Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 53 / XII / 2009

CAMPANARELIEFS IN EPHESOS?

In den sechziger und frühen siebziger Jahren des 20.Jhs. wurden von Wilhelm Alzinger innerhalb der Basilika am Staatsmarkt Grabungen zur Erforschung der Basilika, der sog. Stierkopfhalle, durchgeführt. 1985 und 1986 wurden von ihm neuerlich Untersuchungen veranlasst, um Aufschluss über die Baugeschichte zu erhalten [1]. Trotz der scheinbar großen Anzahl an Suchschnitten - insgesamt 35 Sondagen - gibt ein Blick auf den Plan die verhältnismäßig bescheidene untersuchte Fläche gegenüber der Gesamtfläche der Basilika zu erkennen.
Aus fünf Sondagen, die in den Jahren zwischen 1963 und 1972 sowie 1985 und 1986 ausgehoben worden sind, konnten 43 Relieffragmente aus Ton geborgen werden. Selbst eine genaue Auswertung der Dokumentation ermöglichte es nicht alle Fragmente einem exakten Fundort zuzuweisen.

Auffallend sind zwei Bereiche, in dem die Relieffragmente gehäuft zutage getreten sind. Das sind das Westende der Basilika und etwa die Mitte, in der eine Sondage quer über den gesamten Bau gelegt wurde. Das Ordnen nach gleichen Dekorationsmustern, ergab zwei verschiedene Tonfriese, die mit den Bezeichnungen A1 und A2 unterschieden werden [2].
Alle Fragmente fanden sich in einer Planierschicht unter dem Boden der Basilika. Durch die Bauinschrift der Basilika, deren Vollendung im Jahr 11 n.Chr. erfolgt ist [3], ergibt sich für die Produktion der beiden Friese ein terminus ante quem. Die Mitte des 1.Jhs. v.Chr. scheint nach den archaisierenden Büsten und dem Gorgoneion [4] als Datum für die Herstellung der Tonreliefs sehr wahrscheinlich.
Von A1 soll in diesem Beitrag vorweg eine Auswahl der Fragmente gezeigt und eine Rekonstruktion vorgeschlagen werden. Die verschiedenen Bruchstücke lassen sich zu einem Architekturfries zusammenführen, der aus einer unbestimmten Zahl von Platten zusammengesetzt war und auf dem in wechselnder Folge Palmetten, Gorgoneia und Büsten abgebildet sind.

Die Frieszone wird von einem Eierstab mit Perlstab, die von einem glatten Kymation aus Hohlkehle und Leiste bekrönt sind, nach oben abgeschlossen; die Unterkante der Frieszone bildet ein schmaler Steg. Palmetten und Gorgoneia der Frieszone sind gleichbleibend, die Büsten jedoch treten in wechselnder Abfolge auf, wie aus den zwei unterschiedlich gestalteten Büsten, die geborgen wurden, geschlossen werden kann: eine zur Gänze erhaltene, die Dionysos darstellt, blickt nach links und die zweite, von der nur der Kopf gefunden wurde, blickt nach rechts und stellt eine weitere männliche Vatergottheit dar; zusätzliche Götter und Göttinnen sind in dieser Abfolge zu vermuten.

Da nur vom Eierstab anpassende Fragmente vorhanden sind, kann die Rekonstruktion nur ein Vorschlag der bildlichen Zusammenstellung einer Platte sein; es kann auch kein Anspruch auf die Wiedergabe genauer Maße erhoben werden. Die Anordnung ergibt sich durch die Achskorrespondenz des Eierstabes mit dem Astragal sowie dem Zentralblatt der Palmette, das eine Vertikalachse mit dem Zwischenglied des Eierstabes bildet. Daraus lässt sich ein vertikaler und zentralsymmetrischer Aufbau einer Platte ableiten.

Nach Fertigstellung der Rekonstruktion durch Fotomontage liegt nun ein Vorschlag vor, der ein verblüffendes Ergebnis zeigt, nämlich eine große Ähnlichkeit mit den Campanareliefs. Das errechnete Maß von 26-28x57cm fügt sich in die übliche Bandbreite der bekannten Maße mittelitalischer Reliefs der hellenistisch - römischen Zeit [5].
Ein wesentlicher Unterschied zu den Campanaplatten ist die fehlende Vertikalausrichtung der Zwischenelemente; selbst zentralsymmetrisch angeordneter Dekor erfolgt nur optisch, wie eine dahingehende Überprüfung einiger Stücke ergeben hat. Technisch - die abgesetzte untere Leiste - und motivisch ist ein Zusammenhang mit den Campanareliefs nicht zu übersehen; besonders, wenn die bei Rohden - Winnefeld abgebildeten Platten mit Götterbüsten zum Vergleich herangezogen werden [6].
Nach Rohden - Winnefeld [7], Durm [8] und Borbein [9] sind die Campanareliefs als Dachterrakotten verwendet worden, wie es für die Sakralarchitektur belegt ist. Nach den Grabungsbefunden wurden vergleichbare Reliefs aber auch in der Privatarchitektur mittelitalischer Häuser zur Ausgestaltung der Dachöffnung im Atrium verwendet [10].
Verschiedene Möglichkeiten der Befestigung werden unterschieden, die bereits durch die technischen Merkmale der Platten vorgegeben sind, wie Heftlöcher zur Befestigung an Balken oder die abgesetzte Leiste des unteren Randes - der Steg, der die Verwendung als sog. Stecksimen [11] nahelegt. Der Zustand der ephesischen Funde spricht jedoch für einen anderen Gebrauch, denn die mittels Werkzeug oder Fingerkuppen aufgerauten Flächen der Rückseiten und die verbliebenen Reste von Mörtel, der sehr gut vom Sinter unterschieden werden kann, spricht gegen die zuvor angeführten Verwendungen. Die Platten waren wohl an einer Wand appliziert, so wie es Coarelli für eine Domus in Fregellae, deren Ausstattung der erste Hälfte des 2.Jhs. v.Chr. zugerechnet wird, vorschlägt [12]: als repräsentative Frieszone in einem Tablinum oder Atrium, in dem sie üblicherweise die Dachöffnung dekorativ verkleidet haben. Coarelli zieht für diesen Vorschlag die Wohnhäuser aus Delos zum Vergleich heran, in denen derartige fortlaufende Frieszonen in bemaltem Stuck ausgeführt sind [13]. Die delischen Beispiele scheinen mir auch ein passender Vergleich für das ephesische Dekorationsschema zu sein. Zum Einen sind Stuck verkleidetet Wände in ephesischen Häusern noch für die frühe Kaiserzeit belegt [14] und zum Anderen spricht der auf der Rückseite verbliebene Mörtel doch sehr für eine Versetzung an der Wand.

Nach Auswertung der archäologischen Dokumentation kann eine hellenistische Stoa als Vorgängerbau der Basilika angesprochen werden [15]. Diese Stoa dürfte - wie auch die Basilika - in Kammern unterteilt gewesen sein. In einigen dieser abgeteilten Räume könnten die Relieffragmente als Wandschmuck verwendet worden sein. Diese Annahme ist Gegenstand einer Erörterung des abschließenden Kapitels der in Vorbereitung stehenden Publikation.

[1] W. Alzinger, Die Lokalisierung des hellenistischen Rathauses von Ephesos, in: Bathron, FS für H. Drerup, Saarbrücker Studien zur Archäologie und alten Geschichte Bd. 3, 1988, 21-30, ist die einzige zusammenfassende Publikation der Grabungsergebnisse. Zuletzt zur Baugeschichte s. V. Mitsopoulos-Leon - C. Lang-Auinger, Die Basilika am Staatsmarkt in Ephesos. 2. Teil: Funde klassischer bis römischer Zeit, FiE IX 2/3 (Wien 2007) 124-169.
[2] Eine umfassende Publikation beider Friese ist in Vorbereitung.
[3] D. Knibbe - H. Engelmann - M. Büyükkolancı, Neue Inschriften aus Ephesos XII, 80. Basilica des Sextilius Pollio am Staatsmarkt, ÖJh 62, 1993, 148-149.
[4] H. Hörmann, Die inneren Propyläen von Eleusis (Denkmäler antiker Architektur. Bd. 1, Berlin 1932); G. E. Mylonas, Eleusis and the Eleusinian Mysteries (Princeton 1961) 159-160; K. Preka-Alexandri, Eleusis (Athen 1991) 33 Abb. 19.
[5] H. von Rohden - H. Winnefeld, Architektonische römische Tonreliefs der Kaiserzeit (Berlin 1911) passim.
[6] Rohden - Winnefeld a. O. 3 Abb. 1 und 4, Taf. 114, 3.
[7] Rohden - Winnefeld a. O. 45*.
[8] J. Durm, Handbuch der Architektur, Die Baukunst der Etrusker und der Römer (2. Aufl., Stuttgart 1905) 330 Abb. 359c.
[9] A. H. Borbein, Campanareliefs. Typologische und stilkritische Untersuchungen, RM Ergh. 14 (Heidelberg 1968) 17-19.
[10] Zu den jüngsten Funden vgl. F. Coarelli, Due fregi da Fregellae: un documento storici della prima guerra Siriaca?, Ostraka 3/1, 1992, 93-108.
[11] Vgl. dazu R. v. Känel, Ein neuer Fundkomplex architektonischer Terrakotten aus Fregellae, Ostraka 3/1, 1992, 109-122, bes. 110; weitere Ausführungen dazu in: ders., Bilderzyklen aus Terrakotta. Untersuchungen zur etruskisch-italischen Baudekoration des 3. und 2. Jahrhunderts v. Chr. (in Vorbereitung).
[12] Coarelli a. O. Nr. 5, 106 f. Abb. 18.
[13] Ebenda.
[14] C. Lang-Auinger, Das Hanghaus 1 von Ephesos. Der Baubefund, FiE VIII/4 (Wien 1996) 93 Tafabb. 34f.
[15] V. Mitsopoulos-Leon - C. Lang-Auinger, Die Basilika am Staatsmarkt in Ephesos. 2. Teil: Funde klassischer bis römischer Zeit, FiE IX 2/3 (Wien 2007) 124-169.


© Claudia Lang-Auinger
e-mail: claudia.lang@oeaw.ac.at


This article should be cited like this: C. Lang-Auinger, Campanareliefs in Ephesos?, Forum Archaeologiae 53/XII/2009 (http://farch.net).



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