen einnivellierten Bolzen ermöglichte eine stabile Festlegung und Homogenisierung des Höhenbezuges.
Global Positioning System (GPS)
In der Kampagne 1997 wurde eine GPS-Vermessung in Ephesos durchgeführt. Ziel war es, das bestehende Festpunktfeld zu verdichten und nach außen hin zu erweitern, die Anbindung an das türkische Vermessungssystem und die Lagebestimmung zahlreicher, außerhalb des eigentlichen Grabungsgebietes liegender, antiker Bauwerke. So konnte z.B. das Mausoleum von Belevi (ca. 15 km nordöstlich von Ephesos) einbezogen und Meßpunkte für Detailvermessungen von Wasserleitungen bestimmt werden. Bei GPS handelt es sich um ein amerikanisches Satellitenmeßverfahren, wobei die hochgenaue Bestimmung von Raumvektoren mit geodätischen Empfängern innerhalb kurzer Zeit ohne Sichtverbindung zwischen den Stationen möglich ist.
In Ephesos wurde eine Referenzstation aufgestellt und mit weiteren Empfängern die Meßpunkte (stabilisierte geodätische Festpunkte) abgegangen, die Detailvermessung erfolgt mit dem Tachymeter. Die Meßzeiten pro GPS-Punkt betrugen ca. 10 bis 15min und die äußere Genauigkeit beträgt in der Lage ca. ±1,5 cm und in der Höhe ca. das zweifache. Mit drei Empfängern (Leica SR399 und SR9500, zur Verfügung gestellt von der Fa. R. & A. Rost, Wien) wurden in fünf Tagen 121 Punkte gemessen.
Abb. 2: GPS-Empfänger auf Eisensignalstange und Theater von Ephesos |
Da die Referenzstation bis zu 14h durchgehend aufzeichnete, war es möglich das gemessene Netz mit Hilfe von Stationen des Internationalen Geodynamischen Dienstes (IGS) in den globalen Referenzrahmen (ITRF94) einzurechnen. Mit den bisherigen terrestrischen Messungen zwischen den Festpunkten und den GPS-Beobachtungen wird zur Zeit eine Kombinierte Ausgleichung für das gesamte Netz berechnet.
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Einbindung analoger archäologischer Pläne
Die langjährige Forschungstätigkeit des ÖAI in Ephesos hat eine Vielzahl von archäologischen Plänen der ausgegrabenen Bauwerke und deren Teile in den Maßstäben 1:10 bis 1:500 hervorgebracht, von denen sich manche außerordentlich gut zur Einarbeitung in den digitalen Stadtplan eignen. Diese werden von uns genutzt, da eine komplette Neuaufnahme äußerst zeitintensiv und zum Teil gar nicht mehr möglich wäre.
Die Problemstellung dabei läßt sich als die Konvertierung von Planinformation auf analogen Zeichnungsträgern in digitale Form beschreiben. Digitale Formate lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: Rastergraphik und Vektorgraphik.
Vereinfachend kann man sagen, daß Rastergraphiken, nach dem Vorbild eines Photos, Sachverhalte regelmäßig und detailreich veranschaulichen während Vektorgraphiken diese Informationen abstrahieren, um Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen; sie entsprechen damit eher einer Umriß-Skizze.
Für Rastergraphiken gilt, daß hier ein Bild in Form einer Matrix verspeichert wird, es wird jedem Bildpunkt ein Grau- bzw. Farbwert zugeordnet. Bei Vektorgraphiken werden Objekte verspeichert, beispielsweise wird für eine Linie der Anfangs- und der Endpunkt koordinativ abgelegt (eventuell mit weiteren Eigenschaften wie Breite der Linie, Linientype, Farbe, etc.). Vektordaten erlauben leichteres Editieren von Objekten bzw. Gruppen (verschieben, dehnen, stauchen, drehen, löschen, ändern von Eigenschaften,...). Wegen ihrer Fähigkeit der mathematischen Definition von Objekten werden sie daher in CAD-Programmen genutzt.
Digitale Rastergraphiken können auch in größeren Formaten relativ einfach mit Scannern aus analogen Vorlagen gewonnen werden (bei Anfall von großen Datenmengen), die Erzeugung von Vektorgraphiken erfolgt durch den Vorgang des "Digitalisierens" (so nennt man das Nachfahren von Linien auf einer Vorlage mit einem elektronischen Zeichenstift) oder der Konstruktion, in beiden Fällen mit zeitaufwendiger manueller Interaktion.
Die Aufgabe, die sich uns nun stellt, ist die möglichst genaue und schnelle Konvertierung der vorhandenen analogen Pläne in Vektorgraphiken in einem einheitlichen Koordinatenrahmen. Dafür sind zwei Vorgänge notwendig: zum einen die Vektorisierung, die mittels manueller Digitalisierung oder mit einer vollautomatischen Raster-Vektorsoftware geschehen kann und zum anderen die Transformation, das ist das Überführen von einem Koordinatenrahmen in einen anderen (eventuell mit Entzerrung). Dabei streben wir einen möglichst hohen Automatisationsgrad an (Automatische Vektorisierung).
Abb. 3: Mittleres Hafentor mit Klaffungen in den Paßpunkten |
Als Beispiel für die Einbindung eines analogen Planes soll das mittlere Hafentor von Ephesos dienen. Es wurde im Jahr 1899 ausgegraben und von G. Niemann im Maßstab 1:50 gezeichnet. Der Plan liegt als Tuschzeichnung auf Karton vor. Es wurden 35 Paßpunkte gemessen. Bei der Feldarbeit wurden Sperrmaße mit den aus dem Plan entnommenen Werten zur Kontrolle verglichen. Die Einpassung des digitalisierten Planes erfolgte mit einer Helmerttransformation (2 Schiebungs-, 1 Drehungs-, 1 Maßstabsparameter) nach der Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Es ergibt sich hierfür ein mittlerer Koordinatenfehler von 2 cm; dies entspricht im analogen Plan einer Abweichung von 0,5 mm. Die Abbildung 3 zeigt die Punktverteilung und die nach der Transformation verbleibenden Klaffungen in den Paßpunkten.
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©St. Klotz & Ch. Schirmer
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Vermessung, GPS, Global Positioning System, Digitalisierung, Geodäsie, Vermessung, Survey