Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 97 / XII / 2020

MANCHE SPINNEN WIRKLICH – EUROWEB. EIN NETZWERK FÜR INTEGRATIVE TEXTILFORSCHUNG

Europäische Textilforschung aus 30 Ländern findet seit 2020 im Euroweb (Abb. Logo), einer von der EU geförderten Cost Action (CA19131), zusammen. EuroWeb – Europe Through Textiles: Network for an Integrated and Interdisciplinary Humanities hat sich zur Aufgabe gemacht, Europas Geschichte auf der Basis von Textilproduktion und -handel unter Einbeziehung von Gebrauch und Wiederverwendung neu zu schreiben. Das gemeinsame Ziel überwindet in der interdisziplinären Zusammenarbeit von Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften kulturelle, politische und geographische Hürden. Es wird zu einem Expertenpool führen, der nicht nur für die beteiligten sondern auch in den anwendungsorientierten Disziplinen innovative Fortschritte erwarten lässt.

Expertenpool
An der Forschung an Textilien sind unterschiedliche Disziplinen und verschieden ausgerichtete Institutionen und Organisationen, die pan-europäisch und historische Epochen überbrückend im EuroWeb zusammengeführt werden. Vonseiten der Geisteswissenschaften sind in es in erster Linie Philologie, Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte, die sich mit der Bedeutung von Textilien als ökonomischer, sozialer und kulturwissenschaftlicher Faktor beschäftigen. In den Sozialwissenschaften werden Textilien und deren Relevanz in der Sozialanthropologie und Ethnologie sowie in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften beforscht. In den Naturwissenschaften findet in der Geochemie und Chemie, Biologie und in den Konservierungswissenschaften eine intensive Auseinandersetzung mit Textilien statt.
Diese Disziplinen werden im EuroWeb durch Angehörige von Forschungsinstitutionen (Universitäten und Forschungseinrichtungen), von Museen und von der Kultur- und Kreativwirtschaft vertreten.

Struktur von EuroWeb
Action Chair: Agata Ulanowska (PL); Action Vice Chair: Karina Grömer (AT)
Laufzeit: 2020-2024
Jedes teilnehmende Land ist in der Regel durch zwei Mitglieder im Management Committee (MC) vertreten, die als Kommunikatoren innerhalb des Landes fungieren. Zusätzlich sind in einigen teilnehmenden Ländern auch weitere Mitglieder als MC Substitutes benannt. Darüber hinaus wurden die speziellen Funktionen eines Wissenschaftskommunikationsmanagements (Francisco B. Gomes) und eines STSM (Short Term Scientific Mission)-Beauftragten (Cécile Michel) besetzt. Außerdem wurde für jedes der sechs unten kurz charakterisierten Aufgabengebiete eine verantwortliche Person bestimmt, die für die inhaltliche Umsetzung und den Zeitplan verantwortlich zeichnet.
Von Seiten der EU sind Rossella Magli und Rose Cruz Santos für EuroWeb verantwortlich. Die Universität Warschau fungiert als Grantholder.

Aufgabengebiete von EuroWeb
Die Aufgaben sind in sechs Gebieten (WG=working group 1-6) strukturiert.
Christina Margariti ist für WG 1 (Textile Technologies) verantwortlich. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der textilen Werkzeuge und der zugehörigen textilen Techniken über chronologische und geographische Grenzen hinaus sowie deren Einfluss auf andere Kulturphänomene und handwerkliche Techniken bzw. die Aufnahme jener in die Textilproduktion.
Magdalene Wozniak leitet WG 2 (Clothing Identities: gender, age and status). WG 2 beschäftigt sich mit Rollenbildern und Prozessen der Identitätsstiftung, die mit Kleidung zum Ausdruck gebracht werden, sowohl für ein Individuum als auch für Gruppen, unabhängig von Raum und Zeit. Die Erarbeitung einer EuroWeb Anthologie ist eines Hauptziele von WG 2; die Redaktion haben Louise Quillien, Kalliope Sarri und Kerstin Droß-Krüpe übernommen.
Louise Quillien koordiniert in WG 3 (Textile and clothing terminologies) die sprachliche Komponente von Textilien und Kleidung. WG 3 untersucht die textile Terminologie sowie deren Entwicklung und Verbreitung und erforscht sprachübergreifend den textilen Einfluss auf Terminologien anderer Handwerksdisziplinen sowie der Sprache im Allgemeinen.
Francesco Meo ist für WP 4 (The Fabric of society) verantwortlich. WP 4 untersucht den ökonomischen und agrokulturellen Hintergrund der Textilproduktion unter besonderer Berücksichtigung von natürlichen Ressourcen, die Verbreitung entsprechender Innovationen und die Ausbildung textiler Produktionszentren. Die Daten werden in einem digitalen Atlas gesammelt und veröffentlicht.
Cécile Michel koordiniert WG 5 (Internal and external communication and STSM). Euroweb fühlt sich dem freien und offenen Austausch von Wissenschaftsdaten verpflichtet und unterstützt den wissenschaftlichen Austausch explizit durch STSM (Short und Short Term Scientific Mission). Hier werden auch die (social)Media-Auftritte koordiniert, z.B. auf Twitter (https://twitter.com/EuroWeb4) oder Slack (euroweb-cost.slack.com).
Riina Rammo leitet WG 6 (Management and training). Im Aufgabengebiet von WG 6 liegen überwiegend Managementaufgaben sowie die Sicherung des Projektablaufs.

Aktivitäten
Neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit textilen Daten in seiner gesamten Breite und die Veröffentlichung der Ergebnisse ist EuroWeb die praktische Ausbildung in Textiltechniken in Kursen ein besonders Anliegen. Die Begleitung von jungen Textil-WissenschafterInnen (ECIs) bei ihrem Einstieg in das Berufsleben wird forciert; so kann nicht nur der wissenschaftliche Nachwuchs optimal gefördert werden sondern es werden auch die textilen Disziplinen an Bedeutung gewinnen, nachdem ihnen über sehr lange Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden waren. Hier wird ein besonderer Fokus auf die von der EU als ITCs (Inclusiveness Target Countries) eingestuften Länder gelegt werden.
Ergänzend ermöglicht und forciert EuroWeb die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft, um eine aktive Plattform für Gedankenaustausch und gemeinsame Projekte zu bilden.

Ausblick
EuroWeb – Europe Through Textiles: Network for an Integrated and Interdisciplinary Humanities bietet ein paneuropäisches Netzwerk für die Erforschung von Textilien, von ihren Rohstoffen bis zur Secondhand-Nutzung, unter Einbeziehung von Wissenschaftsdisziplinen der Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften und mit Anbindung an Handwerk und Industrie. Das Hauptziel des Netzwerkes ist die oft übersehene gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz von Textilien und deren Produktion durch die Jahrtausende zu unterstreichen. Die Auseinandersetzung mit Textilien und Gewändern wird theoretisch geführt und praktisch ausgeübt. Die transdisziplinären Ergebnisse werden rasch und unter Einhaltung aller Rechte unter einer offenen Zugangspolitik veröffentlicht.

© Karina Grömer, Elisabeth Trinkl
e-mail: karina.groemer@nhm-wien.ac.at, elisabeth.trinkl@uni-graz.at

This article should be cited like this: K. Grömer – E. Trinkl, Manche spinnen wirklich – EuroWeb. Ein Netzwerk für integrative Textilforschung, Forum Archaeologiae 97/XII/2020 (http://farch.net).



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