Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 49 / XII / 2008

KURZBERICHT ÜBER DIE ARBEITEN IN PALMYRA 2008

Im Rahmen des deutsch/österreichisch-syrischen Kooperationsabkommens fand vom 23. August bis 28. September 2008 eine weitere Arbeitskampagne in Palmyra statt, die der Aufarbeitung des Fundmaterials aus dem späthellenistisch-kaiserzeitlichen Karawanenbau (Abb. 1) im Bereich der hellenistischen Stadt diente (s. Forum Archaeologiae 37/XII/2005). Zuvor waren Funde und Befunde aus dem Karawanenbau weiter bearbeitet, ausgewählte Funde restauriert worden (Abb. 2-3) [1]. Bisherige Ergebnisse wurden auf Kolloquien zur Diskussion gestellt bzw. publiziert [2].


1. Wandmalerei
Die Wandmalereifragmente aus dem ‚Khan' wurden erneut ausgelegt und gesichtet mit dem Ziel, einzelne Dekorationssysteme zu rekonstruieren und auf Basis der Schichtenmatrix bestimmten Räumen zuzuordnen. So lässt sich z.B. für einen der Räume eine Wanddekoration mit hexagonalen Feldern und Rundmedaillons mit figürlichen Darstellungen (imagines clipeatae) rekonstruieren (Abb. 4), wie sie ähnlich im ‚Grab der Drei Brüder' erhalten sind (Abb. 5).


Darüber hinaus gelang es partiell, Zusammenhänge zwischen gemalten und stuckierten Wanddekorationen zu ermitteln (Abb. 6). Außerdem wurde eine Machbarkeitsstudie über die weitere wissenschaftliche Bearbeitung, Konservierung und mögliche museale Präsentation sowie die Endlagerung dieses Materials erstellt.


2. Glas-, Metall- und Keramikfunde
Die Glas-, Metall- und Keramikfunde wurden weiter aufgenommen und bearbeitet (Abb. 7). Zugleich wurde das Material nach folgenden drei Entscheidungskriterien bzw. Kategorien gesichtet: entweder mögliche museale Präsentation (z.B. Abb. 2a-3, 7), oder Lagerung im Depot des Museums, oder Endlagerung außerhalb des Museums.

3. ‚Kleinfunde' und Funktionsanalyse
Alle ‚Kleinfunde' wurden erneut gesichtet und eine Datenbank erstellt, die es ermöglicht, das Material nach Fundgattungen im Kontext der Befunde nach Straten und Räumen aufzuzeigen mit dem Ziel einer Funktionsanalyse einzelner Räume. Aufgrund des extremen Versturzes aller Befunde ist eine definitive Zuweisung einzelner Funde zu bestimmten Räumen schwierig. Die Fundkonzentration bzw. Fundverteilung einzelner Fundgattungen im Bau lässt aber, abgesehen vom zentralen Hof, in dem alle Fundgattungen vertreten sind, verschiedene funktionale Bereiche innerhalb des Baus unterscheiden (vgl. Abb. 1). So lassen sich etwa für den Südwesten des Baus (Räume A/B) Tätigkeiten im Zusammenhang mit ‚Religion und Kult' erschließen, für den Nordwesten (Räume R/P) ‚Fernhandel und Wirtschaft', für Raum F ‚Waschen und Reinigen', für Raum K ‚Spiel und Unterhaltung'. Der Südosten des Baus (Räume D/G/M) diente offenbar herrschaftlichen Banketten und der Speisezubereitung.

Für die allgemeine zeitliche Einordnung des ‚Khan' bestätigt sich das bereits gewonnene Bild: Offenbar wurde der Bau bald nach Einrichtung der römischen Provinz Syria (64 v.Chr.) konzipiert bzw. errichtet. In der ersten Hälfte des 2.Jhs. n.Chr. muss der Bau weitgehend durch Brand zerstört und im Anschluss daran wieder aufgebaut worden sein. Zur Ausstattung dieses ‚Neubaus' dürften die luxuriösen Wandmalereien und Stuckdekorationen gehören. Die Zerstörung oder Aufgabe der Anlage gegen Ende des 3.Jhs. n.Chr. ist möglicherweise im Zusammenhang mit der Einnahme Palmyras durch Aurelian im Jahr 272/3 n.Chr. zu verstehen.
Der Architekturbefund des ‚Khan' wird derzeit als Monument N209 in einen topographischen Gesamtplan von Palmyra (Atlas de Palmyre I: Topographia Palmyrena) eingebracht, der in Kooperation zwischen DAI, DGAM, Institut Français du Proche Orient und Polish Institute of Mediterranean Archaeology erstellt wird (Abb. 8).
Das Projekt soll in den kommenden zwei Jahren zum Abschluss gebracht werden. Für das Museum von Palmyra ist eine Ausstellung geplant, welche die Funde und Befunde aus dem Areal der ‚hellenistischen' Stadt in einen größeren Zusammenhang stellt. Parallel dazu sind die Wanddekorationssysteme genauer zu rekonstruieren und, abgesehen von Stuck- und Putzanalysen, die Raumausstattungen der Wandmalerei mit den Stuckdekorationen zu korrelieren. Die Bearbeitung der Kleinfunde und der Keramik soll abgeschlossen werden. Restliche Tierknochenfunde und botanische Reste sollen osteoarchäologisch bzw. archäobotanisch untersucht werden. Funktionsanalysen sollen spezifiziert und die abschließende Publikation vorbereitet werden.


Links:
http://klass-archaeologie.univie.ac.at/index.php?id=18025#c41401
http://www.dainst.org/index_625_de.html

[1] Das Projekt wird weiter in Kooperation zwischen der Außenstelle Damaskus der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), der Generaldirektion der Altertümer und Museen Syriens (DGAM), und dem Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien durchgeführt und vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanziert. An der wissenschaftlichen Aufarbeitung sind beteiligt: S. Bortenschlager (Univ. Innsbruck, Archäobotanik), G. Plattner (KHM Wien, Architektur und Bautechnik), R. Ployer (Univ. Wien, Glas- und Metallfunde), Chr. Römer-Strehl (Univ. Bonn, Keramik), Ph. Schwinghammer und W. Szaivert (Univ. Wien, Münzen) und B. Tober (Univ. Salzburg, Wandmalerei). Restaurierungsarbeiten führten K. Herold und U. Egger (Österreichisches Archäologisches Institut Wien) durch. Allen genannten sei auch an dieser Stelle gedankt.
[2] F. Laubenheimer - Kh. Al-As'Ad - A. Schmidt-Colinet, Des amphores à Palmyre. Le matériel des fouilles récentes de la mission syro-allemande, in: M. Sartre (Hrsg.), Productions et Echanges dans la Syrie Gréco-Romaine, Intern. Coll. Tours 2003, Topoi Suppl. 8 (2007) 329-355 (mit Beiträgen von G. Schneider und N. Garnier); A. Schmidt-Colinet - W. Al-As'Ad, Zur Urbanistik des hellenistischen Palmyra. Zweiter Vorbericht, ZOrA 1, 2008 (mit Beiträgen von R. Ployer und Chr. Römer-Strehl, im Druck); G. Plattner - A. Schmidt-Colinet in: Österr. Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Städtisches Wohnen im östlichen Mittelmeerraum. Intern. Koll. Wien 2008 (im Druck); R. Ployer, Glas aus Palmyra. Funde aus den Grabungen in der ‚hellenistischen' Stadt, in: V. Gassner - M. Meyer (Hrsg.), Akten des 12. Österreichischen Archäologentages Wien 2008 (im Druck). - Kurzberichte: AA 2007, 189 Abb. 17-18; AW 5/2008, 6; A. Schmidt-Colinet, Palmyra (Syrien) - Untersuchungen in der 'hellenistischen' Stadt, in: DAI Orient-Abteilung, Aktuelle Forschungsprojekte (2008) 94-95.

© Andreas Schmidt-Colinet und Mitarbeiter
e-mail: andreas.schmidt-colinet@univie.ac.at


This article should be cited like this: A. Schmidt-Colinet, Kurzbericht über die Arbeiten in Palmyra 2008, Forum Archaeologiae 49/XII/2008 (http://farch.net).



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