Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 85 / XII / 2017

DAS MYKENISCHE GRIECHENLAND
Rezension zu J. Fischer, Mykenische Paläste. Kunst und Kultur (Darmstadt 2017)

Mit diesem Buch hat sich der Autor viel vorgenommen: Er hat sich zum Ziel gesetzt, einen Überblick über Kunst und Kultur der mykenischen Paläste (gemeint ist wohl der Palastzeit) zu geben. Josef Fischer möchte „ […] den Leser mit diesem wichtigen Abschnitt der frühen Geschichte Europas vertraut […] machen. Es (sc. das Buch) ist weniger an Fachwissenschaftler gerichtet, sondern vielmehr an Studierende der historischen Fächer, Lehrer, Schüler und alle am Thema interessierten Laien. Diese will es vor allem mit den Grundlagen vertraut machen […]. Es setzt daher keinerlei einschlägige Vorkenntnisse voraus.“ (S. 8).
Die Monographie ist in fünf große Textabschnitte gegliedert, die wiederum in mehrere Kapitel zerfallen: „Die Wiederentdeckung der mykenischen Welt“ (S. 9–27); „Die mykenische Welt“ (S. 28–77); „Eine kleine Geschichte der mykenischen Kunst“ (S. 78–98); „Die mykenischen Paläste“ (S. 99–121); „Krise und Untergang“ (S. 122–137). Die Publikation beschließt ein Anhang (S. 138–143), der Bibliographie, Bildnachweis und Adresse des Autors enthält.

Der mit „Die Wiederentdeckung der mykenischen Welt“ (S. 9–27) betitelte Abschnitt beginnt mit dem Kapitel „Antike Vorstellungen“ (S. 9–13). Nach einem Hinweis, dass Mythen nur bedingt Rückschlüsse auf historische Fakten erlauben, stellt Josef Fischer, beginnend bei Hesiod und endend bei Thukydides antike Quellen vor, die sich mit der griechischen Geschichte befassen. Homer wird nicht erwähnt; ihm ist im letzten Abschnitt des Buches ein Exkurs gewidmet. Das Kapitel „Antike und moderne Reisende“ (S. 14f.) berichtet über Pausanias’ Besuch in Mykene, geht danach kurz auf Reisende auf Kreta im 15. und 18. Jahrhundert ein, um mit einem Absatz über Edward Dodwell zu schließen. Ausführlicher ist das folgende Kapitel „Die archäologische Erforschung der mykenischen Welt“ (S. 16–25): An seinen Anfang hat Josef Fischer eine kurze Biographie Heinrich Schliemanns gestellt (S. 16–19). Abgesehen von diversen Ungenauigkeiten wie etwa falsch zitierten Titeln von Schliemanns Publikationen (so liest man etwa auf S. 16 „Ithaka, Peloponnes und Troia“ anstelle von „Ithaka, der Peloponnes und Troja“) enthält das Kapitel auch gravierendere Fehler, von denen hier nur drei genannt werden sollen: Schliemanns Werk über Ithaka ist nur auf Französisch und Deutsch erschienen; eine englische Übersetzung (S. 16) existiert nicht (Runnels 2002, 25–28). Schliemann kehrte nicht 1890 zu neuerlichen Grabungen nach Troia zurück (S. 18), sondern bereits 1889. Er hat weder in Orchomenos noch in Mykene Paläste entdeckt und ausgegraben (S. 18): In Orchomenos erforschte er mit dem sog. Schatzhaus des Minyas ein Kuppelgrab (Schliemann 1881), und in Mykene war seine (und seiner Frau) Tätigkeit im Jahr 1876 auf das Gräberrund A und die sog. Tholos der Klytaimnestra konzentriert, auch wenn Schliemann 1874 anlässlich einer knapp einwöchigen Grabung Teile der Fundamente des Palastes fand (aber nicht als solche erkannte) (Schliemann 1878. – Traill 1995, 128).
Nach einer Beschreibung der Arbeiten Arthur Evans’ und seiner Nachfolger in Knossos (S. 19–21) werden die wichtigsten Grabungen und Archäologen des 19. bis 21. Jahrhunderts kurz vorgestellt. Die vorausgehenden Recherchen dürften z.T. nur oberflächlich durchgeführt worden sein: Christos Tsountas forschte in Sesklo und Dimini in den Jahren 1901 bis 1903 (Tsountas 1908, 29, 68), und nicht, wie Josef Fischer vermerkt (S. 22) 1899 und 1906; Tsountas’ Grabungspublikation „Αἱ προϊστορικαὶ ἀκροπόλεις Διμηνίου καὶ Σέσκλου“ ist entgegen der Angabe auf derselben Seite nicht in englischer Sprache, sondern auf Griechisch erschienen. Die Grabungen der École française d’Athènes in Mallia auf Kreta begannen 1921/22 und nicht im 19. Jahrhundert. Carl W. Blegen hatte nicht bereits 1923 (S. 23), sondern erst ab 1927 eine Professur an der Universität von Cincinnati inne (Davis – Vogeikoff-Brogan 2015, 1). Im Mitte November 1951 (Mylonas 1972/73, 4, 398) (und nicht wie auf S. 23 angegeben 1952) entdeckten Gräberrund B von Mykene fanden sich nicht 28 Gräber, sondern 26 (Mylonas 1972/73, 398). Unrichtig ist die Schreibung des Namens von Lord William Taylour als „Taylor“ (S. 24).
Auch in diesem Kapitel finden sich zahlreiche falsche Zitate: J. Pendleburys Monographie ist „The archaeology of Crete. An introduction“ betitelt und nicht „Introduction to the archaeology of Crete“ (S. 21). „Mycenae and the Mycenaean age“ (S. 22) ist weder 1893 erschienen noch heißt sein Autor Chr. Tsountas; es wurde vielmehr von G. Mylonas im Jahr 1966 veröffentlicht. Der Titel des von Tsountas 1893 publizierten Werkes lautet „Μυκῆναι καὶ μυκηναῖος πολιτισμός“; es ist in Überarbeitung von J. Irving Manatt 1897 als „The Mycenaean age. A study of the monuments and culture of pre-homeric Greece“ erschienen. Diese Auflistung von Ungenauigkeiten und fehlerhaften Zitaten könnte noch fortgesetzt werden.
Das vierte Kapitel dieses Abschnitts widmet sich der „Entzifferung von Linear B“ (S. 26f.). Es stellt, beginnend mit Arthur Evans, die wichtigsten beteiligten Forscherpersönlichkeiten vor: u.a. Emmett L. Bennett Jr., Alice Kober, John Myres (auf S. 26 irrtümlich als John Myers benannt) und selbstverständlich auch Michael Ventris und John Chadwick.

Der zweite Abschnitt „Die mykenische Welt“ (S. 28–77) ist der längste des besprochenen Buches. An seinem Anfang steht ein mit „Historischer Überblick“ betiteltes Kapitel (S. 28–47). Beginnend mit dem Paläolithikum gibt Josef Fischer einen gerafften Überblick über Neolithikum und Frühe Bronzezeit. Er erwähnt nicht nur die Franchthi-Höhle und Lerna in der Argolis als bedeutende Fundorte, sondern streift auch die frühbronzezeitlichen Kykladen. Ob dieses weite Ausholen für ein Buch, dessen Titel „Mykenische Paläste“ lautet und das sich daher auf die späte Bronzezeit konzentriert, tatsächlich notwendig ist, soll dahingestellt bleiben. Das House of the Tiles in Lerna (nicht wie auf S. 30, 32, 40 und 97 House of Tiles!) wurde nach seiner Zerstörung gegen Ende von Frühhelladisch (FH) II nicht von Steinsetzungen umgeben, die einen Tumulus einfassten (S. 32), sondern nur mit einer Steinsetzung (Caskey 1956, 165f. mit Abb. 5). Zu den zahlreichen Änderungen, die den Bruch zwischen FH II und FH III charakterisieren, ist im Gegensatz zu der im vorliegenden Buch getätigten Aussage (S. 32) die Einführung des Apsidenhauses nicht zu zählen, wie schon J. Forsén in ihrer 1992 publizierten Dissertation gezeigt hat (Forsén 1992).
Einer Vorstellung der minoischen Kultur von der Frühbronzezeit bis Spätminoisch I (S. 32–40) folgen Kapitel über die mittlere (S. 40f.) und späte (S. 41–47) Bronzezeit auf dem griechischen Festland. Auch hier haben sich Fehler bzw. Ungenauigkeiten eingeschlichen, von denen zwei genannt werden sollen: Kakovatos liegt nicht in Messenien (S. 45), sondern in Elis. Die Existenz mykenischer Paläste in Athen, Orchomenos, Iolkos und Chania ist zwar durchaus möglich, aber nicht gesichert.
Das nächste Kapitel „Die Linear B-Texte“ (S. 47–49) bietet einen kurzen Überblick über ihr Erscheinungsbild, ihre Datierung und Verwendung. Da der obskure Fund eines Bernsteinobjektes auf dem Bernstorfer Berg (Gemeinde Kranzberg, Oberbayern), das rezent eingeritzte Linear B-Zeichen zeigt (s. dazu Jung 2017. – Harding – Hughes-Brock 2017.), Eingang in Fischers Monographie gefunden hat (S. 48), verwundert es, dass der Autor auf eine Erwähnung der Tholos von Volos/Kazanaki in Thessalien verzichtete. Über dem Entlastungsdreieck dieses Kuppelgrabes befindet sich eine Steinplatte mit sieben eingeritzten Zeichen, die Linear B-Zeichen ähneln (Del Freo 2008, 220. – Adrymi-Sismani – Alexandrou 2009, 133). Der ebenfalls auf S. 48 erwähnte Stein (es handelt sich um einen Kiesel) mit Linear B-Inschrift wurde nicht in Olympia, sondern ca. 5 km nördlich davon, in Kavkania, gefunden (Arapojanni – Rambach – Godart 2002). Abb. 37 auf S. 49 zeigt keine Amphora, sondern eine Bügelkanne. Das Subkapitel „Wie liest man Linear B-Texte?“ (S. 50) fällt durch die durchgängige Verwendung linguistischen Fachvokabulars, das leider nicht erklärt wird, auf. Generell ist festzuhalten, dass sich jene Kapitel, die sich mit Linear B beschäftigen, zu Teilen auf ein im Internet verfügbares Manuskript Josef Fischers stützen, das keinen Eingang in die Bibliographie des rezensierten Buches gefunden hat (Fischer 2003).
Mit „Staat und Gesellschaft“ ist das dritte Kapitel (S. 51–59) überschrieben. Auf der Grundlage von schriftlicher und archäologischer Überlieferung bietet es eine Beschreibung des mykenischen Palastsystems. Seine Gliederung in drei Subkapitel – „Der König“, „Die Beamten“ und „Sklaven“ – basiert vornehmlich auf der Evidenz der Linear B-Texte. Auch das vierte Kapitel „Wirtschaft“ (S. 59–66) beruht zu einem großen Teil auf der schriftlichen Überlieferung, und hier v.a. auf einer Reihe von Texten, die aus dem sog. Palast des Nestor in Pylos stammen. Die Texte der sog. E-Serie (eine Erklärung dieser Klassifizierung der Linear B-Texte, die sich nach dem Inhalt der Dokumente richtet, wird nicht gegeben; vgl. dazu Bartoněk 2003, 85–94) enthalten wichtige Informationen über Grundbesitz, aber auch über die soziale Hierarchie im Reich von Pylos. Von ihnen und zahlreichen anderen Serien ausgehend, und wiederum auch die archäologischen Befunde berücksichtigend, stellt Josef Fischer einzelne Aspekte der mykenischen Wirtschaft wie etwa Landwirtschaft und Viehzucht, Flachsanbau, verschiedene Handwerke (z.B. Maurer, Holzfäller, Schiffbauer, Töpfer) und Bronzeverarbeitung vor. Abschließend behandelt er noch die Handelsbeziehungen des mykenischen Griechenland mit dem Vorderen Orient, Ägypten, dem Mittelmeerraum und Zentraleuropa.
Das letzte Kapitel dieses Abschnittes ist mit „Religion“ überschrieben (S. 66–77). Im Subkapitel „Göttinnen und Götter“ (S. 67) weist der Autor auf die kontinuierliche Existenz mancher Gottheiten (wie etwa Zeus, Hera, Artemis und Hephaistos) in Bronze- und Eisenzeit hin, die in den schriftlichen Quellen gut belegt ist. Er lässt nicht unerwähnt, dass trotzdem unser Verständnis der mykenischen Religion lückenhaft ist, da die Linear B-Texte keine Angaben zum theologischen Gedankengut machen, sondern sich auf die wirtschaftlichen Aspekte des Kultbetriebes beschränken. Das Subkapitel „Heiligtümer“ (S. 68–73) basiert nun wieder vermehrt auf archäologischen Befunden. An seinem Beginn präsentiert Josef Fischer das Kultzentrum von Mykene. Leider haben die auf S. 68f. im Text angegebenen Nummern, die sich auf den Plan des Kultzentrums (Abb. 49) beziehen, in denselben keinen Eingang gefunden. Bei der Beschreibung der dort gefundenen Tonfiguren (S. 69f. mit Abb. 52) ist dem Autor ein Irrtum unterlaufen: Das in der Abbildung links gezeigte Idol stammt aus Tiryns, das rechte kommt aus Mykene, und nicht umgekehrt! Dieser Irrtum erklärt sich durch die Tatsache, dass die Abbildung seitenverkehrt wiedergegeben ist. Zu sehen ist die Tirynther Figur im Museum von Nauplion; das Idol aus Mykene befindet sich allerdings im dortigen Museum. Ebenfalls nicht korrekt angegeben ist der Aufbewahrungsort des Elfenbeinköpfchens, das in Abb. 53 (S. 70) gezeigt wird. Es ist ebenfalls im Museum von Mykene zu besichtigen und nicht im Museum von Nauplion. – Abgesehen vom Kultzentrum in Mykene beschreibt Josef Fischer Kultbezirke, die man innerhalb der Zitadellen von Midea und Tiryns gefunden hat, sowie Heiligtümer in Asine, Phylakopi auf Melos, Methana und auf dem Kynortion-Hügel südöstlich des Theaters von Epidauros. Die Subkapitel „Kultpersonal“ (S. 73) und „Rituale und Feste“ (S. 73f.) stützen sich wiederum vermehrt auf die schriftliche Überlieferung. So belegen die Linear B-Texte Opfergaben wie etwa Olivenöl, Honig oder Textilien, die Opferung von Schafen, Schweinen und Rindern sowie die Abhaltung von Festmahlen. Das Subkapitel „Bestattung und Totenkult“ (S. 74–77) beschließt diesen Abschnitt. Beginnend mit den Schachtgräberkreisen von Mykene stellt Josef Fischer auch noch Kuppel- und Kammergräber sowie einfache Bestattungen in Kisten- und Grubengräbern vor. Die Erklärung (S. 75), dass Kuppelgräber (auch Tholoi genannt) die typische Grabform der Elite seien, vereinfacht den Befund zu stark; in manchen Landschaften (z.B. in Messenien) haben auch weniger bedeutende Mitglieder der Gesellschaft oftmals Tholosgräber errichtet. Ebenfalls zu allgemein ist die Behauptung (S. 76), dass die jeweils letzte Bestattung in einem Kammergrab stets im Zentrum der Kammer beigesetzt wurde; es ist hier keine Regelhaftigkeit festzustellen. Frühmykenische Kammergräber finden sich nicht nur in der Argolis (S. 76); in Messenien haben Spyridon Marinatos und in seiner Nachfolge Georgios Korres in Chora/Volimidia eine bedeutende Kammergrabnekropole ausgegraben, deren Belegung mit Sicherheit in Späthelladisch (SH) I ihren Anfang nahm, und auch die Kammergräber in Epidauros Limera in Lakonien wurden ab der frühmykenischen Zeit in den Boden eingetieft.

Der dritte Textabschnitt trägt den Titel „Eine kleine Geschichte der mykenischen Kunst“ (S. 78–98). Den Anfang macht das Kapitel „Keramik“ (S. 78–82), wobei ich an dieser Stelle offen lassen möchte, ob für Tongefäße, die ja zum Gebrauch bestimmt waren, tatsächlich die Bezeichnung Kunstwerke passend ist. Der Autor gibt einen Überblick über die stilistische Entwicklung der mykenischen Keramik von der frühmykenischen Periode bis in die Nachpalastzeit (Abb. 1). Das Kapitel „Wandmalerei“ (S. 82–85) weist auf die Abhängigkeit der mykenischen Fresken von kretischen und kykladischen Wandmalereien hin. Neuerliche Ausgrabungen im Palast von Pylos haben nun ergeben, dass die ältesten bekannten Fresken des Festlandes nicht in SH IIB/IIIA1 datieren, sondern dass man bereits in MH III/SH I mit Wandmalereien zu rechnen hat (Egan im Druck). Die apodiktische Aussage, dass mit dem Untergang der Paläste die Freskomalerei in der Ägäis verschwunden (sic!) sei (S. 85), muss angesichts zweier Funde aus Mykene (Freskofragmente aus einem SH IIIC-Kontext im Kultzentrum und eine mit Stuck überzogene und bemalte Stele aus Kammergrab 70 der Kalkani-Nekropole, die in SH IIIC datiert) relativiert werden (Blakolmer 2012). Die Erwähnung dieser Stele erfordert eine weitere Korrektur des Buches: Im Schachtgräberkreis A von Mykene hat Schliemann entgegen Josef Fischers Angabe (S. 85) ausschließlich unbemalte Reliefstelen gefunden (Schliemann 1878. – Younger 1997); vermutlich liegt hier eine Verwechslung mit der genannten Stele aus Kammergrab 70 vor.
Die Kapitel „Skulptur“ (S. 85–87), „Idole“ (S. 88f.) und „Elfenbein, Fayence und Glas“ (S. 89–91) geben kurze Übersichten über die jeweiligen Themen: Großformatige Steinskulpturen sind mit den Stelen aus den Schachtgräbern von Mykene bereits aus der frühmykenischen Periode erhalten, während der Skulpturenschmuck des Schatzhauses des Atreus und des Löwentores deutlich jünger sind. Auf hohem Niveau befand sich die Elfenbein- und Beinschnitzerei, wie die erhaltenen Kämme, Spiegelgriffe, Figurinen und Pyxiden belegen (die auf S. 91, Abb. 77, abgebildete Elfenbeinpyxis aus Kammergrab I der Athener Agora befindet sich nicht im Athener Nationalmuseum, sondern im Agoramuseum). Das nächste Kapitel „Metallarbeiten“ (S. 92–96) ist in „Waffen und Werkzeuge“, „Gefäße“ und „Schmuck“ untergliedert. Aus Bronze wurden nicht nur diverse Waffen (Schwerter, Dolche, Lanzen) und Rüstungen hergestellt, sondern auch Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie etwa Messer, Sägen, Kessel, Kannen und viele andere. Neben Bronzegefäßen sind selbstverständlich auch jene Behältnisse zu erwähnen, die aus Silber und Gold erzeugt wurden. Dies leitet über zu den aus Edelmetall angefertigten Schmuckstücken: Diademe, Perlen, Ringe, Ohrringe, … Die auf S. 96, Abb. 89, gezeigten Preziosen stammen entgegen der Angabe in der Bildunterschrift nur zu einem Teil aus einem Grab, das in Koukaki gefunden wurde (Pantelidou 1975, 107–112, Taf. 48–50) (die Information, dass Koukaki ein Stadtteil von Athen ist, der unmittelbar südlich der Akropolis liegt, wäre hilfreich, gerade, da sich das Buch an Nicht-Fachleute richtet). Der andere Teil der Funde kommt aus der Tholos von Thorikos (Gasche – Servais 1971). Ein mit „Glyptik“ (S. 97f.) betitelter Abriss über die Steinschneidekunst beschließt diese tour de force über das mykenische Kunstschaffen.

Der vorletzte Textabschnitt widmet sich dem Thema „Die mykenischen Paläste“ (S. 99–121). Insofern mutet die auf S. 99, Abb. 93, gezeigte Karte mit der Bildunterschrift „Karte mit mykenischen Palästen“ kurios an, da sie nicht nur Fundorte mykenischer Paläste zeigt, sondern im Osten bis weit nach Anatolien reicht. Beginnend mit dem Kapitel „Argolis“ (S. 101–113) befasst sich der Autor zunächst mit „Mykene“ (S. 101–107): Einem kurzen Abriss über die mythologische Überlieferung und die Forschungsgeschichte (hier ist zu korrigieren, dass Schliemann nicht ab 1876 in Mykene tätig war [S. 101], sondern – abgesehen von einer kurzen Grabung im Februar 1874 – nur in diesem Jahr; s. etwa Einsle – Bölke 1996, 98–103 s.v. Mykene) folgt eine Darstellung des gesamten Fundortes, nicht nur des Palastes. Bei der Beschreibung der Tholosgräber ist dem Autor ein grober Schnitzer unterlaufen: Die Abbildungen 102 und 103 (S. 106f.) zeigen nicht, wie im Text und den Abbildungsunterschriften angegeben, das sog. Schatzhaus des Atreus (Abb. 2), sondern die sog. Tholos der Klytaimnestra. Die nächsten Subkapitel beschreiben die Burgen von Tiryns (S. 107–111) und Midea (S. 111–113). Bezugnehmend auf die Erwähnung des eine Eberjagd abbildenden Freskos aus Tiryns (S. 110) sollen an dieser Stelle die bedeutenden Neufunde von Freskofragmenten erwähnt werden, die 1999 entdeckt und von 2006 bis 2009 restauriert wurden (Maran – Papadimitriou – Thaler 2015). Für Tiryns ist mittlerweile die Annahme, dass es gegen Ende der mykenischen Palastzeit durch ein Erdbeben zerstört worden sei (S. 111), ablehnend beantwortet worden (Hinzen et al. 2015. – Hinzen et al. 2016).
Das Kapitel „Messenien“ enthält nur ein Subkapitel: „Pylos“ (S. 114–116). Nach einem Abriss über die Erwähnung von Pylos in den Mythen und über die vormykenische Besiedlung des Areals (für die Frühbronzezeit, genauer: für das späte FH III, sind vom Hügelrücken von Ano Englianos nicht nur Keramikfunde, sondern auch Baureste bekannt; Stocker 2003), beschreibt Josef Fischer die Palastanlage. Das letzte Kapitel behandelt „Boiotien“ (S. 117–121) und stellt die Anlagen von Theben, Orchomenos und Gla vor.

Der letzte Abschnitt von Fischers Monographie beschreibt „Krise und Untergang“ (S. 122–137) der mykenischen Kultur. Es beginnt mit dem Subkapitel „Die Katastrophe um 1200 v. Chr.“ (S. 122–128). Der Autor erwägt mögliche Gründe für die Zerstörungen, die am Ende der Palastzeit das griechische Festland heimsuchten und stellt Baumaßnahmen dar, durch die in SH IIIB die Fortifikationen verschiedener Fundorte verstärkt wurden. Linear B-Texte aus Pylos lassen den Schluss zu, dass man eine Gefahr erwartete, die über das Meer kommen sollte. Darüber hinaus geht Josef Fischer nochmals auf die Möglichkeit von Zerstörungen durch Naturkatastrophen (Erdbeben, Dürre) ein. Ein „Ausblick: Die sog. ‚dunklen Jahrhunderte‘ Griechenlands“ (S. 128–133) sowie ein „Exkurs: Homer und Troia“ (S. 134–137) beschließen den Textteil des Buches.

Abgesehen von den zahlreichen Fehlern und Irrtümern, die dem Autor anzulasten sind (die hier vorliegende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit), ist es auch bedauerlich, dass das Buch wohl keinem Lektorat unterzogen wurde. Anders kann man sich manches nicht erklären, so etwa die große Vielfalt, wie der Terminus „Dunkle Jahrhunderte“ geschrieben wird: S. 7: sog. Dunkle Jahrhunderte; S. 7: „Dunkle Jahrhunderte“; S. 9, S. 130, S. 132: sog. dunkle Jahrhunderte; S. 10: sog. „Dunkle Jahrhunderte“; S. 128: sog. „dunkle Jahrhunderte“; S. 128, S. 130: „dunkle Jahrhunderte“. Auch die Grammatik mancher Sätze lässt zu wünschen übrig: man liest etwa auf S. 18: „Für diese Grabungskampagne zog Schliemann die Ratschläge anderer Forscher, wie des Archäologe E. Burnouf, zu Rate.“ Oder auf S. 128: „Daher hat die Bezeichnung ‚dunklen Jahrhunderte‘ aus historischer Sicht immer noch ihre Berechtigung.“ Kurios ist auch auf S. 32: „Die Längsseiten entlang laufen zwei Korridore, […]“. Nicht korrigierte Tippfehler gibt es etliche: S. 18: „[…] Palst von Knossos […]“; S. 46, Abb. 34: Nichoria mykensiches Tholosgrab, S. 69: „[…] betrat man das Haus der Idole (aus als Tempel bezeichnet).“; S. 110: Ostgallerien; S. 120, Abb. 119: Zuitadelle. Da stört es dann nur noch wenig, dass Termini wie „minoisch“ oder „frühmykenisch“ meist in Kleinschreibung, manchmal aber dann doch in Großschreibung zu lesen sind.
Es ist schwer, ein Überblickswerk zu verfassen, das in kurzer Form präzise und verständlich ein großes Thema beschreibt, und man sollte meinen, dass Josef Fischer nach den von ihm publizierten Monographien über die „Griechische Frühgeschichte bis 500 v. Chr.“ (Darmstadt 2010) und „Die Perserkriege“ (Darmstadt 2013) (beide wurden von der Rezensentin nicht gelesen) wusste, welche Arbeit und Verantwortung er auf sich nimmt. Und gerade ein Buch, das sich nicht primär an Fachleute richtet, sollte so wenige Fehler wie nur möglich enthalten. Die vielen Unzulänglichkeiten erzeugen jedoch das Bedürfnis, jeden Satz, jedes Foto zu hinterfragen bzw. zu überprüfen. Insofern bleibt nur die Hoffnung, dass das auf der Homepage des Kohlhammer-Verlages für das dritte Quartal 2018 angekündigte Buch Josef Fischers mit dem Titel „Die Mykener“ (https://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/Geschichte/Alte-Geschichte/Die-Mykener/, letzter Zugriff: 7. Dezember 2017) weniger Fehler enthält. Oder man greift auf Louise Schofields 2009 erschienene Monographie „Mykene. Geschichte und Mythos“ zurück, bei der es sich um die deutsche Übersetzung des von der British Museum Press herausgegebenen Buches „The Mycenaeans“ (London 2007) handelt.

Bibliographie
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D. A. Traill, Schliemann of Troy. Treasure and deceit, New York 1995.

Tsountas 1908
Chr. Tsountas, Αἱ προϊστορικαὶ ἀκροπόλεις Διμηνίου καὶ Σέσκλου (Βιβλιοθήκη τῆς ἐν Ἀθήναις Ἀρχαιολογικῆς Ἑταιρείας 14) Athen 1908.

Younger 1997
J. G. Younger, The stelai of Mycenae Grave Circles A and B, in: R. Laffineur – P. Betancourt (Hrsg.), TEXNH. Craftsmen, craftswomen and craftsmanship in the Aegean Bronze Age. Proceedings of the 6th International Aegean Conference/6e Rencotre égéenne internationale, Philadelphia, Temple University, 18–21 April 1996 (Aegaeum l6) Liège – Austin 1997, 229–239.

Josef Fischer, Mykenische Paläste. Kunst und Kultur (Zaberns Bildbände; Sonderbände der Antiken Welt)
Darmstadt 2017
Hardcover mit Schutzumschlag 144 S., 130 Farb- und 9 Schwarzweißabbildungen
Philipp von Zabern ISBN: 978-3-8053-4963-5
Preis: 39,95 €

© Michaela Zavadil
e-mail: Michaela.Zavadil@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: M. Zavadil, Das mykenische Griechenland. Rezension zu J. Fischer, Mykenische Paläste. Kunst und Kultur (Darmstadt 2017), Forum Archaeologiae 85/XII/2017 (http://farch.net).



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